L 12 EG 26/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 15/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 EG 26/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 8/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Bayreuth vom 14. April 2008 und die Bescheide
des Beklagten vom 21.06.2007 und 14.05.2008 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 abgeändert
und der Beklagte zur Bewilligung von einem weiteren Monat
Elterngeld für das Kind R. sowie zur Bewilligung von zwei
weiteren Monaten Elterngeld für das Kind E. (13. und 14.
Lebensmonat) verpflichtet.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen
Kosten des Klage- sowie des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bezugsdauer des dem Kläger zustehenden Elterngeldes für die Kinder E. und R. sowie die Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Berechnung.

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eltern der am 9.2.2007 geborenen Zwillinge E. und R ... Beide Eltern waren bis zur Geburt der Kinder voll erwerbstätig. Der gemeinsame Dienstherr bewilligte der Ehefrau des Klägers ab dem Ende des Mutterschutzes am 22.6.2007 vom 25.6.2007 bis 11.4.2008 und dem Kläger vom 12.3.2007 bis 20.3.2008 Elternzeit. Seit dem 21.3.2008 arbeitet der Kläger wieder vollschichtig.

Mit Schreiben vom 12.4.2007 beantragten beide Eltern Elterngeld. Der Kläger begehrte für den Sohn R. Elterngeld vom zweiten bis zwölften Lebensmonat. Eine Anrechnung der Bezüge während des Mutterschutzes sei bereits bei seiner Frau für das Kind E. erfolgt. Außerdem begehrte er für die Tochter E. Elterngeld für die Lebensmonate 13 und 14.

Die Ehefrau des Klägers beantragte Elterngeld für E. für den ersten bis zwölften Lebensmonat unter Anrechnung der Bezüge während des Mutterschutzes sowie für R. für die Lebensmonate 13 und 14.

Mit vorläufigem Bescheid vom 21.6.2007, bestätigt durch die endgültige Entscheidung vom 14.5.2008, bewilligte der Beklagte dem Kläger für beide Kinder Elterngeld für den zweiten bis neunten Lebensmonat einschließlich eines Erhöhungsbetrags von 300 EUR für das Zwillingskind, im zweiten Lebensmonat 1714,66 EUR, ab dem dritten Lebensmonat 1812,26 EUR. Mit Bescheid vom gleichen Tag gewährte er der Ehefrau des Klägers für beide Kinder Elterngeld für den ersten bis sechsten Lebensmonat unter Anrechnung der Bezüge während des Mutterschutzes. Er zahlte für den fünften Lebensmonat 774,48 EUR und im sechsten Lebensmonat 1.659,62 EUR einschließlich des Erhöhungsbetrags für das Zwillingskind von 300 EUR.

In ihren Widersprüchen vertraten der Kläger und seine Ehefrau weiterhin die Auffassung, ihnen stehe für jedes Zwillingskind ein eigener Anspruch auf Elterngeld zusätzlich zum Erhöhungsbetrag für Mehrlingsgeburten zu, da jeweils ein Kind betreut werde. Außerdem habe bei der Berechnung des Elterngeldes die Zahlung von Kirchensteuer nicht berücksichtigt werden dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4.10.2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Anspruch auf Elterngeld bestehe nicht für jeden Zwilling, vielmehr werde bei Mehrlingsgeburten das Elterngeld um jeweils 300 EUR für das zweite und jedes weitere Kind erhöht. Da das Elterngeld als Entgeltersatzleistung konzipiert sei und regelmäßig auch nur ein Erwerbseinkommen wegfalle, könne Elterngeld anlässlich einer Geburt auch nur einmal zugesprochen werden. Durch den Mehrlingszuschlag werde der höheren finanziellen Belastung der Familie Rechnung getragen.

Mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag wies der Beklagte den Widerspruch der Ehefrau des Klägers zurück.

Gegen diese Widerspruchsbescheide legten der Kläger und seine Ehefrau Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) ein. Sie beantragten den parallelen Bezug von Elterngeld für zwölf Monate für das eine und jeweils weitere zwei Monate für das andere Zwillingskind. Zusätzlich zum Erhöhungsbetrag nach § 2 Abs. 6 BEEG hätten sie Anspruch auf Elterngeld für jeden der beiden Zwillinge. Andernfalls würden sie im Vergleich zu Familien, die zeitnah zur Geburt ein weiteres Kind adoptierten oder während des Bezugs von Elterngeld ein weiteres Kind bekämen, benachteiligt. Die vom Beklagten vertretene Auffassung finde keine Stütze im Gesetz.

Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, § 2 Abs. 6 BEEG bringe eindeutig zum Ausdruck, dass bei Mehrlingsgeburten der Gesamtbetrag des Elterngeldes zu erhöhen sei, nicht jedoch für jedes einzelne Kind ein Anspruch auf Elterngeld bestehe. In den Materialien zum BEEG werde zu § 2 Abs. 6 BEEG ausgeführt, dass der Mehrlingszuschlag die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern berücksichtige. Die Zahlung dieses Mehrlingszuschlags in Höhe des Betrages von 300 EUR wäre nicht erforderlich, wenn für jedes Kind ein eigener Anspruch auf Elterngeld bestehe.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.4.2008 ab. Der Kläger habe ab dem 1.12.2007 wieder in Vollzeit gearbeitet und könne daher seine Kinder gar nicht selbst betreut haben. Für den ersten Lebensmonat sowie für den 10. bis 14. Lebensmonat sei die Klage daher schon unbegründet. Zudem seien dem Kläger bereits acht Monate Elterngeld bewilligt worden. Insoweit sei der Kläger nicht beschwert. Die Anrechnung von Kirchensteuer bei der Bemessung des tatsächlich zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens ergebe sich aus dem Gesetz.

Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Er trug unter Vorlage der entsprechenden Bescheinigungen vor, dass er bis 20.3.2008 in Elternzeit gewesen sei. Die Berücksichtigung der Zahlung von Kirchensteuern im Bemessungszeitraum sei verfassungswidrig, da es sich um eine Benachteiligung der Mitglieder von Glaubensgemeinschaften handle. In anderen Bereichen gebe es die so genannte Ethikabgabe, nicht jedoch beim Elterngeld. Elterngeld werde für Lebensmonate des Kindes gezahlt und nicht für Geburten. Beide Elternteile hätten im Rahmen ihrer Elternzeit ohne Bezüge einen Einkommensverlust von je 100 % erlitten. Bei ihren Kindern käme hinzu, dass sie Frühgeburten mit gesundheitlichen Problemen gewesen seien, die aus medizinischer Sicht eine intensive Fürsorge im ersten Lebensjahr gebraucht hätten. Dem hätten sie durch die Anwesenheit beider Eltern Rechnung getragen. Aus dem Wortlaut der Vorschriften des BEEG könne keine gegenteilige Auffassung abgeleitet werden. Insbesondere ergebe sich aus § 2 BEEG nicht, dass Mehrlingskinder als ein Kind anzusehen wären.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.4.2008 und die Bescheide des Beklagten vom 21.6.2007 und 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.10.2007 abzuändern und den Beklagten zur Neuberechnung des Elterngeldes unter Nichtberücksichtigung der Kirchensteuer im Bemessungszeitraum und zur Bewilligung von drei weiteren Monaten Elterngeld für das Kind R. für den zweiten bis zwölften Lebensmonat insgesamt und zusätzlichen Bewilligung von zwei Monaten Elterngeld für das Kind E. (13. und 14. Lebensmonat) sowie zusätzlich zur Gewährung des Mehrlingszuschlags nach § 2 Abs. 6 BEEG zu verpflichten.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Der Kläger verfolgt mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG) die Gewährung eines höheren Elterngeldes ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer im Bemessungszeitraum sowie Elterngeldes für drei weitere Monate für R. und Elterngeldes für E. im 13. und 14. Lebensmonat, ferner des Mehrlingszuschlags nach § 2 Abs. 6 BEEG.

Soweit der Kläger Elterngeld für drei weitere Lebensmonate des Kindes R. begehrt, ist die Klage nur teilweise begründet.

Der Anspruch auf Elterngeld richtet sich nach den Vorschriften des BEEG. § 1 Abs. 1 BEEG sieht vor, dass Anspruch auf Elterngeld hat, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nummer 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nummer 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nummer 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nummer 4).

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland, wohnt mit seinen Kindern E. und R. in einem Haushalt und betreut und erzieht diese Kinder selbst. Dass die Ehefrau des Klägers die Kinder gleichzeitig im Haushalt betreut und erzieht, ist unschädlich. Denn "selbst" heißt nicht ständig oder vollkommen alleine. Auch andere Angehörige, Tagesmütter oder Krippen können bei der täglichen Sorge für das Kind mitwirken. Die anspruchsberechtigte Person muss sich jedoch an dieser familiären Verpflichtung beteiligen. Außerdem lässt § 4 Abs. 2 S. 3 BEEG den gleichzeitigen Bezug von Elterngeld zu, wenn sich beide Elternteile gemeinsam im selben Zeitraum der Erziehung des Kindes widmen. Der Kläger übte auch in der hier streitigen Zeit vom 10.3.2007 bis 9.4.2008 keine Erwerbstätigkeit aus. Entgegen den Ausführungen im Gerichtsbescheid bescheinigte der Dienstherren des Klägers mit Schreiben vom 21.12.2007, dass Elternzeit bis 20.3.2008 bewilligt worden ist.

