S 12 R 876/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 12 R 876/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im Jahr 1954 geborene Klägerin erwarb 1973 den Abschluss als Facharbeiterin für Datenverarbeitung und arbeite bis 1975 in diesem Beruf. Anschließend war sie als Disponentin tätig und von 1976 bis 1980 als Sachbearbeiterin. Von 1980 bis 1985 war sie als Wirtschaftsleiterin in einer Kinderreinrichtung und anschließend als Sekretärin beschäftigt. Seit 1989 arbeitete sie als medizinische Schreibkraft und zuletzt war sie von Oktober 1996 bis Dezember 2004 als Vertretung im Chefarztsekretariat der Radiologie tätig. Seit Anfang 2004 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 1. Januar 2005 aufgelöst.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 24. November 2004 Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation in der Reha-Klinik D. An dieser Rehabilitationsmaßnahme nahm die Klägerin vom 28. Dezember 2004 bis 25. Januar 2005 teil und wurde von dort als arbeitsfähig entlassen. Im Rehabilitationsbericht vom 26. Januar 2005 sind als Diagnosen angegeben: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronisches Zervicobrachialsyndrom rechts größer als links bei Fehlstatik, Skoliose und muskulärer Dysbalance sowie degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule, Epikondylitis humeri radialis rechts, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes, Impingementsyndrom sowie ein rezidivierendes lokales Lumbalsyndrom. Die Klägerin könne sechs Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen ausführen, wobei Einschränkungen im Bewegungs- und Haltungsapparat bestünden. Aufgrund der Minderbelastbarkeit der Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule wären derzeit nur leichte bis mittelschwere Tätigkeiten möglich. Vermieden werden sollten Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 15 kg, überwiegende Überkopfarbeiten, überwiegende Arbeiten mit Armvorhalten sowie Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und gekühlten Räumen.

Am ... 2005 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung den die Beklagte mit Bescheid vom ... 2005 auf der Grundlage des Rehabilitationsberichtes vom ... 2005 ablehnte. Zur Begründung führte sie aus, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen sei es der Klägerin möglich, Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche regelmäßig auszuüben. Ferner lägen auch die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vor, da die Klägerin in der Lage sei, in ihrem bisherigen Beruf als Chefarztsekretärin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte die Klägerin fristgemäß Widerspruch ein und legte weitere Befundberichte vor. Der Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK), PD Dr. med. R., gibt in seinem Sozialmedizinischen Gutachten vom ... 2005 aufgrund einer körperlichen Untersuchung der Klägerin am ... 2005 an, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei erheblich gefährdet. Die Klägerin sei wegen der fortbestehenden Reduktion ihrer psychophysischen Leistungsfähigkeit sowie der verbliebenen neuro-orthopädischen Symptomatik sowohl für die zuletzt ausgeführte Tätigkeit wie auch für eine andere vollschichtige oder mindestens 15 Stunden pro Woche anhaltende Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiter arbeitsunfähig.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Med. G ... In ihrem Gutachten vom ... 2005 kommt sie zu dem Ergebnis, die Klägerin sei in ihrer letzten Tätigkeit als Arztsekretärin vollschichtig einsetzbar. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen und überwiegend im Sitzen durchführen. Einschränkungen bestünden hinsichtlich schwerer Tätigkeiten und Tätigkeiten mit Zwangshaltungen. Der neurologische Befund sei regelrecht. Während der Untersuchung seien ein sehr schmerz- und beschwerdefixierendes Verhalten sowie deutliche Hinweise auf eine Aggravation im Rahmen vorhandener Versorgungstendenzen aufgefallen. Hinweise auf eine Somatisierungsstörung, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine Depression oder eine andere, die Leistungsfähigkeit psychiatrischerseits vermindernde Krankheit bestünden nicht. Eventuell sei eine orthopädische Zusatzbegutachtung sinnvoll.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, sie sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert bzw. berufsunfähig. Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung habe bestätigt, dass die Klägerin eine Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten könne und in der Lage sei, in dem bisherigen Beruf als Arztsekretärin mindestens sechs Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Das im Widerspruchsverfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten habe keine weiteren Einschränkungen des festgestellten Leistungsvermögens ergeben.

