Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3584/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2686/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Der 1952 geborene Kläger beantragte am 28.04.2008 die rückwirkende Feststellung des GdB ab 01.05.2007. Er legte diverse Arztbriefe der ihn behandelnden Ärzte, insbesondere die Entlassungsberichte der Rehaklinik H. in B. vom 22.09.2006 (chronisches Schmerzsyndrom mit unter anderem chronischen Lumboischialgien beidseits bei degenerativen Veränderungen und begleitenden Bandscheibenvorfällen L4 bis S1, chronisch rezidivierenden Coxarthralgien beidseits bei beginnender Coxarthrose beidseits und medialen Gonarthralgien beidseits bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektionen beidseits), der Klinik T. vom 22.06.2007 (Fasciitis plantaris, Tendopathie der Achillessehne, Infekt der Fußsohle, Kalkaneussporn, Hypertonie, chronische Bronchitis) und des Krankenhauses St. E. in R. vom 20.07.2007 (Fersenabszess rechts) vor. Dr. Sch. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.04.2008 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes mit einem Einzel- und Gesamt-GdB von 30. Das Landratsamt R. stellte mit Bescheid vom 09.05.2008 den GdB mit 30 seit 01.05.2007 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.06.2008 Widerspruch ein. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Allgemeinmediziners F. vom 14.07.2008 ein. Dieser hielt unter Vorlage weiterer Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte den GdB wegen der Wirbelsäulen-, Hüft- und Kniebeschwerden, der anhaltenden schmerzbedingten Gehbeeinträchtigung in Folge einer schweren Schädigung des rechten Fußes sowie des obstruktiven Lungenleidens mit immer wieder monatelang erforderlichen Asthmatherapien für zu niedrig bewertet. Der Sozialmediziner Nörenberg berücksichtigte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.11.2008 als zusätzliche Behinderungen eine Lungenfunktionseinschränkung sowie eine chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 08.12.2008 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben.
Das Sozialgericht hat zunächst den Orthopäden Dr. St. unter dem 11.03.2009 und den Allgemeinmediziner F. unter dem 02.04.2009 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. St. hat über eine Behandlung akuter Wirbelsäulenprobleme berichtet. Der Allgemeinmediziner F. hat unter Vorlage weiterer Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte ausgeführt, wegen der schweren Verletzung des Fußes und einer seit vielen Jahren bestehenden erheblichen degenerativen Erkrankung an verschiedenen Körperstellen sei der Kläger auf Dauer massiv beeinträchtigt, so dass der GdB mindestens mit 50 einzuschätzen sei. Dr. B. ist in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.08.2009 von einer zutreffenden Beurteilung des GdB ausgegangen.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 08.01.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die mäßige, altersübliche, endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfallserscheinungen bei fortgeschrittenen, alterstypischen Verschleißerscheinungen in der unteren Halswirbelsäule und diskreten, diffusen Verschleißerscheinungen in der Lendenwirbelsäule unter wohlwollender Betrachtung mit einem Einzel-GdB von 20, die Druckempfindlichkeit im Bereich des rechten oberen und unteren Sprunggelenks und des gesamten Fußes nach Abszessdrainage im Bereich der rechten Fußsohle mit einem Einzel-GdB von 10 und die Druckempfindlichkeit über dem inneren Kniegelenksspalt rechts und um die rechte Kniescheibe herum bei radiologischen Anzeichen einer minimalen innenseitigen Kniearthrose ohne wesentliche pathologische Untersuchungsbefunde sowie die Schmerzangaben in beiden Hüftgelenken bei freier Beweglichkeit ohne sekundäre Verschmächtigung der Gesäßmuskulatur bei radiologischem Ausschluss einer relevanten Hüftarthrose mit einem Einzel-GdB von unter 10 bewertet. Unter Berücksichtigung einer chronischen Bronchitis mit Asthmakomponente mit einem Einzel-GdB von 10 hat er den Gesamt-GdB bei großzügiger Betrachtungsweise mit 30 eingeschätzt.
