L 11 EG 1594/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 1594/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstatten. Außergerichtliche Kosten im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Rechtsstreit hat die Klägerin Leistungen nach dem BEEG begehrt, die ihr wegen ihres aufenthaltsrechtlichen Status versagt worden waren (§ 1 Abs 7 Nr 3 Buchst d BEEG). Im Klage- und auch noch im Berufungsverfahren hat sich die Klägerin mit einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren (1 BvL 2/10, 1 BvL 3/10, 1 BvL 4/10, 1 BvL 3/11) nicht einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 10.07.2012 hat das BVerfG die vorliegend einschlägigen Regelungen für nichtig erklärt (veröffentlicht mit Pressemitteilung des BVerfG Nr 65/2012 vom 29.08.2012). Die Beklagte hat - ohne weiteres Vorbringen im Verfahren - mit Änderungsbescheid vom 24.09.2012 der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung bezogener Mutterschaftsgeldleistungen in voller Höhe bewilligt. Die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen, den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Gerichtskosten und die Auslagen der Klägerin aufzuerlegen (Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.10.2012).

Die Beklagte hat sich gegen die Tragung der Kosten ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht gewandt. Eine darüber hinausgehende Kostentragung sei grob unbillig, da sämtliche Kosten des Berufungsverfahrens bei wirtschaftlicher und gewissenhafter Prozessführung seitens der Klägerin vermeidbar gewesen seien. Sie habe die Klägerin noch in der mündlichen Verhandlung auf deren gute Chancen in Folge der Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) hingewiesen.

Die Klägerin hat eingewandt, die beim BVerfG anhängig gewesenen Sachverhalts-konstellationen seien mit der ihren nicht vergleichbar.

II.

Rechtsgrundlage für die hier gemäß § 155 Abs 2 Nr 5 SGG allein durch den Berichterstatter zu treffende Entscheidung, ob bzw inwieweit der Klägerin nach erfolgter Erledigungserklärung die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten sind, ist § 193 SGG. Nach § 193 Abs 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf - den hier von der Klägerin gestellten - Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (Kostengrundentscheidung), wenn das Verfahren in der Hauptsache - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Dabei ist der Senat auch hinsichtlich der Kosten erster Instanz nicht an die Entscheidung des SG gebunden und kann diese ggf ändern. Die vom Senat zu treffende Kostenentscheidung erfolgt nach sachgemäßem Ermessen, wobei ungeachtet der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens die Erfolgsaussichten der Klage angemessen zu berücksichtigen sind. Allerdings ist der Erfolgsgesichtspunkt nicht der allein entscheidende und es sind im Einzelfall als Korrektiv durchaus auch Veranlassungsgesichtspunkte (also Gründe für die Führung und die Erledigung des Rechtsstreits) zu berücksichtigen.

Die Klägerin gehört zum Personenkreis der Leistungsempfänger iSd § 183 Satz 1 und 3 SGG, für die keine Gerichtskosten für die Klägerin anfallen. Daher kann der Senat im Rahmen der hier allein anzuwendenden Rechtsgrundlage für die zu treffende Kostengrundentscheidung solche Kosten der Beklagten auch nicht auferlegen. Insoweit stellt § 193 Abs 1 Satz 3 SGG schon gar keine entsprechende Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Darüber hinaus hat die anwaltlich vertretene Klägerin, ohne dass Gerichtskosten für sie angefallen wären, kein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Beklagte zur Tragung dieser Kosten zu verpflichten. Soweit die Klägerin dies aber begehrt hätte, wäre ihr Antrag unzulässig. Daher wird ihr schriftsätzlich gestellter Antrag sachdienlich dahingehend verstanden, dass diese begehrt hat, die Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Dieser zulässige Antrag ist jedoch nur teilweise begründet.

Bis zur am 29.08.2012 veröffentlichten Entscheidung des BVerfG vom 10.07.2012 hatte § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG dem Anspruch der Klägerin entgegen gestanden. Auch die im Verfahren geltend gemachten Umstände hätten - bei summarischer Prüfung - nicht zu einer Entscheidung zugunsten der Klägerin geführt; insbesondere hatte sie keine laufenden Leistungen nach dem SGB III bezogen. Denn die Klägerin hatte in Folge ihrer Arbeitsunfähigkeit, die sich auch auf leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bezogen hatte, mangels Verfügbarkeit schon gar keinen Arbeitslosengeldanspruch iSd §§ 117, 118, 119, 122 SGB III (aF). Für das Tatbestandsmerkmal der Verfügbarkeit war maßgeblich, ob die Klägerin gesundheitlich in der Lage gewesen wäre, eine ihr objektiv zumutbare Beschäftigung auch tatsächlich auszuüben. Nachdem Dr. M. aber mitgeteilt hatte, dass der Klägerin weder die zuletzt ausgeübte noch sämtliche andere, auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht zugemutet werden konnten, war die Klägerin nicht nur arbeitsunfähig iSd § 44 SGB V. Vielmehr war sie wegen der Arbeitsunfähigkeit auch nicht in der Lage, eine Beschäftigung zu den in § 119 Abs 5 Nr 1 SGB III (aF) genannten Bedingungen auszuüben. Sie war daher nicht verfügbar und hatte damit vom 15.01.2009 bis zum 31.03.2009 keinen Arbeitslosengeldanspruch (zum ganzen vgl zB BSG, 22.02.2012, B 11 AL 26/10 R, juris). Damit hätte die Klägerin - selbst wenn die von ihr beanspruchte Auslegung des ?Beziehens von Geldleistungen nach dem SGB III? zugrunde gelegt werden würde - die Voraussetzungen des damals geltenden § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG nicht erfüllt.

Damit hatte die Nichtigerklärung des § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst d BEEG durch das BVerfG am 10.07.2012 zur Folge, dass die Klägerin erstmals in den Genuss eines Anspruchs nach dem BEEG kam. Die Beklagte hat unmittelbar auf diese Rechtsänderung, die am 29.08.2012 veröffentlicht worden war, mit Bescheid vom 24.09.2012 reagiert und den Anspruch der Klägerin anerkannt. Dies stellt ein sofortiges Anerkenntnis seitens der Beklagten iSd § 93 ZPO dar, denn diese hatte ohne weitere Einwendungen gegen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch und ohne entsprechenden Hinweis des Senats den Anspruch der Klägerin in vollem Umfang anerkannt.

Nachdem die Beklagte dieser Rechtsänderung umgehend Rechnung getragen hat, entspräche es - wie § 93 ZPO zeigt - grds der Billigkeit, wenn die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen würde (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 193 Rdnr 12c, 13a).

Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung war aber auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Schriftsatz vom 11.10.2012 sinngemäß die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hatte, die Kosten erster Instanz zu übernehmen. Angesichts dieser Bereitschaft entspricht es vorliegend der Billigkeit, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin nur für die erste Instanz trägt.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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