L 9 U 1995/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4740/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1995/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 06.09.2003.

Wegen zwei weiterer Arbeitsunfälle vom 26.06.1995 und 15.05.1998 war ein weiteres Berufungsverfahren beim Senat anhängig, welches durch Urteil vom 11.09.2012 (L 9 U 1959/08) entschieden wurde.

Der 1954 geborene Kläger erlitt als freiwillig bei der BG für Fahrzeughaltungen, inzwischen BG für Transport und Verkehr (im Weiteren Beklagte) unfallversicherter selbstständiger Fahrlehrer am 06.09.2003 einen Arbeitsunfall, als er beim Versuch, das umgefallene Motorrad einer Fahrschülerin aufzurichten, einen schmerzhaften stechenden Schmerz im linken Oberarm verspürte. Wegen der Schmerzen und einer rasch eintretenden Schwellung wurde der Kläger ins St. J. Freiburg gebracht, wo der Durchgangsarzt Prof. Dr. S. einen knöchernen Ausriss der linken Bizepssehne am distalen Ansatz des Musculus biceps brachii links feststellte. Der Heilungsverlauf während der stationären Behandlung bis zum 27.09.2003 wurde durch eine Staphylococcus-aureus-Infektion der Operationswunde verkompliziert, wegen der ein weiterer Eingriff (Abszessspaltung und Wunddebridement) am 18.09.2003 durchgeführt wurde.

Die ambulante Weiterbehandlung nach der Entlassung aus der Klinik erfolgte zunächst durch die Ärzte des St. J. und vom 11.11.2003 an durch den Chirurgen und Handchirurgen Dr. K., F ... Dieser berichtete unter dem 26.11.2003, der Kläger beschreibe eine anhaltende Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks sowie belastungsabhängige Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks. Er verordnete Ergotherapie. Laut weiterem Arztbericht von Dr. K. vom 22.12.2003 hatte sich die Beweglichkeit beider Gelenke bis dahin deutlich gebessert. Eine Einsatzfähigkeit als Fahrlehrer sei jedoch noch nicht gegeben.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Vorstellung in der BG-Unfallklinik T ... Von dort berichtete Prof. Dr. W. unter dem 05.01.2004, die Beweglichkeit im Bereich des linken Ellenbogengelenks sei noch endgradig eingeschränkt. Die Umwendbewegung für Pronation/Supination sei ebenfalls noch endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Die Umwendbewegung werde als schmerzhaft angegeben. Es bestehe nach Angaben des Klägers ein Taubheitsgefühl distal der ca. sieben Zentimeter langen reizlosen Narbe im Bereich der Ellenbeuge. Anhaltspunkte für eine Reruptur, Fraktur oder sonstige Unregelmäßigkeiten bestünden nicht. Er empfahl eine Arbeits- und Belastungserprobung ab dem 19.01.2004. Hierbei traten Schmerzen im linken Handgelenk, vom Kläger eher zu- als abnehmend beschrieben, insbesondere beim Eingreifen in das Lenkrad der Fahrschüler auf. Der behandelnde Arzt Dr. K. veranlasste daraufhin eine Röntgen- und später eine kernspintomografische Untersuchung des linken Handgelenks, zuletzt unter Kontrastmittelgabe. Dabei wurden keine Zeichen frischer oder älterer knöcherner Verletzungen festgestellt, dafür aber Zeichen einer knöchernen Dystrophie (krankhafte Zellveränderungen ernährungs- oder stoffwechselbedingter Ursache) im Bereich des linken Handgelenks, einer Handwurzelarthrose sowie einer Synovialitis (Entzündung der Synovialmembran). Außerdem wurde eine regelgerechte Ellenbogenartikulation mit degenerativen Veränderungen im Bereich des Humeroulnargelenks festgestellt.

Unter dem 05.04.2004 wurde außerdem eine 3-Phasenskelettszintigraphie der linken Hand und des linken Ellenbogengelenks durchgeführt. Im Arztbrief vom 19.04.2004 berichtet Dr. K., dass sich hierbei ein unauffälliges 3-Phasen-Skelettszintigramm am gesamten Organismus gezeigt habe. Insbesondere am linken Handgelenk sei kein Nachweis entzündlicher Veränderungen festgestellt worden, die auf eine Staphylokokken-Infektion zurückzuführen wären.

