L 10 U 1127/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 55/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1127/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.02.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.

Der am 1974 geborene Kläger, von Beruf Heizungsbauer, war vom 11.12.2006 befristet bis zum 28.02.2007 bei der - zwischenzeitlich in Insolvenz befindlichen - Firma Kälte & Klima D. (Firma D. ) mit Sitz in 74189 W. als Kälteanlagenbauer-Helfer beschäftigt und am Montag, den 12.02.2007 einzig mit E. W. (W) in M. (Fa. P. und C., Weltstadthaus in M.) eingesetzt. Die Firma D. GmbH erstattete am 13.02.2007 eine Unfallanzeige und gab an, der Kläger habe am 12.02.2007 um 11:30 Uhr einen Unfall erlitten, als er bei der Montage auf der Leiter gestanden habe, abgerutscht sei und den rechten Ringfinger gebrochen habe. Der Kläger habe die Arbeit nicht an diesem Tag, sondern erst am 13.02. eingestellt, Ende der Arbeitszeit am Unfalltag sei 16:30 Uhr gewesen. Als Augenzeuge wurde W angegeben. Der Kläger stellte sich am 12.02.2007 um 16:50 Uhr beim H-Arzt Dr. L. , Hauptstraße 57 in 74206 Bad W. vor und gab an, bei der Arbeit von der Leiter gerutscht zu sein und dabei den rechten Ringfinger verletzt zu haben. Dr. L. diagnostizierte eine Gelenkfraktur des Ringfingers, die in der Folgezeit operativ versorgt wurde und dem Kläger dauerhafte Beschwerden verursachte. Die Beklagte gewährte Heilbehandlung, Verletztengeld und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; zuletzt übernahm sie die Kosten der Umschulung zum Qualitätsfachmann (Bescheid vom 07.08.2008, Bl. 479 VA).

Der Kläger wohnte damals zusammen mit W in einer Wohnung. Dabei kam es wegen der Wohnkosten zu Streitigkeiten mit tätlicher Auseinandersetzung und nachfolgendem Strafverfahren. Der Kläger wurde vom Amtsgericht H. mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl vom 20.11.2008 (31 Cs 13 Js 25790/08) wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Er hatte W am 21.08.2008 u.a. eine Oberschenkelfraktur zugefügt, die zu einem stationären Aufenthalt geführt hatte. Ein vorhergehendes Ermittlungsverfahren wegen einer von W zur Anzeige gebrachten tätlichen Auseinandersetzung am 30.05.2008 war eingestellt worden.

Am 13.09.2008 teilte W der Beklagte telefonisch u.a. mit, der Kläger habe sich Versicherungsleistungen erschlichen, der Unfall des Klägers habe sich am Samstag vor dem 12.02.2007 bei der Ausführung von Schwarzarbeit auf einer Baustelle ereignet. Er sei selbst auch auf der Baustelle gewesen, habe den Unfall aber selbst nicht gesehen, wohl aber die Verletzung des rechten Ringfingers. Der Unfall sei dann auf den 12.02.2007 datiert und der Firma D. als Arbeitsunfall gemeldet worden.

Ein auf Veranlassung der Beklagten gegen den Kläger durchgeführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft H. (56 Js 35880/08) wurde eingestellt, weil die Täuschungshandlung nicht nachweisbar sei. W hatte in seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft mit der Begründung die Aussage verweigert, er würde sich mit einer Aussage selbst belasten. Ein daraufhin von der Staatsanwaltschaft H. (56 Js 17016/09) gegen W eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen falscher Verdächtigung wurde ebenfalls eingestellt, weil genaue Umstände nicht aufklärbar seien.

Mit Bescheid vom 28.07.2009 und Widerspruchsbescheid vom 01.12.2009 lehnte die Beklagte "1." die Anerkennung des Ereignisses vom 12.02.2007 als Arbeitsunfall und "2." Leistungen dem Grunde nach ab. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger sich die Verletzung des rechten Ringfingers am 12.02.2007 während einer betrieblichen Tätigkeit für die Firma D. zugezogen habe. Sie stellte im Widerspruchsbescheid klar, dass mit dieser Regelung keine Entscheidung über die Rückforderung von erbrachten Leistungen getroffen sei, sondern nur über Leistungen dem Grunde nach, und für die Leistungen zu Teilhabe am Arbeitsleben ihre Zuständigkeit nach § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch bestehen bleibe.

