L 1 R 318/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 633/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 318/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von Dienstbeschädigungsausgleich (DbA) in Höhe von 6.105,84 EUR.

Der am ... 1942 geborene Kläger erhielt aufgrund eines Bescheides des Wehrbezirkskommandos P. vom April 1988 eine Dienstbeschädigungsteilrente (DB-Teilrente) ab 01. November 1987 nach der Versorgungsordnung des Ministers für Nationale Verteidigung über die soziale Versorgung der Nationalen Volksarmee auf der Grundlage eines Körperschadens von 20 Prozent. Mit Bescheid vom 15. September 1992 übernahm die Beklagte die Leistung ab 01. Januar 1992 in Höhe von monatlich 176,73 DM. Weitere Anpassungsbescheide datieren vom 14. April 1993, 14. September 1993, 13. April 1995, 13. November 1995 und 22. Mai 1996. Die Beklagte gewährte dem Kläger zuletzt eine DB-Teilrente in Höhe von monatlich 424,23 DM (Bescheid vom 17. Oktober 1996).

Mit Bescheid vom 01. Dezember 1997 hob die Beklagte unter Verweis auf § 11 Abs. 5a des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes die DB-Teilrente ab 01. Januar 1997 auf. Sie bewilligte dann mit Bescheid vom 02. Dezember 1997 einen DbA nach dem Gesetz über den Ausgleich von Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet (DbAG). Da am 31. Dezember 1996 eine DB-Teilrente gezahlt worden sei, die den DbA von 117 DM bei einem Körperschaden von 20 Prozent übersteige, werde im Wege der Besitzstandswahrung der DbA in dieser Höhe gezahlt. Der DbA betrage somit 424,23 DM für die Zeit ab 01. Januar 1997.

Die Beklagte erließ im Folgenden Anpassungsbescheide am 26. Februar 1998, 18. November 1998, 17. Januar 2000, 02. Oktober 2000, 23. Mai 2002 und 24. Juli 2002. Zuletzt bewilligte die Beklagte mit Anpassungsbescheid vom 11. September 2003 einen DbA in Höhe von 234,84 EUR. Sämtliche Anpassungsbescheide enthielten den Hinweis, dass der DbA mit der Gewährung einer Rente wegen Alters oder spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres ohne Berücksichtigung des Besitzstandes neu festgesetzt werde.

Am 13. November 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Übergangsrente.

Die BfA (ab 01. Oktober 2005 Deutsche Rentenversicherung Bund) informierte die Beklagte mit Schreiben vom 24. November 2004, dass der Kläger ab 01. April 2005 eine Altersrente beziehen werde. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 mit, dass ab Beginn der Altersrente kein Anspruch mehr auf den Besitzschutzbetrag aus der DB-Teilrente bestehe. Ab Gewährung der Altersrente sei daher eine Bescheidaufhebung beabsichtigt.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2005 hob die Beklagte den Bescheid vom 02. Dezember 1997 in der Fassung der Folgebescheide ab 01. April 2005 auf und stellte den monatlichen DbA in Höhe von 69 EUR fest. Sie führte zur Begründung aus, dass der Kläger wegen Altersrentenbezug nur noch Anspruch auf einen DbA in Höhe der für das Beitrittsgebiet geltenden Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) habe. Wegen des Bezuges der Altersrente habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf den Betrag in Höhe der DB-Teilrente.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund informierte die Beklagte am 03. Mai 2007 über eine Doppelzahlung des DbA in Höhe von 69 EUR und 234,84 EUR. Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 18. Mai 2007 bezüglich der beabsichtigten Rückforderung von 6.105,84 EUR an. Der Kläger führte aus, dass er zur Rückzahlung nicht bereit sei, da er sämtliche Informationen mitgeteilt und alle relevanten Unterlagen eingereicht habe. Er sei davon ausgegangen, dass die Leistungen rechtmäßig gezahlt werden. Es sei Sache der Beklagten gewesen, nach Erhalt der Unterlagen die exakten Berechnungen vorzunehmen. Er selbst habe keine Zahlungen veranlasst und weise den Vorwurf zurück, dass er wissentlich Zahlungen erhalten habe, die ihm nicht zustünden.