Mit Bescheid vom 14.05.2004 stellte die Beklagte daraufhin die Zahlung von Verletztengeld mit dem 17.05.2004 ein mit der Begründung, mit dem Wiedereintritt der vollschichtigen Arbeitsfähigkeit als selbstständiger Fahrschullehrer sei wegen der Unfallfolgen nicht zu rechnen. Dagegen erhob der Kläger am 11.06.2004 Widerspruch.

Auf Veranlassung der Beklagte erstattete Prof. Dr. W. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. unter dem 08.06.2004 ein unfallchirurgisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage. Darin vertrat er die Auffassung, der Unfallhergang mit Anheben eines Motorrads - auch wenn dies überwiegend mit dem linken Arm angehoben worden sein solle - sei bereits nicht geeignet, eine distale Bizepssehnenruptur zu verursachen. Bei dem Ereignis vom 06.09.2003 handele es sich um eine Gelegenheitsursache. Eine Histologie aus der Sehne sei entnommen worden. Der histologische Befund zeige ältere reparative Veränderungen der Sehne im Bereich der Insertionsstelle. Ein Befall des Handgelenks durch die postoperative Staphylokokkeninfektion sei ausgeschlossen, ein verbliebener Infektherd habe sich weder bei den zwei Kernspintomografien noch bei der Skelettszintigrafie gezeigt. Die postoperativ aufgetretene bakterielle Infektion sei nach der operativen Intervention ausgeheilt. Die Beschwerden am linken Handgelenk seien im Sinne eines unspezifischen Reizzustandes zu bewerten. Kernspintomografisch habe sich ja eine Synovialitis gezeigt. Ursächlich für die Beschwerden seien die unfallunabhängige Radiocarpalarthrose und auch teilweise die knöcherne Dystrophie.

Mit Bescheid vom 23.11.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Arbeitsunfalls vom 06.09.2003 ab und führte dazu aus, zwar habe sich der Kläger hierbei eine Ruptur der körperfernen Bizepssehne links zugezogen. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. W. könnten aber jetzt keine Unfallfolgen mehr festgestellt werden. Dem vom Kläger dagegen mit Schreiben vom 11.06.2004 erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Bescheid vom 14.07.2005 insoweit ab, als ein Anspruch auf Verletztengeld bis zum 01.06.2004 anerkannt wurde. Grundlage hierfür war eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 29.12.2004. Der weitergehende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2005 zurückgewiesen mit der Begründung, auch bei dem distalen Bizepssehnenriss handele es sich nicht um eine Unfallfolge.

Am 14.11.2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vortragen lassen, seine Handgelenksbeschwerden seien Folge der Staphylokokkeninfektion und der Unfallfolgezustand begründe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) im rentenberechtigenden Umfang.

Das SG hat Beweis erhoben durch Befragung der sachverständigen Zeugen Dr. L., Fachärztin für Orthopädie, F. (Auskunft vom 09.03.2006), Dr. K. (Auskunft vom 20.09.2007) sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. S. vom 21.01.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 1.7.2008 und des Neurologen Dr. C., F., vom 05.05.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 16.10.2008.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Verfahrensakte des SG verwiesen. Gegenstand des Verfahrens vor dem SG war auch ein im Zusammenhang mit den Arbeitsunfällen des Klägers vom 26.06.1995 und 15.05.1998 im Parallelverfahren vor dem SG (S 9 U 3906/05) eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C. von der orthopädischen Universitätsklinik H. (Gutachten vom 27.12.2006).

Durch Urteil vom 20.01.2009 hat das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die Ruptur der körperfernen Bizepssehne (links) des Klägers eine Folge des Arbeitsunfalls vom 06.09.2003 ist. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe sich durch das verfahrensgegenständliche Unfallereignis wahrscheinlich den Riss der körperfemen Bizepssehne links zugezogen. Demgegenüber habe dieser Ursachenzusammenhang für die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenks sowie das komplexe regionale Schmerzsyndrom der linken oberen Extremität nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können. Ebenso wenig bedingten die Folgen des verfahrensgegenständlichen Arbeitsunfalls eine MdE um mindestens 20 v. H.; die MdE liege lediglich bei 15 v. H.

