L 4 KR 54/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 KR 23/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 54/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 9/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 413,73 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin bei einem Aufenthalt des Versicherten von maximal 23 Minuten im Krankenhaus ihre Leistungen auf der Grundlage einer Fallpauschale für eine vollstationäre Behandlung abrechnen kann.

Die Klägerin ist Trägerin des Krankenhauses G. in Z. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der am ... 1936 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte O. M. (im Folgenden: Versicherter) wurde am 23. April 2004 von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. R. als Notfall wegen akutem Hinterwandinfarkt mit AV-Block III und kardiogenem Schock in die Klinik der Klägerin eingewiesen. Nach den Angaben des Krankenhauses erfolgte die Aufnahme um 8:01 Uhr. Hinsichtlich des genauen Zeitpunktes, wann der Versicherte in das Herzzentrum L. gebracht wurde, liegen unterschiedlichen Angaben von 8:15 Uhr und 8:24 Uhr vor, so dass dessen Aufenthalt im Krankenhaus maximal 23 Minuten gedauert hat. Mit Datum vom 21. Mai 2004 stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt 560,98 EUR auf der Basis der Abrechnung der DRG-Fallpauschale F60B unter Abzug eines Verlegungsabschlags in Rechnung.

Auf der Grundlage einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD), es liege möglicherweise keine stationäre Leistungserbringung vor, da der Patient nur in der Notaufnahme behandelt worden sein könnte, teilte die Beklagte der Klägerin am 9. Juni 2004 mit, sie gehe von einer vorstationären Behandlung im Sinne des § 115a Abs. 1 Ziffer 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) aus. Zugleich bat sie um Übersendung des vollständigen Entlassungsberichtes mit datumsbezogenen Angaben über Therapie und Verlauf bis zum 9. Juli 2004 an den SMD. Der in Rechnung gestellte Betrag sei unter Vorbehalt zur Zahlung angewiesen worden. Sollte die medizinisch-inhaltliche Überprüfung die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nicht bestätigen, werde der überzahlte Betrag zurück gefordert.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der korrigierte Rechnungsbetrag belaufe sich auf 147,25 EUR. Da sie bereits 560,98 EUR gezahlt habe, werde die Differenz in Höhe von 413,73 EUR in Abzug gebracht. Sollten noch zu übersendende Unterlagen eine andere Beurteilung des Sachverhaltes rechtfertigten, werde diese Entscheidung überprüft. Als Anlage fügte sie eine nach Eingang der Verlegungsepikrise vom 29. April 2004 vom SMD gefertigte Stellungnahme bei, in der dieser ausgeführt hatte, es handele sich um eine vorstationäre Behandlung im Sinne des § 115a Abs. 1 Ziffer 1 SGB V, da sich der Versicherte insgesamt nur 14 Minuten in der Einrichtung befunden habe.

Am 4. Oktober 2004 hat die Klägerin beim Sozialgericht Magdeburg Klage auf Zahlung weiterer 413,73 EUR nebst 4% Zinsen erhoben und vorgetragen: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege eine sog. "abgebrochene" stationäre Behandlung vor, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffs oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tage wieder verlasse. Um einen solchen sog. "Stundenfall" handele es sich hier. Die Verlegung eines Patienten in ein anderes Krankenhaus sei vergleichbar mit dem Fall des eigenmächtigen Verlassens des Krankenhauses durch den Patienten. Der Notarzt habe bereits medizinische Daten an die Klägerin übermittelt, die daraufhin entsprechende Vorbereitungen auf der Intensivstation veranlasst habe. Deshalb sei der Versicherte nicht in die Notaufnahme, sondern direkt auf die Intensivstation gekommen. Die Werte seien dann auch dem Herzzentrum L. übermittelt worden. Der für den Versicherten betriebene Aufwand habe daher 14 Minuten deutlich überschritten und sei z. B. aufgrund des Blockierens des Fahrstuhls und der Bereitschaft des gesamten Teams insgesamt erheblich gewesen. Der Fall sei für das Krankenhaus mit großer Dramatik und großem Aufwand verbunden gewesen. Der Versicherte habe nicht direkt ins Herzzentrum nach L. gebracht werden können, da der Notarzt das Versorgungsgebiet nur verlassen dürfe, wenn ein zweiter Notarzt zur Verfügung stehe. Dies sei nicht der Fall gewesen. Auf den Umfang der erbrachten Leistungen komme es jedoch nicht an. Die Erforderlichkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung sei nie bezweifelt worden und Gegenstand des Behandlungsplans gewesen. Die vorstationäre Pauschale sei nicht anzuwenden, da die vollstationäre Krankenhausbehandlung weder vorzubereiten noch ihre Erforderlichkeit abzuklären gewesen sei.

Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Abrechnung von vollstationären Behandlungskosten komme schon aufgrund der Verweildauer von nur 14 Minuten nicht in Betracht. Eine Aufnahme des Versicherten sei nicht geplant gewesen und auch nicht erfolgt. Denn dessen Behandlung habe im Krankenhaus mangels entsprechender Ressourcen nicht erfolgen können. Daher sei er nicht stationär behandelt, sondern lediglich untersucht worden. Dabei habe sich gezeigt, dass der Versicherte in das Herzzentrum nach L. zu verlegen sei. Eine etwaige Entscheidung den Versicherten über Nacht im Krankenhaus zu behandeln, wäre deshalb fehlerhaft gewesen und hätte revidiert werden müssen. Die Abklärungsuntersuchung habe sich nicht nur auf die Frage der Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung erstreckt, sondern auch darauf, ob das aufgesuchte Krankenhaus für die erforderliche Behandlung geeignet ist.

Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Halle mit Beschluss vom 25. November 2004 hat dieses die Klage mit Urteil vom 12. Juli 2006 abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Versicherte sei nicht in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses eingegliedert worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich der Versicherte auf der Intensivstation befunden habe, da Briefbogen und Faxgerät der Rettungsstelle genutzt worden und die Befunde und die Anforderung eines EKG von derselben Ärztin unterschrieben worden seien. Aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen dem Alarm beim Notarzt um 7:27 Uhr und der Aufnahme des Versicherten um 8:01 Uhr hätten auch zeitlich keine umfangreichen vorbereitenden Maßnahmen im Krankenhaus getroffen worden sein können. Der Zustand des Versicherten habe sich auch nicht im Krankenhaus, sondern erst im Herzzentrum L. verschlechtert. Daher liege auch kein Fall einer sogenannten "abgebrochenen" stationären Krankenhausbehandlung vor. Die vorstationäre Pauschale könne demgegenüber auch dann abgerechnet werden, wenn zu prüfen sei, ob die erforderliche Krankenhausbehandlung in dem prüfenden Krankenhaus vorgenommen werden könne.

