L 12 AS 639/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 365/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 639/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der besondere Aufwand für die Anschaffung eines Jugendbettes (100 x 200 cm) im Austausch für ein Gitterbett für Kleinkinder (140 x 70 cm) ist als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung zu decken und nicht von den Leistungen für Erstausstattung umfasst.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt als einmalige Leistung einen Zuschuss für Kosten eines Bettes nebst Lattenrost.

Der 2007 geborene Kläger lebt gemeinsam mit seiner 1971 geborenen, alleinerziehenden Mutter in einem Haushalt. Beide beziehen laufend Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), wobei dem Kläger für den Bewilligungsabschnitt 1. November 2010 bis 30. April 2011 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 49,38 EUR (November 2010), 116,38 EUR (Dezember 2010) bzw. 121,55 EUR (Januar bis April 2011) unter Anrechnung von Einkommen aus Kindergeld und Unterhaltszahlungen bzw. ab Dezember 2010 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewilligt worden waren (Bescheid vom 18. Oktober 2010, Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2010, Änderungsbescheid vom 29. April 2011). Auch in der Folgezeit erhielt der Kläger durchgehend Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Seine Mutter verfügt weder über anzurechnendes Einkommen noch Vermögen.

Am 18. Oktober 2010 beantragte die Mutter des Klägers eine Beihilfe für die Anschaffung eines Bettgestells und Lattenrostes (jeweils 1 x 2 m), einer Bettdecke, eines Kissens, zweier Bettbezüge und eines Matratzenbezugs als Erstausstattung für den Kläger. Das vorhandene Kinderbett mit Decke (140 x 70 cm) sei zu klein geworden, eine Matratze sei vorhanden. Mit Bescheid vom 3. November 2010 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich bei den beantragten Gegenständen um einen Ersatzbedarf handele, der von der Regelleistung umfasst sei. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger anwaltlich vertreten geltend, der Anspruch ergebe sich aus § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Zwar sei ein Kinderbett bereits vorhanden, diesem sei der Kläger mittlerweile allerdings entwachsen. Bei den Mehrbedarfen aus § 23 Abs. 3 SGB II handele es sich um einige der wenigen - neben dem hier nicht einschlägigen § 21 Abs. 6 SGB II - Öffnungsklauseln im Bereich der Grundsicherung. Um eine Bedarfsunterdeckung zu vermeiden, seien diese Ausnahmen folglich weit auszulegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung sei, dass der Betroffene aus bestimmten Gründen seine Wohnungsausstattung oder notwendige Teile einer Wohnungsausstattung verloren oder nie inne gehabt habe. Auch durch außergewöhnliche Umstände könne ein neuer Bedarf auf Erstausstattung begründet sein. Vorliegend sei die Ausstattung mit einem Bett grundsätzlich vorhanden. Der Umstand, dass die bisherige Schlafgelegenheit durch das Wachstum des Klägers zu klein geworden sei, sei nicht als außergewöhnliches bzw. besonderes Ereignis im o.g. Sinne zu qualifizieren. Es könne deshalb nur von einem Ergänzungsbedarf gesprochen werden, der von der Regelleistung zu bestreiten sei.

Hiergegen richtet sich die am 21. Januar 2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird ergänzend zum Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass von Ergänzungsbedarf nur gesprochen werden könne, wenn der entsprechende bedarfsdeckende Einrichtungsgegenstand dem Grunde nach noch beim Hilfeempfänger vorhanden sei, seiner bestimmungsgemäßen Nutzung jedoch aufgrund von Abnutzung oder komplettem Verschleiß nicht mehr zugeführt werden könne. Vorliegend sei ein für den Kläger passendes Kinderbett auch dem Grunde nach nicht vorhanden. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Erstausstattung mit Bekleidung (Urteil vom 23. März 2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr. 8) sei hier nicht anwendbar. Während im Fall von Kleidung auch dann, wenn der Bedarf nicht nur durch Verschleiß, sondern auch durch Wachstum bedingt sei, von Ergänzungsbedarf zu sprechen sei, gelte dies für Möbel nicht. Möbel verbrauchten sich nicht, wie Bekleidung dies tue. Der Verschleiß von Möbeln sei bei sachgerechtem Gebrauch derart gering, dass Ersatzbedarf nur sehr selten bestehen dürfte. Die Argumentation des BSG, die Ansprüche nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II betreffe, sei auf Ansprüche nach § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II deshalb nicht übertragbar. Darüber hinaus sei ein Jugendbett im Vergleich zu einem Gitterbettchen ein aliud. Werde ein Gitterbett durch ein richtiges Bett ersetzt, werde nicht etwa ein Bett durch ein anderes ersetzt, sondern es werde ein Möbel angeschafft, das eine andere Funktion erfülle, anders gebaut sei und im Gebrauch mit dem vorherigen Möbel nicht vergleichbar und auch nicht austauschbar sei. Da Säuglinge und Kleinkinder andere Bedürfnisse hätten als Heranwachsende, würden eine Reihe von Bedarfen, die unter § 23 Abs. 3 Nr. 1 SGB II zu subsumieren seien, erstmalig nicht bereits zum Zeitpunkt der Geburt, sondern erst in späteren Jahren erwachsen. Hierzu gehörten beispielsweise auch ein Stuhl, ein Schreibtisch für Schularbeiten und wohl auch ein Kleiderschrank.

