L 10 R 3351/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 920/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3351/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten (noch) über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der am 1959 geborene Kläger legte im Jahr 1977 mit Erfolg die Gesellenprüfung im Autolackiererhandwerk ab. Mit Ausnahme einer Unterbrechung durch den Wehrdienst arbeitete er nachfolgend bis zum Eintritt dauerhafter Arbeitsunfähigkeit im August 2008 im erlernten Beruf. Nach eigenem Vorbringen hatte er in den Jahren 1985 bis 1997 bei der Autolackiererei W. bzw. beim Autohaus M. die Leitung der Lackiererei inne. Im Jahr 1997 wechselte er zu seinem Ausbildungsbetrieb, der Autolackiererei F. R. GmbH (nachfolgend Fa. R. ), zurück. Seine Tätigkeit bestand im Lackieren von Fahrzeugen und teilweise in Vorarbeiten an Fahrzeugen. Er bezog zuletzt einen tariforientierten Stundenlohn in Höhe von 15,- EUR. Bei der Fa. R. waren ca. sechs Fahrzeuglackierer in der Lackierabteilung beschäftigt. Diese verdienten durchschnittlich 14,50 EUR pro Stunde (Auskünfte der Fa. R. , Bl. 70 ff., 99 SG-Akte). Nach den ab September 2007 gültigen, nicht allgemein verbindlichen Lohntarifen im Maler- und Lackiererhandwerk betrug der Stundenlohn für Vorarbeiter sowie Autolackierer 15,05 EUR und für Meister im Arbeitsverhältnis in der Stellung eines Meisters 16,42 EUR (Bl. 101 SG-Akte).

Der Kläger leidet im Wesentlichen an einer chronisch-rezidivierenden Lumbalgie und an einer beidseitigen Hüftgelenksarthrose sowie an einer Funktionseinschränkung der rechten Schulter bei degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette (vgl. u.a. Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. G. Bl. M6 VA; Gutachten der Internistin G. Bl. M2 VA; Arztbrief des Unfallchirurgen und Orthopäden K. Bl. 24 LSG-Akte). Daneben wurden beim Kläger auch ein chronisches Schmerz-, Cervikal-, Thorakal- und Impingement-Syndrom (Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. B. Bl. 55 SG-Akte) diagnostiziert. Auf Grund dieser Gesundheitsstörungen kann der Kläger keine schweren und dauerhaft mittelschweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Möglich sind ihm noch leichte bis (gelegentlich) mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen, Sitzen, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne häufige Erschütterungen und nicht bei Kälte und Zugluft. Solche Tätigkeiten kann der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Die Tätigkeit eines Autolackierers ist nicht mehr leidensgerecht (bis dahin im Wesentlichen übereinstimmend die Gutachten der Internistin G. , des Dr. G. und Dr. B. ; so insbesondere auch - nach Einschränkung des Klagebegehrens auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - die übereinstimmende Auffassung der Beklagten und des Klägers). Nach Einschätzung von Dr. B. sind zudem Arbeiten auf Leitern und Gerüsten zu meiden.

Den Rentenantrag des Klägers vom 11.09.2009 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2010 ab. Berufsunfähigkeit liege nicht vor, da der Kläger zwar nicht mehr im erlernten Beruf, jedoch in einer zumutbaren Verweisungstätigkeit als Registrator/Mitarbeiter in einer Poststelle im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten verrichten könne.

Deswegen hat der Kläger am 15.03.2010 beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den behandelnden Neurochirurgen S. und den Orthopäden Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt - beide haben den von der Beklagten eingeholten Gutachten zugestimmt - und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten von Dr. B. eingeholt.

Der Geschäftsführer der Fa. R. , M. R. , hat gegenüber dem Sozialgericht mitgeteilt, der Kläger sei als Facharbeiter beschäftigt gewesen. Er habe im Vergleich zu den anderen beschäftigten Facharbeiten keine besondere Funktion außer die des Fahrzeuglackierers gehabt.

