Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 6264/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 832/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. März 2012 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) für die Zeit vom 7. März 2012 bis 31. Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 225,- EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 1) im gesamten Verfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Der Antragstellerin zu 1) wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Gründe:
Wegen der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Vorsitzenden und Berichterstatter zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4) fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines durch eine Regelungsanordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu sichernden Anordnungsanspruchs. Auf die zutreffende Begründung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss wird insoweit (S. 5 Absatz 3 Zeile 1 bis S. 6 Absatz 1 letzte Zeile) gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
In Bezug auf die Antragstellerin zu 1) ist die Beschwerde in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet. Für die Zeit ab 7. März 2012 (Antragseingang beim SG) bis längstens 31. Juli 2012 war der Antragsgegner gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu monatlichen Leistungen in Höhe der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu verpflichten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG). Der im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernde Anordnungsanspruch ergibt sich aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für nichtdeutsche Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht - wie bei der derzeit die polnische Staatsangehörigkeit besitzenden Antragstellerin zu 1) - auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU beruht. Wegen der in Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU stellt sich jedenfalls die Frage, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (Urteil vom 04. Juni 2009 - C - 22/08 - juris) kann sich nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats hergestellt hat, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, die ggfs. einem derartigen Leistungsanspruch entgegensteht, betrifft demgegenüber aber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe"; insoweit wird darauf hingewiesen, dass eine Leistungsvoraussetzung wie die der Erwerbsfähigkeit in § 8 SGB II ein Hinweis darauf sein könne, dass Leistungen der Grundsicherung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollten (vgl. EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 findet dann indes keine Anwendung.
Angesichts des existenzsichernden Charakters der beanspruchten Leistungen wiegen die der Antragstellerin zu 1) drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des gestellten Rechtsschutzantrages und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren jedenfalls ungleich schwerer als der dem Antragsgegner drohende Nachteil einer ggfs. nicht zu realisierenden Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Leistungsbeträge. Daher war der Antragsgegner entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats zu verpflichten, - nur - das absolute Existenzminimum des Antragstellers zu sichern. Die insoweit entsprechend heranzuziehenden Grundleistungen nach dem AsylbLG belaufen sich auf 360,- DM monatlich zzgl. des Betrags nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG i.H.v. 80,- DM, was einem Gesamtbetrag von - gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) - monatlich 225,- EUR entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Antragstellerin zu 1) war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen, (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4), war der PKH-Antrag mangels Erfolgsaussicht abzulehnen
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Wegen der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Vorsitzenden und Berichterstatter zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel nicht begründet und war daher zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4) fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines durch eine Regelungsanordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu sichernden Anordnungsanspruchs. Auf die zutreffende Begründung des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss wird insoweit (S. 5 Absatz 3 Zeile 1 bis S. 6 Absatz 1 letzte Zeile) gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
In Bezug auf die Antragstellerin zu 1) ist die Beschwerde in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet. Für die Zeit ab 7. März 2012 (Antragseingang beim SG) bis längstens 31. Juli 2012 war der Antragsgegner gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zu monatlichen Leistungen in Höhe der Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu verpflichten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG). Der im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernde Anordnungsanspruch ergibt sich aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Folgenabwägung (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - juris) im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Tragweite des gesetzlichen Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für nichtdeutsche Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), deren Aufenthaltsrecht - wie bei der derzeit die polnische Staatsangehörigkeit besitzenden Antragstellerin zu 1) - auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU beruht. Wegen der in Art. 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbürgten Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der EU stellt sich jedenfalls die Frage, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - (Urteil vom 04. Juni 2009 - C - 22/08 - juris) kann sich nämlich ein Arbeitsuchender, der tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats hergestellt hat, auf Art. 39 Abs. 2 EGV berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Die Ausnahmevorschrift in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, die ggfs. einem derartigen Leistungsanspruch entgegensteht, betrifft demgegenüber aber nur einen "Anspruch auf Sozialhilfe"; insoweit wird darauf hingewiesen, dass eine Leistungsvoraussetzung wie die der Erwerbsfähigkeit in § 8 SGB II ein Hinweis darauf sein könne, dass Leistungen der Grundsicherung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollten (vgl. EuGH a.a.O.). Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 findet dann indes keine Anwendung.
Angesichts des existenzsichernden Charakters der beanspruchten Leistungen wiegen die der Antragstellerin zu 1) drohenden Nachteile bei einer (vollen) Ablehnung des gestellten Rechtsschutzantrages und einem späteren Obsiegen im Hauptsacheverfahren jedenfalls ungleich schwerer als der dem Antragsgegner drohende Nachteil einer ggfs. nicht zu realisierenden Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Leistungsbeträge. Daher war der Antragsgegner entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats zu verpflichten, - nur - das absolute Existenzminimum des Antragstellers zu sichern. Die insoweit entsprechend heranzuziehenden Grundleistungen nach dem AsylbLG belaufen sich auf 360,- DM monatlich zzgl. des Betrags nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG i.H.v. 80,- DM, was einem Gesamtbetrag von - gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) - monatlich 225,- EUR entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Antragstellerin zu 1) war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen, (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Antragsteller zu 2) bis 4), war der PKH-Antrag mangels Erfolgsaussicht abzulehnen
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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