Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 12/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3521/11 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.03.2009 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 16.03.2002 bis 31.12.2002, vom 01.05.2003 bis 21.05.2003 und vom 31.05.2003 bis 31.12.2003.
Mit Urteil vom 26.03.2009 hat das Sozialgericht Konstanz (SG) die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2005 abgewiesen. Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis am 17.07.2009 zugestellt worden.
Am 30.09.2009 hat der Kläger zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG Berufung eingelegt und sinngemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er habe erst in einem Telefonat mit seinem Prozessbevollmächtigten am 16.09.2009 Kenntnis von dem Urteil des SG erlangt. Das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2009, mit dem dieser ihm das Urteil übersandt habe, habe er nicht erhalten. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe ihm sein Rechtsanwalt das Urteil übersandt und mitgeteilt, dass er bis 30.09.2009 Berufung einlegen könne. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 26.10.2010 auf Grund mündlicher Verhandlung, deren Verlegung der Kläger beantragt hatte, die Berufung als unzulässig verworfen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 21.06.2011 das Urteil des LSG vom 26.10.2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das LSG habe den Termin verlegen müssen. Dem stünde nicht entgegen, dass das LSG die Berufung als unzulässig verworfen habe und diese Entscheidung auch im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung hätte ergehen können. Denn hierzu sei der Kläger nicht angehört worden.
Mit Schreiben vom 24.08.2011 hat das LSG den Kläger zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung wegen Versäumnis der Berufungsfrist durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Nach dem bisher bekannten Sachverhalt seien die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt. Zwar sei dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst kein Verschulden vorzuwerfen, da er mit dem Schreiben vom 21.07.2009 das im Rechtsverkehr übliche Verfahren gewählt habe. Allerdings habe wohl der Kläger selbst schuldhaft gehandelt, da er gehalten gewesen sei, eine ordnungsgemäße Zustellung seiner Post sicherzustellen. Die Beklagte habe im Berufungsverfahren auf die vom Kläger selbst geltend gemachten Probleme bei der Postzustellung hingewiesen und hierzu sechs konkrete Begebenheiten aus den Jahren 2005 bis 2010 benannt. Dem Kläger seien demnach Probleme bei der Zustellung von Schriftstücken bekannt gewesen und er habe deshalb Vorkehrungen treffen müssen, dass ihn die im Gerichtsverfahren zugestellten Schriftstücke erreichen. In erhöhtem Maße gelte dies, wenn bereits mündlich verhandelt worden und mit der Zustellung eines Urteils zu rechnen sei. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben bis zum 30.09.2011 Stellung zu nehmen.
Nach Legitimierung eines neuen Prozessbevollmächtigten hat der Kläger im April 2012 vortragen lassen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu gewähren, da der Kläger im betreffenden Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, sicher zu stellen, dass ihn durch das Gericht zugestellte Schriftstücke sicher erreichten. Der Kläger leide an einer pulmonalen Hypertonie mit fortgeschrittenem Cor pulmonale. Der Gesundheitszustand habe sich in der Zeit nach der mündlichen Verhandlung beim SG wieder verschlechtert. Die durchgeführte Therapie habe nicht mehr gut angeschlagen. Zudem sei er stark depressiv gewesen. Der Arzt des Klägers, Dr. M., habe Hausbesuche durchführen müssen, da es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, das Haus zu verlassen.
Das LSG hat daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 22.05.2012 aufgefordert, seinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden sowie die vorgetragenen Tatsachen glaubhaft zu machen. Trotz mehrfacher Erinnerungen kam der Kläger der Aufforderung nicht nach. Am 21.09.2012 teilte sein Prozessbevollmächtigter mit, der Kläger habe eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht vorgelegt. Auch Unterlagen zur Glaubhaftmachung des Tatsachenvortrags seien nicht eingereicht worden. Eine weitere Stellungnahme könne und werde daher nicht erfolgen.
Mit Schreiben vom 08.10.2012, das dem Kläger förmlich zugestellt wurde, hat das LSG nochmals zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung angehört und darauf hingewiesen, dass Wiedereinsetzungsgründe bislang nicht glaubhaft gemacht worden seien. Mangels Mitwirkung des Klägers habe das Gericht die Tatsachen auch nicht ermitteln können. Zur Befragung der Ärzte des Klägers sei die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung unerlässlich. Es wurde nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 05.11.2012 gewährt. Eine Reaktion blieb aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach § 158 SGG durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung nicht zulässig ist. Das Gericht hat die Beteiligten zu dieser Vorgehensweise angehört. Einwendungen hiergegen wurden nicht vorgebracht.
Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
Die Berufung ist gemäß § 151 Absätze 1 und 2 Satz 1 SGG innerhalb eines Monat nach Zustellung des Urteils einzulegen. Das Urteil des SG wurde dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 17.07.2009 zugestellt. Die einmonatige Frist wurde somit offenkundig durch die am 30.09.2009 beim SG eingelegte Berufung versäumt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Er hat die gesetzliche Berufungsfrist nicht ohne Verschulden versäumt.
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß §§ 153 Abs 1, 67 Abs 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschulden setzt voraus, dass der Beteiligte nicht diejenige Sorgfalt aufgewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (BSG 31.03.1993, 13 RJ 9/92, SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Der Antrag ist gemäß § 67 Abs 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen nach Satz 2 der Norm glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Satz 4).
Zwar wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verhalten gemäß § 73 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dem Kläger grundsätzlich zuzurechnen ist, nicht schuldhaft gehandelt hat. Denn es ist davon auszugehen, dass der frühere Prozessbevollmächtigte mit dem Anschreiben vom 21.07.2009 das im Rechtsverkehr übliche Verfahren gewählt hat, mit der Übersendung des Urteils darauf hinzuweisen, ohne ausdrückliche Beauftragung durch den Kläger keine Berufung gegen das Urteil des SG einreichen zu wollen. Dieses Vorgehen verstößt nicht gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht. Auch ist ein Rechtsanwalt, der ? wie vorliegend ? seinen Mandanten durch einfachen Brief über den Inhalt einer Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet und diesen aufgefordert hat, rechtzeitig mitzuteilen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, grundsätzlich trotz Schweigens des Mandanten nicht gehalten, bei ausbleibender Reaktion des Klägers bei diesem nachzufragen (BSG 29.01.2001, B 7 AL 8/00 R, SozR 3-1500 § 67 Nr 20 mwN).
Allerdings hat der Kläger selbst schuldhaft gehandelt. Denn auch wenn unterstellt wird, dass der Kläger das Anschreiben des früheren Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2009 nicht erhalten hat und er deshalb keine Kenntnis davon hatte, dass das Urteil des SG nunmehr in der schriftlichen Ausfertigung vorlag, wäre der Kläger gehalten gewesen, eine ordnungsgemäße Zustellung seiner Post sicherzustellen. Diese Verpflichtung trifft den Betroffenen jedenfalls dann, wenn Probleme bei der Postzustellung bekannt sind und mit der Zustellung fristenauslösender Mitteilungen, hier des Urteils des SG, gerechnet werden muss (vgl zur ähnlichen Problematik bei vorübergehender Abwesenheit Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 07.08.2007, 1 BvR 685/07, NJW 2007, 3486 mwN; und vom 11.02.1976, 2 BvR 849/75, NJW 1976, 1537). Vorliegend hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.10.2010 glaubhaft auf die vom Kläger selbst geltend gemachten Probleme bei der Postzustellung hingewiesen und hierzu sechs konkrete Begebenheiten aus den Jahren 2005 bis 2010 benannt, bei denen sich der Kläger jeweils darauf berufen hat, Schriftstücke nicht oder verspätet erhalten zu haben. Wenn jedoch dem Kläger bekannt ist, dass ihn Schriftstücke mit normaler Briefpost nicht immer erreichen, muss er wirksame Vorkehrungen treffen, dass ihn vor allem während eines Gerichtsverfahrens durch das Gericht zugestellte Schriftstücke, insbesondere solche, die Fristen auslösen, sicher erreichen. In erhöhtem Maße gilt dies, wenn bereits mündlich verhandelt wurde und mit der Zustellung eines Urteils zu rechnen ist. Der Kläger hat nach der mündlichen Verhandlung am 26.03.2009 mit der Zustellung des an diesem Tage verkündeten Urteils rechnen müssen. Deshalb treffen ihn erhöhte Sorgfaltspflichten. Im Bewusstsein der Schwierigkeiten mit der Postzustellung hätte er sich damit nicht erst am 16.09.2009 telefonisch an den früheren Prozessbevollmächtigten wenden dürfen. Er hätte durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müssen, dass die Schwierigkeiten der Postzustellung behoben werden, die Berufung schon vor Zustellung des Urteils einlegen oder regelmäßige telefonische Erkundigungen nach der Zustellung des Urteils einholen müssen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.