Die Klägerin hat am ... 2005 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe im Verwaltungsverfahren ihre gesundheitlichen Einschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt. Es bestehe entgegen der Auffassung der Beklagten kein vollschichtiges Leistungsvermögen. Ein Verweis der Klägerin auf eine Anlerntätigkeit sei sozial nicht zumutbar.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom ... 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf Ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirotherapeut, Dr. med. Sch., gibt in seinem Befundbericht vom ... 2006 als Diagnosen Frozen shoulder, muskuläre Dysbalance HWS, Blockierung bei Cervicalsyndrom und Vertigo an. Die Klägerin sei aufgrund der Schmerzen nicht belastungsfähig. Es liege eine Invalidität vor. Die Fachärztin für Innere Medizin, Dr. med. S., gibt in ihrem Befundbericht vom ... 2006 an, die Klägerin leide an arterieller Hypertonie, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit Bandscheibenvorfall, Fibrositissyndrom und Zustand nach Depressionen. Die Beschwerden seien wechselnder Natur und es sei eine geringe Besserung eingetreten. Die Klägerin könne leichte körperliche Arbeiten von weniger als sechs Stunden im Sitzen ohne schweres Heben und Tragen in geschlossenen Räumen ausüben. Bei einer Tätigkeit von mehr als sechs Stunden bekomme die Klägerin Schmerzen und zeitweisen Schwindel.

Das Sozialgericht hat eine Begutachtung durch den Facharzt für Orthopädie, Dr. med. B. veranlasst. In seinem orthopädischen Sachverständigengutachten vom ... 2007 gelangt er zu der Einschätzung, bei der Klägerin bestünden auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen:

Pseudoradikulärsyndrom im Bereich der HWS

Pseudoradikulärsyndrom im Bereich der LWS

Impingementsyndrom der rechten Schulter

Epicondylitis radialis humeri rechtsseitig

Chronisches rezidivierendes Lumbalsyndrom

Beginnende USG Arthrose linksseitig

Darüber hinaus bestünden folgende Gesundheitsstörungen:

Arterielle Hypertonie

Zustand nach Depressionen

Die Leistungsfähigkeit der Klägerin als Arzthelferin sei beeinträchtigt auf Grund der vorhandenen Gesundheitsstörungen vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule. Eine vorwiegend sitzende Tätigkeit sei daher nicht möglich. Jede regelmäßige Erwerbstätigkeit sei jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Die Belastbarkeit der Klägerin sei gemindert für alles Stehen, Gehen, Treppensteigen, Knien und Hocken. Es seien derzeit nur Arbeiten im Wechsel von Sitzen und Stehen möglich. Zwangshaltungen und Vorbeugebelastungen müssten grundsätzlich vermieden werden, Überkopfarbeiten seien nicht möglich. Die Klägerin könne als Arzthelferin zwischen drei und sechs Stunden tätig sein. Unter Beachtung der Einschränkungen könne eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mindestens sechs Stunden ausgeübt werden. Die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe seit dem ... 2007.

Auf Nachfrage des Gerichts korrigierte der Sachverständige seine Ausführungen dahingehend, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin als Sekretärin beeinträchtigt sei und sie in ihrem Beruf als Sekretärin zwischen drei und sechs Stunden tätig sein könne.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft des letzten Arbeitgebers der Klägerin des ... Danach sei die Klägerin als medizinische Schreibkraft mit Vergütungsgruppe VIII BAT-0 VKA mit Bewährungsaufstiegsmöglichkeit in Vergütungsgruppe VII BAT-O VKA vergütet worden. Nach zurückgelegter Bewährungszeit habe sie die Vergütungsgruppe VII BAT-O VKA erhalten. Die Vergütungsgruppe VIb BAT-O VKA habe sie ab dem ... 2002 ebenfalls im Zuge des Bewährungsaufstiegs erhalten.

