S 3 KA 143/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 143/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Indem einstweilige Anordnungen bereits „zur Abwendung wesentlicher Nachteile“ erlassen werden können, geht der Schutz des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG über die Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG hinaus. Für diesen weiteren Bereich wird aber einfachgesetzlich das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs wie eines Anordnungsgrunds verlangt. Ist kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, kann eine einstweilige Anordnung grundsätzlich nicht erlassen werden. Das gilt selbst dann, wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet wäre.

2. Zur Frage, ob die Quotierung von Laborleistungen nach 32 EBM mit höherrangigen Recht in Einklang steht (offen gelassen).
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. 3. Der Streitwert wird auf 283.632,47 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin ist die als GmbH verfasste Trägergesellschaft eines Medizinischen Versorgungszentrums, das an der vertragsärztlichen Versorgung in H. teilnimmt und in dem fünf Fachärzte und Fachärztinnen für Laboratoriumsmedizin angestellt sind, die teilweise weitere Facharztbezeichnungen führen. Die Antragsgegnerin ist die Kassenärztliche Vereinigung in H ... Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr ein höheres Honorar für die vertragsärztliche Tätigkeit im Quartal I/2011 und seitdem zu bewilligen. Dabei streiten die Beteiligten vor allem darum, ob und in welchem Umfang Laboruntersuchungen anteilig vergütet ("quotiert") werden dürfen, oder ob sämtliche erbrachten Leistungen ohne Abzug mit den in den Abschnitten 32.2 und 32.3 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Euro-Beträgen zu honorieren sind.

I.1. Soweit die Antragstellerin die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung eines höheren Honorars für die im Quartal I/2011 erbrachten Laboruntersuchungen begehrt, ist ihr Eilantrag als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Form der Regelungsanordnung zulässig. Soweit ihr Eilantrag auf eine höhere Vergütung für die Folgequartale gerichtet ist, ist zu unterscheiden: Insoweit hat die Antragsgegnerin noch keine Honorarbescheide erteilt. Jedenfalls die Abschlagszahlung für September 2011 hat sie aber bereits auf der Grundlage des erwarteten – hinsichtlich der Laboruntersuchungen: quotierten – Honorarumsatzes erbracht. Unproblematisch zulässig ist damit nur der Antrag auf die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine höhere Abschlagszahlung für September 2011 zu leisten. Hinsichtlich der weiteren Abschlagszahlungen und der noch ausstehenden Abrechnungen sucht die Antragstellerin hingegen um vorbeugenden Eilrechtsschutz nach. Das dafür erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse (s. dazu bezogen auf eine vorbeugende Feststellung durch das Gericht Keller, in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rn. 8c mwN) fehlt. Es gibt keinerlei Anlass zu der Annahme, der übliche repressive Rechtsschutz wäre zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin ungeeignet, weil er auf Grund besonderer Umstände des konkreten Falles zu spät käme (s. zu diesem Maßstab etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17. Jan. 2011, L 7 KA 66/10 B ER, in juris). Vielmehr ist es der Antragstellerin zuzumuten, die folgenden Abschlagszahlungen und Honorarbescheide der Antragsgegnerin abzuwarten und erst dann die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe Widerspruch und Klage zu ergreifen und möglicherweise ergänzend erneut ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anzustrengen.

2. Soweit er zulässig ist, bleibt der Eilantrag in der Sache ohne Erfolg. Eine Regelungsanordnung kann getroffen werden, wenn eine sofortige gerichtliche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Hierfür muss sowohl ein Anordnungsanspruch bestehen, also ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Leistung, sowie ein Anordnungsgrund, nämlich ein Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm §§ 294, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Das Gericht lässt dahin stehen, ob die Antragstellerin ein höheres Honorar für die erbrachten Laboruntersuchungen beanspruchen kann. Sie hat jedenfalls keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

a. Das Gericht ist nicht gehindert, das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs hier offen zu lassen.

