S 15 AL 510/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 510/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen des Eintritts einer Sperrzeit in der Zeit vom 1. August 2010 bis 23. Oktober 2010 nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Der 1974 geborene Kläger meldete sich am 16. Juli 2010 persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld mit Wirkung ab dem 1. August 2010. Er hatte in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2010 als Büroangestellter der Stadt A-Stadt bei dem X-Jobcenter gearbeitet. Hierbei handelte es sich um ein bis zum 31. Dezember 2010 befristetes Arbeitsverhältnis, welches durch Aufhebungsvertrag vom 14. Juli 2010 beendet wurde. Auf Blatt 220 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Der Kläger hatte zwei Datensätze von Kunden des X-Jobcenter, die nicht seinem Zuständigkeitsbereich angehörten, aufgerufen, ausgedruckt und für private Zwecke verwendet. Hierbei handelte es sich um die Daten des Herrn Y und eines Bekannten des Klägers, mit welchem er sich um die Entlohnung einer Mitfahrgelegenheit stritt. Die Polizei wurde auf diesen Vorgang aufmerksam und durchsuchte das Büro des Klägers. Im Zuge dessen wurde der Kläger in Handschellen aus dem Büro abgeführt.

Auf dem formularmäßigen "Fragebogen bei eigener Kündigung oder Aufhebungsvertrag" führte der Kläger aus, dass ihm seine Arbeitgeberin die Wahl zwischen einer fristlosen Kündigung oder einem Auflösungsvertrag gegeben habe. Im Hinblick auf sein weiteres berufliches Fortkommen habe er sich für den Auflösungsvertrag entschieden. Auf Blatt 218 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Im Übrigen führte der behandelnde Allgemeinmediziner des Klägers, Dr. med. S., am 5. August 2010 gegenüber der Beklagten aus, dass die Konfrontation mit der Polizei auf dem Arbeitsplatz zu einer Verschlechterung der Depression bei dem Kläger geführt habe. Aus seiner Sicht sei die Beschäftigung an dem gegenwärtigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich. Ansonsten bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Auf Blatt 222 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen. Im Übrigen nahm die Beklagte telefonisch Kontakt mit der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers auf, welche unter dem 24. August 2010 ausführte, dass der Kläger bei seiner Einstellung unterschrieben habe, dass er Datensätze nur für dienstliche Zwecke benutzen würde. Dies habe er missachtet, weswegen ihm die fristlose Kündigung angedroht wurde.

Mit Bescheid vom 26. August 2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 1. August 2010 bis 23. Oktober 2010 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt A-Stadt durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Auf Blatt 239 der Verwaltungsakte der Beklagten wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 3. September 2010 Widerspruch und führte aus, dass die Kündigung nachteilige Folgen für den weiteren Berufsweg des Klägers gehabt hätte. Unter dieser Voraussetzung habe er die Aufhebungsvereinbarung unterzeichnen können.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine drohende außerordentliche Kündigung wegen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens rechtfertige nicht den Abschluss eines Aufhebungsvertrages im vorliegenden Kontext.

Hiergegen richtet sich die unter dem 17. November 2010 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher sich der Kläger weiterhin gegen den Eintritt einer Sperrzeit wendet.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in der Zeit vom 1. August 2010 bis 23. Oktober 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Inhaltes der vorgebrachten Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 11. Oktober 2012 sowie der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III in der Zeit vom 1. August 2010 bis 23. Oktober 2010. Die Voraussetzungen für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen dem Eintritt der Sperrzeit in diesem Zeitraum sind erfüllt.

Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer der Sperrzeit (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 21. Dezember 2008 (a.F.)). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F.).

Die Regelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. soll die Gemeinschaft der Beitragszahler vor willkürlich oder sogar schuldhaft herbeigeführte Arbeitslosigkeit schützen. Unter Lösung des Beschäftigungsverhältnisses wird hierbei die rechtliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verstanden. Die Lösung kann grundsätzlich sowohl einseitig als auch zweiseitig herbeigeführt werden. Es kommt nur auf den tatsächlichen Geschehensablauf an, nicht auf mögliche Ereignisse, die ohne den Lösungssachverhalt ebenso hätten zum Ende des Arbeitsverhältnisses führen können.

