Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 324/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 492/12 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II beantragt, ist nach Aufforderung verpflichtet Kontoauszüge der vergangenen drei Monate vorzulegen.
Der schriftliche Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I ist kein Verwaltungsakt. Ein Widerspruch gegen einen derartigen Hinweis löst keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG aus.
Der schriftliche Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I ist kein Verwaltungsakt. Ein Widerspruch gegen einen derartigen Hinweis löst keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG aus.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom
6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ab 1. Juni 2012. Streitig ist die Vorlage von Kontoauszügen.
Der Antragsteller lebt in eheähnlicher Gemeinschaft und in Bedarfsgemeinschaft mit Frau M. Sie bezogen zuletzt Arbeitslosengeld II bis zum 31.05.2012.
Am 21.05.2012 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung der Leistungen. Dabei übermittelte er eine gesonderte unterzeichnete Erklärung, dass er in den vergangenen sechs Monaten keine Einkünfte gehabt habe. Mit Schreiben vom 25.05.2012 forderte der Antragsgegner den Antragssteller unter Fristsetzung auf, "lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate, analog Umsatzaufstellung Ihrer Hausbank" vorzulegen. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung zu den §§ 60 ff. SGB I.
Mit Schreiben vom 03.06.2012 übersandte der Antragssteller eine "Aufstellung der Konto-Gutschriften" für den Zeitraum vom 29.02.2012 bis zum 29.05.2012. Diese Aufstellung enthielt keine Angaben zu Abbuchungen. Zu den dort enthaltenen zusätzlich Einkünften teilte der Antragssteller mit, dass es sich im Wesentlichen um Verkäufe von elektronischen Bauteilen handele, die sich in seinem Besitz befunden hätten.
Bereits am 30.05.2012 beantragte der Antragssteller beim Sozialgericht Regensburg einstweiligen Rechtsschutz. Die Behörde sei nicht berechtigt, eine komplette Einsicht in seine Finanztransaktionen zu erhalten. Bereits vor einem halben Jahr habe er Kontoauszüge vorlegen müssen. Er sei nicht bereit, alle sechs Monate erneut Kontounterlagen vorzulegen. Ohne einen konkreten Grund sei das wiederholte Einfordern von Kontoauszügen unverhältnismäßig.
Mit Beschluss vom 06.06.2012 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antragsteller habe durch die bewusste Verweigerung der Vorlage von Kontounterlagen die jetzige Nichtleistungssituation herbeigeführt. Der Antragsgegner sei jedoch berechtigt, Kontoauszüge zu fordern. Bei Anträgen auf Leistungen nach SGB II seien Antragsteller auch ohne konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs gemäß §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen.
Nach Erlass des Beschlusses legte der Antragssteller im Verfahren S 9 AS 357/12 ER eine als "Zeugenaussage" überschriebene Mitteilung seiner Lebenspartnerin M. vom 17.06.2012 vor. Diese teilte zur Sache mit, dass sie mit dem Vorgehen des Antragsgegners ebenfalls nicht einverstanden sei und auch gesundheitlich unter der Situation leide.
Der Antragsteller hat am 25.06.2012 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Er erhebe "Einspruch" gegen das Schreiben vom 25.05.2012. Bei diesem Schreiben handele sich um einen Verwaltungsakt, der in sich widersprüchlich sei. Das Vorgehen der Behörde sei unverhältnismäßig, weil es sich um einen Weitergewährungsantrag bei faktisch unveränderten Verhältnissen handle. Es hätte ein Grund genannt worden müssen, weshalb auch eine Weitergewährungsantrag Kontoauszüge vorzulegen seien. Die vorgelegte Aufstellung der Kontogutschriften sei nicht gewürdigt worden. Er erwäge eine Strafanzeige gegen den Antragsgegner wegen Nötigung.
Der Antragssteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.06.2012 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm ab 1. Juni 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.
Streitgegenstand sind allein die Ansprüche des Antragstellers auf vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.06.2012. Weder der Antragsteller noch die Lebensgefährtin M. haben Ansprüche von Frau M. geltend gemacht. Die Erklärung vom 17.06.2012 wurde erst nach Zustellung des Beschlusses vom 06.06.2012 eingereicht. Ihre Bezeichnung als "Zeugenaussage" und ihr Inhalt belegen, dass sich dabei nur um eine Unterstützung des Antrags des Antragstellers handelt. Im Übrigen ist Frau M. durch dieses Eilverfahren nicht gehindert, für ihre individuellen Ansprüche ein eigenes Eilverfahren anzustrengen.
