L 1 AS 1677/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 3983/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1677/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.03.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt zu ersetzen.

Der 1973 geborene Kläger bezieht seit April 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt aufgrund seines Weiterbewilligungsantrags vom 23.02.2011 (Bewilligungsbescheid vom 11.03.2011 für den Leistungszeitraum vom 01.04. bis 30.09.2011). Nach mehreren Meldeversäumnissen wurde der Kläger am 24.06.2011 von dem Beklagten aufgefordert, sich am 12.07.2011 persönlich zu melden, um über das Bewerberangebot bzw. seine berufliche Situation zu sprechen. Auch diesen Termin nahm der Kläger ohne weitere Begründung nicht wahr, woraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2011 eine für die Zeit vom 04.08.2011 bis 17.01.2012 geltende Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt erließ. Als Ziele wurden Integration in Arbeit unter Zuhilfenahme von Coachinggesprächen des Arbeitskreises für Aus- und Weiterbildung e.V. (AAW) genannt. Der Beklagte erklärte sich unter anderem bereit, dem Kläger bei seinen Bewerbungsaktivitäten zu unterstützen, ihm Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, ihn in das Bewerberprofil im virtuellen Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur aufzunehmen und seine Bewerbungsbemühungen durch finanzielle Leistungen zu unterstützen. Zugleich wurden ihm Coachinggespräche bei der AAW angeboten. In diesem Zusammenhang wurde ihm aufgegeben, innerhalb von sieben Tagen Kontakt mit dem AAW aufzunehmen, um ein Erstgespräch zu vereinbaren. Während der Maßnahme dürfe es nicht zu unentschuldigten Fehlzeiten kommen. Parallel werde er zu folgenden Eigenbemühungen verpflichtet: Vorlage von mindestens fünf Bewerbungsbemühungen pro Monat für sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung sowie zeitnahe Bewerbung, d.h. spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die er von der Agentur für Arbeit bzw. dem Träger der Grundsicherung erhalte. Als Nachweis habe er eine ausgefüllte Nachweisliste sowie Anschreiben und Antworten der Arbeitgeber vorzulegen, wobei er grundsätzlich die Stellensuche auch auf befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen auszudehnen habe. Er müsse auch sicherstellen, dass er persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichbar sei. Der Bescheid enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.

Dagegen legte der Kläger am 15.08.2011 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, es sei in keiner Weise angedacht gewesen, ein Übungsseminar zu belegen. Zudem sei er ?zu 90 % schwerbehindert?. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte im Wesentlichen aus, der Kläger habe in der Vergangenheit verschiedene behördliche Meldetermine versäumt, sodass es nicht zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung gekommen sei. Es sei daher nicht zu beanstanden, eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt zu ersetzen. Die Voraussetzungen hierfür lägen vor. Auch sei es statthaft, ihm die Verpflichtung aufzuerlegen, sich monatlich mindestens fünfmal auf eigene Initiative um einen Arbeitsplatz zu bewerben. Mit einer Eröffnung der Teilnahmemöglichkeit an einer AAW-Coachingmaßnahme gehe auch eine entsprechende Teilnahmeverpflichtung seinerseits einher. Die damit verbundenen Kosten würden vom Beklagten getragen. Ziel einer solchen Maßnahme sei es, eine Beendigung bzw. Verringerung der individuellen Hilfebedürftigkeit durch Begründung eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses herbeizuführen. Bislang habe nur ein einziges persönliches Gespräch mit dem Arbeitsvermittler stattfinden können. Bei dem Gespräch am 26.07.2011 habe der Kläger erklärt, keine Zeit zu haben, sodass ein neuer Termin vereinbart worden sei. Zu einer weiteren Erörterung der Eingliederungsmaßnahme sei es in der Folgezeit jedoch nicht gekommen. Auch sei nicht ersichtlich, in wie weit seine Gehbehinderung einer Teilnahme an einer Coachingmaßnahme entgegenstehe.