Nach dem Wortsinn und dem Sachzusammenhang ist unter dem Begriff "lösen" ein aktives Handeln des Arbeitnehmers und/oder Arbeitgebers zu verstehen, welches auf die rechtliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ausgerichtet ist (Niesel, 4. Auflage, SGB III, § 144 Rdnr. 9). Die Sperrzeit knüpft dabei nicht an die bloße Hinnahme einer (rechtswidrigen) Kündigung im Hinblick auf eine zugesagte Vergünstigung an, sondern setzt eine aktive Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und eine dadurch verursachte Arbeitslosigkeit voraus, wobei dann von einer aktiven Mitwirkung auszugehen ist, wenn der Arbeitnehmer einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leistet (Bay. LSG, Urteil vom 3. Februar 2005, Az. L 11 AL 168/04).

Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Arbeitslosigkeit des Klägers zum 1. August 2010 durch seine Mitwirkung in Gestalt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vom 14. Juli 2010 eintrat. Unerheblich ist hierbei, von wem die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrages ausging. Vielmehr genügt es, dass der Kläger durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt hat. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang gleichfalls, ob die Arbeitslosigkeit auch unabhängig vom Abschluss des Aufhebungsvertrages auf Grund einer ansonsten ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung eingetreten wäre. Denn für die Beurteilung der Frage, ob eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt hat, kommt es allein auf den tatsächlichen Geschehensablauf an (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 24; BSGE 77, 48/51; BSGE 89, 243/245). Keine Beachtung findet hiernach ein hypothetischer Geschehensablauf, zu der die angedrohte fristlose Kündigung gehört (vgl. BSGE 97, 1). Der Kläger hat die Arbeitslosigkeit zum 1. August 2010 darüber hinaus zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Ein direkter Anschlussarbeitsplatz ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen. Vielmehr war der Kläger nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Stadt A-Stadt tatsächlich arbeitslos.

Dem Kläger stand für sein Verhalten nach Auffassung des Gerichts auch kein wichtiger Grund zur Seite. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung zu beurteilen. Sie soll die Solidargemeinschaft vor der Inanspruchnahme durch Leistungsberechtigte schützen, die den Eintritt des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt oder zu vertreten haben; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dabei genügt es für die Bejahung eines wichtigen Grundes nicht, dass der Arbeitslose annimmt, er habe im Hinblick auf eine ansonsten drohende rechtmäßige Arbeitgeberkündigung einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Vielmehr muss der wichtige Grund objektiv vorgelegen haben (st. Rtsp., vgl. nur BSGE 66, 94/101 f.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11).

Nach der Rechtsprechung des BSG kann sich ein Arbeitnehmer im Falle der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag auf einen wichtigen Grund berufen, wenn ihm der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen Kündigung aus einem von seinem Verhalten unabhängigen Grund (insbesondere aus betriebsbedingten Gründen) droht und ihm die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten ist (vgl. BSGE 89, 243/246 ff; BSGE 92, 74/81; BSG, Urteil vom 17. November 2005, Az. B 11a/11 AL 69/04 R; Urteil vom 2. September 2004, Az. B 7 AL 18/04 R). In Einzelfällen kann auf Grund sonstiger Umstände, etwa des Verhaltens des Arbeitgebers, ein wichtiger Grund auch bei einer (drohenden oder feststehenden, aber noch nicht erfolgten) rechtswidrigen Kündigung vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2004, Az. B 7 AL 18/04 R; Urteil vom 17. Oktober 2002, Az. B 7 AL 136/01).

Vorliegend geht es um eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung, die die Stadt A-Stadt dem Kläger konkret in Aussicht gestellt hat, und nicht um eine vom Verhalten des Klägers unabhängige Kündigung. Insoweit kommt allein ein wichtiger Grund wegen des Verhaltens der Arbeitgeberin bei drohender rechtswidriger Kündigung in Betracht (LSG Baden-Württemberg, 21. Oktober 2011, Az. L 12 AL 2879/09).

