L 5 R 4909/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3349/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4909/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren über die Höhe des von der Klägerin aus ihrer Rente zu erbringenden Pflegeversicherungsbeitrags.

Die 1941 geborene Klägerin stellte am 06.03.2001 bei der Beklagten einen Antrag auf Zulassung zur nachträglichen Entrichtung von Beiträgen infolge einer Heiratserstattung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2003 ab. Dagegen legte die Klägerin am 08.01.2004 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 23.12.2003 bezüglich der nachträglichen Entrichtung von Beiträgen zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 28.12.2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg, die unter dem Az. S 12 R 4607/04 geführt wurde. Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2007 hat das SG diese Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung zum LSG eingelegt. Mit Urteil vom 11.06.2008 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 26.10.2004 eine Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 01.11.2004 und setzte den Beitrag der Klägerin zur Pflegeversicherung auf monatlich 6,21 EUR (1,7 % der Rente) festgesetzt. Dagegen legte die Klägerin am 29.10.2004 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 26.10.2004 zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 20.04.2005 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, die unter dem Az. S 6 R 1523/05 geführt wurde. Hiermit wurde die Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen sowie die Auszahlung der Rente unter Abzug lediglich des halben Pflegeversicherungsbeitrags. Mit Beschluss vom 12.07.2007 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 07.08.2008 hat die Beklagte das ruhende Verfahren wieder angerufen. Mit Schriftsatz vom 16.07.2009 hat die Klägerin erklärt, dass sich ihre Klage bezüglich der Neuberechnung ihrer Rente unter Berücksichtigung der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen erledigt hat.

Mit Beschluss vom 21.07.2010 hat das SG die Pflegekasse der Klägerin zum Verfahren beigeladen.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2010 hat das SG die Klage, soweit sich das Verfahren nichterledigt hatte, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Feststellung der von der Rente abzuziehenden Pflegeversicherungsbeiträge sei zutreffend erfolgt. Die Beklagte sei als Rentenversicherungsträger bei der in der gesetzlichen Krankenkasse als Rentnerin versicherten Klägerin für die Entscheidung über die Tragung und Höhe der Pflegeversicherungsbeiträge sachlich zuständig (BSG, Urteil vom 29.11.2006 - B 12 RJ 4/05 R -, juris). In Anwendung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) habe die Beklagte den von der Klägerin zu tragenden Pflegeversicherungsbeitrag festzustellen und die Pflegeversicherungsbeiträge gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI i.V.m. § 255 Abs. 1 Fünftes Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) einzubehalten. Die Beklagte habe die Höhe der Beitragspflicht der Klägerin zur gesetzlichen Pflegeversicherung zutreffend festgestellt. Die Klägerin sei als Bezieherin einer Altersrente gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 11 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Gemäß § 59 Abs. 1 S. 1 HS. 2 SGB XI habe sie den aus der Rente zu zahlenden Pflegeversicherungsbeitrag allein zu tragen. Der Beitragssatz betrage 1,7 vom Hundert der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder nach § 55 Abs. 1 SGB XI in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 23.12.2002. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die rechnerische Ermittlung der Höhe des Beitragssatzes unzutreffend erfolgt sei, seien weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestünden an der Verfassungsmäßigkeit von § 59 SGB XI, der die alleinige Beitragstragung der Rentner normiere, keine Bedenken. Zur Begründung werde auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seiner Entscheidung vom 07.10.2008 (1 BvR 2995/06; 1 BvR 740/07, bei juris) verwiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. gegen das Grundrecht auf Schutz von Ehe- und Familie des Art. 6 Abs. 1 GG vor. Das von der Klägerin zur Begründung zitierte Urteil des BVerfG vom 03.04.2001 (Az. 1 BvR 1629/94, bei juris) führe zu keinem anderen Ergebnis. Das BVerfG habe darin zwar festgestellt, dass der Gesetzgeber dazu verpflichtet sei, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern in der sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung zu entlasten. Darüber hinaus habe das BVerfG aber dargelegt, dass dieser Ausgleich durch eine Entlastung der Eltern während der Zeit der Betreuung und Pflege und damit in ihrer Erwerbsphase erfolgen müsse. Im Gegensatz dazu wirke sich die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge der Rentner erst im Anschluss an die Erwerbsphase des Versicherten aus. Aus dem Urteil des BVerfG ließen sich demgemäß keine unmittelbaren Rückschlüsse für das hiesige Verfahren ziehen. Es sei auch im Übrigen kein Verstoß gegen Art. 3, Art. 6 GG durch die Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge erkennbar.