Daraufhin hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Z. vom 21.07.2010 eingeholt. Dieser Sachverständige hat das chronische Lumboischialgiesnydrom bei Bandscheibenvorfall L4/5 mit einem Einzel-GdB von 20, die rezidivierende Periarthropathia coxae bei initialer Coxarthrose beidseits und die rezidivierenden Gonalgien medialbetont bei Zustand nach Innenmeniskusresektionen beidseits mit einem Einzel-GdB von unter 10 sowie das chronische Schmerzsyndrom des rechten Fußes nach operativer Abszess-Sanierung und das Defizit des plantaren Fußsohlenfettpolsters rechts mit einem Einzel-GdB von 20 und unter Berücksichtigung der chronischen Bronchitis mit asthmatischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 10 den Gesamt-GdB mit 40 bewertet sowie dabei den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert und eine nervenärztliche Begutachtung empfohlen.
Ferner hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Ha. vom 25.08.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Angst und depressiver Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 30, das chronische Zervikal- und Lumbalsyndrom mit mittelgradiger funktioneller Auswirkung in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30, die Belastungsschmerzen im Bereich der rechten Ferse nach Fasciitis plantaris und Fersenabszess mit einem Einzel-GdB von 20, die Knorpelschäden beider Kniegelenke ohne wesentliche Funktionsstörung mit einem Einzel-GdB von 10, die beginnende Coxarthrose beidseits mit einem Einzel-GdB von 10 sowie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 50 bewertet. Dem Gutachten beigefügt waren diverse Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte.
Dr. Re. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2011 als Behinderungen eine seelische Störung und eine somatoforme Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 30, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und muskuläre Verspannungen mit einem Einzel-GdB von 20, eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Er hat zur Begründung ausgeführt, in orthopädischer Hinsicht sei das Gutachten des Dr. H. schlüssig. Der von Dr. Ha. für die seelische Störung getroffenen Einschätzung könne ebenfalls gefolgt werden. Selbst bei Berücksichtigung der bei der Untersuchung durch Dr. Ha. ausgeprägten muskulären Verspannungen sei hinsichtlich der objektiven Messwerte im Bereich der Halswirbelsäule allenfalls von leichtgradigen Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen, zumal Dr. H. in seinem Gutachten die Halswirbelsäule und die Kopfgelenke nach allen Richtungen als frei beweglich beschrieben habe. Somit handle es sich bei den Befunden von Ha. um eine Momentaufnahme, was in Anbetracht der von dem Sachverständigen Z. beschriebenen leichtgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule bestätigt werde. Auch hätte Dr. Ha. neurologische Ausfälle von Seiten des Haltungs- und Bewegungsapparates nicht befundet. Sofern Dr. Ha. den Schaden im rechten Fuß höher als Dr. H. und der Orthopäde Z. bewertet habe, sei dies wohl auf die Belastungsschmerzen im Bereich der rechten Ferse und damit sowohl auf die somatoforme als auch auf die organgisch bedingte Schmerzkomponente zurückzuführen. Das auf einen Gesamt-GdB von 40 ab 01.04.2008 lautende Vergleichsangebot des Beklagten hat der Kläger nicht angenommen.