Auch der zuletzt vorgetragene Grund für eine Wiedereinsetzung, der Kläger sei aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage gewesen sicherzustellen, dass ihn die Post erreiche, ist nicht ausreichend, um ein unverschuldetes Versäumen der Berufungsfrist anzunehmen. Krankheit schließt ein Verschulden nur aus, wenn der Betreffende so schwer krank ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (Keller in Meyer-Ladwig, SGG, § 67 RdNr 7c mit Verweis auf Entscheidungen ua des BVerfG und BSG). Das Vorliegen einer solchen schweren Erkrankung im maßgeblichen Zeitraum hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht und konnte ohne Schweigepflichtentbindungserklärung auch nicht von Amts wegen ermittelt werden.
Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist ist daher nicht zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 16.03.2002 bis 31.12.2002, vom 01.05.2003 bis 21.05.2003 und vom 31.05.2003 bis 31.12.2003.
Mit Urteil vom 26.03.2009 hat das Sozialgericht Konstanz (SG) die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2005 abgewiesen. Das Urteil ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis am 17.07.2009 zugestellt worden.
Am 30.09.2009 hat der Kläger zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG Berufung eingelegt und sinngemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er habe erst in einem Telefonat mit seinem Prozessbevollmächtigten am 16.09.2009 Kenntnis von dem Urteil des SG erlangt. Das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2009, mit dem dieser ihm das Urteil übersandt habe, habe er nicht erhalten. Mit Schreiben vom 17.09.2009 habe ihm sein Rechtsanwalt das Urteil übersandt und mitgeteilt, dass er bis 30.09.2009 Berufung einlegen könne. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 26.10.2010 auf Grund mündlicher Verhandlung, deren Verlegung der Kläger beantragt hatte, die Berufung als unzulässig verworfen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 21.06.2011 das Urteil des LSG vom 26.10.2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das LSG habe den Termin verlegen müssen. Dem stünde nicht entgegen, dass das LSG die Berufung als unzulässig verworfen habe und diese Entscheidung auch im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung hätte ergehen können. Denn hierzu sei der Kläger nicht angehört worden.
Mit Schreiben vom 24.08.2011 hat das LSG den Kläger zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung wegen Versäumnis der Berufungsfrist durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Nach dem bisher bekannten Sachverhalt seien die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt. Zwar sei dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers selbst kein Verschulden vorzuwerfen, da er mit dem Schreiben vom 21.07.2009 das im Rechtsverkehr übliche Verfahren gewählt habe. Allerdings habe wohl der Kläger selbst schuldhaft gehandelt, da er gehalten gewesen sei, eine ordnungsgemäße Zustellung seiner Post sicherzustellen. Die Beklagte habe im Berufungsverfahren auf die vom Kläger selbst geltend gemachten Probleme bei der Postzustellung hingewiesen und hierzu sechs konkrete Begebenheiten aus den Jahren 2005 bis 2010 benannt. Dem Kläger seien demnach Probleme bei der Zustellung von Schriftstücken bekannt gewesen und er habe deshalb Vorkehrungen treffen müssen, dass ihn die im Gerichtsverfahren zugestellten Schriftstücke erreichen. In erhöhtem Maße gelte dies, wenn bereits mündlich verhandelt worden und mit der Zustellung eines Urteils zu rechnen sei. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben bis zum 30.09.2011 Stellung zu nehmen.
Nach Legitimierung eines neuen Prozessbevollmächtigten hat der Kläger im April 2012 vortragen lassen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu gewähren, da der Kläger im betreffenden Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, sicher zu stellen, dass ihn durch das Gericht zugestellte Schriftstücke sicher erreichten. Der Kläger leide an einer pulmonalen Hypertonie mit fortgeschrittenem Cor pulmonale. Der Gesundheitszustand habe sich in der Zeit nach der mündlichen Verhandlung beim SG wieder verschlechtert. Die durchgeführte Therapie habe nicht mehr gut angeschlagen. Zudem sei er stark depressiv gewesen. Der Arzt des Klägers, Dr. M., habe Hausbesuche durchführen müssen, da es dem Kläger nicht möglich gewesen sei, das Haus zu verlassen.
Das LSG hat daraufhin den Kläger mit Schreiben vom 22.05.2012 aufgefordert, seinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden sowie die vorgetragenen Tatsachen glaubhaft zu machen. Trotz mehrfacher Erinnerungen kam der Kläger der Aufforderung nicht nach. Am 21.09.2012 teilte sein Prozessbevollmächtigter mit, der Kläger habe eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht vorgelegt. Auch Unterlagen zur Glaubhaftmachung des Tatsachenvortrags seien nicht eingereicht worden. Eine weitere Stellungnahme könne und werde daher nicht erfolgen.