Die Anerkennung des Bizepssehnenrisses als Unfallfolge ergebe sich aus dem schlüssigen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. Dass ein Körperschaden in Form eines Risses der körperfernen linken Bizepssehne vorgelegen habe, sei durch den intraoperativen Befund vom 12.09.2003 nachgewiesen und unstreitig. Für eine rechtlich wesentliche ursächliche Rolle des Unfallereignisses spreche neben der unmittelbar danach eingetretenen klinischen Symptomatik mit Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und zunehmender Schwellung zum einen der vom Kläger widerspruchsfrei und im Verfahrensverlauf konsistent geschilderte Unfallablauf (der Lenker des Motorrads sei unerwartet umgeschlagen, als das Gewicht der schweren Maschine voll auf dem linken Arm geruht habe), der einen geeigneten Unfallmechanismus darstelle. Wie Prof. Dr. S. nachvollziehbar darlege, werde bei einem solchen Ablauf das muskulär fixierte Gelenk plötzlich und unerwartet passiv bewegt. Dies entspreche einem der unfallmedizinisch anerkannten geeigneten Unfallabläufe für eine traumatische Ruptur der körperfernen Bizepssehne. Zum Anderen habe es sich um einen Abriss des knöchernen Ansatzes gehandelt, wie er für traumatische Rupturen typisch sei. Es leuchte ein, dass eine eventuelle Degeneration des Sehnengewebes die Stabilität der knöchernen Strukturen nicht beeinträchtige, so dass ein wesentlich degenerativ bedingter Riss sich wahrscheinlich nicht im Bereich des knöchernen Ansatzes, sondern im Bereich des reinen Sehnengewebes ereignet hätte. Diese Lokalisation der Ruptur vermindere zugleich die Aussagekraft des histologischen Befundes. Zwar weise dieser auf degenerative Veränderungen des Sehnengewebes hin. Der tatsächlich am Unfalltag erlittene Defekt habe jedoch, wie Prof. Dr. S. plausibel ausführe, gerade nicht das vorgeschädigte Sehnengewebe betroffen, sondern die hiervon nicht betroffenen knöchernen Strukturen. Daher könne auch Prof. Dr. C., der den Unfallzusammenhang primär wegen des histologischen Befundes abgelehnt habe, insoweit nicht gefolgt werden.

Demgegenüber lasse sich der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem verfahrensgegenständlichen Unfall und schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenks nicht wahrscheinlich machen. Die behandelnde Ärztin Dr. L. halte einen solchen Zusammenhang lediglich für möglich und begründe dies mit einer Überlastung des Handgelenks durch die verspätete Versorgung des Bizepssehnenrisses, was in Anbetracht der nur drei Tage nach dem Ereignis erfolgten Operation wenig überzeugend sei, sowie einer möglichen chronischen Osteitis, die eventuell bei der Skelettszintigrafie wegen Ruhens der Entzündung nicht erkannt worden sei. Dabei handele es sich jedoch um reine Spekulation. Prof. Dr. S. vermute als Ursache der Beschwerden Weichteilveränderungen durch die postoperative Infektion. Objektive Befunde, die diese Vermutung stützen könnten, nenne der Sachverständige jedoch nicht. Auch der neurologische Sachverständige habe hierzu nichts beitragen können. Dr. C. habe zwar eine elektrophysiologisch nachweisbare sensible Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii lateralis und des Nervus cutaneus antebrachii medialis nach Narbenbildung in der linken Ellenbeuge diagnostiziert. Bei diesem Befund, der zwei rein sensible Hautnerven betreffe, die in der Ellenbeuge parallel unter der Haut verliefen, und sich in einer leichten Überempfindlichkeit äußere, handele es sich jedoch nicht um eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung. Auch sei der Schaden nicht geeignet, Schmerzen relevanten Ausmaßes objektiv zu erklären. Nach Prof. Dr. C. lasse sich schließlich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Bizepssehnenriss und den Beschwerden des Handgelenks nicht begründen, was angesichts fehlender objektiv nachgewiesener Ursachen am überzeugendsten erscheine.