Hiergegen hat der Kläger am 20.09.2011 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und geltend gemacht, der Beklagte habe ihn ohne Absprache bei einem Verein (AAW) zu einer Art Sprachkurs angemeldet. Er sei jedoch ?zu 90 % körperbehindert? (Merkzeichen ?G? und ?B?). Art. 9 des Grundgesetzes (GG) sehe nicht vor, dass es eine Verpflichtung gebe, einem Verein zugeführt zu werden. Der Beklagte habe zudem wiederholt ausgeführt, ihn zu ?Coachinggesprächen? treiben zu wollen. Die Amtssprache sei jedoch Deutsch. Der Beklagte habe es unterlassen, verständlich in deutscher Sprache darzulegen, was die ?Sprachkurse? im AAW darstellen sollten. Coachinggespräche seien ihm nicht bekannt. Eine Art Sprachkurs benötige er nicht, da er der deutschen Sprache mächtig sei. Mit Urteil vom 06.03.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fehle dem Kläger bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Da der Eingliederungsverwaltungsakt für den Zeitraum bis zum 17.01.2012 Regelungen getroffen habe und der Regelungsgehalt damit zwischenzeitlich erschöpft sei, seien nachteilige Auswirkungen auf den Kläger nicht mehr zu erwarten. Darüber hinaus seien auch in der Vergangenheit keine Sanktionen bezüglich etwaiger Verletzungen aus der Eingliederungsvereinbarung verhängt worden. Auch wenn man von einem Fortsetzungsfeststellungsantrag ausginge, sei die diesbezügliche Klage unbegründet, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erfüllt seien. Auch die getroffenen Regelungen begegneten keinem rechtlichen Bedenken. Vor dem Hintergrund, dass einem Arbeitslosen im Rahmen des § 119 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III - in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung ( a.F. )) Eigenbemühungen in Form von zwei Bewerbungen pro Woche auferlegt werden könnten, sei insbesondere die Verpflichtung des Klägers, sich bei fünf Arbeitgebern im Monat zu bewerben, nicht zu beanstanden. Gleiches gelte für die Verpflichtung des Klägers, an der Maßnahme des AAW teilzunehmen. Diese diene der Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, was nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 46 SGB III a.F. ein zulässiges Anliegen sei. Sofern der Kläger vortrage, keinen Sprachunterricht zu benötigen und auch nicht gegen seinen Willen einem Verein zugeführt werden zu dürfen, so habe der Beklagte bereits in seinem Widerspruchsbescheid erläutert, dass das Ziel der Maßnahme darin bestehe, die schon seit 2005 bestehende Hilfebedürftigkeit des Klägers zu verringern bzw. zu beseitigen und ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen. Eine Mitgliedschaft in einem Verein gehe damit ebenso wenig wie ein Sprachkurs einher. Das Urteil wurde dem Kläger am 13.04.2012 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 16.04.2012 beim SG zum Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, es müsse geprüft werden, ob es zulässig gewesen sei, einen Körperbehinderten per Verwaltungsakt- ohne ihn zu befragen oder ohne ihn anzuhören - einer Kursmaßnahme in einem Verein zuzuführen. Art. 9 GG sehe nicht vor, dass es die Verpflichtung Deutscher sei, einem Verein zugeführt zu werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 06.03.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2011 aufzuheben, hilfsweise, die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 10.05.2012 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit dem Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat hierbei zutreffend erkannt, dass sich der Bescheid des Beklagten vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2011 (§ 95 SGG) während des Klageverfahrens durch Zeitablauf erledigt hat (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB X )). Wenn der Zeitraum, für den der Verwaltungsakt Geltung beansprucht, während des Klageverfahrens verstrichen ist, hat sich der Streitgegenstand durch Zeitablauf erledigt. Dies war vorliegend der Fall, da die angegriffene Entscheidung des Beklagten ausdrücklich nur den Geltungszeitrahmen vom 18.07.2011 bis 17.01.2012 betraf. Mit dem SG ist auch davon auszugehen, dass damit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen und die Klage mithin unzulässig geworden ist (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.05.2011 - L 19 AS 344/11 B ER, L 19 AS 345/11 B ER - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.01.2012 - L 5 AS 383/11 B ER - juris RdNr. 17 ff. m.w.N.; Aubel, in: jurisPK-SGB II, § 39 RdNr. 31.1; Sonnhoff, in: jurisPK-SGB II, § 15 RdNr. 144.1 1). Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung einer nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II begründeten Pflicht gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr 1 SGB II zu Sanktionen führen kann (hierauf weist das Sächsische LSG ( Beschluss vom 12.11.2012 - L 3 AS 618/12 B ER - juris ) zutreffend hin). Allerdings hat der Beklagte vorliegend keine Sanktion wegen Verletzung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 18.07.2011 festgestellt.

Aber auch der Hilfsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Bei verständiger Würdigung seines Begehrens (§ 123 SGG) ist davon auszugehen, dass der Kläger hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des Beklagten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage begehrt (§ 131 Abs. 1 Satz 5 SGG). Danach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat und sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Das für die Fortsetzungsfeststellungsklage notwendige Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2011 kann im Hinblick auf die Wiederholungsgefahr unterstellt werden (vgl. allgemein zur Fortsetzungsfeststellungsklage zuletzt BSG, Urteil vom 12.09.2012 - B 3 KR 17/11 R - juris, RdNr. 18 ff.).

Der Bescheid des Beklagten vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2011 ist jedoch nicht rechtswidrig gewesen. Die hierin getroffenen Regelungen des Beklagten waren hinreichend bestimmt (§ 33 SGB X) und damit auch verbindlich. In dem Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sind sämtliche Regelungen der beabsichtigten Eingliederungsvereinbarung möglichst verbindlich und konkret aufzunehmen. Insbesondere welche der in § 16 SGB II aufgeführten Eingliederungsleistungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige erhält, welche Eigenbemühungen in welcher Intensität und Quantität dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen obliegen und in welcher Form er diese nachweisen muss. Dabei sind die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB II, unter anderem über den Zeitraum, für den eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden soll, zu beachten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.07.2010 - L 3 AS 4018/09 - juris). Vorliegend war der Bescheid vom 18.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.08.2011 ausreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X. So wurde dem Kläger insbesondere im Hinblick auf die Teilnahme an Coachinggesprächen bei der AAW aufgefordert, innerhalb von sieben Tagen mit dem AAW Kontakt aufzunehmen, um ein Erstgespräch zu vereinbaren. Hierbei wurden ihm auch die Namen der Ansprechpartnerinnen beim AAW und deren Telefonnummern genannt. Die Bestimmtheit dieser (im Übrigen zulässigen) Aufforderung leidet auch nicht daran, dass der Beklagte den Begriff ?Coaching? verwendet hat. Zum einen wurde bereits im Widerspruchsbescheid vom 25.08.2011 nochmals erläutert, welchem Zweck die Kontaktverpflichtung mit dem AAW dienen sollte. Zum anderen hätte es dem Kläger jederzeit freigestanden, sich beim Beklagten zu erkundigen, was unter dem Begriff ?Coachinggespräche? zu verstehen ist. Die Verpflichtung, monatlich mindestens fünf Bewerbungsbemühungen nachzuweisen, war ebenfalls hinreichend bestimmt und zulässig. Das SG hat dies zutreffend erkannt. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG vollumfänglich an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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