Mit Urteil vom 13. Januar 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Mehrbedarf für ein Bett. Der Begriff der Erstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II sei bedarfsbezogen zu interpretieren und abzugrenzen von Ersatzanschaffungen, die aus dem Regelbedarf zu erbringen seien. Um Erstausstattung handele es sich nur, wenn erstmalig ein entsprechender Bedarf entstanden sei. In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf komme eine Wohnungserstausstattung bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweise, dass er - regelmäßig in Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfüge. Beispielhaft würden in den Gesetzesmaterialien Bedarfe für eine Wohnungserstausstattung zum Beispiel nach Wohnungsbrand oder Erstanmietung nach einer Haft genannt. Bei den vom Kläger beantragten Gegenständen handele es sich um Ersatzanschaffungen. Er verfüge unstreitig über ein - wenn auch zu kleines - Bett. Soweit er vortrage, hinsichtlich eines Bettes in der nun erforderlichen Größe sei sein Bedarf erstmalig entstanden, vermöge dies keine andere Bewertung zu rechtfertigen. Insoweit habe das BSG in seiner Entscheidung vom 23. März 2010 (a.a.0.) ausgeführt, dass bei Bekleidung mit jedem Wachstumsschritt bei Kindern ein Bedarf für ein bestimmtes Kleidungsstück in einer bestimmten Größe "erstmalig" entstehe. Gleichwohl gehöre gerade bei Kindern die Notwendigkeit, Kleidungsstücke sowohl wegen des Wachstums als auch wegen des erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabschnitten zu ersetzen, zum regelmäßigen Bedarf. Der wachstums- und verschleißbedingte besondere Aufwand, der im Unterschied zu Erwachsenen entstehe, sei als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung abzudecken. Diese Grundsätze seien auch auf den wachstumsbedingten Bedarf hinsichtlich eines größeren Bettes zu übertragen. Hierfür spreche auch, dass die Lebenssituation des Klägers nicht außergewöhnlich bzw. unvorhersehbar gewesen sei. Es könne erwartet werden, dass der erforderliche Betrag, der im Hinblick auf die in Freiburg vorhandenen zahlreichen Gebrauchtkaufhäuser nicht über den zweistelligen Bereich hinaus gehen dürfte, vorausschauend aus der Regelleistung anspart werden könne. Ein Anspruch aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB II scheide aus, auch andere Rechtsgrundlagen seien nicht ersichtlich.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 14. Februar 2012 eingelegten, vom SG zugelassenen Berufung. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren. Im Berufungsverfahren hat der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten klargestellt, dass ein Bett nebst Lattenrost zwischenzeitlich angeschafft worden sei und es ihm nur noch um die Erstattung des verauslagten Betrages gehe. Hierzu hat er eine Rechnung vom 17. Februar 2012 für ein Bett (100x200 - Wildbuche) mit Kopfteil und Lattenrost über insgesamt 272,25 EUR vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2010 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für ein Kinderbett nebst Lattenrost in Höhe von 272,25 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Gründe des klageabweisenden Urteils des SG und ist der Auffassung, dass sich die Entscheidung des BSG zur Erstausstattung von Bekleidung ohne weiteres auf Möbel übertragen lasse.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), da das SG die Berufung zugelassen hat. Der Senat ist hieran gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG). Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 3. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weshalb das klageabweisende Urteil des SG nicht zu beanstanden ist.

Streitgegenstand sind ausschließlich noch die begehrten Leistungen für Kosten der Anschaffung eines Bettes nebst Lattenrost. Bei dem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II (in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (a.F.); jetzt § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 SGB II) handelt es sich um einen Individualanspruch desjenigen, der den entsprechenden Bedarf geltend macht. Verfahrensbeteiligt ist daher allein der Kläger, nicht auch seine Mutter als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 3. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2010, mit dem der Beklagte eine von der Bewilligung der übrigen Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1. November 2010 bis 30. April 2011 gesonderte Entscheidung getroffen hat. Über diesen Anspruch kann isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden, so dass dieser Anspruch in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 77/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr. 4). Nicht Gegenstand des Verfahrens und damit der gerichtlichen Überprüfung ist insoweit, ob die im Übrigen gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Höhe nach richtig bemessen waren. Die Höhe der laufenden Leistungen für den Bewilligungsabschnitt, für den auch der Sonderbedarf ursprünglich geltend gemacht worden war, hat der Kläger nicht angegriffen. Die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum November 2010 bis April 2011 sind bestandskräftig geworden.

Soweit der Kläger nur noch die Erstattung von Kosten für die Anschaffung des Bettgestells nebst Lattenrost begehrt, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthafte Klageart. Zwar hat nach der gesetzlichen Systematik der Hilfebedürftige einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das "ob" - und nicht auf das "wie" der Leistungserbringung im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung, denn nach § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II a.F. (jetzt § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II) steht es im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als ggf. pauschalierte Geldleistung erbringt. Beschafft sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, richtet sich das Begehren des Hilfebedürftigen dann ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 36/09 R - Juris). Insoweit besteht bei (zwischenzeitlicher) Selbstbeschaffung ein Kostenerstattungsanspruch (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010, a.a.O.). Voraussetzung ist, dass es sich um unaufschiebbare Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) gehandelt und der Leistungsträger nicht rechtzeitig entschieden hat oder dass die Leistungsablehnung in rechtswidriger Weise erfolgte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch um (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 41). Die Voraussetzungen hierfür liegen indes nicht vor, denn weder war die Entscheidung des Beklagten nicht rechtzeitig, noch hat er die Leistung rechtswidrig abgelehnt.

Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 SGB II. Danach erhalten Leistungen auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Mutter des Klägers ist erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Kläger gehört als ihr Kind ihrem Haushalt an und ist damit als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4) selbst berechtigt zum Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialgeld nach § 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 SGB II a.F. bzw. jetzt § 23 Nr. 1 SGB II), denn er kann mit seinem eigenen Einkommen seinen Bedarf nicht decken.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II a.F. (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II) sind Bedarfe für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung/dem Regelbedarf umfasst und werden gesondert erbracht. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Bettes nebst Lattenrost ist danach, dass es sich um eine Erstausstattung handelt. Dabei ist die Vorschrift bedarfsbezogen und nicht rein zeitlich zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2; BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 45/08 R - SozR 4-4200 § 23 Nr. 5). § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. ist erst auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 16. Dezember 2003 (BT-Drucks. 15/2259 S. 3) in das SGB II aufgenommen worden. In der Begründung des Gesetzesentwurfs zu der entsprechenden Regelung im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) wird auf die frühere Regelung des § 21 Abs. 1a Bundessozialhilfegesetz Bezug genommen und ausgeführt, dass Leistungen für Erstausstattung nicht nur im Zusammenhang mit der Erstanmietung einer Wohnung, sondern auch durch "neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände" begründet sein können, etwa nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks. 15/1540 S. 60). Mit dieser nicht abschließenden Aufzählung sind Konstellationen erfasst, in denen es gerade nicht um die erstmalige Ausstattung einer Wohnung überhaupt geht, sondern um eine Ersatzbeschaffung schon früher vorhandener Gegenstände. Dabei können Gegenstand der Erstausstattung auch einzelne Gegenstände sein (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008, a.a.O. - Waschmaschine). Abzugrenzen sind Leistungen für Erstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. jedoch vom Erhaltungs-, Ergänzungs- und Ersatzbeschaffungsbedarf, der von der Regelleistung bzw. dem Regelbedarf umfasst ist.

Hinsichtlich des Bedarfs von Kindern an Bekleidung hat das BSG im Urteil vom 23. März 2010 (a.a.O.) ausgeführt, dass zwar mit jedem Wachstumsschritt bei Kindern ein Bedarf für ein bestimmtes Kleidungsstück in einer bestimmten Größe "erstmalig" entstehe, gleichwohl jedoch gerade bei Kindern die Notwendigkeit, Kleidungsstücke sowohl wegen des Wachstums als auch des erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabschnitten zu ersetzen, zu dem regelmäßigen Bedarf gehöre. Der insoweit im Unterschied zu Erwachsenen entstehende wachstums- und verschleißbedingte besondere Aufwand sei als kindspezifischer regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung abzudecken (BSG, a.a.O.)

Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch auf die Bedarfe von Kindern hinsichtlich des Mobiliars zu übertragen (a.A. Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 34). Insoweit kommt einem Jugendbett keine grundsätzlich andere Funktion als einem Gitterbett für einen Säugling bzw. ein Kleinkind zu, denn beide dienen als Bett dem Grundbedürfnis zu schlafen. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers wird insoweit lediglich ein kleines Bett gegen ein wegen des Wachstums des Kindes erforderliches größeres Bett eingetauscht, so dass es sich um eine Ersatzbeschaffung handelt. Die Rechtslage ist daher nicht anders zu beurteilen als im Falle der Bekleidung, bei der ebenfalls zu kleine Bekleidungsstücke durch größere ersetzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Mobiliar ohne das Wachstum des Kindes noch verwendet werden könnte, also nicht abgenutzt ist. Auch Kinderbekleidung wird wegen des Wachstums des Kindes häufig nicht verschlissen und unbrauchbar sein, kann jedoch gleichwohl von dem Kind nicht mehr genutzt werden - weshalb keineswegs nur bei unteren Einkommensgruppen der Handel mit gebrauchtem Kinderbedarf weit verbreitet ist. Insoweit sind die weiteren vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Beispiele wie Schülerschreibtisch und Stuhl oder Kleiderschrank mit der hier vorliegenden Konstellation des Austausches eines Bettes nicht unmittelbar zu vergleichen, denn etwa bei einem Schülerschreibtisch entsteht - sofern überhaupt ein Bedarf angenommen wird (vgl. hierzu einerseits SG Berlin, Urteil vom 15. Februar 2012 - S 174 AS 28285/11 - Juris; andererseits SG Aachen, Urteil vom 9. Januar 2007 - S 11 AS 96/06 - Juris) dieser jedenfalls erstmalig mit der Einschulung neu. In Abgrenzung dazu ist der regelmäßig auftretende kindspezifische Bedarf nach Anpassung des vorhandenen Mobiliars an die altersspezifischen Bedürfnisse des Kindes aus dem Regelbedarf zu finanzieren. Dessen Höhe ist indes nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Auch andere Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch sind nicht ersichtlich, er lässt sich auch nicht aus Verfassungsrecht herleiten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 - Juris) zwar u.a. § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. i.V.m. § 20 Abs. 1 SGB II für verfassungswidrig erklärt, weil der Gesetzgeber die Regelleistung für Kinder von der Regelleistung für Erwachsene abgeleitet hatte, ohne zuvor den kindspezifischen Bedarf zu ermitteln. Im Grundsatz hat das BVerfG aber die systematische Herleitung der Regelleistung auf der Grundlage des Statistikmodells nicht beanstandet und für zulässig erachtet, dass die Leistung in Abweichung vom früheren System der Sozialhilfe mit einer Vielzahl von einmaligen Leistungen als monatlicher Festbetrag gewährt wird. Auch bezogen auf die Regelleistung für Kinder hat das BVerfG nicht feststellen können, dass die Regelleistung evident unzureichend wäre (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 155). Insoweit sind über den Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. hinaus die Leistungen für Kinder auch nicht um einen einmaligen Zuschuss zu erhöhen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010, a.a.O.). Bei der Ermittlung des ab 1. Januar 2011 maßgebenden Regelbedarfs sind die kindspezifischen Bedarfe dadurch berücksichtigt, dass in die statistische Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auch Familienhaushalte aufgenommen worden sind (§ 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII vom 24. März 2011 - RBEG, BGBl. I S. 453). Der übliche, kindspezifische Bedarf, zu dem auch ein größeres Bett gehört, ist daher vom Regelbedarf erfasst und gehört nicht zu den Konstellationen, die über die einmaligen Bedarfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F./§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II gedeckt werden sollen. Ob die hier getätigten Aufwendungen der Höhe nach erforderlich waren, bedarf daher keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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