Mit Urteil vom 23.05.2011 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 verurteilt, dem Kläger einen GdB von 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ab April 2008 zuzuerkennen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Sozialgericht hat in Übereinstimmung mit Dr. Ha. für die seelische Störung des Klägers einen Einzel-GdB von 30 angenommen. Im Bereich der Wirbelsäule hat es einen Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet. Es ist dabei den Gutachten des Dr. H. und des Orthopäden Z. gefolgt. Danach lägen beim Kläger geringe funktionelle Auswirkungen in der Halswirbelsäule und mittelgradige funktionelle Auswirkungen in der Lendenwirbelsäule vor. Der höheren GdB-Einschätzung des Dr. Ha. sei nicht zu folgen, da auch nach den von ihm beschriebenen objektiven Befunden im Bereich der Halswirbelsäule nur leichtgradige Funktionseinschränkungen vorlägen und zudem es sich bei den von Dr. Ha. dargelegten Befunden nur um eine Momentaufnahme handle. Die Beeinträchtigung des rechten Fußes bedinge einen Einzel-GdB von 20. Zwar hätten sich bei den gutachterlichen Untersuchungen keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der Sprunggelenke gezeigt. Allerdings sei in Übereinstimmung mit den Einschätzungen des Orthopäden Z. und des Dr. Ha. aufgrund der langwierigen Schmerzsymptomatik mit einer lang anhaltenden Entzündung der Fußsohle bis hin zum Abszess sowie der dadurch bedingten Einschränkungen beim Stehen und Gehen ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Ferner rechtfertigten die Kniegelenksbeschwerden, die Hüftbeschwerden und die chronische obstruktive Lungenerkrankung jeweils einen Einzel-GdB von 10. Insbesondere wegen der Überschneidung der Schmerzen im Bereich des Fußes und der Wirbelsäule sowie der somatoformen Schmerzstörung und der seelischen Störung sei der Gesamt-GdB mit 40 angemessen bewertet. So habe auch Dr. Ha. ausgeführt, dass ein Teil der geklagten Beschwerden einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen sei, wobei offenbar die langjährige Erkrankung des rechten Fußes eine Rolle gespielt habe. Der Gesamt-GdB von 40 sei erst ab April 2008 anzunehmen, da eine rückwirkende Feststellung vor Antragstellung nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses möglich sei, welches nicht bereits dadurch, dass durch die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch steuerliche Vorteile für vergangene Jahre in Anspruch genommen werden könnten, in Betracht komme.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 06.06.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 28.06.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, zu Unrecht habe das Sozialgericht den Einzel-GdB für den Wirbelsäulenschaden lediglich mit 20 eingeschätzt. Während Dr. H. und der Orthopäde Z. lediglich auf orthopädischem Fachgebiet begutachtet hätten, habe Dr. Ha. das Wirbelsäulenleiden zum einen fachorthopädisch und zum anderen in Bezug auf die Gesamtauswirkung in nervenärztlich-sozialmedizinischer Hinsicht gewürdigt. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein chronisch rezidivierendes Leiden handle, sei eine mindestens mittelgradige funktionelle Beeinträchtigung gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Mai 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den GdB mit mindestens 50 ab April 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat dargelegt, ein höherer Einzel-GdB als 20 für den Bereich der Wirbelsäule könne angesichts dessen, dass lediglich im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen und im Bereich der Halswirbelsäule nur geringe funktionelle Auswirkungen vorlägen, nicht angenommen werden.
Das Landratsamt hat mit Bescheid vom 28.06.2011 den GdB mit 40 ab 01.04.2009 festgestellt.
Der Kläger hat die Arztbriefe des Radiologen Dr. D. vom 03.06.2011 (chronische Schmerzerkrankung, chronische Schulter-, Nacken- und Kreuzschmerzen mit Kniegelenks-, Hüftgelenks- und Sprunggelenksschmerzen links, Angst und Depression) und des Dr. St. vom 12.07.2011 (zunehmende Belastungsschmerzen des rechten Fußes) vorgelegt.
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.03.2012 einen Gesamt-GdB von 40 weiterhin für gerechtfertigt gehalten.
Der Berichterstatter hat am 29.03.2012 den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Er hat darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte, und ausgeführt, es sei beabsichtigt durch einen solchen Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 und des nach § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 96 Abs. 1 SGG streitgegenständlichen Ausführungsbescheides vom 28.06.2011 den GdB mit 40 festgestellt.
Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb der GdB nicht höher als mit 40 festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Den Funktionseinschränkungen des Klägers für das Funktionssystem Rumpf trägt ein Einzel-GdB von 20 ausreichend Rechnung. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40.