Regelungen zum Bezugszeitraum enthält § 4 BEEG. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 BEEG wird Elterngeld in Beträgen für Lebensmonate gezahlt. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 BEEG haben Eltern (also beide Elternteile zusammen) insgesamt Anspruch auf Leistungen für zwölf Lebensmonate. Sie haben Anspruch auf Leistungen für zwei weitere Lebensmonate, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs. 2 S. 3 BEEG). Waren beide Elternteile vor der Geburt erwerbstätig und unterbricht mindestens ein Elternteil nach der Geburt seine Erwerbstätigkeit oder schränkt sie in relevantem Umfang, haben die Eltern demnach insgesamt für die Dauer von 14 Lebensmonaten des Kindes Anspruch auf Elterngeld. Diesen Gesamtanspruch können die Eltern im Rahmen der gesetzlichen Regelung untereinander aufteilen. Nach § 4 Abs. 2 S. 4 BEEG können die Eltern dabei die 12 oder 14 Beträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen. Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie nach § 5 Abs. 1 BEEG grundsätzlich, wer von ihnen welche Monatsbeträge in Anspruch nimmt. Diese Bestimmung ist im Antrag vorzunehmen (§ 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BEEG).

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 BEEG kann ein Elternteil höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen. Dabei gelten gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 BEEG Lebensmonate des Kindes, in denen unter anderem nach § 3 Abs. 1 BEEG anzurechnende Leistungen wie Mutterschaftsgeld zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Durch diese gesetzliche Fiktion von Bezugsmonaten werden die Lebensmonate des Kindes mit zeitlich kongruenten anzurechnenden Leistungen wie das nach § 3 Abs. 1 S. 1 anzurechnende Mutterschaftsgeld kraft Gesetzes zwingend der Person zugeordnet, die Anspruch auf die anzurechnende Leistung hat. Dies ist beim Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO die Mutter. Im Hinblick auf das im Elterngeldrecht geltende Lebensmonatsprinzip (§ 4 Abs. 2 S. 1 BEEG) erfasst die Fiktion des § 4 Abs. 3 S. 2 BEEG jeweils auch dann den ganzen Lebensmonat des Kindes, wenn wie hier nicht für den ganzen Monat Mutterschaftsgeld beziehungsweise die entsprechenden Dienstbezüge zustehen. Demnach sind im vorliegenden Fall wegen des Bezugs von Leistungen während des Mutterschutzes vom 9. Februar bis 22.6.2007 auch für R. zwingend fünf Monate der Ehefrau des Klägers zuzuordnen.

Darüber hinaus steht dem Kläger zusätzlich zu den bereits bewilligten acht Bezugsmonaten für den zweiten bis neunten Lebensmonat höchstens ein weiterer Monat Elterngeld bis zu einer Gesamtbezugsdauer von neun Monaten zu.

Der Anspruch ist auch nicht ausgeschlossen, weil der Ehefrau des Klägers bereits fünf Monate Elterngeld bewilligt wurden. Denn Elterngeld steht den Eltern für den Fall, dass beide Partner auf Erwerbstätigkeit verzichten, für jeden der beiden Zwillinge zu. Dem steht der Wortlaut des § 1 Abs. 1 BEEG nicht entgegen, der von "einem" Kind redet. Unabhängig davon, ob das Wort "einem" als Zahlwort oder als unbestimmter Artikel gebraucht wird, ist § 1 Abs. 1 BEEG so auszulegen, dass das Elterngeld bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein bestimmtes, namentlich zu benennendes Kind zu gewähren ist. Dies ist beim Kläger zunächst R ...

Unschädlich ist, dass im BEEG eine dem § 3 Abs. 1 S. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz entsprechende Regelung fehlt. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 Bundeserziehungsgeldgesetz wurde für jedes Kind Erziehungsgeld gezahlt, wenn in einem Haushalt mehrere Kinder betreut und erzogen wurden. Das BSG hat mit Urteil vom 30.3.2006 (B 10 EG 5/05 R) entschieden, dass der Anspruch auf Bundeserziehungsgeld auch bei Mehrlingen für jedes Kind einzeln zu zahlen und zu berechnen ist. Eine entsprechende Regelung wurde nicht in das BEEG übernommen. Hieraus kann jedoch nur der Schluss gezogen werden, dass einer betreuenden Person nicht für beide Zwillinge jeweils Elterngeld zusteht. Dies ist aber nicht die hier streitige Frage. Im vorliegenden Verfahren geht es vielmehr darum, ob beiden Elternteilen für jeweils ein Kind Elterngeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren ist.

Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass die von der Beklagten vertretene Auffassung, Elterngeld stünde nicht für jeden einzelnen Zwilling, sondern für den zweiten Zwilling nur in Höhe des Erhöhungsbetrages nach § 2 Abs. 6 BEEG zu, eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Betreuenden und Erziehenden von Kindern unterschiedlichen Alters, für die als Geschwisterkinder Elterngeld gezahlt werde, und denen von Mehrlingen nach sich ziehe.

