L 6 U 84/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 17/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 84/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger wegen dessen gesundheitlichen Folgen Verletztenrente zu zahlen ist.

In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 27. Januar 2003 zu einem Arbeitsunfall des 1960 geborenen Klägers vom 4. Juli 1986, bei dem sein linkes Auge geschädigt wurde, ist festgehalten, dass sich der Kläger Anfang der 1980er Jahre auf dem Nachhauseweg von der Arbeit eine Verletzung des rechten Auges zugezogen habe. Er und Kollegen seien von Algeriern angegriffen worden. Ferner vermerkte die Beklagte unter dem 1. November 2004, der Kläger habe sich am Vatertag 1983 auf dem Weg von der Arbeit nach Hause bei einer Schlägerei das rechte Auge verletzt. Aus dem von der Beklagten beigezogenen Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) des Klägers ging hervor, dass bei ihm wegen einer Augenkontusion vom 13. Mai bis zum 6. Juni 1983 Arbeitsunfähigkeit bestanden hatte. Im Gegensatz zum Unfall vom 4. Juli 1986 ist ein Geschehen vom 12. bzw. 13. Mai 1983 im SV-Ausweis nicht als anerkannter Arbeitsunfall vermerkt.

Ergänzend teilte der Kläger unter dem 3. und 11. März 2006 mit, der Unfall habe sich in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1983 gegen 23.40 Uhr ereignet. Schichtende in seinem ehemaligen Betrieb, dem VEB S. Wilhelm Pieck M., sei um 22.15 Uhr gewesen; danach habe er noch geduscht und sich umgekleidet. Nach dem Verlassen des Betriebsgeländes am A.-B.-D. habe er um 22.45 Uhr die Straßenbahnlinie 10 in R. benutzt und sei in Richtung Innenstadt gefahren. Nach dem Aussteigen um 23.38 Uhr habe er sich in den Bereich der Umsteigestelle Wilhelm-Pieck-Allee Ecke Karl-Marx-Straße begeben, um mit der Straßenbahnlinie 4 in seine Wohnung in der G. D. Straße 27 zu fahren. Dort habe er an der Haltestelle einen Krückstock ins rechte Auge bekommen. Es habe sich um keine Auseinandersetzung gehandelt. Eine solche habe zwar zwischen Ausländern stattgefunden. Hierin sei er aber nicht verwickelt gewesen. Zeugen des Unfalls seien u.a. seine ehemaligen Arbeitskollegen F. H. und D. S ... Alkohol habe er nicht zu sich genommen gehabt.

Auf Anfrage der Beklagten gab der Zeuge H. in seiner schriftlichen Aussage vom 13. Mai 2006 an, der Unfall habe sich um ca. 23.00 Uhr an der Straßenbahnhaltestelle W.-P.-Allee ereignet. Beim Einsteigen in die Anschlussbahn sei der Kläger am rechten Auge verletzt worden. Ein vor ihm gehender Mann habe sich gedreht und ihn versehentlich mit seinem Stock getroffen. Das rechte Auge sei aufgeplatzt gewesen. Sie hätten den Kläger dann ins Krankenhaus gebracht. Hierzu habe er bereits im Unfallfragebogen des ehemaligen Betriebes Angaben gemacht. In seiner schriftlichen Aussage vom 15. Juni 2006 teilte der Zeuge S. mit, der Unfall habe sich am 13. Mai 1983 zwischen 23.00 und 23.30 Uhr beim Umsteigen in die Straßenbahn an der W.-P.-Allee ereignet. Der Kläger habe von einem Passanten einen Krückstock ins rechte Auge bekommen, das dann aufgeplatzt sei.

Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei: Aus dem Bericht der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses A. M. an die Augenklinik der Medizinischen Akademie M. (nunmehr Universitätsaugenklinik) vom 13. Mai 1983 war hervorgegangen, dass der Kläger um 0.45 Uhr in stark alkoholisiertem Zustand dorthin gebracht worden sei. Nach seinen Angaben habe ihm auf dem Nachhauseweg aus der Gaststätte ein junger Mann einen Spazierstock gegen das rechte Auge geschlagen. Kurzzeitig habe Bewusstlosigkeit bestanden. Im Bereich der linken Augenbraue finde sich eine 1 cm lange flache Platzwunde, eine Kontusionsnarbe am Nasenrücken und klinisch eine stärkere Kontusion des rechten Bulbus oculi (Augapfel) mit konjunktivaler (die Bindehaut betreffende) Injektion, Ödemen, erweiterter, lichtstarrer und unrunder Pupille sowie ein weitgehender Visusverlust. Am 13. Mai 1983 hatte sich der Kläger zudem in der Augenklinik der Medizinischen Akademie M. vorgestellt. Zum Unfallgeschehen war festgehalten worden, dass der Kläger auf dem Nachhauseweg von einem jungen Mann mit einem Spazierstock am rechten Auge verletzt worden sei. Die Verletzung sei unter starkem Alkoholeinfluss erfolgt. Der Kläger sei stark alkoholisiert gewesen. In einer Bestandsliste der bei ihm vorgefundenen Wertgegenstände ist vermerkt, er sei nicht ansprechbar gewesen. Klinisch fänden sich rechts Ober- und Unterlidschwellungen, eine erhebliche Bindehautchemosis (Flüssigkeitsansammlung), mehrere bandförmige Hornhauterosionen, ein aufgewirbeltes und teilweise flockiges Hyphaema (Blutansammlung in der vorderen Augenkammer), eine queroval entrundete Pupille, die träge reagiere, und besonders temporal eine abgeflachte Vorderkammer. Beim Blick nach unten rechts und links habe der Kläger geringe Einschränkungen der Motilität, beim Blick nach rechts, rechts oben und rechts unten Doppelbilder angegeben. Er habe die Klinik gegen ärztlichen Rat verlassen. Als Diagnose war eine Contusio bulbi rechts mit Hyphaema festgehalten worden (Bericht vom 3. Juni 1983).

Auf Veranlassung der Beklagten hatte der Direktor der Universitätsaugenklinik M. Prof. Dr. B. zum Arbeitsunfall vom 4. Juli 1986 das Gutachten vom 11. Januar 2005 erstellt. Bei der am 10. Dezember 2004 durchgeführten Untersuchung habe die Sehschärfe des rechten Auges für die Ferne ohne Korrektur 0,16 und mit Korrektur 0,25 betragen (links 0,63 mit und ohne Korrektur). Für die Nähe seien rechts ohne Korrektur 0,1 und mit Korrektur 0,3 (links wiederum jeweils 0,63) erreicht worden. Für das rechte Auge ergebe sich damit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (vH). In einem weiteren Gutachten vom 8. November 2005 hatten die Dres. O. und M. von der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums L. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 8. November 2005 für das rechte Auge Visuswerte von 0,03 ohne und 0,1 mit Korrektur gemessen und daraus eine MdE um 20 vH abgeleitet.

Auf Ersuchen der Beklagten wurden die Zeugen H. und S. am 24. Oktober 2006 vom Sozialgericht (SG) Magdeburg vernommen. Der Zeuge H. erklärte, der 13. Mai 1983 sei kein Feiertag gewesen; der Herrentag sei nicht frei gewesen. Zusammen mit dem Kläger und dem Zeugen Schubert sei er nach Schichtende gegen 22.00 Uhr mit der Straßenbahn in die Stadt gefahren, um dort umzusteigen. Er habe denselben Weg wie der Kläger gehabt, da er seine Freundin habe aufsuchen wollen. Im Gedränge des Einsteigens in die Straßenbahn, vermutlich die Linie 5, habe der Kläger gegen 23.00 Uhr einen Spazierstock in das rechte Auge bekommen. Er habe ihn dann in das nahegelegene Krankenhaus Altstadt gebracht. Gemeinsam mit dem Kläger habe er keinen Alkohol getrunken, auch nicht nach der Verletzung. Ob der Kläger allein etwas getrunken habe, wisse er nicht. Seine Angaben könnten auch im Unfallbogen des ehemaligen Betriebes nachgelesen werden. Der Zeuge S. bekundete, dass die Spätschicht um 22.00 Uhr geendet habe. In der Straßenbahn Richtung Zentrum habe er den Kläger und den Zeugen H. getroffen. Gegen 22.45 Uhr seien sie im Zentrum ausgestiegen und zu einer anderen Haltestelle gelaufen. Dort sei ca. 10 Minuten später eine Straßenbahn der Linie 4 eingetroffen. Beim Einsteigen habe ziemliches Gedränge geherrscht. Er sei vor dem Kläger und dem Zeugen H. gegangen. Plötzlich habe er den Ausruf: "Autsch, kannst du nicht aufpassen!” gehört. Er habe sich umgedreht und gesehen, wie der Kläger sich das Auge gehalten habe. Der Kläger und der Zeuge H. seien draußen geblieben. Er könne nicht mehr sagen, ob in der Straßenbahn von R. bis ins Zentrum Alkohol getrunken worden sei. Auf dem Weg von R. bis zum Umsteigen hätten sie jedenfalls keine Gaststätte aufgesucht. Ob der 13. Mai 1983 Herrentag gewesen sei, wisse er nicht mehr.

