L 2 AL 33/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 142/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 33/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 18. März 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand Die Beteiligten streiten über den Beginn des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

Vorgeschichte Die am XXXXX 1974 geborene Kläger war vom 1. Juni 1998 bis September 2007 in ihrem erlernten Beruf als Physiotherapeutin beschäftigt. Wegen einer schweren seelischen Erkrankung mit Realitätsverlust, Ängsten und fehlender Belastbarkeit bezog sie vom 7. Juli 2007 bis 21. Juli 2008 Krankengeld. Am 7. Mai 2008 meldete sie sich bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte, ihr Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beklagte stellte auf der Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens des Nervenarztes Dr. K. vom 30. Mai 2008 eine voraussichtlich noch länger als 6 Monate andauernde Leistungsunfähigkeit fest und erörterte mit der Klägerin die Möglichkeiten für eine berufliche Wiedereingliederung. Der Klägerin wurde § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) Arbeitslosengeld ab 24. Juni 2008 für 360 Tage bewilligt. Ab diesem Tage wurde die Leistungsbewilligung wieder aufgehoben, weil die Klägerin vom 22. Juli bis 2. September 2008 eine Kurmaßnahme absolvierte. Ihr wurde von der Deutschen Rentenversicherung Bund Übergangsgeld sowie im Anschluss daran bis 12. Dezember 2008 Anschlussübergangsgeld gewährt. In der Zeit ab 15. Dezember 2008 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des B. Krankenhauses in H ...

Verwaltungsverfahren Am 12. Januar 2009 meldete ein Bekannter der Klägerin, Herr P.K., die Klägerin erneut persönlich arbeitslos und beantragte, ihr Arbeitslosengeld zu gewähren. Er legte zwei Bescheinigungen des B.-Krankenhauses vom 23. Januar 2009 vor, der zufolge die Klägerin während ihres stationären Aufenthalts krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die Station zu verlassen, um sich z.B. um behördliche Angelegenheiten zu kümmern. Mit Bescheid vom 11. Februar 2009 gewährte ihr die Beklagte Arbeitslosengeld ab 12. Januar 2009 für die Dauer von 360 Tagen. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch beantragte die Klägerin, ihr bereits ab 15. Dezember 2008 Arbeits- losengeld zu gewähren. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie sich krankheitsbedingt nicht früher habe melden können. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Klägerin habe Arbeitslosengeld erst ab 12. Januar 2009 gewährt werden können, weil sich die Klägerin vorher weder persönlich noch durch einen Vertreter arbeitslos gemeldet habe (§ 122 SGB III) und Leistungen der Arbeitsförderung nur auf Antrag erbracht würden (§ 323 Abs. 1 SGB III).

Klageverfahren Die Klägerin hat am 24. März 2009 Klage erhoben und einen Leistungsbeginn ab 13. Dezember 2008 verlangt. Sie sei außerstande gewesen, sich rechtzeitig (nach dem Auslaufen des Übergangsgeldes) persönlich oder durch einen legitimierten Vertreter arbeitslos zu melden, denn sie habe sich ab 15. Dezember 2008 wegen einer paranoiden Schizophrenie in geschlossener psychiatrischer Behandlung im B.-Krankenhaus befunden und starke Medikamente eingenommen. Sie habe die Station weder verlassen noch telefonieren können, denn sie sei hochpsychotisch, desorientiert und der Realität völlig abgewandt gewesen. Dass sie sich persönlich oder über einen Vertreter hätte arbeitslos melden müssen, hätte im Krankenhaus zunächst niemand gewusst. Erst Mitte Januar 2009 sei sie medikamentös soweit eingestellt gewesen, dass sie ihre Umwelt wieder habe wahrnehmen und sich um ihre Angelegenheiten habe kümmern können. Dann habe sie sich an den psychosozialen Fachdienst des Krankenhauses gewandt. Sie habe die verspätete Arbeitslosmeldung deshalb nicht zu vertreten. Diese dürfe ihr wie im anerkannten Ausnahmefall einer Koma-Patientin nicht zur Last gelegt werden. Zur Unterstützung ihrer Rechtsauffassung hat die Klägerin Unterlagen des Krankenhauses B. vorgelegt, die ihren den von der Klägerin beschriebenen Gesundheitszustand während ihrer stationären Behandlung bestätigten (Antrag auf Errichtung einer Unterbringung gemäß § 12 Hamburger PsychKG vom 16. Dezember 2008, Stellungnahme des Psychosozialen Fachdienstes vom 11. März 2009 sowie ärztliche Bescheinigung vom 28. Januar 2010).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat unter Hinweis auf die §§ 117 Abs. 1 Nr. 2, 122 Abs. 1 Satz 1 und 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III ausgeführt, dass die für die begehrte Leistung erforderliche persönliche Arbeitslosmeldung durch einen legitimierten Vertreter erst am 12. Januar 2009 erfolgt sei und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld in der streitigen Zeit vom 13. Dezember 2008 bis 11. Januar 2009 nicht vorlägen.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18. März 2010 abgewiesen, zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2009 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Zwar durchbreche § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III das Prinzip der persönlichen Arbeitslosmeldung, doch verlange die Vorschrift die Meldung durch einen Vertreter. Erfolge dies nicht, könne auch keine Leistung verlangt werden. Auf die Gründe für die verspätete Meldung oder eine Vorwerfbarkeit der Verspätung komme es nicht an. Der Gerichtsbescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22. März 2010 zugestellt.