Die Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms am linken Unterarm gehe aus einem Schreiben der Privatambulanz des Prof. Dr. H. von der neurologischen Universitäts-klinik F. vom 08.08.2008 hervor. Eine derartige Gesundheitsstörung sei jedoch bereits nicht nachgewiesen. Dr. C. habe die Diagnose als nicht nachvollziehbar bezeichnet und dies damit begründet, dass die Bizepssehnenoperation und die nachfolgende Infektion zwar geeignet gewesen seien, ein solches komplexes regionales Schmerzsyndrom zu verursachen. Der Diagnose stehe jedoch entgegen, dass eine schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit vom Kläger erstmals im November 2005 geschildert worden sei, während zuvor ausdrücklich unauffällige Befunde hinsichtlich eines regionalen Schmerzsyndroms erhoben worden seien. Dies entspreche der Aktenlage und sei überzeugend, setze ein komplexes regionales Schmerzsyndrom diagnostisch doch ein Auftreten Stunden oder Tage nach dem auslösenden Ereignis und radiologisch nachweisbare typische knöcherne Veränderungen (sog. Typ I) oder den Nachweis einer obligaten Nervenschädigung (Typ II) voraus und mithin Befunde, die beim Kläger offenbar nicht vorlägen (vgl. Huber/Winter, Checkliste Schmerztherapie, Stuttgart/New York 2006, S. 118; Masuhr/Neumann, Neurologie, 5. A. 2005, S. 562 f.).

Die unfallbedingte MdE erreiche ein rentenberechtigendes Ausmaß nicht. Auf orthopädischem Fachgebiet schließe sich das Gericht der Beurteilung durch Prof. Dr. S. an, der eine Teil-MdE um 10 v. H. ansetze, was in Anbetracht der funktionellen Beeinträchtigung (Bewegungseinschränkung des Ellenbogens bei der Beugung auf 80° aktiv und 135° passiv) nicht unangemessen niedrig sei. Die Erfahrungswerte sähen 10 v. H. für eine auf 120° eingeschränkte (passive) Ellenbogenbeugung vor (vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. A. 2005, S. 164). Auf neurologischem Fachgebiet schätze Dr. C. die Teil-MdE auch auf 10 v. H. Dies sei im Hinblick auf die relative Geringfügigkeit der neurologischen Unfallfolgen - Dr. C. spreche ausdrücklich davon, dass kein wesentlicher krankhafter Befund vorliege - ebenfalls nicht als zu gering anzusehen. Die von Prof. Dr. S. integrierend mit 15 v. H. geschätzte Gesamt-MdE erscheine bei teilweiser Überschneidung der von den jeweiligen Sachverständigen zugrundegelegten orthopädischen und neurologischen Unfallfolgen durchaus angemessen. Ihre Richtigkeit werde indiziell dadurch bestätigt, dass Dr. L. in ihrer Stellungnahme lediglich unter Mitberücksichtigung der nicht als unfallbedingt anzuerkennenden Handgelenksbeschwerden zu einer Gesamt-MdE um 20 v. H. (und nicht höher) gelange.

Gegen das 14.04.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.04.2009 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er begehrt die Feststellung, dass die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen am linken Handgelenk Folgen seines Arbeitsunfalls vom 06.09.2003 sind sowie die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 06.09.2003 nach einer MdE um mindestens 20 v.H. vom 02.06.2004 an bis auf Weiteres.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. O. eingeholt. Dieser führt unter dem 14.05.2010 aus, die vom Kläger seit dem Unfall vom 06.09.2003 geklagten Beschwerden ließen sich "nicht als nicht auch durch eine Form eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms hervorgerufen einstufen". Es werde sich aber keine sichere differential-diagnostische Unterscheidung vornehmen lassen, ob und inwieweit Folgen sowohl aufgrund eines posttraumtischen Weichteil- und Gelenkschadens, eines postinfektiösen Weichteil-, Nerven- und Gelenkschadens als auch eines sympathischen Weichteil-, Nerven- und Gelenkschadens aufgrund der unbestrittenen Primär-/Sekundärschäden, ein entsprechend unspezifischer Immobilisationsschaden und/oder auch Symptome eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms Typ I, II oder einer Mischform zu den anhaltenden posttraumatischen Gesundheitsbeeinträchtigungen im linken Arm beigetragen hätten. Wenn die Beschwerden im linken Arm wesentlich auf eine Form des komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) zurückgeführt werden sollten, gebe es bei medizinischer Betrachtungsweise keinen Grund, darin etwas anderes als eine sekundäre Variante zu erkennen. Für die Spontanmanifestation einer eigenständigen, d.h. einer primären Krankheitsvariante eines CRPS ab Mai/Juni 2004 liefere die Akte keinen einzigen, auch nur indizierenden Befund. Nach der dokumentierten Krankengeschichte hätten bei dem Kläger durchgehend Schmerzen bestanden, die allenfalls einer sekundären Form einer Erkrankung aus diesem Formenkreis zugeordnet werden könnten. Die Feststellungen von Prof. Dr. W. in seinem Zusammenhangsgutachten vom 08.06.2004 seien unhaltbar, da dieser schon die linksseitige distale Bizepssehnenruptur nicht als beurteilungsrelevanten Primärschaden habe zugrunde legen wollen. Ebenso sei der Auffassung des behandelnden Arztes Dr. K. in seinem Befundbericht vom 20.09.2007, wonach der Kläger überaus klagsam gewesen sei und dessen subjektives Empfinden im Widerspruch zu den objektiv feststellbaren Unfallfolgen gestanden habe, nicht zu folgen. Auch dem Gutachten von Dr. C., der seine Ausführungen mit dem Hinweis auf die Auffassung von Prof. Dr. W. zu begründen versuche, sei nicht zu folgen. Er stimme mit diesem aber darin überein, dass beim Kläger kein lehrbuchmäßiges CRPS Typ I oder II vorgelegen habe oder vorliege, was aber den Tatbestand des außergewöhnlichen Schmerzerlebens des Klägers, die damalige Hilflosigkeit des behandelnden Arztes (Dr. K.) und auch die mehrmonatige, rein unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht aus der Welt schaffe.