Beim Kläger liegen keine mittelgradigen oder schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor. Der Senat stützt sich dabei maßgeblich auf die in dem Gutachten von Dr. H. dargelegten Befunde, die ihre weitgehende Bestätigung in den beim Orthopäden Z. eingeholten Gutachten gefunden haben. Maßgeblich für die GdB-Beurteilung sind die funktionellen Auswirkungen. Im Bereich der Halswirbelsäule hat sich ein Bewegungsmaß bei der Vor- und Rückneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 45-70/0/35-45 Grad), bei der Seitneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 45/0/45 Grad) und bei der Kopfdrehung von 60/0/50 Grad (Normalmaß 60-80/0/60-80 Grad) gezeigt. Hierbei handelt es sich um Bewegungseinschränkungen von allenfalls mittlerem Grad. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat sich ein Bewegungsmaß bei der Seitneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 30-40/0/30-40 Grad) und bei der Rumpfdrehung von 30/0/30 Grad (Normalmaß 30-40/0/30-40 Grad) sowie ein Ott’sches Maß von 30/31 cm (Normalmaß 30/32 cm) und ein Schober’sches Maß von 10/14 cm (Normalmaß 10/15 cm) gezeigt. Hierbei handelt es sich um Bewegungseinschränkungen geringen Grades. Mithin liegen beim Kläger allenfalls einen GdB von 20 rechtfertigende mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor. Die von Dr. Ha. beschriebenen Befunde rechtfertigen hingegen nicht dessen Einschätzung, der Wirbelsäulenschaden sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu beurteilen. Denn er hat im Bereich der Halswirbelsäule bei der Vor- und Rückneigung sowie der Seitneigung mit jeweils 30/0/30 Grad sogar ein besseres und nur bei der Kopfdrehung mit 45/0/45 Grad ein schlechteres Bewegungsmaß beschrieben. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat er lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung dargelegt. Mithin beträgt der Einzel-GdB für das Funktionssystem Rumpf lediglich 20. Für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche ist kein höherer Einzel-GdB als 30 und für das Funktionssystem Beine ist jedenfalls kein höherer Einzel-GdB als 20 angemessen. Insoweit hat sich das Sozialgericht zu Recht den Gutachten des Dr. H., des Orthopäden Z. und des Dr. Ha., die keine nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 und Nr. 18.14 höheren Einzel-GdB rechtfertigende Funktionseinschränkungen dargelegt haben, angeschlossen. Substantiierte Einwendungen hiergegen sind auch im Berufungsverfahren vom Kläger nicht vorgebracht worden. Auch aus den vom Kläger vorgelegten Arztbriefen des Dr. D. und des Dr. St. ergibt sich keine andere Wertung. Denn die von beiden Ärzten angegebene Schmerzerkrankung ist ausreichend in dem von Dr. Ha. für die seelische Erkrankung vergebenen Einzel-GdB von 30 abgebildet. Die übrigen von ihnen auf orthopädischem Fachgebiet dargelegten Diagnosen sind von Dr. H. und vom Orthopäden Z. ausreichend berücksichtigt. worden. Im Übrigen schließt sich der Senat bei der Beurteilung des Einzel-GdB von 10 für die chronische Bronchitis und damit für das Funktionssystem Atmung der insoweit vom Kläger nicht angegriffenen versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Re. an.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB von jedenfalls nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Beine, Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem Atmung) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40. Wegen der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet hat der Senat die weiteren Einzel-GdB-Werte für die Funktionssysteme Rumpf und Beine bei der Bemessung des Ausmaßes der Behinderung dahingehend berücksichtigt, dass wegen dieser weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem GdB von 30 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche weitere 10 GdB-Punkte hinzuzufügen sind. Eine weitere Erhöhung wegen des übrigen Einzel-GdB-Wertes von 10 kommt nicht in Betracht.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Der 1952 geborene Kläger beantragte am 28.04.2008 die rückwirkende Feststellung des GdB ab 01.05.2007. Er legte diverse Arztbriefe der ihn behandelnden Ärzte, insbesondere die Entlassungsberichte der Rehaklinik H. in B. vom 22.09.2006 (chronisches Schmerzsyndrom mit unter anderem chronischen Lumboischialgien beidseits bei degenerativen Veränderungen und begleitenden Bandscheibenvorfällen L4 bis S1, chronisch rezidivierenden Coxarthralgien beidseits bei beginnender Coxarthrose beidseits und medialen Gonarthralgien beidseits bei Zustand nach Innenmeniskusteilresektionen beidseits), der Klinik T. vom 22.06.2007 (Fasciitis plantaris, Tendopathie der Achillessehne, Infekt der Fußsohle, Kalkaneussporn, Hypertonie, chronische Bronchitis) und des Krankenhauses St. E. in R. vom 20.07.2007 (Fersenabszess rechts) vor. Dr. Sch. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.04.2008 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes mit einem Einzel- und Gesamt-GdB von 30. Das Landratsamt R. stellte mit Bescheid vom 09.05.2008 den GdB mit 30 seit 01.05.2007 fest.