Nachforschungen der Beklagten zu weiteren medizinischen Befunden sowie betrieblichen Unterlagen zum Geschehensablauf bei der Landeshauptstadt M., der S. GmbH W., der Polizeidirektion M. sowie der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft erbrachten keine weiteren Erkenntnisse, weil sich keine Unterlagen zu einem Unfall aus fraglicher Zeit auffinden ließen. Aus einem von der Beklagten ermittelten Fragebogen der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft, den der Kläger unter dem 3. Januar 1990 ausgefüllt hatte, ging hervor, dass er am 4. Juli 1986 beim Brennen Glut in das rechte und linke Auge bekommen habe, wodurch das rechte Auge völlig geschädigt und das linke Auge beeinträchtigt worden sei.

Mit Bescheid vom 16. November 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Unfalls vom 13. Mai 1983 ab. Es sei nicht voll erwiesen, dass ein versicherter Wegeunfall vorliege. Von seiner ursprünglichen Sachverhaltsschilderung, einer Auseinandersetzung mit Ausländern, sei der Kläger später abgerückt. Während die Aussage des Zeugen S. unergiebig sei, habe der Zeuge H. die spätere Unfallschilderung des Klägers zwar im Wesentlichen bestätigt. Aus der Patientenakte der Universitätsaugenklinik M. ergebe sich jedoch ein abweichender Sachverhalt, nämlich eine starke Alkoholisierung des Klägers und der Nachhauseweg von einer Gaststätte.

Hiergegen erhob der Kläger am 15. Dezember 2006 Widerspruch und legte dar: Um 22.38 Uhr sei er von der Abfahrtstelle "R.” bis zur Haltestelle "Gaststätte S. P.” gefahren, was 17 Stationen und eine Fahrzeit von ca. 50 Minuten beansprucht habe. Von dort aus habe er sich in Richtung D. begeben, um in die Straßenbahnlinie 4 nach D. umzusteigen. Er sei folglich nicht aus einer Gaststätte gekommen, sondern von der zuvor genannten Haltestelle aus weiter gegangen. Auf der Warteinsel des D. sei es zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen zwischen algerischen, kubanischen und deutschen Staatsangehörigen gekommen, an denen er nicht beteiligt gewesen sei, sie jedoch beobachtet habe. Beim Versuch, in die Straßenbahn einzusteigen, sei es dann zum Unfallgeschehen gekommen. Im Krankenhaus A. sei er vor Mitternacht eingetroffen. Die in den Unterlagen angegebene Uhrzeit (0.45 Uhr) gebe nicht die Aufnahmezeit, sondern den Behandlungszeitpunkt wieder. Vorher habe er mindestens 45 Minuten in der Unfallaufnahme warten müssen. Vor ihm sei noch eine Frau mit schweren Schnittverletzungen behandelt worden. Wie die Angabe einer Alkoholisierung in den Patientenunterlagen zustande gekommen sei, sei nicht nachvollziehbar. Am besagten Tag habe er jedenfalls keinen Alkohol getrunken. Möglicherweise sei seine Kleidung beim Einsteigen in die Straßenbahn oder zuvor von anderen alkoholisierten Fahrgästen mit Alkohol benetzt worden.

Mit am selben Tag abgesandtem Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 9. März 2007 hat der Kläger beim SG D. Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen vertieft: Wie der Aktenvermerk vom 27. Januar 2003 zustande gekommen sei, könne er sich nicht erklären. Mit dem entsprechenden Mitarbeiter der Beklagten habe er erstmals im Jahr 2006 gesprochen. Der Inhalt des Aktenvermerks vom 1. November 2004 sei dadurch zu erklären, dass er zu den Auseinandersetzungen zwischen Ausländern und Deutschen am Tag nach dem Unfall von der Polizei vernommen worden sei. Da derartige Ereignisse nicht in das gesellschaftspolitische Bild der DDR gepasst hätten, sei ihm bedeutet worden, seine polizeiliche Aussage nicht kund zu tun. Im Übrigen hätten die vom SG Magdeburg vernommenen Zeugen seine Schilderung bestätigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Das Unfallereignis vom 13. Mai 1983 sei von der Sozialversicherung der DDR nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden. Zudem sei nach den von der Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen nicht zweifelsfrei, dass sich der Kläger auf dem Weg von der Arbeit nach Hause befunden habe und in welchem zeitlichen Umfang eine Unterbrechung des Heimweges erfolgt sei.

