S 13 R 700/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 R 700/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten.

Der Streitwert wird auf 7.626,38 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Honorare für selbstständige Kameraleute der Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegen.

Die klagende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) stellt Fernseh-und Videoproduktionen im Bereich der elektronischen Berichterstattung und als Auftragsproduktionen her. Die Klägerin erhält vom Auftraggeber (in der Regel öffentlich-rechtlich Fernsehanstalten) eine Anfrage zur Verfügungstellung eines Kamerateams für die elektronische Bildbearbeitung. Schwerpunkt der Tätigkeit ist folglich die ausschließliche Bereitstellung technischer Mittel und fachlich versierter freiberuflicher Kameramänner und Assistenten. Die gestellten Rechnungen weisen ausschließlich Kosten für die technische Bereitstellung angeforderter Mittel sowie Vermittlungskosten für die eingesetzten Kameramänner aus. Erkennbar ist, dass die Redaktion durch Mitarbeiter z. B. des MDR erfolgt. Im Bereich der Auftragsproduktion wird die Klägerin mit der Produktion einer Reportage oder Dokumentation eines festgelegten Inhaltes beauftragt. Erfolgt der Vertragsabschluss obliegt es der Produktionsfirma die entsprechenden Schritte bis zur Gesamtherstellung des Werkes zu übernehmen. Zum Aufgabenbereich der Klägerin gehört die tagesaktuelle Berichterstattung für öffentliche Sender (zum Beispiel wie Tagesschau und den MDR) sowie Sportübertragungen und Liveübertragungen beispielsweise der Vierschanzentournee und der deutschen Tourenmeisterschaft.

Am 26.3.2008 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs.1a SGB IV durch. Anlässlich der Schlussbesprechung wurde darauf hingewiesen, dass für die Klägerin Abgabepflicht nach dem KSVG bestehe. Die Abgabepflicht sei gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KSVG festzustellen, weil die Klägerin die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern betreibt.

Mit Bescheid vom 22.8.2008 wurden Abgaben zur Künstlersozialversicherung für die von der Klägerin beauftragten selbstständig tätigen Künstler und Publizisten in Höhe von 7626,38 EUR festgestellt. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, dass es sich bei der Tätigkeit eines Kameramannes nicht um eine künstlerische Tätigkeit handele. Kameraführung/-bedienung würde vielmehr eine handwerkliche Tätigkeit darstellen. Mangels eigener Entscheidungsbefugnis würde in die Arbeit auch kein eigener künstlerischer Beitrag einfließen. Die Kamera werde unter vollständigen Einfluss des Regisseurs/Redakteurs bedient, so dass der Kameramann kein eigenes Kunstwerk erschafft. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auf eine materielle Definition des Kunstbegriffes verzichtet worden. Auch könne auf den Künstlerbericht von 1975 nicht zurückgegriffen werden, da dieser die Veränderungen im Berufsbild des Kameramannes nicht mit vollzogen hätte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch das BSG sei Rechtsprechung geschaffen worden, was unter "Kunst" zu verstehen sei. Auch bestehen keine Bedenken bezüglich der Anwendung des Künstlerberichts, zumal im Urteil des BSG vom 4.3.2004, Az. B 3 KR 12/03 R, explizit festgestellt werde, dass Kameraleute grundsätzlich zum künstlerischen Personenkreis gehören. Kameramänner werden in der Regel für Unternehmen tätig, deren Geschäftstätigkeit auf die Herstellung bespielter Bild- und Tonträger gerichtet sei. Diese unterliegen als typische Verwerter der Abgabepflicht dem Grunde nach. "Herstellung" sei das erstmalige " Bespielen" von Bild- oder Tonträgern mit Film, Fernsehen-, Wort- und Musikaufnahmen, oder mit anderen Worten die Aufnahme von realen oder erdachten Vorgängen, Geschehnissen, Aufführungen oder Darbietungen aller Art zwecks späterer visueller und/oder akustischer Wiedergabe in grundsätzlich unbegrenzter, beliebig oft wiederholbarer Form. Die Abgabepflicht der Unternehmen beruhe nach der Vorstellung des Gesetzgebers darauf, dass bei der Aufnahme regelmäßig Künstler und Publizisten (§§1,2 KSVG) mitwirken, bei Spielfilmen zum Beispiel Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler, Kameramann; bei Fernsehreportagen zum Beispiel Journalist, Redakteur, Kameramann. In die Abgabepflicht werden auch Unternehmen einbezogen, die in einem arbeitsteiligen Prozess an der Produktion von Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern mitwirken und dabei nicht nur die technische Ausrüstung zur Verfügung stellen oder für das Funktionieren der Technik sorgen. Die Bild- und Tonaufnahmen seien hierbei keine bloß technischen Aufzeichnungen, die in vergleichbarer Form auch durch Automaten ausgeführt werden könnten; sie setzten vielmehr einen fachkundigen Blick hinsichtlich des aufzunehmenden Motivs oder Objekts voraus, der dafür sorge, dass es nach den Vorstellungen des jeweiligen Auftraggebers mit dem entsprechenden Medium bestmöglich zur Geltung gebracht werde. Damit werde in einem kreativen Prozess eine wesentliche Grundlage für das spätere Produkt geschaffen, deren Bedeutung nicht dadurch geschmälert werde, dass sie den Vorgaben eines Drehbuchs oder den Anweisung eines Regisseurs oder Redakteurs folge (vergleiche BSG-Urteil vom 4.3.2004, Az. B 3 KR 12/03 R). Unerheblich bei der Beurteilung der Künstlereigenschaft der Kameraleute sei die Tatsache, dass deren eigenschöpferischer Entfaltungsspielraum durch Vorgaben eines Regisseurs oder Autors eingeschränkt werde. Das BSG machte in dem genannten Urteil deutlich, dass es nicht auf die für jeden Auftrag einzelne Gestaltung der Tätigkeit ankomme, sondern das Berufsfeld im allgemeinen ausschlaggebend für die Beurteilung der Abgabepflicht sei. Es weise in seinem Urteil darauf hin, dass "ausdrücklich alle Berufsgruppen als künstlerisch angesehen werden, die im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführt sind". Dort sind in der Berufsgruppe "Fotodesigner" u.a. Kameramänner genannt. Daher sei der Kameramann grundsätzlich als künstlerisch Tätiger zu betrachten. Werde er auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit für den Auftraggeber aktiv, sei die an ihm gezahlte Vergütung bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage zur Künstlersozialabgabe zu berücksichtigen.