Die dem Kläger von der Stadt A-Stadt in Aussicht gestellte fristlose Kündigung wegen des Ausdruckens der Datensätze stellt sich jedoch nach Auffassung des Gerichts als rechtmäßig dar. Ein Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Dabei ist zunächst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Frist zu rechtfertigen. Danach ist in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die konkrete Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile gerechtfertigt ist (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 17. Mai 1984, Az. 2 AZR 3/83).

Vorliegend ist das unstreitige Verhalten des Klägers in Gestalt des Missbrauchs von Daten der Leistungsbezieher seiner Arbeitgeberin an sich als wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB geeignet, das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden. Er hat sich unstreitig über zwingend anzuwendende Verhaltensregelungen seiner Arbeitgeberin hinweggesetzt und Daten, die einzig zur Verwendung im Rahmen deren gesetzlichen Ermächtigung (SGB II) bestimmt waren, ausgedruckt und für private Zwecke verwendet, obwohl weder eine dienstliche Veranlassung noch eine Genehmigung eines solchen Verhaltens vorlag.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung ist sodann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Beendigungstermin am 31. Dezember 2010 nicht als zumutbar anzusehen. Mit seinem Verhalten hat der Kläger nicht nur gegen die innerbetrieblichen Richtlinien der Stadt A-Stadt und des X-Jobcenter verstoßen, sondern auch die hier zu schützenden Interessen Dritter - in Gestalt der Leistungsempfänger - verletzt. Bei den vom X-Jobcenter erhobenen Daten handelt es sich um vertrauliche Daten, wobei die Leistungsempfänger ein begründetes großes Interesse daran haben, dass die Angaben, die sie gegenüber dem Leistungsträger im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses machen, vertraulich behandelt werden. Insoweit ist nicht lediglich der Schutzbereich der Arbeitgeberin des Klägers, sondern vielmehr auch schutzbedürftige Interessen Dritter verletzt, weswegen in der Gesamtschau eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheint.

Nach Auffassung des Gerichts war - entgegen der Auffassung des Klägervertreters - eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung auch nicht erforderlich. Die verhaltensbedingte fristlose Kündigung setzt bei einem steuerbaren Verhalten in der Regel eine Abmahnung voraus (ultima-ratio-Prinzip), wobei keine Unterscheidung im Hinblick auf das Erfordernis einer Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung zwischen Störungen im Leistungsbereich und Störungen im Vertrauensbereich gemacht wird (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 27. November 2003, Az. 2 AZR 692/02; Urteil vom 12. Januar 2006, Az. 2 AZR 21/05). Die Abmahnung hat sowohl Rüge-, Warn- und Hinweisfunktion. Nach Erteilung einer Abmahnung muss dem Arbeitnehmer grundsätzlich noch ausreichend Zeit gegeben werden, das beanstandete Verhalten aufzugeben. Die erforderliche Abmahnung ist mit konstitutiv für den Kündigungsgrund; bei ihrem Fehlen ist die Kündigung unwirksam. Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen (BAG, Urteil vom 7. Juli 2005, Az. 2 AZR 581/04). Auch wenn das Abmahnerfordernis stets zu prüfen ist, kann die Abmahnung in bestimmten Fällen - auch bei einmaligem Fehlverhalten - entbehrlich sein. Sie kann insbesondere dann entbehrlich sein, wenn eine grobe Pflichtverletzung Grund der Kündigung war, dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit erkennbar und die Hinnahme der groben Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, also nicht erwartet werden kann, dass das Vertrauen zwischen den Parteien wiederhergestellt wird, oder wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte, so etwa, wenn auch im Falle einer Abmahnung keine Aussicht auf eine Rückkehr des Vertragspartners zum vertragskonformen Verhalten mehr besteht (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 10. Juni 2010, Az. 2 AZR 541/09; Urteil vom 23. Juni 2009, Az. 2 AZR 103/08; Urteil vom 11. Dezember 2003, Az. 2 AZR 36/03).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe wäre vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung keine Abmahnung erforderlich gewesen. Denn der Kläger hat sich durch seinen Verstoß gegen die von ihm unterzeichneten Datenschutzbestimmungen grob arbeitsvertragswidrig verhalten und konnte unter keinen Umständen mit der Hinnahme seines Verhaltens durch die Stadt A-Stadt rechnen. Zwar berührte das monierte Verhalten des Klägers nicht seine Arbeitsleistung als Verwaltungsangestellter, was insbesondere auch durch die Auskunft der am 11. Oktober 2012 vernommenen Zeugin bestätigt wird. Jedoch hat er durch das Ausdrucken der Datensätze sich derart gravierend gegen die Bestimmungen seiner Arbeitgeberin zum Schutz der ihr anvertrauten Daten verhalten und damit seine arbeitsvertraglichen Obliegenheiten, denen er sich mit Abschluss des Dienstvertrages mit der Stadt A-Stadt selbst unterworfen hat, gravierend verletzt. Im Tätigkeitsbereich des Klägers werden in hohem Umfang sensible Daten der Leistungsempfänger aus dem Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gespeichert und verwaltet. Insoweit bestand in dem Verhalten des Klägers nicht lediglich eine Missbrauchshandlung gegenüber seiner Arbeitgeberin, sondern auch gegenüber den betroffenen Leistungsempfängern. Das Verhalten des Klägers hatte zur Folge, dass das Vertrauensverhältnis zu seiner Arbeitgeberin dauerhaft zerstört war. Die dem Kläger konkret in Aussicht gestellte verhaltensbedingte fristlose Kündigung erscheint dem Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien gerechtfertigt. Der Kläger konnte die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und musste damit rechnen, dass seine Arbeitgeberin sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen würde, dass sie zu dem Mittel einer fristlosen Kündigung greifen würde. Die mit einer Abmahnung insbesondere verbundene Warn- und Hinweisfunktion kann bei der vorliegenden Fallgestaltung nicht eingreifen. Der vom Kläger begangene Vertrauensmissbrauch ist derart gravierend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist.