Gegen den am 15. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16. Juli 2007 (Montag) beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Er rügt, das SG habe seine Verpflichtung zur weiteren Sachaufklärung verletzt, indem es die Zeugen, auf deren Glaubwürdigkeit es entscheidend ankomme, nicht selbst vernommen habe. Auch sei keine Unterbrechung des unmittelbaren Heimweges erfolgt. Selbst wenn er den Heimweg in alkoholisiertem Zustand zurückgelegt haben würde, stehe dies der Anerkennung als Arbeitsunfall nicht von vornherein entgegen. Die ärztliche Behandlung am Folgetag des Unfalls habe er nur deshalb abgebrochen, weil seine (Stief-)Tochter an diesem Tage Jugendweihe gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau vom 12. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 aufzuheben, festzustellen, dass das Ereignis vom 12. Mai 1983 ein Arbeitsunfall war, und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. November 2004 an Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Bewertung und schließt sich dem Gerichtsbescheid des SG an.

Auf Anforderung des Senats hat der Kläger seinen SV-Ausweis im Original sowie das Schreiben seiner geschiedenen Ehefrau R. M. vom 5. November 2008 vorgelegt, in dem diese eine bei einem Wegeunfall am 13. Mai 1983 erlittene schwere Augenverletzung rechts und eine Jugendweihe am Folgetag mitgeteilt hat. Der Kläger hat zudem Familienfotos beigefügt.

Aus dem zwischen den Beteiligten geführten und abgeschlossenen Parallelverfahren L 6 U 51/07 hat der Senat das von ihm veranlasste Gutachten des (damaligen) Direktors der Universitätsklinik und Poliklinik für Augenheilkunde H. Prof. Dr. D. vom 1. Oktober 2009 nach ambulanten Untersuchungen vom 12. März und 11. Mai 2009 beigezogen. Danach betrage die korrigierte Sehschärfe auf dem rechten Auge 0,1. Bei regelrechten Gesichtsfeldaußengrenzen links sei das Gesichtsfeld rechts nasal und superior (nach oben) jeweils auf 40°, inferior (nach unten) auf 42° und temporal (schläfenwärts) auf 65° eingeschränkt. Für das rechte Auge sei die MdE um 25 vH einzuschätzen.

Schließlich hat der Senat die Zeugen H. und S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2011 nochmals vernommen und abermals den Kläger befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf das entsprechende Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Der Kläger hat zum Ereignisablauf angegeben, dass er – obwohl an der besagten Auseinandersetzung nicht beteiligt – einen Schlag abgekommen habe, in dessen Folge er weg gewesen und alles schwarz geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei die Straßenbahn schon da gewesen; davor habe sich eine Menschentraube gebildet. Der Zeuge S. sei schon in der Straßenbahn gewesen, während sich der Zeuge H. noch in seiner Nähe befunden habe. Zu der behaupteten Alkoholeinwirkung habe er nur die Erklärung, dass seine Jacke in der Klinik wegen des vielen Blutes intensiv gereinigt worden sei. Das sei ihm damals mitgeteilt worden.

Der Zeuge H. hat bekundet, dass am fraglichen Tag bis Abends um 10 Uhr gearbeitet worden sei. Danach seien sie mit der Straßenbahn zu der Haltestelle gefahren, an der sich das Kaufhaus Zentrum befinde. Von da seien sie zum Umsteigen eine Haltestelle weiter gelaufen. Dort habe sich dann der Vorfall ereignet. Es sei ein Gedränge entstanden, bei dem der Kläger mit einem Krückstock am Auge getroffen worden sei. Er habe danach Blut an seinen Kleidern gehabt. Ob der Kläger eine Jacke getragen habe, wisse er nicht mehr. Er habe auch nicht gesehen, ob der Kläger zusammengebrochen sei oder nicht. Zum Geschehenszeitpunkt habe er sich schon in der Straßenbahn befunden. Über den weiteren Ablauf sei ihm nichts bekannt, da die Straßenbahn dann losgefahren sei und er auch nicht weiter habe helfen können. Ob hinter dieser Straßenbahn schon die Bahn für den Kläger bereit gestanden habe, der in eine andere Richtung habe fahren müssen, könne er ebenfalls nicht mehr sagen. Soweit er früher, insbesondere gegenüber dem SG Magdeburg, angegeben habe, den Kläger noch ins Krankenhaus gebracht zu haben, müsse er sich da wohl geirrt haben. Alkohol sei weder auf der Arbeit noch später getrunken worden. Es habe sich um einen ganz normalen Arbeitstag gehandelt; auch der folgende Tag sei ein Arbeitstag gewesen. Ob er den Kläger am fraglichen Tag auf der Arbeit gesehen habe, wisse er nicht mehr. Sie seien aber beide Brenner gewesen und jedenfalls vom Betrieb aus zusammen zur Straßenbahn gegangen.