Berufungsverfahren Die Klägerin hat am 12. April 2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen zu den gesundheitlichen Hindernissen, die einer rechtzeitigen Arbeitslosmeldung nach dem Ende des Bezuges von Anschlussübergangsgeld entgegen gestanden haben. Zur Unterstützung legt sie eine weitere ärztliche Bescheinigung des Krankenhauses B. vom 10. April 2010 vor. Die Klägerin weist weiter auf die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 125 SGB III hin und vertritt die Auffassung, dass in ihrem Fall berücksichtigt werden müsse, dass sie nicht einmal imstande gewesen sei, einen Vertreter mit der Arbeitslosmeldung zu beauftragen (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Beklagte hätte deshalb die Pflicht gehabt, den tatsächlichen Beginn der Arbeitslosigkeit von Amts wegen zu ermitteln. Hieraus folge der Beginn des Leistungsanspruchs am 13. Dezember 2008.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburgs vom 18. März 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld dem Grunde nach ab dem 13. Dezember 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen, schließt sich den Ausführungen der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung an und führt ergänzend aus, dass bei allem menschlichen Verständnis für die damalige Situation der Klägerin die gesetzlichen Vorgaben für einen früheren Leistungsbeginn nicht erfüllt seien.

Der Senat hat mit Beschluss vom 17. August 2010 die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter zur gemeinsamen Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 143, 144 SGG), insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Februar 2009 zurückgewiesen und das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab und nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2009 und des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren geht hieran vorbei und vermag an der bis zum 12. Januar 2009 fehlenden persönlichen Arbeitslosmeldung und damit an dem Fehlen der nach §§ 122 Abs. 1 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III erforderlichen Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld nichts zu ändern. Ihre Rechtsauffassung, dass in Fällen einer schweren Gesundheitsbeeinträchtigung, in denen der Betroffene objektiv an der persönlichen Arbeitslosmeldung und der Bestellung eines Vertreters gehindert sei, von dem Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung abzusehen und allein auf den tatsächlichen Eintritt von Arbeitslosigkeit abzustellen sei, findet weder im Gesetz noch in den Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 125 SGB III eine Stütze. Abgesehen davon, dass in ihnen nichts bestimmt werden dürfte, was von den gesetzlichen Bestimmungen abweicht, eröffnen sie zu Gunsten von Antragstellern, die wie die Klägerin aus gesundheitlichen und situationsbedingten Gründen an einer persönlichen Arbeitslosmeldung gehindert sind, lediglich die Möglichkeit, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung auch außerhalb der Dienststelle angenommen (125.7), die Verfügbarkeit auch bei einem Krankenhausaufenthalt außerhalb des Nahbereichs der zuständigen Arbeitsagentur bejaht (125.8) und die Arbeitslosmeldung durch einen durch Vollmacht legitimierten Vertreter vorgenommen werden kann, wobei im Ausnahmefall (z.B. bei Koma-Patienten) auf die Vollmacht verzichtet werden darf (125.10). In 125.15 ist zudem in Übereinstimmung mit dem Gesetz ausdrücklich bestimmt, dass ein Leistungsanspruch erst ab dem Zeitpunkt entstehen kann, ab dem die Voraussetzungen für die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter erfüllt sind. Hieran ändert sich auch nichts daran, dass die Beklagte verpflichtet ist, den für ihre Entscheidung erheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Dieser Sachverhalt steht fest und lässt von Gesetzes wegen keine andere Möglichkeit, als den Leistungsbeginn des Arbeitslosengeldes auf den Tag der persönlichen Arbeitslosmeldung durch den Vertreter der Klägerin festzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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