(1) Auf einfachgesetzlicher Ebene verlangt der Erlass einer einstweiligen Anordnung wie ausgeführt die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs wie eines Anordnungsgrunds. Fehlt nur eine der beiden Voraussetzungen, kann einstweiliger Rechtsschutz nicht gewährt werden. Das gilt insbesondere bei Fehlen eines Anordnungsgrunds. Denn erst dieser bildet die Legitimation für den einstweiligen Rechtsschutz (vgl. Adolf, in Hennig, SGG, Stand: August 2007, § 86b Rn 88). Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds kann daher nicht verzichtet werden (s. dazu nur LSG Hamburg, Beschl. v. 5. Nov. 2007, L 2 B 396/07 ER KA, sozialgerichtsbarkeit.de). Das gilt selbst dann, wenn man der Auffassung folgen wollte, bei einer offensichtlich zulässigen und begründeten Klage würden sich die Anforderungen an ihn verringern (vgl. etwa Keller, aaO, § 86b Rn. 29, demzufolge auch in diesem Fall auf einen Anordnungsgrund nicht verzichtet werden könne; s. zu dieser vom erkennenden Gericht insgesamt kritisch gesehen Auffassung unter b. (2) (b)). Daraus folgt zugleich, dass das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs in aller Regel nicht zu prüfen ist, wenn schon kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist.

(2) § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG wird freilich von der verfassungsrechtlich verankerten Garantie effektiven Rechtsschutzes überlagert. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (st. Rspr., vgl. aus jüngerer Zeit etwa BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. 1. Senats v. 25. Febr. 2009, 1 BvR 120/09 – Spezialrollstuhl –, mwN, in juris (Abs. 11)). Bejaht worden ist das etwa im Zusammenhang mit der Versorgung eines schwer kranken Versicherten (Krebserkrankung des Dickdarms mit fortschreitender Metastasierung) mit einer existentiell bedeutsamen medizinischen Leistung (s. dazu BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 1. Senats v. 29. Nov. 2007, 1 BvR 2496/07 – Alternativmedizin, Hyperthermietherapie –, in juris), im Zusammenhang mit der Gewährung von existenzsichernden Leistungen (s. dazu BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des 1. Senats v. 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 – Grundsicherung –, in juris ) und im Zusammenhang mit der Versorgung einer nahezu vollständig gelähmten Versicherten mit einem mundgesteuerten Rollstuhl (s. dazu BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. 1. Senats v. 25. Febr. 2009, 1 BvR 120/09 – Spezialrollstuhl –, mwN, in juris). In vergleichbaren Fällen sind die Fachgerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren wollen, gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen (s. dazu nochmals BVerfG, Beschl. d. 2. Kammer d. 1. Senats v. 25. Febr. 2009, 1 BvR 120/09 – Spezialrollstuhl –, mwN, in juris (Abs. 11)). Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ebenda).

(3) Eine solche Konstellation, in der das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht offen bleiben darf, oder aber anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist, liegt hier nicht vor. So er besteht, kann (und muss) der geltend gemachte Anspruch auf ein höheres vertragsärztliches Honorar von der Antragsgegnerin auch nach einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache erfüllt werden. Diese bildet hierfür in aller Regel Rückstellungen, die für etwaige Nachzahlungen bereit stehen oder nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder aufgelöst werden, so dass die von der Antragstellerin befürchteten irreparablen Folgen für die Honorarverteilung in H. nicht eintreten können. Ebenso wenig vermag das Gericht irreparable Folgen für die laborärztliche Versorgung in H. zu erkennen, wenn nicht sofort über den geltend gemachten Anspruch entschieden wird. Vor allem drohen der Antragstellerin, auf deren Beschwer es allein ankommt, nach dem Erkenntnisstand im Eilverfahren keine schweren und unzumutbaren, nicht anders als durch eine gerichtliche Eilentscheidung abwendbaren Nachteile im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das wird auch von ihr nicht behauptet.

b. Es bleibt mithin bei den einfachgesetzlichen Anforderungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, der mit seinem Schutz über den verfassungsrechtlichen Mindeststandard hinausgeht (s. dazu Adolf, in Hennig, SGG, Stand: August 2007, § 86b Rn 6), aber eben verlangt, dass neben dem Anordnungsanspruch auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Antragstellerin hat indes nicht glaubhaft gemacht, zur Abwendung wesentlicher Nachteile auf eine vorläufige Regelung durch das Gericht angewiesen zu sein.