Mit Bescheid vom 04. Juni 2007 forderte die Beklagte vom Kläger für die Zeit vom 01. April 2005 bis 31. Mai 2007 Leistungen in Höhe von 6.105,84 EUR zurück. Die monatlichen Beträge in Höhe von 234,84 EUR seien ohne Rechtsgrund gezahlt worden, da der Bewilligungsbescheid bezüglich des besitzgeschützten Zahlbetrages aufgehoben worden sei. Der Kläger sei auch zur Rückzahlung verpflichtet, da die Rechtswidrigkeit der Zahlung für ihn erkennbar gewesen sei. In Folge grober Fahrlässigkeit genieße er keinen Vertrauensschutz. Bei der nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmenden Prüfung seien alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt worden. Die Prüfung habe ergeben, dass im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer Rückforderung der ohne Rechtsgrund gezahlten Leistungen gegenüber dem Interesse des Klägers überwiege. Unter Berücksichtigung der nach Aktenlage herleitbaren wirtschaftlichen und sozialen Situation des Klägers könne in Ausübung des Ermessens aus Billigkeitsgründen weder ein Absehen von der Rückforderung der ohne Rechtsgrund gezahlten Leistungen in Betracht kommen noch eine andere Billigkeitsentscheidung gerechtfertigt getroffen werden. Den hiergegen am 13. Juni 2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juli 2007 zurück. Die Rechtswidrigkeit sei für den Kläger ohne Weiteres erkennbar gewesen. Mangels ausreichender Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sei auch keine Billigkeitsentscheidung möglich gewesen.

Der Kläger hat am 25. Juli 2007 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Die beanstandeten Zahlungen habe er jederzeit als rechtmäßig angesehen. Die Rechtswidrigkeit einer angeblichen Doppelzahlung habe er nicht erkennen können. Er gehe immer noch von einer rechtmäßigen Zahlung aus. Er sei davon ausgegangen, dass der hier streitgegenständlich zuviel gezahlte Betrag von 234,84 EUR die Übergangsrente sei, die er mit Schreiben vom 31. Januar 2005 beantragt habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2009 abgewiesen. Rechtsgrundlage der Erstattung sei § 50 Abs. 2 in Verbindung mit § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), denn der Kläger habe im Zeitraum vom 01. April 2005 bis 31. Mai 2007 Leistungen in Höhe von 6.105,84 EUR zu Unrecht erhalten und diese Leistungen seien durch die Beklagte ohne entsprechenden Verwaltungsakt erbracht worden. Die Bewilligung des besitzgeschützten Zahlbetrages der DB-Teilrente in Höhe von 234,84 EUR sei mit Bescheid vom 28. Januar 2005 mit Wirkung zum 01. April 2005 aufgehoben worden. Damit fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Zahlung der Leistungen ab dem 01. April 2005. Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 SGB X seien für die Erstattung die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend anwendbar, wobei hier § 45 SGB X zur Anwendung komme, da die Zahlung ab dem 01. April 2005 von Anfang an rechtswidrig begünstigend gewesen sei. Nach § 2 Abs. 2 DbAG ende der Anspruch auf Zahlung in Höhe der zuvor gezahlten DB-Teilrente mit dem Beginn einer Rente wegen Alters, sodass der DbA ab diesem Zeitpunkt nach § 2 Abs. 1 DbAG in Höhe der Grundrente nach dem BVG gezahlt werde. Die Zahlung des besitzgeschützten Zahlbetrages sei ab diesem Zeitpunkt daher ohne rechtliche Grundlage und somit rechtswidrig im Sinne von § 45 Abs. 1 SGB X erfolgt. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er die Doppelzahlung in Form des besitzgeschützten Zahlbetrages der DB-Teilrente hätte erkennen können und müssen. Aufgrund des Aufhebungsbescheides vom 28. Januar 2005 sei ihm bekannt gewesen, dass er ab dem Zeitpunkt des Beginns der Altersrente keinen Anspruch mehr auf diesen Zahlbetrag gehabt habe. Der Bescheid vom 28. Januar 2005 sei in Hinsicht auf die Aufhebung klar und eindeutig gewesen. Ferner sei die Höhe der anschließend zu zahlenden Leistungen, nämlich 69 EUR, ausdrücklich benannt worden. Eine konkrete Berechnung der Höhe der Grundrente nach dem BVG sei ebenfalls enthalten gewesen sei. Sämtliche erteilten Rentenanpassungsmitteilungen hätten den Hinweis enthalten, dass bei Bezug einer Altersrente eine Neufeststellung des DbA ohne Berücksichtigung des Besitzschutzes erfolgen werde. Der Kläger habe bei dem Zahlbetrag von 234,84 EUR auch nicht davon ausgehen können, es handele sich um eine ihm möglicherweise zustehende Übergangsrente. Sofern er tatsächlich davon ausgegangen sein sollte, hätte sich ein Vertrauen hierauf nicht ohne eine entsprechende Nachfrage bei der Beklagten entwickeln können. Ohne eine entsprechende Kennzeichnung bzw. ein erläuterndes Schreiben (etwa einen Bewilligungsbescheid) habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass ihm dieser Betrag als Übergangsrente gezahlt werde. Angesichtes des identischen Zahlbetrages hätte sich ihm vielmehr die Vermutung aufdrängen müssen, dass es bei der Beklagten durch einen Fehler zu der irrtümlichen Doppelzahlung gekommen sei. Die Ermessensausübung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Die formellen Voraussetzungen seien gewahrt.