Der Zeuge S. hat erklärt, dass er am betreffenden Tag im Kraftwerk R. gearbeitet und um 22 Uhr Feierabend gehabt habe. An der Haltestelle habe er noch einige Zeit warten müssen. Der Kläger habe nicht dort gestanden, da er ihm ansonsten aufgefallen wäre. Um halb elf sei er in die Straßenbahn Richtung Stadtzentrum gestiegen und habe in der Bahn den Kläger getroffen. An der Haltestelle in Höhe des Kaufhauses Zentrum seien sie ausgestiegen und etwa 500 Meter in Richtung Bahnhof gelaufen, um von dort mit einer weiteren Straßenbahn nach Hause zu kommen. Beim Einsteigen an der Haltestelle (W.) habe er mitbekommen, dass hinter ihm ein Handgemenge entstanden sei. Danach habe er beobachtet, dass sich der Kläger das Auge gehalten habe. Weiteres sei ihm nicht mehr bewusst. Insbesondere nicht, wo sich der Zeuge H. befunden habe, als er selbst in die Bahn gestiegen sei, und wo sich dieser während des Vorfalls aufgehalten habe. Später sei der Zeuge jedenfalls mit der gleichen Bahn wie er gefahren, wohingegen der Kläger noch draußen gewesen sei. Alkohol sei weder in der Straßenbahn noch später getrunken worden. Auch beim Kläger habe er keine Alkoholeinwirkung wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger kann sein Begehren gemäß den §§ 54 Abs. 1 und 4, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässigerweise als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage verfolgen. Bezogen auf die Leistungsklage kann dahinstehen, ob das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Unfallversicherungsträger jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hat, weil nach seiner Auffassung kein Versicherungsfall vorliegt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 23, m.w.N.). Denn hier hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 16. November 2006 nicht nur die Feststellung eines Versicherungsfalls als solchen abgelehnt, sondern dies nach dem Verfügungssatz ausdrücklich mit einer Entscheidung über die Gewährung von Entschädigungsleistungen verknüpft.

Streitbefangen ist insbesondere die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 12. Mai 1983. Denn insoweit hat der Kläger nicht etwa ein weiteres Unfallgeschehen angeschuldigt, sondern auf konkrete Nachfrage der Beklagten bei seinen Schilderungen vom 3. und 11. März 2006 ausdrücklich die Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1983 angegeben und als Geschehenszeit 23.40 Uhr benannt. Der angefochtene Bescheid bezieht sich inhaltlich auf den gleichen Sachverhalt. Darin liegt die verbindliche Bestimmung für den Einzelfall, die eine Regelungsabsicht zum Ausdruck bringt, wie sie § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – als Merkmal eines Verwaltungsaktes fordert.

Die danach zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er schon keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 12. Mai 1983 als Arbeitsunfall hat. Darauf, ob ihm wegen dessen Folgen Verletztenrente zu zahlen ist (vgl. hierzu die §§ 215 Abs. 6, 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII), kommt es folglich nicht mehr an.

Da der vom Kläger geltend gemachte Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sein soll, sind hier gemäß § 215 Abs. 1 SGB VII noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) einschlägig. Weil der Beklagten der streitige Unfall nicht bis spätestens zum 31. Dezember 1993 bekannt geworden ist (siehe hierzu § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung), setzen die vom Kläger verfolgten Ansprüche zunächst voraus, dass sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO die Merkmale eines Arbeitsunfalls erfüllt sind (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe nur Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405 S. 116 lit. b).

Ob das angeschuldigte Geschehen nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall anzuerkennen wäre bzw. festgestellt worden ist, wofür entgegen der Ansicht des Klägers keine belastbaren Anhaltspunkte vorliegen, kann offen bleiben. Denn jedenfalls sind die nach der RVO erforderlichen Merkmale eines Arbeitsunfalls nicht gegeben.

Gemäß § 548 Abs. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten (versicherten) Tätigkeiten erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt – so die heutige Legaldefinition in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, die auf die Jahrzehnte alte Definition in Rechtsprechung und Literatur zurückgeht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18, m.w.N.). Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Haupttätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (siehe nur BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 oder Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 24, m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar unterlag der Kläger am 12. Mai 1983 als Beschäftigter grundsätzlich dem Versicherungsschutz des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Er hat an diesem Tag auch eine Verletzung im Bereich des rechten Auges erlitten, die aufgrund eines bestimmten Unfallereignisses entstanden ist, dessen konkreter Hergang vom Kläger sowie den Zeugen H. und S. allerdings unterschiedlich geschildert wird. Dieses Ereignis stellt aber jedenfalls deshalb keinen Arbeitsunfall dar, weil sich der Kläger zum Zeitpunkt seines Eintritts nicht auf einem nach § 550 Abs. 1 RVO versicherten Weg befand. Denn weder dies noch ein sonstiger betrieblicher Bezug des zurückgelegten Weges lässt sich zu Gunsten des Klägers feststellen.

Nach § 550 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 bis 545 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die insoweit gebrauchte Formulierung "mit einer der ... genannten (versicherten) Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit" kennzeichnet den sachlichen Zusammenhang des unfallbringenden Weges mit der versicherten Haupttätigkeit, der sich im Regelfall auf zwei Anknüpfungspunkte bezieht. Zunächst muss der Weg selbst der (grundsätzlich) nach den §§ 539, 540 bis 545 RVO versicherten Haupttätigkeit sachlich zuzurechnen sein. Weiterhin ist erforderlich, dass die konkrete Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens ihrerseits in sachlichem Zusammenhang mit diesem versicherten Zurücklegen des Weges stand. Bei der erstgenannten Voraussetzung ist der sachliche Zusammenhang gegeben, wenn die anhand objektiver Umstände zu beurteilende Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges auf die Ausübung der versicherten Tätigkeit gerichtet ist, dieser also wegen ihr zurückgelegt wird. Auf der (gegebenenfalls) nachfolgenden zweiten Prüfebene ist für den sachlichen Zusammenhang maßgeblich, ob sich die Handlungstendenz beim Zurücklegen des Weges auf die Ausübung einer im Wesentlichen der versicherten Tätigkeit dienenden Verrichtung bezieht, d.h. ob diese zum Weg zu oder von der Arbeits- bzw. Betriebsstätte gehört (st. Rspr., siehe etwa BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.; Urteil vom 7. Februar 2006 – B 2 U 30/04 RSozR 4-2700 § 135 Nr. 1; Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 29/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 25; Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 26/07 R – juris).

Gemessen hieran ist der Senat schon nicht davon überzeugt, dass der unfallbringende Weg im sachlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers stand, er diesen also im Wesentlichen wegen ihr zurückgelegt hat. Eine solche Überzeugung lässt sich nicht dadurch begründen, dass der Kläger sich wohl im Stadtteil seiner Arbeitsstätte aufgehalten haben und von dort auch nach Hause gefahren sein mag. Denn der Senat sieht jedenfalls nicht als erwiesen an, dass der Grund für diese Fahrt eine vorangegangene Spätschicht war. Darauf, ob die – wie auch immer zu fassende – konkrete Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens zum Weg von der Arbeitsstätte gehörte, kommt es daher nicht mehr an.

Ebenso wie das Unfallereignis sowie der hierdurch bedingte Gesundheitsschaden müssen die dem sachlichen Zusammenhang zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne des so genannten Vollbeweises nachgewiesen sein. Dieser Beweisgrad ist erfüllt, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, wenn also kein vernünftiges Zweifelsgefühl mehr besteht (siehe etwa BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 – 2 RU 27/86 – SozR § 548 Nr. 84; Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2). Nach der Gesamtwürdigung aller vorliegenden Umstände verbleiben beim Senat mehr als unerhebliche Zweifel daran, dass der Kläger vor dem Unfallereignis tatsächlich seiner versicherten Tätigkeit als Brenner nachgegangen und dieses geschehen ist, als er sich auf dem Rückweg von der Betriebsstätte zu seiner damaligen Wohnung befand.