Hiergegen legte der Kläger am 06.06.2008 Widerspruch ein. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Allgemeinmediziners F. vom 14.07.2008 ein. Dieser hielt unter Vorlage weiterer Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte den GdB wegen der Wirbelsäulen-, Hüft- und Kniebeschwerden, der anhaltenden schmerzbedingten Gehbeeinträchtigung in Folge einer schweren Schädigung des rechten Fußes sowie des obstruktiven Lungenleidens mit immer wieder monatelang erforderlichen Asthmatherapien für zu niedrig bewertet. Der Sozialmediziner Nörenberg berücksichtigte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.11.2008 als zusätzliche Behinderungen eine Lungenfunktionseinschränkung sowie eine chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 08.12.2008 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben.
Das Sozialgericht hat zunächst den Orthopäden Dr. St. unter dem 11.03.2009 und den Allgemeinmediziner F. unter dem 02.04.2009 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. St. hat über eine Behandlung akuter Wirbelsäulenprobleme berichtet. Der Allgemeinmediziner F. hat unter Vorlage weiterer Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte ausgeführt, wegen der schweren Verletzung des Fußes und einer seit vielen Jahren bestehenden erheblichen degenerativen Erkrankung an verschiedenen Körperstellen sei der Kläger auf Dauer massiv beeinträchtigt, so dass der GdB mindestens mit 50 einzuschätzen sei. Dr. B. ist in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.08.2009 von einer zutreffenden Beurteilung des GdB ausgegangen.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 08.01.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die mäßige, altersübliche, endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule ohne neurologische Ausfallserscheinungen bei fortgeschrittenen, alterstypischen Verschleißerscheinungen in der unteren Halswirbelsäule und diskreten, diffusen Verschleißerscheinungen in der Lendenwirbelsäule unter wohlwollender Betrachtung mit einem Einzel-GdB von 20, die Druckempfindlichkeit im Bereich des rechten oberen und unteren Sprunggelenks und des gesamten Fußes nach Abszessdrainage im Bereich der rechten Fußsohle mit einem Einzel-GdB von 10 und die Druckempfindlichkeit über dem inneren Kniegelenksspalt rechts und um die rechte Kniescheibe herum bei radiologischen Anzeichen einer minimalen innenseitigen Kniearthrose ohne wesentliche pathologische Untersuchungsbefunde sowie die Schmerzangaben in beiden Hüftgelenken bei freier Beweglichkeit ohne sekundäre Verschmächtigung der Gesäßmuskulatur bei radiologischem Ausschluss einer relevanten Hüftarthrose mit einem Einzel-GdB von unter 10 bewertet. Unter Berücksichtigung einer chronischen Bronchitis mit Asthmakomponente mit einem Einzel-GdB von 10 hat er den Gesamt-GdB bei großzügiger Betrachtungsweise mit 30 eingeschätzt.
