L 19 AS 388/12 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 88/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 388/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 92/12 S
Datum
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
Antrag auf PKH für Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 17.02.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Bei dem am 00.00.1954 geborenen Antragsteller ist das Merkzeichen "G" anerkannt. Der Antragsteller bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers verfügt der Antragsteller über ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich. Die Ehefrau des Antragstellers ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Ehefrau des Klägers bezieht von dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Unter dem 15.01.2010 stellte die X Energieversorgung GmbH (X) dem Antragsteller für die Verbrauchsstelle I-straße 00, X für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2009 eine Nachforderung für Gaslieferungen in Höhe von 239,80 EUR in Rechnung. Unter dem 14.05.2010 beantragte die Ehefrau des Antragstellers beim Antragsgegner die Übernahme dieser Heizkostennachforderung.

Unter dem 17.01.2011 stellte die X dem Antragsteller für die Verbrauchsstelle I-straße 00, X für die Zeit vom 01.01. bis 31.12.2010 eine Nachforderung für Gaslieferungen in Höhe von 610,56 EUR in Rechnung. Am 22.01.2011 beantragte die Ehefrau des Antragstellers beim Antragsgegner die Übernahme dieser Heizkostennachforderung. Diesen Antrag hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 29.02.2012 abgelehnt. Hiergegen legte die Ehefrau des Antragstellers Widerspruch ein.

Am 13.02.2012 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten,

1. die Heizkostennachforderung für das Jahre 2009 hinsichtlich der Wohnung I-straße 00 von 610,56 EUR zu übernehmen

2. die Heizkostennachforderung für das Jahre 2010 hinsichtlich der Wohnung I-Straße 00 von 239,80 EUR zu übernehmen

3. Inkassokosten und Mahnkosten von 84,41 EUR zu übernehmen

4. Zahlungsnachweise über die geleisteten Zahlungen des Antragsgegner in den Jahren 2010/11 zu übersenden und

5. Kosten der Rechtsverfolgung von 500,00 EUR zu erstatten.

Er hat vorgetragen, dass ihm und seiner Ehefrau ein Zählerausbau drohe, wenn er nicht umgehend die ausstehenden Rechnungen bezahle. Aus dem im Verfahren S 8 AS 33/11 geschlossenen Vergleich folge, dass der Antragsgegner auch die vollen Heizkosten für die Wohnung, I-Straße 00 zu übernehmen habe. Der Antragschrift ist eine Vollmacht der Ehefrau des Antragstellers beigefügt gewesen.

Durch Beschluss vom 17.02.2012 hat Sozialgericht Münster den Antrag abgelehnt. Es hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes verneint.

Hiergegen hat der Antragssteller Beschwerde eingelegt.

Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter und wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. (A).

Die Ehefrau des Antragstellers hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (B).

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

A.

Der Kläger hat einen Anordnungsanspruch hinsichtlich der Übernahme von Heizkostennachforderungen für die Abrechnungszeiträume vom 01.08. bis 31.12.2009 und vom 01.01. bis 31.12.2010 als einmalige Leistungen für Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R) nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch setzt u. a. voraus, dass der Antragsteller zum jeweiligen Antragszeitpunkt leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 1 SGB II ist. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte erfüllt der Antragsteller nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er ist nicht erwerbsfähig i.S.v. § Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II, da er nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers nur über ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich verfügt (vgl. zum Begriff der Erwerbsfähigkeit: BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R).

Der Antragsteller ist auch nicht berechtigt, die Ansprüche seiner Ehefrau auf Übernahme der Heizkostgennachforderung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II im eigenen Namen geltend zu machen. Er bildet zwar mit seiner Ehefrau eine sog. "gemischte" Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II (vgl. hierzu: BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b As 58/06 R - und vom 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R). Als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist er nicht berechtigt, die Ansprüche eines anderen Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft im eigenen Namen geltend zu machen, da es sich bei den Ansprüchen nach dem SGB II um Individualansprüche des jeweiligen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft handelt (vgl. BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = juris Rn 13).

Ebenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Inkassokosten und Mahnkosten des Versorgungsträgers von insgesamt 84,41 EUR glaubhaft gemacht. Hierbei handelt es sich nicht um Kosten für die Heizung i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, sondern um Rechtsverfolgungskosten der Versorgungsträgers. Von dem Bedarf für Heizung werden nur die Kosten für die Produktion von Wärme, einschließlich der für die Anschaffung von Brennmaterial, für den Betrieb und die Wartung bzw. Instandhaltung von Heizungsanlagen erfasst. Ein Anspruch auf Übernahme der Inkassokosten und Mahnkosten kann sich allenfalls aus einem Schadensersatzanspruch gegenüber dem Antragsgegner ableiten lassen, für den die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit aber nicht zuständig sind.

Auch hinsichtlich des Antrags auf Übersendung der Zahlungsnachweise hinsichtlich der geleisteten Leistungen nach dem SGB II ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat keine Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner bezogen. Eine Rechtsgrundlage für sein Begehren ist nicht ersichtlich.

Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 500,00 EUR für das Führen von diversen behördlichen und gerichtlichen Verfahren, u. a. vor dem Amtsgericht X, geltend macht, ist eine Rechtsgrundlage für einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, z. B. aus Verzug oder aus unerlaubter Handlung, nicht ersichtlich und damit ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

B.

Auch wenn im Wege des Meistbegünstigungsgrundsatzes die Antrags- und Beschwerdeschrift des Antragstellers dahingehend ausgelegt wird, dass er das Verfahren auch im Namen seiner Ehefrau - wofür die Beifügung einer Vollmacht seiner Ehefrau zu seiner Antragsschrift spricht - führt, ist die Beschwerde unbegründet.

Hinsichtlich der Übernahme der Heizkostennachforderungen betreffend die Wohnung I-Straße 00 für Jahre 2009 und 2010 hat die Ehefrau des Antragstellers keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann nur bejaht werden, wenn einer Antragsstellerin schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Dies ist nicht der Fall. Insoweit nimmt der Senat auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Auch im Beschwerdeverfahren hat die Ehefrau des Antragstellers nicht belegt, dass ihr wegen bestehender Zahlungsrückstände hinsichtlich der Rechnungen vom 15.01.2010 und vom 17.01.2011 unmittelbar eine Stromsperre droht. Vielmehr spricht nach der Aktenlage vieles dafür, dass die Antragsteller diese Forderungen beglichen haben bzw. mit dem Versorgungsträger eine Zahlungsvereinbarung getroffen haben. Zudem hat der Senat berücksichtigt, dass nach dem Kopfteilprinzip der Antragsgegner allenfalls die Hälfte der Heizkostennachforderungen zu tragen hätte, da der Antragsteller zwar zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderungen am 15.01.2010 und am 17.01.2011 nicht mehr leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen ist, aber bei der Verteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung auch bei Bestehen einer sog. "gemischten" Bedarfsgemeinschaft das Kopfteilprinzip bei der Verteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung anzuwenden ist (BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R). Der auf den Antragsteller entfallende Anteil der Heizkostennachforderung ist lediglich bei der Feststellung seines Bedarfs nach dem SGB II im Fälligkeitsmonat zu beachten, der bei der Verteilung des Renteneinkommens des Antragstellers nach § 9 Abs. 2 SGB II im Wege der modifizierten horizontalen (vertikalen) Berechnungsmethode zu berücksichtigen ist (vgl. zu den Verteilungsgrundsätzen von Einkommen im Fall der gemischten Bedarfsgemeinschaft: BSG Urteil vom 15.04.2008 - B 14/7b AS 58/06 R und vom 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R).

Ebenso hat die Ehefrau des Antragstellers keinen Anordnungsgrund hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Übersendung der Zahlungsnachweise glaubhaft gemacht. Es ist nicht ersichtlich, welche schweren und unzumutbaren Nachteile der Ehefrau des Antragstellers drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Dies gilt auch für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme von Inkassokosten und Mahnkosten von 84,41 EUR sowie von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 500,00 EUR, wobei der Senat offen lässt, ob und ggf. in welcher Höhe der Ehefrau der Klägerin solche Kosten zustehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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