Hiergegen hat die Klägerin am 14.8.2009 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Kameraleute nicht als Künstler zu qualifizieren seien. Den bei der Klägerin eingesetzten Kameraleute komme nicht einmal im Ansatz ein künstlerischer Aspekt zu. Die Kameraleute übten mit der Kameraführung bzw. der Kamerabedienung vielmehr eine handwerkliche Tätigkeit aus. Mangels eigener Entscheidung beinhalte deren Arbeit keinen eigenen künstlerischen Beitrag. Die Kameraleute erhielten exakte Vorgaben von dem allein verantwortlichen Autor oder Regisseur, an die sie gebunden seien. Der sogenannte Künstlerbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1975 und die dortige Benennung der Kameraleute sei heute allerdings nicht mehr bei der hier zu entscheidenden Frage tragfähig. Nicht nur, dass dieser Künstlerbericht seit nunmehr 34 Jahren in der Welt sei und das Berufsbild über die Jahre hinweg wesentliche Veränderung erfahren habe, sei insbesondere zu berücksichtigen, dass den Künstlerbericht keine Gesetzesqualität zukomme. In Anbetracht dessen könne aus den Künstlerbericht nicht ohne kritische Würdigung unbesehen der tatsächlichen Umstände den Kameraleuten einfach eine Künstlereigenschaft im Sinne des KSVG unterstellt werden, zumal der Begriff der Kunst auch in den Künstlerbericht keine Definition erfahre. Das Berufsbild des Kameramanns entspreche nicht dem eines Künstlers, sondern vielmehr eines qualifizierten Technikers. Seit Beginn bzw. Mitte der achtziger Jahre werde der Beruf des Kameramanns zu einem Großteil von sogenannten Quereinsteigern ausgeübt, die keinen berufsspezifischen Abschluss hätten. Insoweit bereiteten die Kameraleute mit der technischen Bedienung der Kamera allenfalls eine fremde künstlerische Tätigkeit vor, was allerdings für eine Zugehörigkeit zum KSVG nicht genüge.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.8.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.7.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und weist nochmals darauf hin, dass es weder notwendig sei, dass die Klägerin selbst künstlerisch tätig werden müsse, um Künstler zu beschäftigen, noch ein Unterliegen dieser Kameramänner zu Vorgaben oder Anweisungen von Drehbuch, Regisseur oder Redakteur den kreativen Prozess des Aufnehmens schmälern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 28 p Abs.1a SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern ua ob diese die KSA rechtzeitig und vollständig entrichten; sie erlassen insoweit die erforderlichen Verwaltungsakte zur Künstlersozialversicherungspflicht und zur Höhe der KSA. Zur KSA ist ein Unternehmer verpflichtet, der eines der in § 24 KSVG genannten Unternehmen betreibt. Unternehmer, die die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung) betreiben, sind nach § 24 Abs.1 Nr.5 KSVG grundsätzlich KSA-pflichtig.

Der Abgabetatbestand des § 25 KSVG setzt voraus, dass die Empfänger der in Rede stehenden Honorare selbstständige Künstler im Sinne des KSVG sind. Die Abgabepflicht knüpft damit an die Versicherungspflicht nach § 1 KSVG an, obwohl die agierenden Personen selbst nicht nach dem KSVG versicherungspflichtig sein müssen. Die Abgabepflicht der kunstverwertenden Unternehmen ist jedoch von der Versicherungspflicht der Künstler entkoppelt, als auch solche Entgelte der Abgabenpflicht nach § 25 KSVG unterfallen, die an nicht selbst versicherungspflichtige Künstler gezahlt werden.