Der Senat hat daraufhin nach § 106 SGG ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. S., Leiter der Schmerzambulanz der Orthopädischen Klinik des Universitätsklinikums H., eingeholt. Dieser führt im Gutachten vom 21.12.2011 aus, ein CRPS sei definiert als ein Schmerzsyndrom infolge eines Traumas unbestimmter Schwere, das mit übermäßigen Spontanschmerzen und/oder Bewegungs- und/oder Berührungsschmerzen und mit Ödem, Hautdurchblutungsstörungen oder Schweißsekretionsstörungen einhergehe. Die Symptome stünden im Missverhältnis zu der Schwere des Traumas. Bei fehlendem Nachweis einer peripheren Nervenläsion liege ein CRPS Typ I vor, sei eine Läsion nachweisbar, bestehe ein CRPS Typ II. Das typische klinische Bild des CRPS sei durch sensorische, autonome (sympathische) und motorische Störungen an der körperfernen Extremität sowie später durch Veränderungen an den körperfernen Gelenken charakterisiert. Selten seien lokalisierte Formen (z. B. einzelne Finger). Zu diesen Symptomen gehörten heftige, meistens brennende oder bohrende Schmerzen. Diese seien ständig vorhanden und würden durch körperliche Belastung und unter Orthostasebedingungen (Herabhängen) verstärkt. Häufig sei schon eine leichte Berührung oder Bewegung des betroffenen Areals sehr schmerzhaft. Die Erkrankung laufe über Wochen in Stadien ab. Nach anfänglicher Schwellung (Ödem) und entzündlicher Gewebereaktion komme es im chronischen Stadium zur Gewebeschrumpfung mit Einsteifung der Gelenke und sensomotorischen Unterfunktionen (z. B. Hyperthermie). Die erkrankte Extremität sei im Vergleich zur gesunden Seite in 20 % der Fälle kälter und in 60 % der Fälle wärmer. Der Temperaturunterschied betrage mehr als 2 Grad Celsius. Häufig sei auch die Schweißproduktion gestört: Anfangs Mehrproduktion, zuletzt Mindersekretion. In 90 % der Fälle bestehe dann eine aktive Einschränkung der willkürlichen Kraft aller distaler Muskeln. Insbesondere seien komplexe Bewegungen betroffen (z. B. der Faustschluss). Häufig finde man auch bei Befall der oberen Extremität einen feinschlägigen Tremor. Bei einigen Patienten komme es sehr rasch, bei anderen erst nach längerem Verlauf zur Gelenkeinsteifung. Im weiteren Verlauf träten Sehnenverkürzungen und Muskelatrophien auf, die die aktive und passive Bewegungseinschränkung akzentuierten. In 30 bis 40 % der Patienten zeigten sich trophische Störungen der Haut und Hautanhangsgebilde. So würden ein gestörtes Nagel- und Haarwachstum, eine Hautfibrosierung und Hyperkeratose sowie eine Hautatrophie beschrieben. Wichtig sei, dass das CRPS meist rapide einsetze. Die Kardinalsymptome entstünden innerhalb von Stunden bis Tagen. In der 3-Phasen-Skelettszintigraphie zeigten sich in der Regel bereits früh Veränderungen des Knochenstoffwechsels, was als krankheitsbeweisend gelte. Pathognomonisch für das CRPS sei die periartikuläre Anreicherung aller axialen, seltener auch der proximalen Gelenke in der Spätaufnahme (siehe S./Henningsen: Muskuloskelettale Schmerzen, Seite 171 ff.). Zur Diagnose eines CRPS müssten die sog. Budapest-Kriterien erfüllt sein, was beim Kläger nicht der Fall sei. Es habe sich kein Temperaturunterschied der linken Hand im Vergleich zur Gegenseite gezeigt. Des Weiteren hätten sich keine Hautverfärbungen gezeigt und auch keine trophischen Veränderungen von Nägel, Haar oder Haut. Es habe sich lediglich ein geringgradiges Ödem des linken Unterarms gezeigt, welches auch durch Herabhängen und Schonen des linken Arms ausreichend erklärbar sei. Der Kläger habe zudem angegeben, den linken Arm praktisch nicht mehr benutzen zu können. Kleinste Berührungen würden sofort stärkste brennende Schmerzen hervorrufen. Bei der heutigen Untersuchung hätten sich allerdings Hinweise dafür gefunden, dass die linke Hand im Alltag noch mitbenutzt werde. So hätten sich keine Seitenunterschiede der Beschwielung und keine signifikanten Umfangdifferenzen des linken Arms im Vergleich zur Gegenseite gezeigt. Bei einem konsequenten Schonen des linken Armes seit 2003 wäre eine deutliche muskuläre Atrophie des linken Armes zu fordern. Die Bewegungseinschränkung im linken Ellenbogengelenk lasse sich durch einen Mindergebrauch oder willentlich im Alltag erklären. Somit verblieben die beklagten brennenden Schmerzen entlang der Innenseite des linken Unterarmes als einziges Symptom. Dies sei aber nicht ausreichend, um die Diagnose eines CRPS zu sichern.