Gegen diesen ihr am 15.10.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19.10.2010 Berufung beim Landesssozialgericht eingelegt und geltend gemacht, zunächst müsse darauf hingewiesen werden, dass sie seit Jahren ihren durch Schlaganfall pflegebedürftigen Mann pflege. Das BVerfG habe entschieden, dass Familien, die der Pflegeversicherung entsprechende Aufwendungen ersparten, in der Pflegeversicherung entlastet werden sollten. Sollte also das Urteil des BVerfG so auszulegen sein, wie das SG es getan habe, nämlich, dass es lediglich um eine Entlastung der erwerbstätigen Bevölkerung gehe, dann müsse dem entgegengetreten werden bzw. müsse festgestellt werden, dass diese Rechtsfrage nicht entschieden sei. Die Klägerin erspare durch die häusliche Pflege oder habe durch die häusliche Pflege, was noch abzuklären sei, der Pflegeversicherung erhebliche Kosten erspare. Die Argumentation des SG unter ausführlicher Zitierung eines BVerfG-Urteils im Hinblick auf die Streichung der Eigenbeteiligung gehe hier an der Sache etwas vorbei. Auch wenn es natürlich hier um diese Fragestellung irgendwo gehe, gehe es aber vorrangig um die Entlastung — an dieser Stelle fehle schlicht die Sozialklausel. Es sei ja auch das BVerfG-Urteil vom 03.04.2001 (1 BvR 1629/94) durch den Gesetzgeber einseitig ausgelegt worden. Dieser habe nämlich die Entlastung der Familien darin gesehen, dass er andere belastet habe, was vollkommen unverhältnismäßig sei und so überhaupt nicht gedacht gewesen wäre. Fest stehe jedenfalls, dass, sollte das BVerfG tatsächlich so entschieden haben, dass nur Leute im Erwerbsleben entlastet würden, diese Entscheidung eine unzutreffende Ungleichbehandlung darstelle. Rentner, die im Wesentlichen noch schutzbedürftiger seien, als die Erwerbstätigen, was die Frage der Kostenbelastung angehe, seien benachteiligt und im eigentlichen Sinne regelrecht diskriminiert, wie in vorliegendem Falle. Es könne vor diesem Hintergrund nicht erkannt werden, dass keine unzulässige Ungleichbehandlung vorliege. Es liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG vor. Insoweit sei dann auch die Diskussion in dem Urteil in der 1. Instanz, was Art. 3 GG angehe, etwas dürftig. Es finde sich nämlich im Endergebnis im letzten Absatz der Entscheidungsgründe im eigentlichen Sinne gar keine Begründung, sondern nur eine Behauptung. Es werde keine Begründung abgegeben, warum kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliegen solle, eher im Gegenteil, es wäre eigentlich sogar zu diskutieren, ob nicht die Rentner, die eine zu pflegende Person zuhause pflegten, im Sinne einer Beitragsbefreiung privilegiert werden müssten. Insgesamt sei die Unterstützung für die zuhause Pflegenden nicht ausreichend, vor dem Hintergrund, was sie Pflegekassen ersparten im Vergleich zu einer vollstationären Pflege, die im Übrigen sowieso nicht alleine durch die Pflegeversicherung finanziert werden könne, sondern in der Regel auch noch ergänzend durch Steuergelder über die Sozialhilfe finanziert werde.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11.10.2010 (S 15 R 3349/08) und den Bescheid vom 26.10.2004 bezüglich des Abzuges der Pflegeversicherungsbeiträge, soweit dieser 0,85 % übersteigt, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2005 aufzuheben; die Revision zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Berufungsakte, Gerichtsakte des SG sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 , 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-)

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffene Festsetzung der Pflegeversicherungsbeiträge im Bescheid vom 26.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2005 ist, auch soweit sie hier mit der – zulässigen - Anfechtungsklage angegriffen wird, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dies hat das SG zutreffend festgestellt. Auf die Gründe des angegriffenen Urteils nimmt der Senat Bezug und sieht von einer eigenen Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zu ergänzen ist lediglich Folgendes: Auch der Senat schließt sich der Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 29.11.2006 - B 12 RJ 4/05 R -, veröffentlicht in Juris) an, wonach es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung als Rentner nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 11 SGB XI pflichtversicherte Mitglieder der Sozialen Pflegeversicherung ab dem 01.04.2004 nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI Beiträge aus der Rente nach dem vollen Beitragssatz des § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in Höhe von 1,7 v.H. zu tragen haben. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht mit dem vom SG zitierten Beschluss vom 07.10.2008 (1 BvR 2995/06, 1 BvR 740/07 veröffentlicht in Juris) bestätigt.

Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass bei der Beitragsfestsetzung berücksichtigt werden müsse, dass sie seit Jahren ihren pflegebedürftigen Ehemann pflege, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die aktuelle Pflegebedürftigkeit stellt einen Leistungsfall dar, für den aus der Pflegeversicherung ihres Ehemanns Leistungen als Geld- oder Sachleistungen in Anspruch genommen werden können, um die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung zu finanzieren. Eine Kombination von Pflegegeld- und Pflegesachleistung ist möglich. Nehmen die Pflegebedürftigen die Pflegeleistungen zu Hause in Anspruch, erhalten sie Pflegegeld, das in der Höhe von der Pflegestufe abhängig ist. Die Hilfeleistungen können auch von professionellen Pflegediensten ausgeführt werden, deren Einsatz von den Pflegekassen als so genannte Pflegesachleistung bezahlt wird. Weiterhin kommen teilstationäre und stationäre Leistungen in Betracht. Die Entscheidung, welche Pflegeleistungen er in Anspruch nimmt, trifft der pflegebedürftige Versicherte. Damit kann der Ehemann der Klägerin – davon ausgehend, dass er die Voraussetzungen einer Pflegestufe erfüllt - aus seiner Pflegeversicherung Leistungen in Anspruch nehmen, insbesondere Pflegegeld, wenn er hiermit dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise – hier: durch die Pflegeleistungen der Klägerin - selbst sicherstellt. Sind aber, wie dargelegt, nach der Konzeption der Pflegeversicherung im Falle der Pflegebedürftigkeit Leistungen aus der Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen zu erbringen, ist ein Ansatz für die von der Klägerin behauptete Ungleichbehandlung bei der Beitragserhebung zu ihrer Pflegeversicherung, weil dabei nicht berücksichtigt würde, dass sie im Unterschied zu anderen Beitragspflichtigen durch die von ihr erbrachten Pflegeleistungen der Pflegeversicherung erhebliche Kosten erspare, nicht ersichtlich. Denn zum einen handelt es sich bei den Versicherungsverhältnissen von Pflegepersonen und Pflegebedürftigen um zwei zu trennende und zum anderen wird die eingetretene Pflegebedürftigkeit auf der Leistungs- und nicht auf der Beitragsseite berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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