Der Begriff des Künstlers im Sinne des § 25 Abs.1 KSVG ist im Zusammenhang mit den §§ 1,2 KSVG zu sehen. Danach ist Künstler im Sinne des KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt (§ 2 S.1). Der Gesetzgeber spricht im KSVG nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten". Auf eine aktuelle Definition des Kunstbegriffes hat er hingegen bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172, S 21). Dieser Begriff ist deshalb aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen. Aus dem Material zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahr 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt. Bei der Zuordnung zum Zwecke der Abgabenerhebung nach dem KSVG hat das BSG stets abgelehnt, die künstlerische Qualität der jeweiligen Arbeiten zu bewerten, sondern als maßgebend angesehen, in welchen Tätigkeitsbereich und gesellschaftlichen Umfeld die einzelnen Leistungen erbracht werden. Bei Berufstätigkeiten, die nach dem gesetzgeberischen Willen in pauschaler Weise den künstlerischen Betätigungen zuzuordnen sind, hat das BSG nicht als entscheidend angesehen, ob im Einzelfall (zB wegen der Eigenart des Produkts oder wegen konkreter Vorgaben des Auftraggebers) ein großer oder kleiner Gestaltungsspielraum bei der Durchführung verbleibt. Die Zweckgebundenheit der Produkte steht ihrer Einordnung als künstlerisch in keinem Fall entgegen (Urteil des BSG vom 25.11.2010 – B 3 KS 1/10 R). Dass dies tatsächlich auch der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, folgt aus der Materialien zum KSVG, wonach ausdrücklich alle "Berufsgruppen" als künstlerisch angesehen werden, die im Künstlerbericht der Bundesregierung aufgeführt sind. Dort sind in der Berufsgruppe "Fotodesigner" ua Kameramänner genannt (BT-Drucks 7/3031 S 7).

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin kann dieser Zuordnung zur genannten Kunstgattung nicht entnommen werden, dass nur der "künstlerisch tätige Kameramann" von der dort genannten Tätigkeit eines Kameramannes erfasst wird. Bei der Bildberichterstattung bedarf es daher keines künstlerischen Aspektes; Schwerpunkt und Grund für die Einbeziehung ist das Abbilden von Personen, Gegenständen oder Vorgängen der Zeitgeschichte mit tagesaktueller Bedeutung und der Nachrichten-, Informations- und Dokumentationswert. Untermauert wird dies durch die gesetzliche Wertung des Kataloges der Unternehmen in § 24 Abs.1 KSVG, die sich mit der "Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern" befassen. Das Gesetz schränkt diese nicht auf den Bereich der künstlerischen Tätigkeiten ein. Es kann somit bei der Feststellung der Abgabepflicht für das Unternehmen dem Grunde nach nicht darauf ankommen, ob der jeweilige Regisseur/Autor dem Kameramann im Einzelfall viel bzw. wenig eigenen Gestaltungsspielraum zubilligt. Auf die Kennzeichen einer künstlerischen Bildgestaltung, Motivwahl und -gestaltung kommt es folglich nicht an. Die Klägerin kann somit nicht mit Erfolg einwenden, die Abbildung eines äußeren Ereignisses wie bei Sportveranstaltungen lasse dem Kameramann keinen eigenen Spielraum für die eigenschöpferische Tätigkeit im Hinblick auf diese Kennzeichen. Maßgeblich ist allein die Herstellung der Bilder, die zwar keinen künstlerischen Anspruch erheben, aber ausschließlich oder zumindest wesentlich dazu bestimmt sind, in publizistischer Weise verwertet zu werden. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die von den Kameraleuten aufgenommenen Bilder solche von Sportveranstaltungen und aktuellen Tagesereignissen sind, die Nachrichten-, Informations- und Dokumentationswert haben; aus diesem Grund werden die Leistungen auch überwiegend von Fernsehanstalten nachgefragt. Ob das vom Kameramann Aufgezeichnete einer weiteren Bearbeitung durch eine andere Person zugeführt wird, ist daher nicht entscheidend.

Folglich unterliegen auch solche Unternehmen der Abgabenpflicht, die in einem arbeitsteiligen Prozess an der Produktion von Aufnahmen auf Bild- und Tonträgern mitwirken und dabei nicht nur die technische Ausrüstung zur Verfügung stellen oder für das Funktionieren der Technik sorgen (BSG Urteil vom 4.3.2004 – B 3 KR 12/03 R). Die Klägerin ist an den Aufnahme nicht lediglich durch technische Unterstützung beteiligt, denn sie erstellt durch ihre Kamerateams selbst die Bild- und Tonaufnahmen, die -wenn auch erst nach Bearbeitung durch den Auftraggeber - später in das sendefertige Produkt eingehen.

Die Höhe der zu entrichtenden KSA ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klägerin hat hiergegen keine Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 SGG iVm § 154 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a SGG iVm § 63 Abs.2, 52 Abs.1 und 3 sowie § 47 Abs.1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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