Daraufhin hat das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Z. vom 21.07.2010 eingeholt. Dieser Sachverständige hat das chronische Lumboischialgiesnydrom bei Bandscheibenvorfall L4/5 mit einem Einzel-GdB von 20, die rezidivierende Periarthropathia coxae bei initialer Coxarthrose beidseits und die rezidivierenden Gonalgien medialbetont bei Zustand nach Innenmeniskusresektionen beidseits mit einem Einzel-GdB von unter 10 sowie das chronische Schmerzsyndrom des rechten Fußes nach operativer Abszess-Sanierung und das Defizit des plantaren Fußsohlenfettpolsters rechts mit einem Einzel-GdB von 20 und unter Berücksichtigung der chronischen Bronchitis mit asthmatischer Komponente mit einem Einzel-GdB von 10 den Gesamt-GdB mit 40 bewertet sowie dabei den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert und eine nervenärztliche Begutachtung empfohlen.
Ferner hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Ha. vom 25.08.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die seelische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne von Angst und depressiver Störung und die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 30, das chronische Zervikal- und Lumbalsyndrom mit mittelgradiger funktioneller Auswirkung in zwei Wirbelsäulenabschnitten mit einem Einzel-GdB von 30, die Belastungsschmerzen im Bereich der rechten Ferse nach Fasciitis plantaris und Fersenabszess mit einem Einzel-GdB von 20, die Knorpelschäden beider Kniegelenke ohne wesentliche Funktionsstörung mit einem Einzel-GdB von 10, die beginnende Coxarthrose beidseits mit einem Einzel-GdB von 10 sowie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 50 bewertet. Dem Gutachten beigefügt waren diverse Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte.
Dr. Re. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2011 als Behinderungen eine seelische Störung und eine somatoforme Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 30, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden und muskuläre Verspannungen mit einem Einzel-GdB von 20, eine Gebrauchseinschränkung des rechten Fußes mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 40 bewertet. Er hat zur Begründung ausgeführt, in orthopädischer Hinsicht sei das Gutachten des Dr. H. schlüssig. Der von Dr. Ha. für die seelische Störung getroffenen Einschätzung könne ebenfalls gefolgt werden. Selbst bei Berücksichtigung der bei der Untersuchung durch Dr. Ha. ausgeprägten muskulären Verspannungen sei hinsichtlich der objektiven Messwerte im Bereich der Halswirbelsäule allenfalls von leichtgradigen Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen, zumal Dr. H. in seinem Gutachten die Halswirbelsäule und die Kopfgelenke nach allen Richtungen als frei beweglich beschrieben habe. Somit handle es sich bei den Befunden von Ha. um eine Momentaufnahme, was in Anbetracht der von dem Sachverständigen Z. beschriebenen leichtgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der Halswirbelsäule bestätigt werde. Auch hätte Dr. Ha. neurologische Ausfälle von Seiten des Haltungs- und Bewegungsapparates nicht befundet. Sofern Dr. Ha. den Schaden im rechten Fuß höher als Dr. H. und der Orthopäde Z. bewertet habe, sei dies wohl auf die Belastungsschmerzen im Bereich der rechten Ferse und damit sowohl auf die somatoforme als auch auf die organgisch bedingte Schmerzkomponente zurückzuführen. Das auf einen Gesamt-GdB von 40 ab 01.04.2008 lautende Vergleichsangebot des Beklagten hat der Kläger nicht angenommen.