Gegen das der Klägerin am 8. August 2006 zugestellte Urteil hat sie noch im gleichen Monat Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Notaufnahme und die Intensivstation seien im Jahre 2004 im Krankenhaus eine Einheit gewesen. Schwerkranke Patienten seien unter Umgehung der Notaufnahme direkt in einem speziellen Zimmer der Intensivstation aufgenommen worden. Bei der Ankündigung eines Notfalls seien die Türen und der Fahrstuhl blockiert worden, um die Patienten schnell in den ersten Stock zu befördern. Durch die eilige Versorgung sei es leider zu einer falschen Dokumentation des Entlassungszeitpunktes gekommen. Auf allen Formularen im Zusammenhang mit den Laborwerten sei "Innere Intensivtherapie" dokumentiert. Rettungsstelle und Intensivstation hätten das Faxgerät der Rettungsstelle genutzt. Die Formulare mit dem Aufdruck "Rettungsstelle" seien in der Zeit auch auf der Intensivstation zur Erstellung von Kurzbriefen genutzt worden. Die Diagnostik sei auf der Intensivstation initiiert worden, auf den Befunden befinde sich der Hinweis "Innere Intensivtherapie". Bei der Verlegung handele es sich um einen Fall der aus medizinischen Gründen abgebrochenen stationären Behandlung. Der Anspruch auf Abrechnung einer Verlegung im Jahre 2004 ergebe sich abschließend aus § 3 der Rechtsverordnung des Bundes zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004. Dabei sei der Normengeber auf Bundesebene auch dann von einer stationären Behandlung ausgegangen, wenn diese keine 24 Stunden umfasse. Der vom BSG für eine vollstationäre Behandlung aufgestellte und bereits mehrfach durchbrochene Grundsatz, der Behandlungsplan eines Krankenhauses müsse eine Behandlung über einen Tag und eine Nacht umfassen, finde daher in der Fallpauschalenvereinbarung 2004 keine Stütze. Der Grundsatz könne auch bei stationären Notfallaufnahmen mit akuter Gefahr für Leib und Leben des Patienten keine Anwendung finden, da in einem solchen Fall vor der Behandlung kein schriftlicher Behandlungsplan erstellt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 413,73 EUR nebst 4% Zinsen seit dem 3. August 2004 zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine "abgebrochene stationäre Behandlung" sei nur anzunehmen, wenn eine vollstationäre Behandlung im Krankenhaus der Klägerin stattgefunden habe. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da lediglich die Abklärungsuntersuchung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V und damit eine vorstationäre Behandlung im Sinne des § 115a Abs. 1 Ziffer 1 SGB V durchgeführt worden sei. In § 6 Abs. 3 des Sächsischen Landesvertrages gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V sei die Abrechnung einer vorstationären Pauschale ausdrücklich vereinbart. Die Regelung zeige, dass diese Abrechnung durchaus sachgerecht sei, auch wenn der Landesvertrag vorliegend nicht zur Anwendung komme. Der von der Beklagten eingeschaltete SMD hat nach Auswertung der Patientenunterlagen ausgeführt, der Versicherte sei in die Notfallambulanz des Klinikums verbracht worden. Dort sei die Diagnostik "Anbehandlung" erfolgt und die Entscheidung zur Verlegung in das Herzzentrum L. getroffen worden. Der in der Notfallambulanz initiierte Laborbefund sei um 9:47 Uhr von der Rettungsstelle an das Herzzentrum L. gefaxt worden. Ein Behandlungsplan könne erst nach Diagnostik und ggf. Anbehandlung erstellt werden. Hier sei die Entscheidung zur sofortigen Verlegung ohne stationäre Aufnahme getroffen worden. In einer weiteren Stellungnahme hat der SMD darauf hingewiesen, dass sämtliche Formulare den Absender "Rettungsstelle" enthielten. Dies sei nicht möglich, wenn der Versicherte, wie von der Klägerin vorgetragen, direkt unter Umgehung der Notaufnahme in einem speziellen Zimmer der Intensivstation aufgenommen worden wäre. Ein einheitlicher Briefkopf und Stempel von Rettungsstelle und Intensivstation sei nicht anzunehmen. Sämtliche Unterlagen sprächen dafür, dass der Versicherte ausschließlich in der Rettungsstelle untersucht und noch vor Aufnahme in die Klinik in das Herzzentrum verlegt worden sei. Dies sei unter Berücksichtigung der Diagnosen und der gebotenen Eile medizinisch nachvollziehbar.