Wie in dem neurologischen Gutachten durch Dr. C. vom 05.05.2008 beschrieben, ließen sich die Schmerzen durch eine sensible Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii lateralis et medialis ausreichend erklären. Wende man die o. g. Budapest-Kriterien an, so liege im Zeitpunkt der Untersuchung bei ihm kein CRPS vor. Durch das Studium der umfassenden Akten habe auch kein Hinweis für ein stattgehabtes CRPS gefunden werden können. Hervorzuheben sei auch, dass die 3-Phasen-Sklettszintigraphie unauffällig gewesen sei. Die Skelettszintigraphie stelle die zuverlässigste Nachweismethode eines CRPS dar. Diese Befunde sprächen dagegen, dass zu einem früheren Zeitpunkt ein CRPS vorgelegen habe. Somit bestehe auf orthopädischem Fachgebiet lediglich eine durch Mindergebrauch bedingte Funktionsbeeinträchtigung des linken Ellenbogengelenks. Diese bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. Außerdem bestehe auf neurologischem Fachgebiet eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H., da eine leichte sensible Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii laterialis et medialis festgestellt worden sei. Die Gesamt-MdE betrage 10 %.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2009 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2005 aufzuheben, festzustellen, dass es sich bei den schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im linken Handgelenk um eine weitere Unfallfolge handelt und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 6. September 2003 an 2. Juni 2004 Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakte des Senats einschließlich der Entscheidung im Verfahren L 9 U 1959/08 Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat kann gemäß § 153 Abs. 4 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten schmerzhaften Bewegungseinschränkungen am linken Handgelenk als weitere Unfallfolge noch auf Gewährung von Verletztenrente wegen des Unfalls vom 06.09.2003.

Das Begehren auf Feststellung von Unfallfolgen kann zulässig mit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG verfolgt werden (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R, m.w.N. (Juris)).

Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge (oder eines Versicherungsfalls), wenn ein Gesundheitsschaden durch den Gesundheitserstschaden eines Versicherungsfalls rechtlich wesentlich verursacht wird. Der Gesundheitsschaden muss sicher feststehen (Vollbeweis) und durch Einordnung in eines der gängigen Diagnosesysteme (z. B. ICD-10, DSM IV) unter Verwendung der dortigen Schlüssel exakt bezeichnet werden (so auch BSG a.a.O.).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls, der hier am 06.09.2003 eingetreten und von der Beklagten auch anerkannt ist, und auch ihrer Berücksichtigung bei der Gewährung von Leistungen ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein (Vollbeweis, siehe oben). Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17= BSGE 96, 196-209).

Bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr., BSG, Urteile vom 02.02.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38 S. 105 f, vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1 S. 3 f und vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R - (Juris)). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, Rdnr. 20; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr. 3).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - a.a.O.).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, dass die von ihm geltend gemachten Bewegungseinschränkungen am linken Handgelenk, die er auf das Vorliegen eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms zurückführt, Folge des Arbeitsunfalles vom 06.09.2003 sind.

Dies ergibt sich - wie für das SG - auch für den Senat schon hinreichend schlüssig aus der im Verwaltungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Prof. Dr. W., die im Wege des Urkundenbeweises verwertbar ist, den vom SG eingeholten schriftlichen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. L. sowie den erstinstanzlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S. vom 21.01.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 01.07.2008 und von Dr. C. vom 05.05.2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 16.10.2008.

Danach lässt sich die Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms am linken Unterarm nicht objektivieren. So hat Dr. C. schlüssig dargelegt, dass beim Kläger zwar eine elektrophysiologisch nachweisbare sensible Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii lateralis und des Nervus cutaneus antebrachii medialis nach Narbenbildung in der linken Ellenbeuge vorliege. Bei diesem Befund, der zwei rein sensible Hautnerven betreffe, die in der Ellenbeuge parallel unter der Haut verliefen, und sich in einer leichten Überempfindlichkeit äußere, handele es sich jedoch nicht um eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung. Auch sei der Schaden nicht geeignet, Schmerzen relevanten Ausmaßes objektiv zu erklären.

Dieser Befund deckt sich mit dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. S., in welchem unter Zusammenfassung und Würdigung der früheren medizinischen Untersuchungen und Feststellungen plausibel und überzeugend ausgeführt wird, dass beim Kläger die Symptome eines CRPS im Sinne der sog. Budapest-Kriterien nicht erfüllt sind. Es hätten sich weder für ein aktuelles noch für ein früheres stattgehabtes CRPS hinreichende Hinweise gefunden. So habe sich im Rahmen der Begutachtung kein Temperaturunterschied der linken Hand im Vergleich zur Gegenseite gezeigt, ebenso keine Hautverfärbungen und auch keine trophischen Veränderungen von Nägel, Haar oder Haut. Es habe sich lediglich ein geringgradiges Ödem des linken Unterarms gezeigt, welches auch durch Herabhängen und Schonen des linken Arms ausreichend erklärbar sei. Entgegen den Angaben des Klägers, den linken Arm praktisch nicht mehr benutzen zu können, da kleinste Berührungen sofort stärkste brennende Schmerzen hervorrufen würden, fand der Sachverständige bei der Untersuchung Hinweise darauf, dass die linke Hand im Alltag noch mitbenutzt werde. So hätten sich keine Seitenunterschiede der Beschwielung und keine signifikanten Umfangdifferenzen des linken Arms im Vergleich zur Gegenseite gezeigt. Bei einem konsequenten Schonen des linken Armes seit 2003 wäre eine deutliche muskuläre Atrophie des linken Armes zu fordern. Somit verblieben die beklagten brennenden Schmerzen entlang der Innenseite des linken Unterarmes als einziges Symptom, die sich aber durch die im neurologischen Gutachten von Dr. C. beschriebene sensible Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii lateralis et medialis nicht ausreichend erklären ließen.

Gegen ein aktuelles oder früheres CRPS spricht zur Überzeugung des Senats auch, dass die im Jahr 2004 erfolgte 3-Phasen-Sklettszintigraphie, die nach den Darlegungen von Prof. Dr. S. die zuverlässigste Nachweismethode eines CRPS darstellt, unauffällig war. Der Senat teilt die Auffassung von Prof. Dr. S., dass diese Befunde dagegen sprechen, dass zu einem früheren Zeitpunkt ein CRPS vorgelegen hat.