Das hiergegen am 05.01.2010 angerufene Sozialgericht H. hat dreimal vergeblich versucht, W als Zeugen zu vernehmen. Zunächst hat sich W mit geschäftlichen Terminen und seiner Angst vor dem Kläger, für zwei weitere Termine mit Erkrankungen entschuldigt. Auch der Kläger ist trotz Anordnung persönlichen Erscheinens zu den beiden letzten Terminen nicht erschienen. Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Soweit die Beklagte dem Grunde nach Leistungen abgelehnt habe, komme dem angesichts der Verneinung eines Versicherungsfalles keine eigene Regelungswirkung zu. Entsprechend sei der Feststellungsantrag des Klägers nicht statthaft bzw. komme ihm - sachdienlich als Verpflichtungsantrag ausgelegt - keine eigenständige Bedeutung zu. Ein Arbeitsunfall lasse sich nicht nachweisen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Darüber hinaus ergäben sich weitere Ungereimtheiten. So sei nicht nachvollziehbar, wie der Kläger innerhalb von 20 Minuten (Ende der von ihm angegebenen Arbeitszeit 16:30 Uhr und Eintreffen bei Dr. L. um 16:50 Uhr) die Wegstrecke von 71,7 Kilometern zwischen dem Arbeitsort in M. und der Praxis von Dr. L. in Bad W. zurückgelegt haben will. Dies habe - unabhängig vom Nichterscheinen des W - nicht geklärt werden können.

Gegen den ihm am 24.02.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15.03.2012 Berufung eingelegt. Er, der Kläger, könne keine weiteren Angaben machen, W müsse angehört werden; da eine Falschaussage strafbar sei, werde sich W überlegen, ob er bei der gegenüber der Beklagten vorgetragenen Version bleibe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts H. vom 23.02.2012 und den Bescheid vom 28.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das geschilderte Ereignis vom 12.02.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die ergangenen Bescheide und den Gerichtsbescheid für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten folgenden Teilvergleich geschlossen: "Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass Nr. 2 des Verfügungssatzes im Bescheid vom 28.07.2009 gegenstandslos ist. Insoweit erklären die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt."

Der Senat hat sämtliche Akten der Staatsanwaltschaft H. betreffend den Kläger und W beigezogen und den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Diesbezüglich wird auf die vom Senat angelegte Ergänzungsakte und die Niederschrift sowie hinsichtlich des übrigen Sachverhaltes und des Beteiligtenvorbringens auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen. Der Senat hat W als Zeugen zur mündlichen Verhandlung geladen. Er ist nicht erschienen und hat mitgeteilt, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 28.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.2009, mit dem die Beklagte in erster Linie (Verfügungssatz Nr. 1 im Bescheid vom 28.07.2009) die Anerkennung des Ereignisses vom 12.02.2007 als Arbeitsunfall ablehnte. Dem entsprechend hat der Kläger zulässigerweise (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R) eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung des Ereignisses vom 12.02.2007 als Arbeitsunfall erhoben.

Gegenstand des Rechtsstreits ist weiter Nr. 2 des Verfügungssatzes im Bescheid vom 28.07.2009 ("Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung besteht dem Grunde nach nicht") gewesen, mit dem die Beklagte inhaltlich - so ausdrücklich der insoweit maßgebliche (§ 95 SGG) Widerspruchsbescheid am Ende - Leistungen dem Grunde nach ablehnte. Insoweit haben sich die Beteiligten auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erteilten Hinweise (fehlende Bestimmtheit dieses Verfügungssatzes und gleichermaßen des insoweit gestellten Feststellungsantrages) darauf geeinigt, dass dieser Verfügungssatz gegenstandslos ist. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Damit hat der Senat nur darüber zu entscheiden, ob der Kläger am 12.02.2007 einen Arbeitsunfall erlitt.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Der Senat hat sich auch nach Anhörung des Klägers nicht davon überzeugen können, dass die hier allein in Rede stehende Verletzung des rechten Ringfingers tatsächlich am 12.02.2007 in Ausübung der versicherten Beschäftigung bei der Firma D. geschah. Insbesondere kann der Senat nicht ausschließen, dass der Kläger - so der auf Grund der Angaben des W gegenüber der Beklagten denkbare alternative Geschehensablauf - zusammen mit W am Samstag zuvor schwarz arbeitete, sich dabei die Verletzung zuzog, dann versuchte, das Wochenende trotz der Schmerzen ohne Arztkontakt zu überstehen, um am Montag die Arbeit aufzunehmen, wobei wesentliche Anteile der Montagetätigkeit von W übernommen wurden, um so durch die Hilfe des W den Unfall vom Samstag als Arbeitsunfall vom 12.02.2007 darstellen zu können.