Das Sozialgericht hat die - auch noch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gerichtete - Klage mit Urteil vom 15.06.2011 abgewiesen. Zu einem Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat es auf das vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelte Mehrstufenschema hingewiesen und ausgeführt, der Kläger zähle nicht zur Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. zu den besonders hoch qualifizierten Facharbeitern. Er sei vielmehr der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Das Sozialgericht hat sich auf die schriftlichen Auskünfte der Fa. R. sowie auf die aktuelle Tarifsituation im Maler- und Lackiererhandwerk gestützt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien zur Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion diejenigen Versicherten zu zählen, die wegen den geistigen und persönlichen Anforderungen ihrer Tätigkeit die Facharbeiter deutlich überragen und die deswegen in die Spitzengruppe der Lohnskala eines entsprechend differenzierenden Tarifvertrages eingestuft seien. Diese Versicherten dürften in der Regel keine Weisungen eines anderen im Arbeitsverhältnis stehenden Beschäftigten unterworfen sein und nicht lediglich als Vorarbeiter die gleichen Arbeiten wie andere Facharbeiter verrichten. Die Weisungsbefugnis müsse gegenüber Facharbeitern und nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern bestehen. Dies treffe beim Kläger nicht zu. Sein tariforientierter Stundenlohn sei lediglich 50 Cent höher gewesen als der Durchschnittsverdienst der anderen Autolackierer. Er habe nicht den tarifvertraglich für Meister im Arbeitsverhältnis vorgesehenen Lohn erhalten. Darüber hinaus habe der Geschäftsführer R. angegeben, dass der Kläger keine besondere Funktion gehabt habe. Der Geschäftsführer habe auch die Frage verneint, ob der Kläger wesentlich höherwertige Arbeiten als seine zu den Facharbeitern zählenden Arbeitskollegen verrichtet habe. Der Vortrag des Klägers, er habe eine leitende Funktion innerhalb der Lackiererei inne gehabt und sei Stellvertreter des Geschäftsführers gewesen, sei nicht überzeugend. Sein Vorbringen, im Betrieb habe ausschließlich der Geschäftsführer und er lackiert, könne vor dem Hintergrund, dass noch sechs weitere Fahrzeuglackierer beschäftigt gewesen seien, nicht nachvollzogen werden. Aus diesen Gründen sei der Kläger auch nicht der Gruppe der besonders hoch qualifizierten Facharbeiter zuzuordnen. Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass er und sein Arbeitgeber sich nicht im Guten getrennt hätten, ziehe dies die Richtigkeit der schriftlichen Auskunft des Geschäftsführers R. nicht in Zweifel. Seine Auskunft werde durch die Lohntarife ab September 2007 gestützt. Als Facharbeiter könne der Kläger zumutbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle bzw. auf eine Tätigkeit als Registrator in der Vergütungsgruppe VIII BAT verwiesen werden. Das Sozialgericht hat hierzu u.a. auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg verwiesen. Es ist davon ausgegangen, dass es dem Kläger möglich sei, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur oder in einer Poststelle in einer dreimonatigen Anlernzeit zu erlernen. Unter Verweis auf das Urteil des 11. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.01.2007 (L 11 R 4310/06) hat das Sozialgericht die Tätigkeit als Registrator als überwiegend leichte und nur zeitweise mittelschwere Tätigkeit beschrieben. Bücken, in die Hocke gehen und das Besteigen von kleinen Leitern und das Hantieren über Kopf werde nur ausnahmsweise verlangt. Das Heben und Tragen von Lasten sei auf bis zu 10 kg beschränkt, wobei diese Lasten selten seien. Darüber hinaus stünden Hilfsmittel zur Verfügung. Ein Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen sei gewährleistet. Das Besteigen von kleinen Leitern werde nur ausnahmsweise verlangt und stünde der Verweisbarkeit daher nicht entgegen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger auch zumutbar auf die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter verwiesen werden könne, da die Benennung einer Verweisungstätigkeit ausreichend sei. Die Tätigkeit als Registrator könne der Kläger nach den insoweit übereinstimmenden Gutachten der Internistin G. , Dr. G. und Dr. B. auch noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dies hätten auch die sachverständigen Zeugen bestätigt. Soweit der Allgemeinmediziner Dr. Heinzmann in einem aktuellen Befundbericht für leichtere Tätigkeit nur noch ein Leistungsvermögen von weniger als vier Stunden gesehen habe, sei dies nicht nachzuvollziehen.