Mit Urteil vom 23.05.2011 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 05.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 verurteilt, dem Kläger einen GdB von 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ab April 2008 zuzuerkennen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Sozialgericht hat in Übereinstimmung mit Dr. Ha. für die seelische Störung des Klägers einen Einzel-GdB von 30 angenommen. Im Bereich der Wirbelsäule hat es einen Einzel-GdB von 20 für angemessen erachtet. Es ist dabei den Gutachten des Dr. H. und des Orthopäden Z. gefolgt. Danach lägen beim Kläger geringe funktionelle Auswirkungen in der Halswirbelsäule und mittelgradige funktionelle Auswirkungen in der Lendenwirbelsäule vor. Der höheren GdB-Einschätzung des Dr. Ha. sei nicht zu folgen, da auch nach den von ihm beschriebenen objektiven Befunden im Bereich der Halswirbelsäule nur leichtgradige Funktionseinschränkungen vorlägen und zudem es sich bei den von Dr. Ha. dargelegten Befunden nur um eine Momentaufnahme handle. Die Beeinträchtigung des rechten Fußes bedinge einen Einzel-GdB von 20. Zwar hätten sich bei den gutachterlichen Untersuchungen keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der Sprunggelenke gezeigt. Allerdings sei in Übereinstimmung mit den Einschätzungen des Orthopäden Z. und des Dr. Ha. aufgrund der langwierigen Schmerzsymptomatik mit einer lang anhaltenden Entzündung der Fußsohle bis hin zum Abszess sowie der dadurch bedingten Einschränkungen beim Stehen und Gehen ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Ferner rechtfertigten die Kniegelenksbeschwerden, die Hüftbeschwerden und die chronische obstruktive Lungenerkrankung jeweils einen Einzel-GdB von 10. Insbesondere wegen der Überschneidung der Schmerzen im Bereich des Fußes und der Wirbelsäule sowie der somatoformen Schmerzstörung und der seelischen Störung sei der Gesamt-GdB mit 40 angemessen bewertet. So habe auch Dr. Ha. ausgeführt, dass ein Teil der geklagten Beschwerden einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zuzuordnen sei, wobei offenbar die langjährige Erkrankung des rechten Fußes eine Rolle gespielt habe. Der Gesamt-GdB von 40 sei erst ab April 2008 anzunehmen, da eine rückwirkende Feststellung vor Antragstellung nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses möglich sei, welches nicht bereits dadurch, dass durch die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch steuerliche Vorteile für vergangene Jahre in Anspruch genommen werden könnten, in Betracht komme.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 06.06.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 28.06.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, zu Unrecht habe das Sozialgericht den Einzel-GdB für den Wirbelsäulenschaden lediglich mit 20 eingeschätzt. Während Dr. H. und der Orthopäde Z. lediglich auf orthopädischem Fachgebiet begutachtet hätten, habe Dr. Ha. das Wirbelsäulenleiden zum einen fachorthopädisch und zum anderen in Bezug auf die Gesamtauswirkung in nervenärztlich-sozialmedizinischer Hinsicht gewürdigt. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein chronisch rezidivierendes Leiden handle, sei eine mindestens mittelgradige funktionelle Beeinträchtigung gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 23. Mai 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den GdB mit mindestens 50 ab April 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat dargelegt, ein höherer Einzel-GdB als 20 für den Bereich der Wirbelsäule könne angesichts dessen, dass lediglich im Bereich der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen und im Bereich der Halswirbelsäule nur geringe funktionelle Auswirkungen vorlägen, nicht angenommen werden.
Das Landratsamt hat mit Bescheid vom 28.06.2011 den GdB mit 40 ab 01.04.2009 festgestellt.
Der Kläger hat die Arztbriefe des Radiologen Dr. D. vom 03.06.2011 (chronische Schmerzerkrankung, chronische Schulter-, Nacken- und Kreuzschmerzen mit Kniegelenks-, Hüftgelenks- und Sprunggelenksschmerzen links, Angst und Depression) und des Dr. St. vom 12.07.2011 (zunehmende Belastungsschmerzen des rechten Fußes) vorgelegt.
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 19.03.2012 einen Gesamt-GdB von 40 weiterhin für gerechtfertigt gehalten.
Der Berichterstatter hat am 29.03.2012 den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Er hat darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte, und ausgeführt, es sei beabsichtigt durch einen solchen Beschluss zu entscheiden. Die Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, die Beteiligten Gelegenheit erhalten haben, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2008 und des nach § 153 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 96 Abs. 1 SGG streitgegenständlichen Ausführungsbescheides vom 28.06.2011 den GdB mit 40 festgestellt.
Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb der GdB nicht höher als mit 40 festzustellen ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an.
Den Funktionseinschränkungen des Klägers für das Funktionssystem Rumpf trägt ein Einzel-GdB von 20 ausreichend Rechnung. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 beträgt bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40.