Der Kläger hat zwar in seiner Anhörung einen zur Verletzung führenden Geschehensablauf angegeben (sich während der Tätigkeit an einer abgehängten Decke, stehend auf der Leiter in ca. sieben Metern Höhe, mit dem Arm im Bereich der Decke befunden zu haben, wobei durch eine Erschütterung der Arm herunter gezogen und der Finger verdreht worden sei), der mit der versicherten Tätigkeit bei der Firma D. (Montage von Kälteanlagen) in Einklang stünde. Indessen ließe sich dieser Geschehensablauf mit Verletzung des rechten Ringfingers auch einer Schwarzarbeit am Samstag zuvor zuordnen.

Eine genauere Erklärung, was er am besagten Samstag zuvor machte, ist der Kläger - obwohl vom Senat ausdrücklich hierzu gefragt - schuldig geblieben. Auf diese Frage hat er lediglich bestritten, schwarz gearbeitet zu haben. Eine auch nur annähernd substanzielle Darstellung seiner Tätigkeiten an diesem Samstag ist nicht erfolgt.

Soweit der Kläger in seiner Anhörung darauf hingewiesen hat, mit einer solchen Verletzung hätte er wegen der Schmerzen nicht das ganze Wochenende mit dem Arztbesuch gewartet und dann Montag morgens die Arbeit begonnen, ist für den Senat auch dies nicht zwingend. Immerhin hat der Kläger selbst eingeräumt, trotz dieser, nach seiner Darstellung vor der Mittagspause erlittenen Verletzung, die er zunächst für eine Verstauchung gehalten habe, nach der Mittagspause noch weiter gearbeitet zu haben, wenn auch nicht in vollem Umfang; jedenfalls sei die Arbeit auf der Baustelle abgeschlossen worden, weil sonst jemand am nächsten Tag hätte erneut anfahren müssen. Damit räumt der Kläger im Grunde ein, dass die erlittene Verletzung - trotz der Schmerzen - keinen umgehenden Arztbesuch erforderte, er vielmehr noch weiter Arbeiten auf der Baustelle verrichten konnte, wenn auch gequält und mit Unterstützung des W. Damit ist es aus Sicht des Senats auch nicht ausgeschlossen, dass sich der Kläger die Verletzung am Samstag zuvor zuzog und das restliche Wochenende - ausgehend von einer Verstauchung - mit schmerzlindernden Maßnahmen (Kühlung, Schmerzmedikation) bewältigte. Nicht auszuschließen ist, dass bei persistierenden Beschwerden vor dem Hintergrund des auf Ende Februar befristeten Arbeitsverhältnisses auch die Motivation eine Rolle spielte, dann - die Verletzung als Arbeitsunfall deklariert - Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen zu können. Während der vormittäglichen Tätigkeit ist eine Unterstützung durch W in gleicher Weise, wie vom Kläger für die Zeit nach der Mittagspause ohnehin eingeräumt, ohne weiteres denkbar.

Auch die Angabe des Klägers, mit der verletzten Hand hätte er dem Chef nicht die Hand geben können, führt nicht weiter. Denn insoweit hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet, seinem Arbeitgeber am Montagmorgen die Hand gegeben zu haben.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass die bloße Behauptung Dritter, die Verletzung sei nicht in Ausübung der versicherten Tätigkeit eingetreten, nicht zwingend dazu führen dürfe, den Nachweis eines Arbeitsunfalles zu verneinen. Indessen liegt der Fall hier anders. W behauptete gegenüber der Beklagten nicht lediglich, die Verletzung sei nicht in Ausübung der Tätigkeit bei der Firma D. eingetreten, sondern er gab auch an, dass der Kläger sich samstags zuvor bei Schwarzarbeiten verletzte. Dabei gab W sogar an, den Verletzungsvorgang selbst nicht gesehen zu haben, sondern lediglich die Verletzung. Diese Schilderung geht über die bloße Behauptung des Fehlens einer versicherten Tätigkeit deutlich hinaus und kann daher Zweifel am Vorbringen des Klägers begründen.