Die Beklagte legte eine Stellungnahme ihres berufskundlichen Dienstes vom ... 2008 vor. Die Klägerin sei danach als Gelernte einzustufen mit einer Verweisungsmöglichkeit auf Angelerntentätigkeiten. Maßgeblich für die Ermittlung des Berufsschutzes seien Art und Umfang der bisherigen Tätigkeit, Dauer und Umfang der erforderlichen beruflichen Qualifikation sowie die tarifliche Einstufung. Die Vergütungsgruppe sei unabhängig vom Bewährungsaufstieg zu Grunde zu legen, da die Höherbewertung im Rahmen des Bewährungsaufstieges nicht den objektiven qualitativen Wert einer Tätigkeit verändere. Die Klägerin könne daher auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin am Empfang oder an Informationsstellen in öffentlichen Verwaltungen oder vergleichbaren Institutionen in der Entgeltgruppe 3 TVöD (vormals Vergütungsgruppe VIII BAT) verwiesen werden.

Mit Bescheid vom ... 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin erneut eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der Fachklinik Bad ... Die Bewilligung erfolgte aufgrund des sozialmedizinischen Gutachtens des MDK vom ... 2008. Danach liege eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vor. Eine Einleitung einer erneuten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme sei sinnvoll. Es sei davon auszugehen, dass sich nach Durchführung einer solchen Maßnahme und entsprechend adäquater psychologischer Mitbehandlung ein Restleistungsvermögen ergeben werde, mit dem sich die Klägerin dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne. Es bestünden erhebliche Diskrepanzen zwischen den Angaben der Patientin zum vorliegenden rheumatologischen Leiden und regelmäßigen Konsultationen in der Schmerztherapie und Rheumatologie.

Das Gericht hat am ... 2008 einen Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt. Im Hinblick auf die bevorstehende Rehabilitationsmaßnahme erfolgte eine Vertagung. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom ... 2008 verwiesen.

Vom ... 2008 bis zum ... 2008 befand sich die Klägerin zur Rehabilitation in der ... Fachklinik. Als Diagnosen sind im Entlassungsbericht vom ... 2008 angegeben: anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Cervicobrachialgien bei fortgeschrittener Octeochondrose, Instabilität im Bewegungssegment des unteren HWS-Abschnittes C5-7, rezidivierende Lumbalgien bei Fehlhaltung, wiederkehrende Schmerzhaftigkeit des linken Kniegelenks bei derzeit unauffälligem klinischen und radiologischen Befund. Die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer sowie orthopädischer Sicht sei die Klägerin in ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit vollschichtig leistungsfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe eine Leistungsfähigkeit für mehr als sechs Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Arbeiten über Kopfhöhe.

Die Klägerin war mit dem Rehabilitationsergebnis unzufrieden und stimmte der sozialmedizinischen Einschätzung nicht zu. Die orthopädischen Leiden seien ignoriert worden, vielmehr hätten nur Verhaltenstherapien stattgefunden.

Das Gericht hat ergänzende Befundberichte eingeholt. Herr Dr. med. Sch. führte in seinem Befundbericht vom ... 2009 aus, es seien keine Veränderungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten. Das Leistungsvermögen der Klägerin liege unter drei Stunden. Frau Dr. med. S. teilt in ihrem Befundbericht vom ... 2009 mit, die Befunde der Klägerin hätten sich nicht verändert. Das Leistungsvermögen liege bei drei bis unter sechs Stunden für leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen. Die Klägerin fühle sich infolge der Schmerzen nicht in der Lage, mehr als sechs Stunden zu arbeiten. Im Vergleich zum Zustand vor der Rehabilitationsmaßnahme bestehe kein Unterschied.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der zur Entscheidung gestellte Anspruch im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der prozessuale Anspruch, der in den gestellten Anträgen, an deren Wortlaut das Gericht selbst nicht gebunden ist, zum Ausdruck kommt. Zunächst war der Antrag der Klägerin daher dahingehend auszulegen, dass sie zum einen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ganz hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit begehrt.

Die so verstandene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig, weil die Klägerin neben der Änderung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung gleichzeitig die Gewährung einer Rente begehrt.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom ... 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2005 ist rechtmäßig und verletzt deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (1.) oder wegen teilweiser Erwerbsminderung (2.), noch wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (3.).