Dem Kläger war es somit zumutbar, die drohende fristlose verhaltensbedingte rechtmäßige Arbeitgeberkündigung abzuwarten. Der Kläger hat durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten den Anlass für den Abschluss des Aufhebungsvertrages gegeben. Die Drohung mit einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung, die sich in der Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Gericht als objektiv rechtmäßig darstellt, stellte die Reaktion des Arbeitgeberin dar.

Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass auch keine gesundheitlichen Gründe vorliegen, die einen wichtigen Grund im Sinn der Vorschrift darstellen. Ausweislich des Attestes des behandelnden Allgemeinmediziners, Dr. med. S., vom 5. August 2010 führte die Konfrontation des Klägers mit der Polizei auf dem Arbeitsplatz zu einer Verschlechterung der Depression bei dem Kläger. Aus seiner Sicht sei die Beschäftigung an dem gegenwärtigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich.

Diese Feststellung impliziert weder einen wichtigen Grund für das dem Kläger vorgeworfenen Verhalten in Gestalt des Datenmissbrauchs, noch rechtfertigt es den Abschluss eines Aufhebungsvertrages bei drohender rechtmäßiger Arbeitgeberkündigung. Dies gilt umso mehr als bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers bei der Stadt A-Stadt oder bei dem X-Jobcenter der Kläger hätte versuchen können/müssen, ob er - als milderes Mittel zur vollständigen Arbeitsaufgabe - auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden könnte. Dies hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt getan.

Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen sind somit gegeben. Eine Sperrzeit von zwölf Wochen bedeutet für den Kläger nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen auch keine besondere Härte im Sinn des § 144 Abs. 3 Nr. 2b SGB III. Eine besondere Härte liegt vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (Niesel, SGB III, § 144 Rdnr. 101). Derartige, eine besondere Härte begründende Umstände hat der Kläger weder dargelegt noch sind diese sonst erkennbar.

Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet (§ 144 Abs. 2 SGB III a.F.), d.h. am Tage nach dem (rechtlichen) Ende des Beschäftigungsverhältnisses (Niesel s.o. § 144 Rdnr. 93), hier also am 1. August 2010.

Auch verbleibt es bei der festgestellten Minderung der Anspruchsdauer. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mindert sich nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. um die Anzahl von Tagen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe; in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens jedoch um ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht. Vorliegend betrug die ursprüngliche Anspruchsdauer 360 Tage. Durch die festgestellte Sperrzeit mindert sich dieser Anspruch um 1/4, mithin um 90 Tage.

Im Ergebnis ist die Klage daher umfassend abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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