Zutreffend ist auch der Hinweis des Klägers, der Anruf des Zeugen bei der Beklagten sei ca. einen Monat nach der Verletzung durch ihn erfolgt, also wohl durch Rache veranlasst gewesen. Indessen lässt die Motivation Rache keinen Rückschluss auf den fehlenden Wahrheitsgehalt der Angaben zu. Denn es ist zumindest ebenso vorstellbar, dass W, gerade weil er den Kläger bei der Erschleichung von Versicherungsleistungen gedeckt bzw. ihm hierbei geholfen hatte, durch den Übergriff des Klägers, der ihm eigentlich zu Dank hätte verpflichtet sein müssen, in besonderem Maße enttäuscht war und ihm deshalb den (weiteren) Bezug von Versicherungsleistungen nicht gönnte.

Im Ergebnis vermag der Senat einerseits das auf Grund der Angaben des W denkbare Szenario nicht auszuschließen und sieht der Senat andererseits in den Angaben des Klägers keine hinreichende substanziierte Darstellung, um hierauf die Überzeugung stützen zu können, dass die Verletzung am 12.02.2007 bei Montagearbeiten für die Firma D. erfolgte.

Objektive Umstände, die die Angaben des Klägers bestätigen würden, liegen nicht vor. Insbesondere gibt die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung von Dr. L. (Bl. 647 VA: Der Lokalbefund spreche nicht gegen die Angaben des Klägers) nichts her. Denn diese Aussage stellt keine positive Begründung für einen Unfall am 12.02.2007 dar, sondern belegt nur, dass die Angaben des Klägers anhand des Befundes nicht zu widerlegen sind. Dies genügt aber nicht zum Nachweis einer Verletzung gerade am 12.02.2007.

Hinzu kommt, dass das Verhalten und die Angaben des Klägers selbst Anlass zu Zweifeln geben.

So ist der Kläger - wie erwähnt - der in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage, wie er das Wochenende, insbesondere den Samstag vor dem behaupteten Unfalltag verbrachte, ausgewichen. Dabei hätte - und zwar schon seit dem Widerspruchsverfahren, also deutlich zeitnäher und auch ohne ausdrücklich gestellte Frage - Anlass und Gelegenheit bestanden, substanziiert vorzutragen, was er am besagten Samstag machte. Vergleichbares gilt für Kontakte des Klägers mit anderen Menschen am Wochenende und zu Arbeitsbeginn; stattdessen hat der Kläger dem Senat erläutert, dass er mit der verletzten Hand am Montagmorgen dem Chef nicht hätte die Hand schütteln können. Wären derartige oder vergleichbare Handlungen, die eine unverletzte rechte Hand voraussetzen, am Samstagabend, am Sonntag oder am Montagmorgen erfolgt, hätte der Kläger - wiederum schon seit dem Widerspruchsverfahren - insoweit vortragen und Beweis antreten können. Stattdessen hat sich der Vortrag des Klägers bis zuletzt darauf beschränkt, die von W gegenüber der Beklagten gemachten Angaben zu bestreiten.

Darüber hinaus hat der Kläger in seiner Anhörung durch den Senat die vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung dargestellten Ungereimtheiten nicht geklärt. So gab der Kläger gegenüber Dr. L. an, am behaupteten Unfalltag bis 16:30 Uhr gearbeitet zu haben. Dies entspricht den Angaben des Arbeitgebers in der Unfallanzeige, die wiederum - wie der Kläger in seiner Anhörung durch den Senat bestätigt hat - auf seinen Angaben gegenüber dem Arbeitgeber beruhen. Eingetroffen ist der Kläger bei Dr. L. ausweislich von dessen Dokumentation um 16:50 Uhr, was vom Kläger nicht bestritten wird. Damit hätte der Kläger - seine Angaben zu Grunde gelegt - die Entfernung zwischen dem Arbeitsort an diesem Tag in M. und der Praxis Dr. L. in Bad W. in 20 Minuten zurücklegen müssen. Dies ist bei einer Wegdistanz von rund 70 Kilometern mit dem Auto schlechterdings ausgeschlossen, weil hierfür eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 210 km/h erforderlich wäre.