Das Schreiben vom 25.05.2012, in dem der Antragsteller zur Vorlage der Kontoauszüge aufgefordert wurde, ist kein Verwaltungsakt (so Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 66 SGB I, Rn. 14, a. A. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 66 SGB I, Rn. 14). Es handelt sich lediglich um ein Hinweisschreiben gemäß § 66 Abs. 3 SGB I, das die im Gesetz (§§ 60 ff SGB I) vorgesehenen Mitwirkungsobliegenheiten konkretisiert und aktiviert. Es dient lediglich der Vorbereitung einer nachfolgenden Verwaltungsentscheidung - je nach Mitwirkung und Ergebnis einer Versagung nach § 66 SGB I, einer Bewilligung oder einer Ablehnung der Leistungen. Insoweit ist ein Widerspruch dagegen unzulässig und der "Einspruch" des Antragstellers gegen dieses Schreiben nicht entscheidungsrelevant. Er löst insbesondere keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG aus.
Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (insb. Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) ist eine abschließende (nicht nur summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen oder, sofern diese nicht möglich ist, eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, wenn bei den Betroffenen ohne die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz eine schwere Verletzung ihrer Rechte auch nur möglich ist. Dies folgt aus dem Schutzauftrag für die Menschenwürde (Art 1 Abs. 1 Grundgesetz - GG) und der Notwendigkeit wirksamen Rechtsschutzes (Art 19 Abs. 4 GG).
Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist hier anzuwenden, weil die vollständigen existenzsichernden Leistungen strittig sind und nicht erkennbar ist, dass Einkommen, Vermögen oder Hilfe Dritter in ausreichendem Umfang zur Deckung des Bedarfs bereitstehen. Der Prüfungsmaßstab des § 86b Abs. 2 SGG würde schon deswegen zu einer Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung führen, weil ein Anordnungsanspruch, hier die Leistungsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit, nicht glaubhaft ist. Eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist nicht möglich, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht aufklärbar ist, insbesondere weil der Antragsteller die Vorlage der angeforderten Kontoauszüge verweigert.
Wesentliche Kriterien der Güter- und Folgenabwägung sind die drohende Verletzung von (Grund-) Rechten, ausnahmsweise entgegenstehende überwiegende besonders gewichtige Gründe und die hypothetischen Folgen bei einer Versagung bzw. Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz.
Die Güter- und Folgenabwägung führt zu einer Ablehnung des Antrags.
Die hypothetischen Folgen einer Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutz wären nicht hinnehmbar. Durch eine Leistungsgewährung könnte sich ein Antragsteller den erforderlichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen und damit der Prüfung seines Leistungsanspruchs entziehen. Im Gegenzug kann ein Antragsteller in aller Regel kurzfristig die Kontoauszüge beschaffen und der Behörde übermitteln. Im vorliegenden Fall spricht nichts gegen diese Möglichkeit. Wenn ein Antragsteller dies unter Beharren auf eine falsche Rechtsmeinung unterlässt, hat er sich die Konsequenzen in Form des Fehlens von existenzsichernden Leistungen selbst zuzuschreiben.
Die Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II ist nicht zu bezweifeln. Das Bundessozialgericht hat in den Urteilen vom 19.09.2008, B 14 AS 45/07 R, und vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R, überzeugend dargelegt, dass die Kontoauszüge für drei Monate verdachtsunabhängig vorzulegen sind. Hier bestehen sogar Verdachtsmomente, weil die Erklärung des Antragstellers, er habe in den letzten sechs Monaten keine Einkünfte gehabt, nach der später vorgelegten "Aufstellung der Konto-Gutschriften" offensichtlich falsch war.
Die Vorlagepflicht besteht auch bei einem Antrag auf Weitergewährung der Leistungen nach Ablauf des vorherigen Bewilligungszeitraums (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 14 AS 45/07 R).
Ausgenommen sind lediglich Zahlungen, die sich auf besonders sensible Daten nach § 67 Abs. 12 SGB X beziehen. Dies sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Geschwärzt werden darf aber nur der Verwendungszweck bzw. die Empfängerangabe derartiger Zahlungen, nicht die Höhe der Ausgaben und nicht Einnahmepositionen in den Kontoauszügen. Bei einer auffälligen Häufung oder Höhe von derartigen Ausgaben kann im Einzelfall auch die vollständige Offenlegung dieser Zahlungen gefordert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ab 1. Juni 2012. Streitig ist die Vorlage von Kontoauszügen.