Der Senat hat ein Gutachten von Dr. S., Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, vom 20. August 2011 eingeholt. Darin ist ausgeführt, bei dem akuten Hinterwandinfarkt mit kardiogenem Schock am 23. April 2004 habe es sich um ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild mit hoher Letalität gehandelt. Die arterielle Hypertonie und eine Hyperlipoproteinämie seien kardiovaskuläre Risikofaktoren. In der Klinik der Klägerin sei eine Kontrolle der Vitalparameter Atmung, Bewusstsein und Kreislauf erfolgt. Es seien ein 12-Kanal-EKG abgeleitet, eine Laborabnahme zur Bestimmung der Herzfermente angeordnet und ein großes Blutbild bestimmt worden. Zur Kreislaufstabilisierung sei Dopamin/Dobutamin durch Perfusion gegeben worden. Dies erfordere regelmäßig ärztliche, pflegerische, labor- und apparatetechnische Mittel. Ein Behandlungsplan, den Versicherten zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht in der Klinik zu behandeln, sei nicht erkennbar. Die Entscheidung zur Verlegung in das Herzzentrum L. sei gleich nach der Aufnahmeuntersuchung getroffen worden, denn deren Erforderlichkeit sei unmittelbar nach der Aufnahmeuntersuchung klar gewesen. Erweiterte Behandlungs- oder Untersuchungsmaßnahmen seien nicht durchgeführt worden. Aufwändige personelle und sächliche Mittel (z. B. spezielle medizinische Geräte), insbesondere zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr oder zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktion lebenswichtiger Organe, die in einer Intensivstation regelmäßig vorgehalten würden, seien nicht zum Einsatz gekommen. Die zur Kreislaufstabilisierung durch Perfusion verabreichten Katecholamine könnten bereits präklinisch durch einen Notarzt oder ggf. den Dienstarzt einer Notfallambulanz gegeben werden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Patientenunterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil das Sozialgericht sie zugelassen hat. Sie ist jedoch unbegründet, da der Klägerin für die für den Versicherten erbrachten Leistungen kein weiterer Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zusteht.

Die Klägerin macht den Anspruch auf Zahlung der weiteren Vergütung für erbrachte Krankenhausleistungen gegen die Beklagte zutreffend mit der (echten) Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG geltend. Die Klage eines Krankenhausträgers auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein sog. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R, zitiert nach juris).

Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch in der Rechnung vom 21. Mai 2004 konkret beziffert. Jedenfalls in Höhe der Klageforderung ist die Zahlung des Rechnungsbetrages durch die Beklagte jedoch ohne Rechtsgrund erfolgt. Daher durfte die Beklagte in dieser Höhe eine entsprechende Aufrechnung vornehmen. Die Aufrechnung ist in derartigen Fällen grundsätzlich zulässig, auch wenn die Voraussetzungen des § 51 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), der die Aufrechnung in bestimmten Fällen regelt, tatbestandlich nicht erfüllt sind (vgl. BSG Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 11/04, zitiert nach juris).

Die Klägerin hat für die von ihr zugunsten des Versicherten am 23. April 2004 erbrachten Leistungen keinen Vergütungsanspruch aus den hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Regelungen des § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004. Nähere vertragliche Regelungen i.S. von § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung sowie die Überprüfung ihrer Notwendigkeit und Dauer existieren für Sachsen-Anhalt nicht.

Das Gesetz regelt die Voraussetzungen des Anspruchs auf vollstationäre Krankenhausbehandlung in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach muss die Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus bzw. seine weitere vollstationäre Behandlung erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Nach dem Wortlaut dieser Regelung steht fest, dass der Aufenthalt im Krankenhaus einem Behandlungszweck dienen muss und die Krankenkasse nicht leistungspflichtig ist, wenn der Patient aktuell keiner stationären Behandlung (mehr) bedarf, sondern ggf. aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit im Krankenhaus behalten wird (Großer Senat des BSG, Beschluss vom 25. September 2007, GS 1/06, S. 8 des Umdrucks [Abs. 16]). Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ist in nachträglichen Abrechnungsstreitigkeiten nach der Rechtsprechung des BSG erst dann zu prüfen, wenn feststeht, dass im Einzelfall auch tatsächlich eine den Kriterien der "Krankenhausbehandlung" entsprechende Versorgung stattgefunden hat (BSG, Urt. v. 10. April 2008, a.a.O.; in Fortführung des Urt. v. 28. Februar 2007 – B 3 KR 15/06 R, zitiert nach juris).

Ferner hängt der Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Behandlung nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V davon ab, dass das aufgesuchte Krankenhaus die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung geprüft und bejaht hat. Diese Prüfung erstreckt sich auch auf die Frage, ob das aufgesuchte Krankenhaus für die erforderliche Behandlung geeignet ist oder ob die Behandlung in einem Krankenhaus einer anderen Versorgungsstufe vorzunehmen ist (vgl. Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: März 2011, § 39 SGB V Rn. 198, 201).