Diesen Widerspruch hat der Kläger weder in seiner Berufungsbegründung noch in seiner Anhörung vor dem Senat - trotz Nachfragen - aufgelöst. Vielmehr hat er in seiner Anhörung zum Arbeitsende unterschiedliche Angaben gemacht. Zuerst hat er angegeben, "zum Feierabend hin" direkt (mit W. und von der Arbeitsstelle in M. aus) zu Dr. L. gefahren zu sein. Auf Nachfrage, wann sie in M. losgefahren seien, hat er geantwortet, dies nicht mehr genau zu wissen; aber auch eine ungefähre Angabe ist er - trotz Nachfrage - schuldig geblieben. Auf Vorhalt der - wie er bestätigt hat - auf seinen Angaben beruhenden Unfallmeldung mit Arbeitsende 16:30 Uhr hat er zunächst angegeben, eigentlich hätten sie nach dem Mittag aufgeräumt und seien dann langsam zu Dr. L. gefahren, um dann, nach nochmaligem Vorhalt der Zeitangabe in der Unfallmeldung, einzuräumen, sie hätten die Baustelle fertig gemacht. Damit lässt sich trotz Anhörung des Klägers nicht klären, wie die Angabe Arbeitsende 16:30 Uhr gegenüber Dr. L. und dem Arbeitsgeber mit dem Eintreffen bei Dr. L. um 16:50 Uhr zu vereinbaren sein soll.

Eine weitere Sachaufklärung ist nicht möglich. Insbesondere scheitert eine Vernehmung des W hier daran, dass W in seinem Schreiben an den Senat vom 09.07.2012 von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und deshalb weder vor dem Senat erscheinen muss (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 386 Abs. 3 ZPO) noch zu einer Aussage gezwungen werden kann. Dieses Recht zur Zeugnisverweigerung steht ihm nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 384 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu, weil er sich bei der Beantwortung der hier zu stellenden Fragen zur Tätigkeit am besagten Samstag der Gefahr aussetzen würde, wegen einer Straftat verfolgt zu werden. Dabei ist auf Grund der bekannten Angaben des Zeugen (s. den Aktenvermerk des Vorsitzenden vom 25.06.2012 "wegen der Örtlichkeiten" sowie die Angaben gegenüber der Beklagten: Schwarzarbeit durch den Kläger und er, W. sei auch dort gewesen) hinreichend klar, dass W eine Verfolgung wegen Schwarzarbeit und damit wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabenordnung - AO -) fürchtet, einem Delikt, das teilweise erst nach zehn Jahren verjährt (§ 376 Abs. 1 AO) und damit noch nicht sicher verjährt ist.

Daneben käme auch ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 384 Nr. 1 ZPO in Betracht, weil die Beantwortung der zu stellenden Fragen - wenn die Antwort im Sinne des Klägers ausfiele - W einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde. Denn dann stünde fest, dass W gegenüber der Beklagten unwahre Angaben machte, was wiederum beim Kläger durch die erforderliche Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten jedenfalls bis heute auflaufende Kosten (und damit immer neue Vermögensschäden) verursachte, zu deren Ersatz W dann (und zumindest bis zur - unsicheren - Begründung einer eventuellen anderweitigen Erstattungspflicht nach § 193 SGG) nach § 826 und § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches, letzterer i.V.m. § 164 des Strafgesetzbuches (falsche Verdächtigung), verpflichtet wäre.

Schließlich scheitert eine Vernehmung des W aber auch daran, dass dessen ladungsfähige Anschrift nicht bekannt ist. Melderechtlich gemeldet ist W zwar noch unter seiner zuletzt bekannten Anschrift, doch hat er telefonisch mitgeteilt, sich nicht nur vorübergehend zum Zwecke der Arbeit in Norwegen aufzuhalten. Die dortige Anschrift hat W nicht angegeben. Die Angaben des W sind bestätigt durch einen Bekannten des W, der wegen der Ortsabwesenheit des W die an der zuletzt bekannten Anschrift eingehende Post öffnet und W entsprechend informiert; auf diesem Wege hat W von der Ladung des Senats zur Vernehmung in der mündlichen Verhandlung und der Notwendigkeit erfahren, sich zumindest telefonisch mit dem Senat in Verbindung zu setzen.

Im Übrigen hat auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung an der Vernehmung des W nicht festgehalten, sondern eingeräumt, dass dies "nichts bringe".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen des Klägers in Bezug auf Verfügungssatz Nr. 2 des Bescheides.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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