Gegen das am 03. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. September 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er verweist auf seine vorherigen Schriftsätze.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 17. August 2009 zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Bescheide sowie die Ausführungen im Urteil des SG.

Die Beteiligten haben sich in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Juni 2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.

Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 04. Juni 2007 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2007 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob die Beklagte vom Kläger zu Recht für den Zeitraum vom 01. April 2005 bis 31. Mai 2007 den DbA in Höhe von 6.105,84 EUR zurückfordert.

Gemäß § 50 Abs. 2 SGB X sind Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht wurden, bei entsprechender Geltung von §§ 45 bis 48 SGB X zu erstatten. Diese Bezugnahme auf §§ 45 und 48 SGB X bewirkt, dass bei zu Unrecht ohne Verwaltungsakt erbrachten Leistungen derselbe Vertrauensschutz gilt wie bei einer Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes. Der über den 31. März 2005 hinaus irrtümlich weiter gezahlte DbA wurde vorliegend ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt erbracht, denn durch Bescheid vom 28. Januar 2005 wurde bindend festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines DbA in Höhe des Besitzschutzbetrages aus der DB-Teilrente ab 01. April 2005 nicht mehr gegeben sind. Maßgebend für die Rückforderung der Überzahlung ist § 45 SGB X, weil die trotz der Aufhebung weitergezahlte Rentenleistung von Anfang an, d. h. hier ab 01. April 2005, ohne zugrunde liegenden Bescheid zu Unrecht erbracht wurde, und die Rückforderung nicht etwa auf einer nachträglichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruhte, welche Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 48 SGB X wäre (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 1995 – 8 RKn 11/93 – juris; Landessozialgericht Niedersachsen, Urteil vom 24. April 1991 – L 1 An 190/90 – juris).

Die Voraussetzungen des § 45 SGB X sind vorliegend ebenfalls gegeben. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 17. August 2009 und macht sich diese gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen (siehe S. 6 ff. des Urteils). In der Berufungsbegründung sind insoweit keine neuen relevanten Tatsachen vorgetragen worden. Auch nach dem persönlichen Eindruck des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Juni 2012 bestehen keine Anhaltspunkte dafür, bei ihm einen geringeren Sorgfaltsmaßstab anzulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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