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R, zitiert nach juris) zur Abgrenzung von vollstationärer zu ambulanter, vor- und nachstationärer sowie teilstationärer Behandlung setzt die vollstationäre Behandlung eine physische und organisatorische Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses voraus. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die Behandlung nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt. Maßgebend ist damit zunächst der Behandlungsplan. Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann im Einzelfall aber auch noch später erfolgen (BSG a.a.O.).

Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung kann nicht bereits deswegen abgelehnt werden, weil der Versicherte nicht wenigstens einen Tag und eine Nacht behandelt worden ist. Denn nach der zutreffenden Ansicht des BSG, der der Senat folgt, kommt es bei der Abgrenzung der vollstationären Behandlung zu nicht vollstationären Behandlungsformen in erster Linie auf die geplante und nicht auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer an, wenn der Behandlungsplan eine längere Behandlungsdauer vorgesehen hat.

Weder aus den eingereichten Unterlagen noch aus den Ausführungen der Klägerin oder aus dem Sachverständigengutachten von Dr. S. ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Behandlungsplans, der einen Krankenhausaufenthalt des Versicherten in der Klinik der Klägerin über mindestens einen Tag und eine Nacht vorgesehen haben könnte. Da die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung des Versicherten im Herzzentrum L. nach den Ausführungen des Gutachters bereits bei der Aufnahmeuntersuchung festgestellt wurde, ist es nachvollziehbar, wenn der Gutachter einen Behandlungsplan, den Versicherten zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht in der Klinik der Klägerin zu behandeln, nicht erkennen konnte. Dagegen kann die Klägerin nicht einwenden, bei einer stationären Notfallaufnahme könne kein schriftlicher Behandlungsplan erstellt werden. Denn es fehlt vorliegend nicht an der Schriftlichkeit des Behandlungsplans. Selbst wenn ein solcher vorliegen würde, müsste sich daraus ergeben, dass ein vollstationärer Aufenthalt in der Klinik der Klägerin medizinisch erforderlich war. Die Erforderlichkeit ist grundsätzlich Voraussetzung jedes Krankenhausvergütungsanspruchs. Ein schriftlicher Behandlungsplan müsste daher in Bezug auf die medizinische Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung in der Klinik der Klägerin sachlich nachvollziehbar sein. Daran fehlt es hier, denn eine vollstationäre Behandlung des Versicherten war nicht in der Klinik der Klägerin, sondern im Herzzentrum L. medizinisch erforderlich. Das ergibt sich sowohl aus der Entscheidung der Krankenhausärzte, den Versicherten dort behandeln zu lassen als auch aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten. Dementsprechend finden sich keine Anhaltspunkte für eine ärztliche Entscheidung zur Aufnahme des Versicherten in die Klinik der Klägerin, und zwar auch dann nicht, wenn der Versicherte unter Umgehung der Notaufnahme sofort in ein spezielles Zimmer der Intensivstation gebracht worden sein sollte.

Aus diesem Grund kann hier auch nicht von einer sog. "abgebrochenen" stationären Behandlung (BSG, Urteil vom 17. März 2005, a.a.O.) ausgegangen werden, denn auch diese erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Aufnahmeentscheidung des Krankenhauses mit einem sich mindestens auf die nächste Nacht erstreckenden ärztlichen Behandlungsplan. Im Falle einer abgebrochenen Krankenhausbehandlung kann eine vollstationäre Behandlung abgerechnet werden, wenn es durch Umstände, die außerhalb der Sphäre des Krankenhauses liegen, nicht zu der "an sich" gewollten vollstationären Krankenhausbehandlung gekommen ist. Bei dem vom BSG entschiedenen Sachverhalt hat der Versicherte das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben noch am selben Tag verlassen (BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R, zitiert nach juris). Mangels einer entsprechenden Aufnahmeentscheidung liegt hier aber eine derartige Situation nicht vor, denn es fehlt bereits an einer "an sich" gewollten vollstationären Behandlung in der Klinik der Klägerin. Zudem haben sich die Krankenhausärzte selbst um eine sofortige Verbringung des Versicherten in das Herzzentrum L. bemüht. Dies beruhte auch nicht auf einer plötzlich eingetretenen medizinischen Komplikation, deretwegen eine geplante vollstationäre Behandlung abgebrochen wurde, sondern auf der Art der Erkrankung des Versicherten, zu deren Behandlung das Krankenhaus nicht ausreichend ausgestattet war.