Gegen das ihm am 21.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.08.2011 Berufung eingelegt. Er führt zum Teil unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag aus, das Sozialgericht habe ihn unrichtig eingruppiert. Er sei der Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der besonders hoch qualifizierten Facharbeiter zuzuordnen. Sein Lohn habe dem eines angestellten Meisters entsprochen. Aus der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Lohnabrechnung für das Jahr 1997 ergebe sich, dass er damals 26,10 DM verdient habe. Dies habe den Lohn der restlichen Lackierergesellen um mehr als 20 % überstiegen. Den letzten Stundenlohn von 15,- EUR habe er seit 2002 bezogen. Damals sei der Tariflohn weit unter 15,- EUR gelegen. Damit habe ihm die Arbeitgeberin jahrelang und insbesondere auch bei der Einstellung einen deutlich höheren Stundenlohn bezahlt als den übrigen Lackiergesellen. Der Grund habe darin gelegen, dass nur Herr R. und er in der Lage gewesen seien, ein komplettes Fahrzeug zu lackieren. Die übrigen Mitarbeiter hätten, mit Ausnahme eines Mitarbeiters, der einzelne Fahrzeugteile lackiert habe, überhaupt nicht lackiert, sondern nur Vorarbeiten durchgeführt. Nur ein hoch qualifizierter Lackierergeselle könne ein ganzes Fahrzeug am Stück lackieren oder eine Sonderlackierung durchführen. Angesichts seiner bisherigen Stellung könne er somit allenfalls auf eine Tätigkeit als Facharbeiter verwiesen werden, was auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht möglich sei. Die Tätigkeit eines Registrators sei mit dem von Dr. B. beschriebenen Leistungsvermögen nicht in Einklang zu bringen, da sie das Besteigen von Leitern verlange. Unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21.12.2006 (L 10 R 3434/06 Bl. 83 SG-Akte) sieht er u.a. auch eine unzumutbare Belastung durch zu hohe Gewichte, im Übrigen könne er zwischenzeitlich auch Gegenstände bis zu 10 kg nicht mehr heben und tragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2011 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.02.2010 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Sie haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2010 noch insoweit, als die Beklagte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ablehnte. Hinsichtlich der ebenfalls erfolgten Ablehnung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI ist das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.06.2011 mit der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgenommen Beschränkung seines Antrags auf die ausschließliche Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit rechtskräftig geworden.

Dem Kläger steht keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat die maßgebliche Rechtsgrundlage (§ 240 Abs. 1 SGB VI) sowie das vom Bundessozialgericht zur Prüfung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit entwickelte Mehrstufenschema und die Grundsätze der Verweisbarkeit innerhalb dieses Schemas umfassend dargestellt. Ferner ist es zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger als Facharbeiter, nicht aber als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierter Facharbeiter einzustufen ist. Der Senat nimmt zur Vermeidung weiterer Wiederholungen auf die dortigen Ausführungen Bezug und weist insoweit die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt nicht seine Einstufung als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter bzw. als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion. Abzustellen ist dabei auf die letzte langjährige Tätigkeit bei der Fa. R. und nicht auf die früheren Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern.

Als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter kann der Kläger nicht angesehen werden. Darunter sind Versicherte zu verstehen, die wesentlich höherwertige Arbeiten als ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen verrichten und diese nicht nur bezüglich der Entlohnung, sondern auf Grund besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen auch in der Qualität ihrer Berufstätigkeit deutlich überragen (BSG, Urteil vom 03.11.1982, 1 RJ 12/81 in SozR 2200 § 1246 Nr. 102). Bei der hier vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht davon auszugehen, dass er eine in dieser Weise wesentlich höherwertige Arbeit verrichtete. Der vom Kläger beschriebene vormalige Lohnabstand zu den übrigen Angestellten im Lackierbereich, der im Übrigen nur einen von mehreren für die Beurteilung maßgeblichen Gesichtspunkten darstellt, ist zuletzt auf gerade einmal 50 Cent zusammengeschrumpft. Der Umstand, dass nach der bei der Fa. R. praktizierten Arbeitseinteilung allein der Kläger und der Geschäftsführer R. ganze Fahrzeuge lackierten, mag den beiden zwar eine herausgehobene Stellung verschafft haben. Die Fähigkeit, ein ganzes Fahrzeug zu lackieren, kann jedoch bei gelernten Autolackierern zur Überzeugung des Senats nicht als besondere Qualifikation angesehen werden. Schon nach der Berufsbezeichnung stellt sich das Lackieren von Fahrzeugen als eine der Kernkompetenzen eines Auto- bzw. Fahrzeuglackierers dar. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass nur besonders hoch qualifizierte Gesellen dazu befähigt sein sollten. Soweit sich bei der Fa. R. die übrigen Lackierergesellen im Rahmen der praktizierten Arbeitsteilung damit abfanden, "nur" Vorarbeiten auszuführen, reicht dies nicht aus, um den Kläger, der ohne Zweifel als Facharbeiter tätig war, darüber hinaus als besonders hoch qualifiziert einzustufen.

Er ist auch nicht als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion einzustufen. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion sind Versicherte mit Leitungsfunktionen, wie z. B. die des Meisters und Hilfsmeisters im Arbeiterverhältnis, des Poliers und bestimmter Vorarbeiter, deren Berufstätigkeit infolge besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen die des Facharbeiters in ihrer Qualität noch deutlich überragt. Hierfür sind regelmäßig Weisungsbefugnisse nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern gegenüber mehreren Facharbeitern und - wegen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa auf Grund des Lebensalters oder langjähriger Betriebszugehörigkeit - die Zugehörigkeit zur Spitzengruppe in der Lohnskala der Arbeiter notwendig. Erforderlich ist ferner, dass der Versicherte nicht seinerseits Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeitsverhältnis befolgen muss. Schlichte Vorarbeiter, die keine wesentlich anderen Arbeiten wie die der Gruppe der Facharbeiter angehörenden Arbeitskollegen verrichten, fallen nicht in diese Gruppe. Das Gleiche gilt für Vorarbeiter, die sich durch eine etwas herausgehobene Stellung innerhalb von Arbeitsgruppen Ungelernter oder Angelernter auszeichnen (BSG, Urteil vom 03.11.1982, a. a. O.; Urteil vom 30.03.1977, 5 RJ 98/76, in SozR 2200 § 1246 Nr. 16). Davon kann beim Kläger nicht ausgegangen werden. Zwar hat er vorgetragen, anfänglich bei der Fa. R. für einen ausgeschiedenen Meister eingestellt worden zu sein. Jedoch ist nicht ersichtlich, dass er gegenüber den anderen Lackierergesellen in erheblichem Umfang weisungsbefugt war. Trotz seiner eben dargestellten herausgehobenen Position im Betrieb (Lackieren von ganzen Fahrzeugen) ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger keine Vorgesetztenfunktion im eben beschriebenen Sinne inne hatte. Denn nach dem eigenen Vorbringen des Klägers stand der Geschäftsführer der Firma mit in der Lackierkabine, wo nur sechs weitere Mitarbeiter tätig waren. Damit nahm der Geschäftsführer selbst die Aufgabe des Vorgesetzen wahr. Entsprechend hat der Geschäftsführer auch bestätigt, dass der Kläger keine besondere Funktion inne hatte.

Auch wenn der Kläger seinen zuletzt ausgeübten und mithin der Stufe der Facharbeiter zuzuordnenden Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er nicht berufsunfähig. Denn er kann sozial und gesundheitlich zumutbar auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten als Registrator - auch hierzu nimmt der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug - oder als Mitarbeiter in der Poststelle i. S. der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) verwiesen werden. Letztere stellt, wie der Senat mit Urteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05 bereits auf der Grundlage des dort beim Sachverständigen M. eingeholten berufskundlichen Gutachtens mit ergänzender Stellungnahme entschieden hat, eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit dar.

Der Mitarbeiter in der Poststelle wird im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT - so der genannte Sachverständige - entlohnt. Dies gilt auch nach Einführung des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst, weil bislang eine die Vergütungsgruppeneinteilung des BAT ersetzende Regelung nicht in Kraft getreten ist. Es handelt sich um Tätigkeiten für Angelernte und damit um eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 27.11.1991, 5 RJ 91/89). Entsprechende Arbeitsplätze sind in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden (Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen M. ). Dies zieht auch der Kläger - wie sich aus seinem Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 21.12.2006, in der auf das Gutachten des Sachverständigen Mezger und die Entscheidung des Senats im Vorverfahren L 10 R 612/05 Bezug genommen wird, ergibt - nicht in Zweifel.

Die Tätigkeit umfasst das Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost. Es handelt es sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (vgl. zu alledem das genannte Urteil des Senats vom 23.03.2006 mit den darin wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen M. ). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.5.1997, L 2 I 47/95 m. w. N.).

Das Leistungsvermögen des Klägers entspricht diesem Anforderungsprofil. Nach den Gutachten der Internistin G. , Dr. G. und Dr. B. sind dem Kläger leichte bis nicht dauerhaft mittelschwere Tätigkeiten mit Tragebelastungen bis jedenfalls 10 kg zuzumuten. Zu vermeiden sind - so übereinstimmend Dr. G. und Dr. B. - häufiges Bücken sowie Knien und Hocken sowie Überkopfarbeiten und - so Dr. B. - Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten.