Denn eine Auslegung des § 1 Abs. 1 BEEG i.V.m. § 2 Abs. 6 BEEG dergestalt, dass auch bei gleichzeitigem Verzicht auf Erwerbstätigkeit durch beide Elternteile der Anspruch auf Elterngeld für Mehrlinge den Eltern nur einmal zusteht, ist dem Wortlaut der Bestimmungen nicht zu entnehmen und würde nach Überzeugung des erkennenden Senats auch gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Differenzierung verwehrt. Er hat gerade auch im Bereich des Sozialrechts, wozu die Bestimmungen über das Elterngeld im Abschnitt 1 des BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 55, 72, 88; vgl. etwa BVerfGG 112, 50, 67; BVerfGG 117, 272, 300).

Denn für den Fall, dass ein weiteres Geschwisterkind innerhalb des Bezugszeitraums von Elterngeld für ein Kind geboren wird, hat der andere Elternteil für das zweite Geschwisterkind Anspruch auf Elterngeld nach den gesetzlichen Bestimmungen. Gleiches gilt für den Fall, dass bereits kurz nach der Geburt des ersten Kindes ein weiteres Kind adoptiert wird. Auch hier können nach den Bestimmungen des BEEG die anspruchsberechtigten Personen für den Bezug von Elterngeld für das erste und das weitere Kind auseinanderfallen, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Mehrlingsgeburten unterscheiden sich von diesen Konstellationen nur durch einen kürzeren Zeitraum zwischen der Geburt beziehungsweise Aufnahme des ersten und des weiteren Kindes. Dieser Unterschied rechtfertigt gemessen am Ziel des BEEG, eine Einkommensminderung durch die Betreuung des Kindes im ersten Lebensjahr zu verhindern, eine ungleiche Behandlung beider Gruppen nicht.

Dem steht auch nicht § 2 Abs. 6 BEEG entgegen, der für Mehrlingsgeburten einen monatlichen Zuschlag von 300 EUR vorsieht. § 2 Abs. 6 BEEG berücksichtigt die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Er soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1889, Seite 21) ähnlich dem Geschwisterbonus nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG den zusätzlichen Betreuungsaufwand abgelten, der bei einer berechtigten Person auftritt, die gleichzeitig zwei oder mehr Kinder gleichen Alters betreut. Sofern wie im vorliegenden Fall beide Elternteile für jeweils ein Kind Elterngeld beantragen, entfällt diese mit § 2 Abs. 6 BEEG abgegoltene Mehrbelastung, so dass der Mehrlingszuschlag entgegen dem Antrag des Klägers nicht zu gewähren ist.

Dem Kläger steht damit für einen weiteren Monat Elterngeld für R. zu. Im Übrigen war die Berufung bezüglich der Gewährung von Elterngeld für zwei weitere Monate wegen des Überschreitens von Leistungen für maximal 14 Lebensmonate zurückzuweisen.

Bezüglich der Gewährung des Mehrlingszuschlags nach § 2 Abs. 6 BEEG war die Berufung ebenfalls zurückzuweisen.

Soweit der Kläger die Gewährung von Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat der Tochter E. begehrt, ist die Berufung begründet.

Im Parallelverfahren beantragte die Ehefrau des Klägers die Gewährung von Elterngeld für die Lebensmonate eins bis zwölf. Damit wird bisher für die Lebensmonate 13 und 14 kein Elterngeld gezahlt. Im Übrigen wird auf die bisherigen Ausführungen Bezug genommen.

Bezüglich der Gewährung des Mehrlingszuschlags nach § 2 Abs. 6 BEEG war die Berufung wiederum zurückzuweisen.

Auch bezüglich der Berechnung des Elterngeldes unter Nichtberücksichtigung der Kirchensteuer war die Berufung zurückzuweisen.

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monats der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Dabei ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 - 4 Einkommensteuergesetz nach Maßgabe des § 2 Abs. 7-9 BEEG zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 S. 2 BEEG).

Nach § 2 Abs. 7 BEEG ist Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Kirchensteuer ist als Teil der auf das Einkommen entfallenden Steuern zu berücksichtigen. Denn bei der Elterngeldberechnung soll nach dem Willen des Gesetzgebers das Einkommen berücksichtigt werden, dass der anspruchsberechtigten Person zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stand und das nun wegen der Unterbrechung oder Einstellung der Erwerbstätigkeit nicht mehr zur Verfügung steht (BT-Drs. 16/1889, Seite 21). Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sieht der Senat hierin nicht.

Der Gerichtsbescheid des SG ist damit wie im Tenor erfolgt abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen, da die Rechtsfrage, ob bei Mehrlingsgeburten beiden Elternteilen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Elterngeld zusteht, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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