1.)

Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

voll erwerbsgemindert sind,

in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind dabei Versicherte, die auf Grund einer Erkrankung oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist zudem nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Kammer gelangt auf Grund der vorliegenden Unterlagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass die Klägerin seit ... 2005 nicht voll erwerbsgemindert ist. Die Klägerin verfügt über ein Leistungsvermögen, welches ihr eine mindestens sechsstündige Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gestattet. Die Kammer legt hierbei folgendes Leistungsvermögen zu Grunde: Die Klägerin ist in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Haltung von 6 Stunden und mehr unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Vorbeugebelastungen und Überkopfarbeiten zu verrichten.

Diese Einschätzung stützt die Kammer auf das von Dr. med. B. erstattete Gutachten vom ... 2007. Der Sachverständige hat nach eingehender und gründlicher Untersuchung nach der ergänzenden Korrektur in sich widerspruchsfrei und schlüssig bestätigt, dass bei der Klägerin im Hinblick auf die erhobenen Befunde ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit Einschränkungen im Hinblick auf Zwangshaltungen, Vorbeugebelastungen und Überkopfarbeiten besteht. Soweit der Sachverständige Dr. med. B. zunächst von dem Beruf einer Arzthelferin sprach, hat er dies berichtigt. Der Beruf der Klägerin ist in der erhobenen Sozialanamnese des Sachverständigen insoweit auch bereits korrekt wiedergegeben worden.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. B. rechtfertigen die erhobenen Befunde und diagnostizierten Erkrankungen keine rentenrechtlich erhebliche Leistungsminderung für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten. Den angegebenen Beschwerden stehen der gut strukturierte Tagesablauf und die geschilderten Aktivitäten entgegen. Die Klägerin führt den Haushalt, unternimmt täglich einen Spaziergang und erledigt kleinere Einkäufe mit dem Fahrrad. Der Tagesablauf ist durch viele Ruhepausen ohne bestehende Schmerzen geprägt.

Die Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch den Sachverständigen Dr. med. B. wird auch von dem Reha-Entlassungsbericht der ... Fachklinik vom ... 2008 bestätigt. Im Rahmen der sozialmedizinischen Epikrise ist eine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Tätigkeiten für sechs Stunden und mehr festgestellt worden und die Klägerin ist als arbeitsfähig entlassen worden. Weiterhin ergibt sich aus den erhobenen Befunden, dass die Beschwerden der Klägerin sich nur teilweise durch die erkennbaren Erkrankungen der Wirbelsäule erklären lassen. Aus den geschilderten Befunden und dem Rehabilitationsverlauf kann die Kammer eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht erkennen.

Bereits die Fachärztin für Nervenheilkunde Dipl.-Med. G. wies in ihrem Gutachten vom ... 2005 in Übereinstimmung mit dem Reha-Entlassungsbericht der ... Fachklinik auf ein schmerz- und beschwerdefixierendes Verhalten der Klägerin hin. Weiterhin stützt auch die Leistungseinschätzung der Fachärztin die Auffassung der Kammer zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Der Gutachter Dr. med. B. weicht von den Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. med. Sch. und Dr. med. S. ab. Insoweit waren die vom Gericht eingeholten Befundberichte für die Kammer nicht überzeugend. Die Leistungseinschätzung erfolgt bei beiden Ärzten nicht auf der Grundlage von objektiven Befunderhebungen, sondern auf den subjektiven Leistungseinschätzungen der Klägerin, die lediglich wiedergegeben werden. Eine Änderung des Gesundheitszustandes nach Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme Ende 2008 hat nach den Angaben der Ärzte nicht stattgefunden, so dass die Ausführung des Sachverständigen Dr. med. B. insoweit auch nach den Angaben der behandelnden Ärzte weiterhin Aktualität haben. Insbesondere die Annahme der Invalidität der Klägerin durch Dr. med. Sch. weicht von sämtlichen sonstigen eingeholten medizinischen Stellungnahmen erheblich ab und konnte die Kammer nicht überzeugen.

Eine dauerhafte Leistungseinschränkung der Klägerin lässt sich auch nicht aus dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom ... 2008 entnehmen. Vielmehr wurde hier allein eine Aussage zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin erstellt. Die Beurteilung des Umfanges der Leistungsfähigkeit und die Feststellung der Arbeitsfähigkeit sind voneinander vollständig unabhängig. Auch bei Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit folgt daraus nicht automatisch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit. Aus diesem Grund sind für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin andere Maßstäbe heranzuziehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass hier eigene Interessen eines anderen Sozialleistungsträgers nicht ausgeschlossen werden können.

Nach alledem sind der Verwaltungs- und Gerichtsakte keine belastbaren medizinischen Angaben zu entnehmen, welche das Begehren der Klägerin auf eine volle Rente wegen Erwerbsminderung stützen.

2.)

Deshalb kann die Klägerin auch keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI beanspruchen. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheiten oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Da die Klägerin – wie oben dargelegt – nach Auffassung der Kammer über ein Leistungsvermögen von über sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt, kann sie keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beanspruchen.

3.)

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben auch Versicherte bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

vor dem 2. Januar 1961 geboren und

berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Berufsunfähigkeit liegt daher nur vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seine durch Ausbildung oder langjährige Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erzielung von Erwerbseinkommen einzusetzen. Die Rente bei Berufsunfähigkeit soll damit nur vor solchen Risiken schützen, die die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Grund von Erkrankungen oder Behinderungen betreffen. Die Rentenversicherung ist nur dann zur Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verpflichtet, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, mehr als sechs Stunden täglich in einem Beruf tätig zu sein, der seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und damit der geschützten Berufskompetenz entspricht.

Entscheidend ist also, ob die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, in ihrem bisherigen oder in einem ihr sozial zumutbaren Beruf täglich mehr als sechs Stunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu arbeiten.

Legt man diese Grundsätze zugrunde, ergibt sich Folgendes: Die Klägerin erlangte den Abschluss einer Facharbeiterin für Datenverarbeitung. Seit 1989 arbeitete sie als medizinische Schreibkraft und zuletzt war sie 8 Jahre als Chefarztsekretärin beschäftigt, so dass der Beruf als Sekretärin zu Grunde zu legen ist. Sie ist nach Auffassung der Kammer aufgrund der vorliegenden Unterlagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in der Lage, diesen Beruf für sechs Stunden und mehr täglich im Rahmen einer Fünftagewoche auszuüben. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Tätigkeit einer Sekretärin mit ständigem Sitzen verbunden ist, wobei nur vereinzelt andere Körperhaltungen eingenommen werden können. Tätigkeiten mit ständigem Sitzen sind der Klägerin jedoch für mindestens sechs Stunden nicht möglich.

Diese Einschätzung stützt die Kammer auf die von Dr. med. B. erhobenen Befunde und erstellte Leistungsbeurteilung. Soweit die Leistungsbeurteilung der ... Fachklinik sogar von einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin in ihrem Beruf ausgeht, folgt die Kammer diesen Ausführungen nicht. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Schwerpunkt der Beschwerden der Klägerin im orthopädischen Bereich liegt, so dass dem orthopädischen Fachgutachten gegenüber der Psychosomatischen Fachklinik auf diesem Fachgebiet eine größere Überzeugungskraft zukommt.

Auch wenn die Klägerin ihre bisher ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin nicht mehr vollschichtig ausüben kann, ist sie deswegen nicht berufsunfähig. Berufsunfähigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob seine gesundheitliche Leistungsfähigkeit noch für eine zumutbare Verweisungstätigkeit ausreicht oder nicht. Die soziale Zumutbarkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung der Beurteilung hat die Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, der Dauer und des Umfangs der Ausbildung gebildet worden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 5/04 R). Danach sind zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1), Berufe mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren (Stufe 2) und Berufe mit einer Ausbildung von mehr als 2 Jahren (Stufe 3). Die 2. Stufe – die Gruppe der Angelernten – unterteilt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Vielschichtigkeit dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr gelten noch als sogenannte untere Angelernte. Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen. Dabei kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, Az.: B 4 RA 5/04 R).