Der Antragsteller lebt in eheähnlicher Gemeinschaft und in Bedarfsgemeinschaft mit Frau M. Sie bezogen zuletzt Arbeitslosengeld II bis zum 31.05.2012.
Am 21.05.2012 beantragte der Antragsteller die Weiterbewilligung der Leistungen. Dabei übermittelte er eine gesonderte unterzeichnete Erklärung, dass er in den vergangenen sechs Monaten keine Einkünfte gehabt habe. Mit Schreiben vom 25.05.2012 forderte der Antragsgegner den Antragssteller unter Fristsetzung auf, "lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate, analog Umsatzaufstellung Ihrer Hausbank" vorzulegen. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung zu den §§ 60 ff. SGB I.
Mit Schreiben vom 03.06.2012 übersandte der Antragssteller eine "Aufstellung der Konto-Gutschriften" für den Zeitraum vom 29.02.2012 bis zum 29.05.2012. Diese Aufstellung enthielt keine Angaben zu Abbuchungen. Zu den dort enthaltenen zusätzlich Einkünften teilte der Antragssteller mit, dass es sich im Wesentlichen um Verkäufe von elektronischen Bauteilen handele, die sich in seinem Besitz befunden hätten.
Bereits am 30.05.2012 beantragte der Antragssteller beim Sozialgericht Regensburg einstweiligen Rechtsschutz. Die Behörde sei nicht berechtigt, eine komplette Einsicht in seine Finanztransaktionen zu erhalten. Bereits vor einem halben Jahr habe er Kontoauszüge vorlegen müssen. Er sei nicht bereit, alle sechs Monate erneut Kontounterlagen vorzulegen. Ohne einen konkreten Grund sei das wiederholte Einfordern von Kontoauszügen unverhältnismäßig.
Mit Beschluss vom 06.06.2012 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antragsteller habe durch die bewusste Verweigerung der Vorlage von Kontounterlagen die jetzige Nichtleistungssituation herbeigeführt. Der Antragsgegner sei jedoch berechtigt, Kontoauszüge zu fordern. Bei Anträgen auf Leistungen nach SGB II seien Antragsteller auch ohne konkreten Verdacht des Leistungsmissbrauchs gemäß §§ 60 ff. SGB I verpflichtet, die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen.
Nach Erlass des Beschlusses legte der Antragssteller im Verfahren S 9 AS 357/12 ER eine als "Zeugenaussage" überschriebene Mitteilung seiner Lebenspartnerin M. vom 17.06.2012 vor. Diese teilte zur Sache mit, dass sie mit dem Vorgehen des Antragsgegners ebenfalls nicht einverstanden sei und auch gesundheitlich unter der Situation leide.
Der Antragsteller hat am 25.06.2012 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Er erhebe "Einspruch" gegen das Schreiben vom 25.05.2012. Bei diesem Schreiben handele sich um einen Verwaltungsakt, der in sich widersprüchlich sei. Das Vorgehen der Behörde sei unverhältnismäßig, weil es sich um einen Weitergewährungsantrag bei faktisch unveränderten Verhältnissen handle. Es hätte ein Grund genannt worden müssen, weshalb auch eine Weitergewährungsantrag Kontoauszüge vorzulegen seien. Die vorgelegte Aufstellung der Kontogutschriften sei nicht gewürdigt worden. Er erwäge eine Strafanzeige gegen den Antragsgegner wegen Nötigung.
Der Antragssteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.06.2012 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihm ab 1. Juni 2012 Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht Regensburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.
Streitgegenstand sind allein die Ansprüche des Antragstellers auf vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.06.2012. Weder der Antragsteller noch die Lebensgefährtin M. haben Ansprüche von Frau M. geltend gemacht. Die Erklärung vom 17.06.2012 wurde erst nach Zustellung des Beschlusses vom 06.06.2012 eingereicht. Ihre Bezeichnung als "Zeugenaussage" und ihr Inhalt belegen, dass sich dabei nur um eine Unterstützung des Antrags des Antragstellers handelt. Im Übrigen ist Frau M. durch dieses Eilverfahren nicht gehindert, für ihre individuellen Ansprüche ein eigenes Eilverfahren anzustrengen.