(1) Im Vertragsarztrecht ist dabei in erster Linie eine wirtschaftliche Betrachtung anzustellen (s. dazu nur LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23. Nov. 2007, L 10 B 11/07 KA ER, in juris). Bei honorarrelevanten Maßnahmen setzt ein Anordnungsgrund drohende irreparable Rechtsnachteile voraus, die insbesondere zu bejahen sind, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz der notwendige Lebensunterhalt des Antragstellers oder die Existenz der Praxis gefährdet wäre (Binder, in Lüdtke, Sozialgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2009, § 86b Rn. 38 mwN; Keller, aaO, § 86b Rn. 33 mwN). Die Antragstellerin bringt vor allem vor, durch die Quotierung sinke die Umsatzrendite zum Jahresabschluss per 30. Juni 2011 wie auch für die Folgezeiträume voraussichtlich von 3,9% auf minus 4,7% und Massenentlassungen seien nicht auszuschließen. Auch wenn die befürchtete und teilweise bereits eingetretene Entwicklung wirtschaftlich nachteilig für die Antragstellerin sein mag, bringt sie doch für die Antragstellerin keine irreparablen Rechtsnachteile mit sich. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ohne eine sofortige Auszahlung von weiterem Honorar die Existenz der Antragstellerin, der notwendige Lebensunterhalt der hinter ihr oder der Betreibergesellschaft stehenden Gesellschafter oder der Betrieb des MVZ ernsthaft gefährdet wäre. Mit Blick auf die vorgelegte "Konsolidierung" (Anlage AS 8) sei daher lediglich ergänzend angemerkt, dass es erklärungsbedürftig erscheint, bei einer Gegenüberstellung von voraussichtlichem Betriebsergebnis mit und ohne Quotierung in beiden Fällen eine identische Steuerlast anzusetzen. Im Übrigen wäre die begehrte Honorarzahlung bei einer in Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache mit einer etwaigen Rückzahlungsverpflichtung belastet (s. dazu, dass vorläufig erbrachte Leistungen zurückzuzahlen sind, sofern sich nachträglich herausstellt, dass dem Antragsteller die Leistung nicht zusteht, Keller, aaO, § 86b Rn. 49, 22). Die Antragstellerin dürfte daher bei Erfolg des Eilantrags entsprechende Rückstellungen vornehmen, was ihr Ergebnis per 30. Juni 2011 ebenfalls beeinflussen würde. Soweit sich die Antragstellerin auf ihren möglichen Zinsverlust beruft, gilt: Zwar würde dieser bei Erfolg in der Hauptsache nicht ausgeglichen (s. dazu, dass die Verzinsung von Honorarforderungen eines Vertragsarztes nicht in Betracht kommt, aus jüngere Zeit etwa BSG, Urt. v. 23. März 2011, B 6 KA 14/10 R, in juris (Abs. 30)). Doch liegt allein im Zinsverlust, der im Übrigen bei jeder – erfolgreichen – Klage auf Bewilligung eines höheren Honorars erlitten wird, kein wesentlicher Nachteil, der aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes eine sofortige gerichtliche Entscheidung gebietet. Insgesamt ist es der Antragstellerin auch im Lichte der von Art. 12 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit zuzumuten, zunächst den Abschluss des Widerspruchsverfahrens abzuwarten und sodann eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache anzustrengen.

(2) Es besteht kein Anlass, hier lediglich abgeschwächte Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen.

(a) Bei Fallgestaltungen, in denen ein materiellrechtlicher Anspruch besteht, dieser aber ohne Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes fortschreitend endgültig vereitelt wird, in denen also eine Entscheidung in der Hauptsache die eingetretenen schweren und unzumutbaren Nachteile nicht mehr beseitigen kann, ist die Bejahung des Anordnungsanspruchs für die Prüfung des Anordnungsgrundes in weitem Umfang vorgreiflich (s. dazu BVerfG, Beschl. d. 3. Kammer des 1. Senats v. 28. Sept. 2009, 1 BvR 1702/09 – Schächten –, in juris (Abs. 12)). Solch eine Konstellation liegt indes nicht vor. Wie ausgeführt, drohen der Antragstellerin keine schweren und unzumutbaren Nachteile in diesem Sinne, sondern kann der geltend gemachte Honoraranspruch ohne wesentlichen Rechtsverlust auch noch nach Abschluss des Widerspruchs- und eines sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahrens erfüllt werden.