Innerhalb des vom Bundessozialgerichts entwickelten Mehrstufenschemas ist die bisherige Tätigkeit der Klägerin als Sekretärin dem oberen Bereich der 2. Stufe zuzuordnen. Dies ergibt sich aus der Auskunft des letzten Arbeitgebers, dem Universitätsklinikum Magdeburg. Von Bedeutung ist insbesondere, dass die Klägerin die Vergütungsgruppe VIb BAT-O VKA nur in Folge des Bewährungsaufstiegs erhalten hat und daher die eigentliche Vergütungsgruppe VIII BAT-O VKA der Tätigkeit zu Grunde zu legen ist. Die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs verändert nicht den objektiven, qualitativen Wert einer Verweisungstätigkeit. Ist der Versicherte lediglich über den Bewährungsaufstieg in eine höhere Lohn- oder Gehaltsgruppe eingestuft worden, so verrichtet er die bisherige, in die niedrigere Gruppe gehörende Tätigkeit weiter. Der qualitative Wert der Tätigkeit ist nach der niedrigeren Gruppe zu bestimmen, in die ohne den Bewährungsaufstieg die Tätigkeit normalerweise gehört (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 1988, Az.: 5/5b RJ 26/87). Im Falle der Klägerin lautet die entscheidende Frage, ob auf eine nach der Gruppe VIII BAT zu vergütende Tätigkeit zumutbar verwiesen werden kann, und ob der Klägerin eine solche Tätigkeit vollwertig verrichten kann. Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer zu bejahen.

Trotz des Berufsschutzes aufgrund der Tätigkeit als Sekretärin muss sich die Klägerin auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin am Empfang oder an Informationsstellen in öffentlichen Verwaltungen oder vergleichbaren Institutionen in der Entgeltgruppe 3 TVöD verweisen lassen, die ebenfalls der Gruppe der Angelernten im oberen Bereich zuzuordnen ist. Die Tätigkeit entspricht der qualitativen Wertigkeit der Beschäftigung der Klägerin ohne Berücksichtigung des Bewährungsaufstiegs. Nach der berufskundlichen Stellungnahme der Beklagten, gehört zu den Aufgaben und Tätigkeiten der Verweisungstätigkeit die visuelle Ein- und Ausgangsbeobachtung, die Erteilung von Auskünften im Hinblick auf Zuständigkeiten, Ansprechpartner und Öffnungszeiten, die Ausgabe von Informationsbroschüren, Formularen, Besucherausweisen, die telefonische Besucheranmeldung, die Entgegennahme von Schlüsseln, das Sorgetragen für Ordnung und ansprechende Gestaltung des Empfangsbereiches. Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit, die überwiegend im Sitzen, aber auch im weitgehend frei gewählten Wechsel der der Körperhaltung verrichtet werden kann. Schweres Heben und Tragen von Lasten, Überkopfarbeiten, lang andauernde Zwangshaltungen fallen hier nicht an. Damit entspricht die Tätigkeit nach Auffassung dem Leistungsvermögen der Klägerin für sechs und mehr Stunden (s. o.), da insoweit ein ständiges Sitzen durch die Möglichkeit des Wechsels der Körperhaltungen im Rahmen der Tätigkeiten jederzeit möglich ist. Aufgrund der Berufserfahrungen der Klägerin kann sie nach Auffassung der Kammer auch innerhalb von drei Monaten in diesen Beruf eingearbeitet werden. Derartige Arbeitsplätze stehen auf für Betriebsfremde in ausreichender Zahl im Bundesgebiet zur Verfügung (vgl. zur Verweisbarkeit auf eine Tätigkeit als Mitarbeiterin am Empfang oder Informationsstellen öffentlicher Verwaltungen oder vergleichbarer Institutionen: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Juni 2002, Az.: L 1 RA 59/02 sowie Urteil vom 2. Juni 2006, Az.: L 1 RA 142/03).

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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