Das Schreiben vom 25.05.2012, in dem der Antragsteller zur Vorlage der Kontoauszüge aufgefordert wurde, ist kein Verwaltungsakt (so Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 66 SGB I, Rn. 14, a. A. Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 66 SGB I, Rn. 14). Es handelt sich lediglich um ein Hinweisschreiben gemäß § 66 Abs. 3 SGB I, das die im Gesetz (§§ 60 ff SGB I) vorgesehenen Mitwirkungsobliegenheiten konkretisiert und aktiviert. Es dient lediglich der Vorbereitung einer nachfolgenden Verwaltungsentscheidung - je nach Mitwirkung und Ergebnis einer Versagung nach § 66 SGB I, einer Bewilligung oder einer Ablehnung der Leistungen. Insoweit ist ein Widerspruch dagegen unzulässig und der "Einspruch" des Antragstellers gegen dieses Schreiben nicht entscheidungsrelevant. Er löst insbesondere keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG aus.
Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (insb. Beschluss des BVerfG vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) ist eine abschließende (nicht nur summarische) Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmen oder, sofern diese nicht möglich ist, eine Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, wenn bei den Betroffenen ohne die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz eine schwere Verletzung ihrer Rechte auch nur möglich ist. Dies folgt aus dem Schutzauftrag für die Menschenwürde (Art 1 Abs. 1 Grundgesetz - GG) und der Notwendigkeit wirksamen Rechtsschutzes (Art 19 Abs. 4 GG).
Der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts ist hier anzuwenden, weil die vollständigen existenzsichernden Leistungen strittig sind und nicht erkennbar ist, dass Einkommen, Vermögen oder Hilfe Dritter in ausreichendem Umfang zur Deckung des Bedarfs bereitstehen. Der Prüfungsmaßstab des § 86b Abs. 2 SGG würde schon deswegen zu einer Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung führen, weil ein Anordnungsanspruch, hier die Leistungsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit, nicht glaubhaft ist. Eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ist nicht möglich, da die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers nicht aufklärbar ist, insbesondere weil der Antragsteller die Vorlage der angeforderten Kontoauszüge verweigert.
Wesentliche Kriterien der Güter- und Folgenabwägung sind die drohende Verletzung von (Grund-) Rechten, ausnahmsweise entgegenstehende überwiegende besonders gewichtige Gründe und die hypothetischen Folgen bei einer Versagung bzw. Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz.
Die Güter- und Folgenabwägung führt zu einer Ablehnung des Antrags.
Die hypothetischen Folgen einer Leistungsgewährung im einstweiligen Rechtsschutz wären nicht hinnehmbar. Durch eine Leistungsgewährung könnte sich ein Antragsteller den erforderlichen und zumutbaren Mitwirkungshandlungen und damit der Prüfung seines Leistungsanspruchs entziehen. Im Gegenzug kann ein Antragsteller in aller Regel kurzfristig die Kontoauszüge beschaffen und der Behörde übermitteln. Im vorliegenden Fall spricht nichts gegen diese Möglichkeit. Wenn ein Antragsteller dies unter Beharren auf eine falsche Rechtsmeinung unterlässt, hat er sich die Konsequenzen in Form des Fehlens von existenzsichernden Leistungen selbst zuzuschreiben.
Die Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II ist nicht zu bezweifeln. Das Bundessozialgericht hat in den Urteilen vom 19.09.2008, B 14 AS 45/07 R, und vom 19.02.2009, B 4 AS 10/08 R, überzeugend dargelegt, dass die Kontoauszüge für drei Monate verdachtsunabhängig vorzulegen sind. Hier bestehen sogar Verdachtsmomente, weil die Erklärung des Antragstellers, er habe in den letzten sechs Monaten keine Einkünfte gehabt, nach der später vorgelegten "Aufstellung der Konto-Gutschriften" offensichtlich falsch war.
Die Vorlagepflicht besteht auch bei einem Antrag auf Weitergewährung der Leistungen nach Ablauf des vorherigen Bewilligungszeitraums (BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 14 AS 45/07 R).
Ausgenommen sind lediglich Zahlungen, die sich auf besonders sensible Daten nach § 67 Abs. 12 SGB X beziehen. Dies sind Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben. Geschwärzt werden darf aber nur der Verwendungszweck bzw. die Empfängerangabe derartiger Zahlungen, nicht die Höhe der Ausgaben und nicht Einnahmepositionen in den Kontoauszügen. Bei einer auffälligen Häufung oder Höhe von derartigen Ausgaben kann im Einzelfall auch die vollständige Offenlegung dieser Zahlungen gefordert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved