L 13 R 508/12 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 4116/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 508/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 18. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht Ulm (SG) hat zu Recht für die Klage auf Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine hinreichende Erfolgsaussicht verneint und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht, [BSG] Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Klage, die sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. Juni 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2011 richtet, mit dem die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt hat. Die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben liegen nicht vor.

Gem. § 9 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung u.a. berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Gem. § 10 Abs. 1 SGB VI setzen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als persönliche Voraussetzung des Versicherten voraus, dass dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist. Erwerbsfähigkeit ist dabei die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit im normalen Umfang (KassKomm, § 10 SGB VI, Rdnr. 3). Bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen, der bei einer zusammenfassenden wertenden Betrachtung dem Berufsleben zuletzt das Gepräge gegeben hat und aus der der Versicherte unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles voraussichtlich weiterhin seinen Lebensunterhalt bestreiten würde (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 17. März 2005 - L 1 RA 196/04 - juris Rdnr. 21). Berufliche Tätigkeiten der letzten Jahre sind aber, wenn sie nicht allzu lange zurückliegen, mit einzubeziehen (KassKomm a.a.O.). Bezugspunkt ist demnach die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit als Lagerarbeiter/Kommissionierer; die weiteren Hilfsarbeitertätigkeiten liegen zu lange zurück, um noch eine Berücksichtigung zu rechtfertigen. Vom ursprünglich erlernten Beruf als Maschinenbaumechaniker hat sich der Kläger gelöst. Die zuletzt für 6 Monate ausgeübte Beschäftigung als Möbelträger wiederum erfolgte als Arbeitsgelegenheit nach dem SGB II und kann nach Inhalt, Konzeption und zeitlichem Umfang dem Berufsleben kein Gepräge gegeben haben.

Weder ist aber die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet noch gemindert. Dies ergibt sich aus den ärztlichen Bekundungen im Reha-Entlassungsbericht der F.Klinik B. vom 26. April 2011. Im Rahmen der in der F.Klinik B. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme vom 1. bis 22. April 2011 haben die behandelnden Ärzte entsprechend dem Ersuchen der Beklagten auch Stellung zu der Frage der Erforderlichkeit von Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben aus sozialmedizinischer Sicht genommen. Nach dortiger Auffassung besteht eine solche Notwendigkeit nicht (vgl. Reha-Entlassungsbericht vom 26. April 2011). Diese Einschätzung der behandelnden Ärzte ist vor dem Hintergrund des Rehabilitationsergebnisses sowie des Ergebnisses der Belastungserprobung für den Senat nachvollziehbar. Der Kläger wird dort mit schlüssiger und nachvollziehbarer Begründung für imstande erachtet, die von ihm zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Lagerarbeiter, die er im Jahr 1999 und zuvor bereits in den Jahren 1992 bis 1993 ausgeübt hat, in einem zeitlichen Umfang von über 6 Stunden täglich auszuüben. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger im Reha-Entlassungsbericht auch als voll imstande erachtet wird, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bei vergleichsweise geringen qualitativen Einschränkungen - Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie häufiges Bücken soll vermieden werden - vollschichtig auszuüben, dürfte diese Einschätzung sich auch - ohne das es darauf ankäme - auf die früheren Hilfsarbeitertätigkeiten als Tischlerhelfer, Nieter, Wachmann, Monteur sowie die ursprünglich in den Jahren 1985 bis 1989 erlernte Tätigkeit als Maschinenbaumechaniker, die allerdings wohl zu keiner Zeit ausgeübt wurde, erstrecken. Auch Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegen nicht vor. So wurde der Kläger ausweislich des Reha-Entlassungsberichts als arbeitsfähig entlassen; dem Bericht zufolge lagen bei dem Kläger auch nur zwei Wochen der Arbeitsunfähigkeit in den letzten 12 Monaten vor.

Mit dieser fundierten sozialmedizinischen Bewertung hat sich der Klägervertreter weder im Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren auch nur ansatzweise auseinandergesetzt. Er hat insbesondere keine medizinischen Stellungnahmen oder Befunde beigebracht, die die Richtigkeit der sozialmedizinischen Einschätzung im Reha-Entlassbericht infrage stellen oder zumindest Anstoß für weitere Ermittlungen von Amts wegen geben könnten. Der vom Klägervertreter zur Beschwerdebegründung in Bezug genommene Schriftsatz vom 16. Januar 2012 scheint im Übrigen die Zielrichtung der beantragten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu verkennen, wenn er davon spricht, aufgrund der aus dem Reha-Entlassbericht entnommenen Diagnosen sei eine "medizinische Rehabilitation" geboten (vgl. Seite 19 der SG-Akte unten und Seite 20). Wie aber das SG zutreffend ausgeführt hat, sind vorliegend Leistungen zur Teilhabe und gerade nicht Leistungen zur medizinischen Rehabilitation streitgegenständlich. Letztere sind dem Kläger auf seinen Antrag hin bereits gewährt worden; nur mit der Frage der Bewilligung von Ersteren haben sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten auseinandergesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO).

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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