Darüber hinaus ist die Abrechnung einer vollstationären Behandlung nach der Rechtsprechung des BSG auch bei einer besonders intensiven (Notfall-)Behandlung möglich, auch wenn eine Behandlungsdauer von mindestens einem Tag und einer Nacht nicht erreicht wird (BSG, Urteil vom 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R, zitiert nach juris). Dabei kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses tatsächlich in Anspruch genommen hat. Dies bestimmt sich nach der konkreten Erkrankung und der dafür erforderlichen Behandlung. Eine vollstationäre Behandlung liegt in diesen Fällen jedenfalls dann vor, wenn ein Versicherter mit Verdacht auf eine lebensbedrohliche Erkrankung in eine eigens für solche Fälle vorgehaltene Intensivstation eingeliefert wird. Im Gegensatz zu anderen Krankenhausstationen benötigt eine Intensivstation einen hohen Einsatz von Personal und von technischen Geräten, die gestörte Organfunktionen ersetzen können. Sie bieten daher ein Höchstmaß an Behandlungsintensität. Typische Erkrankungsbilder einer Intensivstation sind beispielsweise Schockzustände, Herzinfarkte oder bedrohliche Herzrhythmusstörungen. Ziel der Behandlung solcher Erkrankungen ist es, die Gefahren einer akuten Lebensgefahr abzuwenden und die Funktion lebenswichtiger Organsysteme wieder herzustellen (BSG a.a.O.). Die Zahl der betreuten Patienten auf der Intensivstation ist deutlich geringer als auf normalen Krankenstationen. Das Pflegepersonal auf Intensivstationen muss die Körperfunktionen der Patienten viel umfassender beobachten und überwachen und dabei zahlreiche Geräte (z.B. EKG, Beatmungsmaschinen, Medikamentenpumpen, Beobachtungsmonitore, Dialysegeräte) bedienen. Dies gilt für das ärztliche Personal in gleicher Weise. Die Intensivstation ist daher die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und stellt damit den klassischen Fall einer stationären Behandlung dar (vgl. BSG a.a.O.).

Eine solche intensive Notfallbehandlung ist hier nicht erfolgt, und zwar auch dann nicht, wenn der Versicherte – wie die Klägerin vorträgt – unter Umgehung der Notaufnahme sofort auf die Intensivstation gebracht worden sein sollte. Der gerichtliche Sachverständige Dr. S. hat überzeugend dargelegt, dass die in einer Intensivstation regelmäßig vorgehaltenen aufwändigen personellen und sächlichen Mittel (z.B. spezielle medizinische Geräte), insbesondere zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr oder zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Funktion lebenswichtiger Organe, jedenfalls im Krankenhaus nicht zum Einsatz gekommen sind. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass solche medizinisch erforderlich gewesen sein könnten. Zwar hat es sich beim Versicherten um ein akut lebensbedrohliches Krankheitsbild gehandelt; die medizinischen Maßnahmen, die in der Klinik der Klägerin ergriffen wurden (die Kontrolle der Vitalparameter Atmung, Bewusstsein und Kreislauf, die Ableitung eines 12-Kanal-EKGs, eine Laborabnahme zur Bestimmung der Herzfermente, die Bestimmung eines großen Blutbildes sowie die Verabreichung von Dopamin/Dobutamin durch Perfusion zur Kreislaufstabilisierung), erforderten jedoch nicht die besondere personelle und sächliche Ausstattung einer Intensivstation. Es sind zwar ärztliche, pflegerische, labor- und apparatetechnische Mittel zum Einsatz gekommen, aber nicht in der von der Rechtsprechung geforderten besonders intensiven Form. Letztlich sind die durchgeführten Untersuchungen Teil jeder Abklärungsuntersuchung zur Beurteilung der stationären Behandlungsbedürftigkeit. Katecholamine zur Kreislaufstabilisierung via Perfusor können nach den Ausführungen des Gutachters bereits vorklinisch durch einen Notarzt oder ggf. den Dienstarzt einer Notfallambulanz verabreicht werden.