Nichts anderes folgt aus dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. O., dessen Gutachten sich - über die Kritik an den Vorgutachtern und behandelnden Ärzten hinaus - schon nicht hinreichend klar entnehmen lässt, dass und warum der Unfall vom 06.09.2003 aus seiner Sicht wesentliche Ursache für die Beschwerden im Bereich des linken Unterarms des Klägers bzw. die Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms sein soll. Im Übrigen setzt sich Dr. O. nicht dezidiert mit den wissenschaftlichen Kriterien eines CRPS bzw. deren (Nicht-) Vorliegen auseinander. Gleiches gilt für den Befundbericht der Privatambulanz des Prof. Dr. H. der neurologischen Universitätsklinik F. vom 08.08.2008 und dem im Berufungsverfahren vorgelegten weiteren Befundbericht vom 10.12.2008 sowie das Schreiben des Allgemeinmediziners Dr. P. vom 22.10.2012. Soweit in den Befundberichten vom 08.08.2008 und vom 10.12.2008 die Verdachtsdiagnose eines - auf den Motorradunfall zurückzuführenden - komplexen regionalen Schmerzsyndroms gestellt wird, erfolgt diese ohne nähere Begründung bzw. ohne Auseinandersetzung mit den sog. Budapest-Kriterien für ein CRPS. Veranlassung für weitere Ermittlungen von Amts wegen ergibt sich aus diesen Schreiben daher nicht, zumal schon Dr. C. die im Befundbericht vom 08.08.2008 gestellte Diagnose in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.10.2008 mit überzeugenden Gründen als nicht nachvollziehbar bezeichnet und dies damit begründet hat, dass die Bizepssehnenoperation und die nachfolgende Infektion zwar geeignet gewesen seien, ein solches komplexes regionales Schmerzsyndrom zu verursachen. Der Diagnose stehe aber entgegen, dass eine schmerzhafte Berührungsempfindlichkeit vom Kläger erstmals im November 2005 geschildert worden sei, während zuvor ausdrücklich unauffällige Befunde hinsichtlich eines regionalen Schmerzsyndroms erhoben worden seien. Die im Befundbericht vom 08.08.2008 dargestellte Temperaturdifferenz am Unterarm sei allein keinesfalls beweisend für ein komplex regionales Schmerzsyndrom, zumal üblicherweise eine Temperaturdifferenz an den Akren als diagnostisches Kriterium gelte; gerade die Akren hätten sich aber im Neurozentrum Freiburg ohne Temperaturdifferenz gezeigt.

Diese Auffassung wird auch von Prof. Dr. S. geteilt, der darauf hinweist, dass ein komplexes regionales Schmerzsyndrom diagnostisch ein Auftreten Stunden oder Tage nach dem auslösenden Ereignis und radiologisch nachweisbare typische knöcherne Veränderungen (sog. Typ I) oder den Nachweis einer obligaten Nervenschädigung (Typ II) voraussetzt und mithin Befunde, die beim Kläger offenbar nicht vorliegen. Diese Beurteilung ist auch mit Blick darauf, dass auch nach der einschlägigen Fachliteratur eine sekundäre Manifestation des CRPS regelmäßig (schon) Tage bis Wochen nach dem Trauma erfolgt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2009, S. 211), überzeugend. Insgesamt lässt sich danach zur Überzeugung des Senats nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die vom Kläger angegebenen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen am linken Handgelenk wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 06.09.2003 hervorgerufen wurden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob und in welcher Höhe wegen der Folgen von Versicherungsfällen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind, insbesondere Verletztenrente zu gewähren ist, ist grundsätzlich für jeden einzelnen Versicherungsfall getrennt zu prüfen und zu entscheiden (vgl. auch BSG, Urteil vom 19.08.2003, B 2 U 50/02 R, u.a. (Juris)).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Gemessen daran hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen des Unfalls vom 06.09.2003, da seine Erwerbsfähigkeit wegen dieses Ereignisses nicht über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Aus den dargestellten Gründen teilt der Senat die Einschätzung von Prof. Dr. S., dass auf orthopädischem Fachgebiet lediglich eine durch Mindergebrauch bedingte Funktionsbeeinträchtigung des linken Ellenbogengelenks besteht. Diese bedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H ... Außerdem besteht auf neurologischem Fachgebiet wegen der leichten sensiblen Teilläsion des Nervus cutaneus antebrachii laterialis et medialis eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 v.H. Hieraus ergibt sich eine Gesamt-MdE von 10 v.H. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Höherbewertung der MdE aufgrund des Unfalls vom 06.09.2003 bestehen ebenso wenig wie Anhaltspunkte für einen Stützrententatbestand gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Denn weder der Arbeitsunfall vom 26.06.1995 noch der vom 15.05.1998 hat Folgen über die 26. Woche nach dem jeweiligen Unfallereignis hinaus hinterlassen, die eine MdE messbaren Grades, das heißt um wenigstens 10 v. H., bedingen (s. Urteil des Senats im Parallelverfahren vom 11.09.2012 - L 9 U 1959/08 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved