L 19 AS 1282/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 1785/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1282/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 269/12 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.06.2012 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig sind Leistungen für Schülerbeförderungskosten in Höhe von 27,65 EUR monatlich.

Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die beiden Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern u.a. des 1999 geborenen Klägers zu 3), der seit dem 01.08.2010 die F-Gesamtschule in I besucht. Der Kläger kauft monatlich Tickets für den ÖPNV zu 27,65 EUR. Die nächstgelegene Gesamtschule ist die Gesamtschule X, die weniger als 3,5 km vom Wohnort der Kläger entfernt liegt. Mit Bescheid vom 17.09.2010 lehnte die Stadt I die Gewährung von Leistungen nach der Schülerfahrtkostenverordnung (SchfkVO) ab, da die F-Gesamtschule nicht die nächstgelegene Schule sei.

Mit Bescheid vom 27.10.2010 wurden den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 gewährt. Mit Bescheid vom 27.04.20011 (und Änderungsbescheiden vom 06.06.2011 und 16.08.2011) wurden ihnen Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2011 bis zum 30.11.2011 gewährt.

Am 17.11.2010 beantragten die Kläger u.a. für den Kläger zu 3) die Übernahme der monatlichen Fahrtkosten "als besondere Leistung für die Bildung". Die Regelleistung reiche nicht aus. Auf der F-Gesamtschule seien die Chancen der Kinder besser. In einem Telefonat mit dem Klägerbevollmächtigten am 02.03.2011 verwies der Beklagte auf Leistungen aus dem Bildungspaket und übersandte entsprechende Antragsunterlagen. Auf diesen Formularen beantragten die Kläger u.a. für den Kläger zu 3) Leistungen für Bildung und Teilhabe für die Schülerbeförderung. Die Leistungen würden für die Zeit ab dem 01.01.2011 geltend gemacht. Mit Bescheid vom 11.07.2011 lehnte der Beklagte entsprechende Leistungen für den Kläger zu 3) ab. Hiergegen legten die Kläger am 26.07.2011 Widerspruch ein, den der Beklagte am 29.07.2011 zurückwies.

Hiergegen haben die Kläger am 12.08.2011 Klage erhoben.

Am 26.11.2011 haben die Kläger erneut Leistungen für die Fahrtkosten des Klägers zu 3) beantragt, die der Beklagte mit Bescheid vom 23.01.2012 erneut abgelehnt hat.

Die Kläger haben vorgetragen, die Kosten wären auch bei Besuch der nächstgelegenen Schule entstanden. Das Bildungspaket laufe leer, wenn eine Übernahme von Fahrtkosten abgelehnt werde, weil auch keine Leistungen nach der SchfkVO gewährt würden.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 zu verurteilen, die notwendigen Schülerbeförderungskosten für den Kläger zu 3) zu übernehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Voraussetzungen von § 28 Abs. 4 SGB II - insbesondere der Besuch der nächstgelegenen Schule - lägen nicht vor.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.06.2012 abgewiesen. Die Klage der Kläger zu 1) und 2) sei unzulässig, da diese nicht Anspruchsinhaber seien. Die Klage des Klägers zu 3) sei unbegründet, da nicht die nächstgelegene Schule besucht würde und bei Besuch der nächstgelegenen Schule ebenfalls keine Fahrtkosten übernommen werden könnten. Diese liege nämlich bloß 2,1 km entfernt. In solch einem Fall sei die Kostenübernahme nicht erforderlich, da der Kläger zu 3) unter Berücksichtigung seines Alters diese Entfernung ohne Weiteres zu Fuß oder mit dem Rad bewältigen könne. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils heißt es, gegen dieses sei die Berufung möglich.

Die Kläger haben am 05.07.2012 Berufung eingelegt.

Die Kläger tragen vor, die beantragten Leistungen seien aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und unter Berücksichtigung von Art. 6 Grundgesetz - GG - zu gewähren.

Die Kläger beantragen wörtlich,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.06.2012 und des Bescheids vom 11.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, die notwendigen Beförderungskosten für den Kläger zu 3 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat die Kläger darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig ist und angekündigt, die Berufung durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz - SGG - als unzulässig zu verwerfen.

Die Kläger tragen hierzu vor, aus der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Sozialgerichts vom 05.07.2012 ergebe sich, dass die Berufung zugelassen worden sei. Außerdem gehe es um wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Leistungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Der Senat macht nach Anhörung der Beteiligten von der Möglichkeit des § 158 SGG Gebrauch, die Berufung im Beschlussverfahren als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung ist nicht statthaft.

Gemäß § 143 SGG ist gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung statthaft, soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt (Regel-/Ausnahme-Verhältnis, vgl. BSG Urteil vom 24.10.1984 - 6 RKa 36/83 = juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 143 Rn 4). Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Hier geht es um eine Geldleistung von nicht mehr als 750 EUR. Es geht nicht um Leistungen für mehr als ein Jahr.

Streitig sind allein monatliche Leistungen für Beförderungskosten des Klägers zu 3) in Höhe von 27,65 EUR monatlich, die einen selbständigen Streitgegenstand darstellen dürften (vgl. Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 19 Rn 29). Streitgegenständlicher Zeitraum ist allenfalls der 01.01.2011 bis zum 30.11.2011, also ein Zeitraum von elf Monaten. Elf mal 27,65 EUR sind weniger als 750 EUR.

Leistungen wegen der Beförderungskosten des Klägers zu 3) wurden am 17.11.2010 und am 18.04.2011 beantragt. Im Anschluss an den Antrag vom 17.11.2010 wurde mehrfach zwischen Klägerbevollmächtigtem und Beklagtem korrespondiert. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass vorerst eine Anspruchsgrundlage fehle, demnächst aber Leistungen aus dem Bildungspaket beantragt werden könnten. Er übersandte außerdem entsprechende Formulare. Mit diesen Formularen beantragten die Kläger dann am 18.04.2011 ausdrücklich Leistungen für Bildung und Teilhabe und stellten gleichzeitig klar, dass diese Leistungen (erst) ab dem 01.01.2011 beantragt würden. In der gesamten folgenden Korrespondenz wurde immer nur von den erst seit dem 01.01.2011 existierenden Leistungen für Bildung und Teilhabe gesprochen. Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die "Anträge" vom 17.11.2010 und 18.04.2011 im Ergebnis einen einheitlichen Antrag darstellen, der sich auf Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 Abs. 4 SGB II in der ab dem 01.01.2011 gültigen Fassung bezieht. Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums ist damit der 01.01.2011.

Ende des streitgegenständlichen Zeitraumes ist, ausgehend von der Annahme eines selbständigen Streitgegenstandes, der Zeitpunkt des Folgeantrages vom 26.11.2011, über den entschieden worden ist (vgl. BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 99/11 R = juris Rn 11 zum Fall einer vollständigen Leistungsablehnung). Andernfalls endet der streitgegenständliche Zeitraum am 30.11.2011, dem letzten Tag desjenigen Bewilligungsabschnitts (01.06.2011 bis 30.11.2011), während dessen die letzte der hier angefochtenen Entscheidungen des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2011 erging (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes im Fall eines - unselbständigen - Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II BSG Urteil vom 24.02.2011 - B 14 AS 49/10 R = juris Rn 14 f. und Beschluss des Senats vom 30.08.2012 - L 19 AS 1968/11).

Da eine Zulassung der Berufung durch das SG weder im Tenor noch in den Gründen des angefochtenen Urteils erfolgt ist, ist die Berufung unzulässig. Die insoweit fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung genügt nicht den Anforderungen an eine positive Entscheidung über die Zulassung der Berufung (vgl. BSG Urteil vom 30.05.2003 - B 1 KR 25/01 R = juris Rn 18 und Beschluss des Senats vom 30.08.2012 - L 19 AS 1968/11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, bestehen nicht.

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte (§ 158 Satz 3 SGG). Auf die beigefügte Rechtsmittelbelehrung wird Bezug genommen.
Rechtskraft
Aus
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