(b) Das Gericht neigt nicht der Auffassung zu, selbst jenseits der von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfassten Fallgestaltungen einen vergleichbaren "funktionalen Zusammenhang" zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund anzunehmen, so dass sich bei einer offensichtlich zulässigen und begründeten Klage bzw. einen offensichtlich zulässigen und begründeten Widerspruch die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern würden (vgl. dazu nur Keller, aaO, § 86b Rn. 29 mit umfangreichen Nachweisen insbesondere aus der Rechtsprechung). Mit dieser Auffassung wird oftmals nicht ausreichend deutlich unterschieden zwischen einerseits den schweren und unzumutbaren Nachteilen, die durch eine Hauptsacheentscheidung nicht beseitigt werden können und daher zur Gewährung effektiven Rechtschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung gebieten und andererseits den wesentlichen Nachteilen iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, die auf einfachgesetzlicher Ebene über dieses verfassungsrechtliche Minimum hinausgehen (vgl. etwa LSG München, Beschl. v. 27. Juni 2009, L 12 KA 33/09 B ER, in juris (Abs. 41): "( ) und die Regelung so eilbedürftig erscheint, dass bei Nichterlass der einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare, auf andere Weise nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist (Anordnungsgrund)"). Vor allem findet der behauptete "funktionale Zusammenhang" zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund weder in Wortlaut noch Systematik oder Ratio des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine ausreichende Stütze. Wenn und soweit eine vorläufige Regelung weder verfassungsrechtlich geboten ist noch auf einfachgesetzlicher Ebene nötig erscheint, besteht kein Anlass für das Gericht, die Entscheidung über einen Rechtsstreit vorzuziehen, während alle anderen Rechtsschutzsuchenden, die keinen Eilantrag gestellt haben, auf eine Hauptsacheentscheidung warten. Allein der voraussichtliche Erfolg in der Hauptsache vermag ein solches "Vorziehen" nicht zu rechtfertigen. Vielmehr ist es auch diesem Rechtsschutzsuchenden zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

(3) Letztlich kann die Überzeugungskraft dieser Auffassung aber dahin stehen. Selbst wenn man ihr folgen wollte, wären die Anforderungen an den Anordnungsgrund nur bei einer offensichtlich zulässigen und begründeten Klage bzw. einem solchen Widerspruch abgeschwächt. Der geltend gemachte Anspruch ist indes nicht dermaßen evident. Insbesondere erscheint eine lediglich quotierte Honorierung von Laboruntersuchungen nicht von vorneherein und unter jedem Gesichtspunkt ausgeschlossen. In seiner 180. Sitzung am 20. April 2009 beschloss der Bewertungsausschuss, den vom Erweiterten Bewertungsausschluss in seiner 10. Sitzung am 27. Februar 2009 gefassten Beschluss in der Nr. 1 um folgenden Absatz zu ergänzen: "Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und Kostenerstattungen des Kapitels 32, die außerhalb der arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumen vergütet werden, können einer Steuerung unterzogen werden, um einer nachteiligen Auswirkung auf die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung zulasten anderer Ärzte oder Arztgruppen (z. B. durch Mengenentwicklung) entgegenzuwirken. Dies gilt auch für Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und Kostenerstattungen des Kapitels 32, welche von Arztgruppen erbracht werden, die nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegen." (vgl. Teil B des Beschlusses vom 20. April 2009) Damit wollte der Bewertungsausschuss den Weg für eine Mengensteuerung gerade bei den hier in Streit stehenden Laboruntersuchungen eröffnen, den er mit Folgebeschlüssen weiter ausbaute, insbesondere mit dem in der 218. Sitzung vom 26. März 2010 gefassten Beschluss. Ob er hierzu befugt war, ist eine komplexe rechtliche Fragestellung, deren Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Gleiches gilt für die sich ggf. anschließende Folgefrage, ob und in welchem Umfang die streitbefangene Honorierung ihre Grundlage in dem im Bezirk der Antragsgegnerin anwendbaren Verteilungsmaßstab findet und ob dieser wiederum mit höherrangigem Recht in Einklang steht.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGO).

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG) iVm den §§ 53 Abs. 2 Nr. 4 und 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Gericht folgt den Empfehlungen im Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand: 1. April 2009, abzurufen unter sozialgerichtsbarkeit.de). Danach ist bei Honorarstreitigkeiten die Höhe des geltend gemachten Honorars maßgeblich (vgl. Ziff. 10.1 des Streitwertkatalogs) und beträgt der Streitwert bei Regelungsanordnungen nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ein Viertel bis zur Hälfte des Streitwerts der Hauptsache je nach deren wirtschaftlicher Bedeutung (vgl. 7.1 des Streitwertkatalogs). Das Gericht hält hier die Hälfte für angemessen. Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin, der die Antragstellerin nicht entgegengetreten ist, beläuft sich die streitbefangene Quotierung schon für das Quartal I/2011 auf 567.264,93 Euro. Hiervon die Hälfte entspricht gerundet 283.632,47 Euro.
Rechtskraft
Aus
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