Die Aussagen des Zeugen S. sind im Hinblick auf eine am Unfalltag unmittelbar vor der Nutzung der Straßenbahn verrichtete betriebliche Tätigkeit des Klägers schon nicht ergiebig. Er hat gegenüber dem SG Magdeburg am 24. Oktober 2006 insoweit nur bekundet, dass er den Kläger sowie den Zeugen H. in der Straßenbahn Richtung Zentrum getroffen hat. Dies entspricht auch seinen Angaben im Verhandlungstermin am 1. Dezember 2011, nach denen der Kläger gerade nicht an der von ihm selbst genutzten Haltestelle gestanden hatte. Da der Zeuge S. nicht selbst mit dem Kläger zusammen gearbeitet hat, sondern seinerzeit im Kraftwerk R. tätig gewesen ist, lässt sich auf Grundlage seiner eigenen Wahrnehmungen gerade nicht sicher auf eine vor dem Einstieg in die Straßenbahn verrichtete betriebliche Tätigkeit des Kläger rückschließen.

Auch aus den Angaben des Zeugen H., die sich in wesentlichen Punkten nicht mit seinen früheren Bekundungen decken und dadurch erheblich an Überzeugungskraft verlieren, lässt sich keine vernünftige Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit für diese Tatsache gewinnen. Vielmehr liegt hierfür nur die Möglichkeit vor, wie sie in gleichem Maße aber auch dafür besteht, dass sich der Kläger nicht auf dem Rückweg von der Betriebsstätte nach Hause befand. Ebenso wie der Zeuge S. hat der Zeuge H. in seiner Aussage vom 24. Oktober 2006 nur angegeben, nach Schichtende mit dem Kläger die Straßenbahn Richtung Zentrum genutzt zu haben. Ergänzend hierzu hat er am 1. Dezember 2011 zwar auch erklärt, zusammen mit dem Kläger vom Betrieb aus zur Straßenbahn gegangen zu sein. Die Annahme einer insoweit aufgrund eigenen Erlebens gewonnenen Erkenntnis wird aber bereits durch die hierzu gegebene Begründung seiner Erinnerung erschüttert. Indem der Zeuge einerseits angibt, nicht mehr sagen zu können, ob er den Kläger am fraglichen Tag tatsächlich auf der Arbeit gesehen hat, andererseits aber betont, dass er und der Kläger Brenner waren, kommt nämlich seine in Bezug auf den tatsächlichen Einsatz des Klägers in der Spätschicht fehlende Sicherheit deutlich zum Ausdruck. Hinzu tritt, dass die letzten Aussagen des Zeugen H. an maßgeblichen Stellen weder mit seinen früheren Einlassungen überein stimmen noch den Schilderungen des Klägers entsprechen, wodurch seine Bekundungen insgesamt zweifelhaft werden und die Angaben des Klägers nicht stützen. Denn abweichend von seinen Angaben vom 13. Mai und 24. Oktober 2006 hat er im Termin am 1. Dezember 2011 bekundet, sich zum Geschehenszeitpunkt bereits in der Straßenbahn befunden und den Kläger auch nicht ins Krankenhaus gebracht zu haben. Dies lässt sich weder mit der zuvor gemachten Schilderung des Hergangs beim Einsteigen in die Bahn noch den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben des Klägers in Einklang bringen. Nach diesen habe sich der Zeuge H. nämlich noch in seiner Nähe befunden und sei die vom Kläger ins Auge gefasste Straßenbahn schon da gewesen, was vom Zeugen wiederum nicht bestätigt worden ist.

Der schriftlichen Erklärung der geschiedenen Ehefrau des Klägers vom 5. November 2008 kommt schon deswegen kein eigenständiger Beweiswert zu, weil sie das angeschuldigte Unfallgeschehen nicht aus eigener Wahrnehmung miterlebt hat. Die (gegebenenfalls) mittelbar vom Kläger erlangte Kenntnis eines Wegeunfalls ist jedenfalls deshalb nicht ausreichend beweiskräftig, weil als Motiv des Klägers für eine solche Erklärung ihr gegenüber jedenfalls auch das Abwenden unangenehmer Nachfragen in Betracht kommt.