Die Hinweise des Klägers auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 21.12.2006 (s.o.) und auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands, die auch das Heben und Tragen von Lasten von 10 kg einschränke, führen zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn die Hebe- und Tragefähigkeit auf Lasten von 5 kg bis 10 kg eingeschränkt und dem Kläger deshalb nicht jeder Arbeitsplatz auf einer Poststelle zumutbar wäre, kommt die Verweisung auf eine solche Tätigkeit in Betracht. Denn für die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich, dass der leistungsgeminderte Versicherte auf allen in Betracht kommenden Arbeitsplätzen einsetzbar ist. Vielmehr genügt die prinzipielle Eignung für eine solche Tätigkeit und die Gewissheit, dass geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden sind. Daran hat der Senat keine Zweifel, eben weil die Mehrheit der Mitarbeiter in der Poststelle - wie dargelegt - solche Lastenmanipulationen nicht ausführen.

Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist im Übrigen nicht mit dem Sachverhalt zu vergleichen, der der Entscheidung des Senats vom 21.12.2006, auf die der Kläger verwiesen hat, zu Grunde lag. Der Kläger in jenem Verfahren litt nach den dortigen Feststellungen an einer schweren Osteoporose, die schon bei einmaliger Überschreitung einer Belastungsgrenze von 5 kg zu erheblichen Körperschäden führen konnte. Die Situation des Klägers hier ist damit nicht vergleichbar. Die Einschränkung auf ca. 10 kg erfolgt beim Kläger nicht wegen der Gefahr des Eintritts einer Fraktur schon bei einmaliger Überschreitung dieses Gewichts, sondern wegen der Annahme, dass sich bei wiederholter Überschreitung dieses Gewichts belastungsabhängige Beschwerden entwickeln können. Das Auftreten einer eigenständigen zusätzlichen Körperschädigung bei Überschreitung der Belastungsgrenze ist beim Kläger nicht zu erwarten.

Ähnliches gilt im Hinblick auf die von Dr. B. beschriebene Einschränkung der Leistungsfähigkeit für Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Für Mitarbeiter einer Poststelle werden solche Tätigkeiten gar nicht erwähnt (s.o.). Soweit das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.01.2007 (L 11 R 4310/06) für den Registrator das dort ausnahmsweise notwendige Besteigen von kleinen Leitern berücksichtigt hat, teilt der Senat die Auffassung des Sozialgerichts, dass dies eine Verweisbarkeit des Klägers auch auf den Registrator nicht ausschließt. Zum einen gilt auch hier, dass der Kläger nur auf einen Teilbereich von Tätigkeiten, bei dem diese besonderen Anforderungen nicht auftreten, verwiesen werden kann. Im Übrigen kann zur Überzeugung des Senats der generelle Ausschluss von Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit dem ausnahmsweise notwendigen Besteigen von kleinen Leitern im Rahmen einer Bürotätigkeit in Einklang gebracht werden. Der generelle Ausschluss bezieht sich zur Überzeugung des Senats auf ganz andere Tätigkeitsbilder, z.B. im Baugewerbe. Der Senat stützt sich dabei gerade auf das Gutachten von Dr. B. , der trotz des Ausschlusses von Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Verwaltungs- und Bürotätigkeiten ausdrücklich für möglich erachtet hat.

Der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist der Kläger auch nach seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen. Zwar ist der bisher ausgeübte Beruf eines Autolackierers im handwerklichen Bereich angesiedelt. Allerdings hindert dies eine Verweisung auf eine nicht artverwandte Tätigkeit dann nicht, wenn der Versicherte nach seinen durch Ausbildung, beruflichen Werdegang und sonstige Betätigung erworbenen Kenntnissen und Qualifikationen zur vollwertigen Ausübung einer solchen Tätigkeit - nach einer zumutbaren betrieblichen Einweisungs- oder Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten - in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, 5 RJ 96/76 in SozR 2200 § 1246 Nr. 23; BSG, Urteil vom 08.09.1982, 5 b RJ 36/82). Für die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle ist eine längere Einarbeitung als drei Monate in der Regel nicht notwendig (vgl. auch hierzu das Urteil des Senats vom 23.03.2006, a.a.O. im Anschluss an den Sachverständigen M. ). Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger die Anforderungen an die Tätigkeit in einer Poststelle innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig erfüllen kann. Denn bereits der bisherige Beruf als Autolackierer erforderte gewisse organisatorische Grundkenntnisse und -fertigkeiten. Nach dem Gutachten der Internistin G. zeigten sich beim Kläger intellektuelle Funktionen für durchschnittliche Anforderungen. Einschränkungen des Merk- und Konzentrationsvermögens fielen ihr nicht auf.

Unerheblich ist, ob dem Kläger überhaupt ein freier Arbeitsplatz angeboten werden kann, denn dieses Risiko trägt die Arbeitsverwaltung, nicht jedoch die gesetzliche Rentenversicherung, welche ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1996, 4 RA 60/94 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 13).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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