Beim Kläger liegen keine mittelgradigen oder schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor. Der Senat stützt sich dabei maßgeblich auf die in dem Gutachten von Dr. H. dargelegten Befunde, die ihre weitgehende Bestätigung in den beim Orthopäden Z. eingeholten Gutachten gefunden haben. Maßgeblich für die GdB-Beurteilung sind die funktionellen Auswirkungen. Im Bereich der Halswirbelsäule hat sich ein Bewegungsmaß bei der Vor- und Rückneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 45-70/0/35-45 Grad), bei der Seitneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 45/0/45 Grad) und bei der Kopfdrehung von 60/0/50 Grad (Normalmaß 60-80/0/60-80 Grad) gezeigt. Hierbei handelt es sich um Bewegungseinschränkungen von allenfalls mittlerem Grad. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat sich ein Bewegungsmaß bei der Seitneigung von 20/0/20 Grad (Normalmaß 30-40/0/30-40 Grad) und bei der Rumpfdrehung von 30/0/30 Grad (Normalmaß 30-40/0/30-40 Grad) sowie ein Ott’sches Maß von 30/31 cm (Normalmaß 30/32 cm) und ein Schober’sches Maß von 10/14 cm (Normalmaß 10/15 cm) gezeigt. Hierbei handelt es sich um Bewegungseinschränkungen geringen Grades. Mithin liegen beim Kläger allenfalls einen GdB von 20 rechtfertigende mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor. Die von Dr. Ha. beschriebenen Befunde rechtfertigen hingegen nicht dessen Einschätzung, der Wirbelsäulenschaden sei mit einem Einzel-GdB von 30 zu beurteilen. Denn er hat im Bereich der Halswirbelsäule bei der Vor- und Rückneigung sowie der Seitneigung mit jeweils 30/0/30 Grad sogar ein besseres und nur bei der Kopfdrehung mit 45/0/45 Grad ein schlechteres Bewegungsmaß beschrieben. Im Bereich der Lendenwirbelsäule hat er lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung dargelegt. Mithin beträgt der Einzel-GdB für das Funktionssystem Rumpf lediglich 20. Für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche ist kein höherer Einzel-GdB als 30 und für das Funktionssystem Beine ist jedenfalls kein höherer Einzel-GdB als 20 angemessen. Insoweit hat sich das Sozialgericht zu Recht den Gutachten des Dr. H., des Orthopäden Z. und des Dr. Ha., die keine nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 und Nr. 18.14 höheren Einzel-GdB rechtfertigende Funktionseinschränkungen dargelegt haben, angeschlossen. Substantiierte Einwendungen hiergegen sind auch im Berufungsverfahren vom Kläger nicht vorgebracht worden. Auch aus den vom Kläger vorgelegten Arztbriefen des Dr. D. und des Dr. St. ergibt sich keine andere Wertung. Denn die von beiden Ärzten angegebene Schmerzerkrankung ist ausreichend in dem von Dr. Ha. für die seelische Erkrankung vergebenen Einzel-GdB von 30 abgebildet. Die übrigen von ihnen auf orthopädischem Fachgebiet dargelegten Diagnosen sind von Dr. H. und vom Orthopäden Z. ausreichend berücksichtigt. worden. Im Übrigen schließt sich der Senat bei der Beurteilung des Einzel-GdB von 10 für die chronische Bronchitis und damit für das Funktionssystem Atmung der insoweit vom Kläger nicht angegriffenen versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Re. an.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB von nicht mehr als 30 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Rumpf, Einzel-GdB von jedenfalls nicht mehr als 20 für das Funktionssystem Beine, Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem Atmung) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 40. Wegen der teilweisen Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet hat der Senat die weiteren Einzel-GdB-Werte für die Funktionssysteme Rumpf und Beine bei der Bemessung des Ausmaßes der Behinderung dahingehend berücksichtigt, dass wegen dieser weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem GdB von 30 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche weitere 10 GdB-Punkte hinzuzufügen sind. Eine weitere Erhöhung wegen des übrigen Einzel-GdB-Wertes von 10 kommt nicht in Betracht.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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