Allein auf die Angaben des Klägers kann der Senat sich nicht stützen, weil diese nicht widerspruchsfrei in Übereinstimmung zu bringen sind. Erhebliche Zweifel an seinen Schilderungen werden nicht allein aufgrund der Aktenvermerke vom 27. Januar 2003 und 1. November 2004 geweckt, in denen statt von einer Verletzung mittels Krück- bzw. Spazierstock von einer Schlägerei (mit Ausländern) die Rede ist. Auch die hierzu angeführte Erklärung des Klägers überzeugt nicht, da der Mitarbeiter der Beklagten, der den Aktenvermerk vom 27. Januar 2003 gefertigt hat und dem der Kläger erstmals im Jahre 2006 begegnet sein will, u.a. auch die am 21. Dezember 2005 erfolgte persönliche Vorsprache des Klägers festgehalten hat. Zweifel an den Darstellungen des Klägers ergeben sich vor allem auch aus der Tatsache, dass er die Verletzung des rechten Auges bei seinen Mitteilungen vom 3. Januar 1990 – wider besseres Wissen – ausdrücklich dem Arbeitsunfall vom 4. Juli 1986 zugerechnet hat. Diese Angabe leuchtet umso weniger ein, wenn das hier strittige Geschehen vom 12. Mai 1983 aus Sicht des Klägers in der DDR bereits als Arbeitsunfall anerkannt gewesen ist. Ein entsprechender Hinweis wäre dann nämlich als nachvollziehbare Reaktion zu erwarten gewesen. Warum ein solcher trotzdem nicht erfolgt ist, hat der Kläger nicht erklären können.

Als einzig objektive Anhaltspunkte verbleiben damit letztlich nur die Krankenhausaufzeichnungen vom 13. Mai 1983, die keinen positiven Beleg für einen betrieblichen Zusammenhang liefern. Aus ihnen geht vielmehr eine unter starker Alkoholisierung erlittene Verletzung mit einem Spazierstock auf dem Nachhauseweg aus einer Gaststätte mit nachfolgender kurzzeitiger Bewusstlosigkeit des Klägers hervor. Diese im Wesentlichen übereinstimmend und unabhängig voneinander getroffenen Angaben sprechen für den Wahrheitsgehalt der Geschehenswiedergabe, zumal sie mangels Begleitung des Klägers durch den Zeugen H. offenbar von ihm selbst stammen und er im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Senats selbst Angaben gemacht hat, die sich nur im Sinne einer kurzen Bewusstlosigkeit verstehen lassen. Die von ihm gegen diese Mitteilungen angeführten Argumente sind nicht geeignet, ihre Beweiskraft nachhaltig zu entkräften, zumal nicht zu erkennen ist, aus welchen Gründen die Aufzeichnungen in den Krankenakten tendenziös zu Lasten des Klägers gefertigt sein sollten. Jedenfalls können diese Unterlagen ungeachtet ihrer Richtigkeit deshalb keinen Beweis für einen betrieblichen Zusammenhang des Verletzungsereignisses erbringen, weil sie eine entsprechende Angabe nicht enthalten.

Weitere Möglichkeiten zur Ermittlung eines betrieblichen Zusammenhangs des zurückgelegten Weges sieht der Senat nicht. Die insoweit schlüssigen und erschöpfenden Ermittlungen der Beklagten haben zu dem Ergebnis geführt, dass bei verschiedenen Stellen, bei denen grundsätzlich Unfall- oder Personalunterlagen vorhanden sein könnten, Material über einen Wegeunfall oder sonstigen Arbeitsunfall des Klägers in dem betroffenen Zeitraum nicht vorlag. Auch sein SV-Ausweis enthält dazu keine Hinweise. Dieses Ergebnis geht zu seinen Lasten, weil schon nach dem Recht der DDR ein betrieblicher Zusammenhang zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls geführt haben müsste. Dies folgt aus § 220 Abs. 2 des Arbeitsgesetzbuchs vom 16. Juni 1977 (GBl. I, 185). Insoweit stellen die Nachforschungen der Beklagten den geeignetsten Weg dar, einen gegebenenfalls vorgefallenen Wegeunfall zu ermitteln.

Insgesamt ist damit nur gesichert, dass der Kläger in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1983 im Bereich einer Straßenbahnhaltestelle in M. eine Verletzung des rechten Auges erlitt und sich am 13. Mai 1983 um 0.45 Uhr im Krankenhaus Altstadt befand. Da alles andere dagegen nicht mit der dafür erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststeht, lässt sich das angeschuldigte Geschehen nicht als Arbeitsunfall feststellen und konnte die Berufung mithin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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