Allein der von den Beteiligten – möglicherweise unzutreffend – verwendete Begriff der "Verlegung" und die Tatsache, dass von den behandelnden Krankenhausärzten eine Verbringung des Versicherten in eine andere Klinik für notwendig erachtet und organisiert wurde, macht den Aufenthalt des Versicherten in der Klinik der Klägerin von maximal 23 Minuten mit den dort durchgeführten Maßnahmen nicht zu einer stationären Krankenhausbehandlung. Der Senat vermag – jedenfalls solange das Krankenhaus selbst keine umfangreichen Untersuchungen oder Behandlungsmaßnahmen durchgeführt hat – keinen für die Abrechnung relevanten Unterschied zwischen der Veranlassung einer Weiterbehandlung in einer anderen Klinik und der Entlassung des Patienten nach Hause zugunsten der Klägerin zu erkennen. Da das aufnehmende Krankenhaus diesen Behandlungstag nach den Abrechungsregelungen bereits abrechnen kann, würde die Auffassung der Klägerin vielmehr zu einer doppelten Zahlungspflicht für diesen Tag führen. Die von der Klägerin zitierten Regelungen der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung – KFPV – 2004) bezwecken gerade die Vermeidung solcher doppelten Zahlungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KFPV 2004 hat das verlegende Krankenhaus einen Abschlag vorzunehmen, wenn die mittlere Verweildauer des Fallpauschalenkatalogs unterschritten wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist im aufnehmenden Krankenhaus kein Verlegungsabschlag nach Satz 1 vorzunehmen, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden gedauert hat. Hat die Behandlung im verlegenden Krankenhaus länger als 24 Stunden gedauert, hat danach sowohl das verlegende als auch das aufnehmende Krankenhaus einen entsprechenden Abschlag vorzunehmen. Dadurch schuldet die Krankenkasse nicht zweimal die volle Zahlung, wenn die erforderliche vollstationäre Behandlung von zwei Krankenhäusern erbracht wird. Der Verlegungsabschlag für das aufnehmende Krankenhaus entfällt, wenn die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden gedauert hat (§ 3 Abs. 2 Satz 2 KFPV 2004). Regelmäßig hat das verlegende Krankenhaus in diesen Fällen keine vollstationäre Behandlung erbracht, so dass das aufnehmende Krankenhaus alle erforderlichen vollstationären Leistungen noch erbringen muss. Entsprechend ist es gerechtfertigt, dass das "verlegende" Krankenhaus keine vollstationären Leistungen abrechnen kann und das aufnehmende Krankenhaus keinen Abschlag vorzunehmen hat (vgl. zum Ganzen auch LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21.12.2010 – L 4 KR 71/07, zitiert nach juris).

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Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob die Beklagte zu der von ihr vorgenommenen und bei der Klägerin verbliebenen Zahlung auf der Basis einer vorstationären Behandlung nach § 115a Abs. 1 SGB V verpflichtet war oder ob die Behandlung als ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus durch die Kassenärztliche Vereinigung zu vergüten war, denn jedenfalls steht der Klägerin der geltend gemachte weitere Zahlungsanspruch nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor. Das BSG hat die Frage, bei welchen Fallgestaltungen eine vollstationäre Krankenhausbehandlung vorliegt, in seinen Urteilen vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03, 8. September 2004 – B 6 KA 14/03 R, 17. März 2005 – B 3 KR 11/04 R und 28. Februar 2007 – B 3 KR 17/06 R (jeweils zitiert nach juris) abschließend geklärt. Die Grundsätze zur Erforderlichkeit der stationären Behandlung und der Überprüfung dieser Voraussetzung hat der Große Senat in seinem Beschluss vom 29. September 2007 (GS 1/06, zitiert nach juris) abschließend festgelegt, so dass grundsätzliche Fragen hier nicht mehr klärungsbedürftig sind.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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