Mit Schreiben vom 08.10.2012, das dem Kläger förmlich zugestellt wurde, hat das LSG nochmals zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung angehört und darauf hingewiesen, dass Wiedereinsetzungsgründe bislang nicht glaubhaft gemacht worden seien. Mangels Mitwirkung des Klägers habe das Gericht die Tatsachen auch nicht ermitteln können. Zur Befragung der Ärzte des Klägers sei die Abgabe einer Schweigepflichtentbindungserklärung unerlässlich. Es wurde nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 05.11.2012 gewährt. Eine Reaktion blieb aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte nach § 158 SGG durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung nicht zulässig ist. Das Gericht hat die Beteiligten zu dieser Vorgehensweise angehört. Einwendungen hiergegen wurden nicht vorgebracht.
Die Berufung ist unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
Die Berufung ist gemäß § 151 Absätze 1 und 2 Satz 1 SGG innerhalb eines Monat nach Zustellung des Urteils einzulegen. Das Urteil des SG wurde dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 17.07.2009 zugestellt. Die einmonatige Frist wurde somit offenkundig durch die am 30.09.2009 beim SG eingelegte Berufung versäumt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger nicht zu gewähren. Er hat die gesetzliche Berufungsfrist nicht ohne Verschulden versäumt.
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm gemäß §§ 153 Abs 1, 67 Abs 1 SGG auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschulden setzt voraus, dass der Beteiligte nicht diejenige Sorgfalt aufgewandt hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist (BSG 31.03.1993, 13 RJ 9/92, SozR 3-1500 § 67 Nr 7). Der Antrag ist gemäß § 67 Abs 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen nach Satz 2 der Norm glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (Satz 3). Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Satz 4).
Zwar wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verhalten gemäß § 73 Abs 4 Satz 1 SGG iVm § 85 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) dem Kläger grundsätzlich zuzurechnen ist, nicht schuldhaft gehandelt hat. Denn es ist davon auszugehen, dass der frühere Prozessbevollmächtigte mit dem Anschreiben vom 21.07.2009 das im Rechtsverkehr übliche Verfahren gewählt hat, mit der Übersendung des Urteils darauf hinzuweisen, ohne ausdrückliche Beauftragung durch den Kläger keine Berufung gegen das Urteil des SG einreichen zu wollen. Dieses Vorgehen verstößt nicht gegen die anwaltliche Sorgfaltspflicht. Auch ist ein Rechtsanwalt, der ? wie vorliegend ? seinen Mandanten durch einfachen Brief über den Inhalt einer Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet und diesen aufgefordert hat, rechtzeitig mitzuteilen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll, grundsätzlich trotz Schweigens des Mandanten nicht gehalten, bei ausbleibender Reaktion des Klägers bei diesem nachzufragen (BSG 29.01.2001, B 7 AL 8/00 R, SozR 3-1500 § 67 Nr 20 mwN).
Allerdings hat der Kläger selbst schuldhaft gehandelt. Denn auch wenn unterstellt wird, dass der Kläger das Anschreiben des früheren Prozessbevollmächtigten vom 21.07.2009 nicht erhalten hat und er deshalb keine Kenntnis davon hatte, dass das Urteil des SG nunmehr in der schriftlichen Ausfertigung vorlag, wäre der Kläger gehalten gewesen, eine ordnungsgemäße Zustellung seiner Post sicherzustellen. Diese Verpflichtung trifft den Betroffenen jedenfalls dann, wenn Probleme bei der Postzustellung bekannt sind und mit der Zustellung fristenauslösender Mitteilungen, hier des Urteils des SG, gerechnet werden muss (vgl zur ähnlichen Problematik bei vorübergehender Abwesenheit Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 07.08.2007, 1 BvR 685/07, NJW 2007, 3486 mwN; und vom 11.02.1976, 2 BvR 849/75, NJW 1976, 1537). Vorliegend hat die Beklagte mit Schreiben vom 12.10.2010 glaubhaft auf die vom Kläger selbst geltend gemachten Probleme bei der Postzustellung hingewiesen und hierzu sechs konkrete Begebenheiten aus den Jahren 2005 bis 2010 benannt, bei denen sich der Kläger jeweils darauf berufen hat, Schriftstücke nicht oder verspätet erhalten zu haben. Wenn jedoch dem Kläger bekannt ist, dass ihn Schriftstücke mit normaler Briefpost nicht immer erreichen, muss er wirksame Vorkehrungen treffen, dass ihn vor allem während eines Gerichtsverfahrens durch das Gericht zugestellte Schriftstücke, insbesondere solche, die Fristen auslösen, sicher erreichen. In erhöhtem Maße gilt dies, wenn bereits mündlich verhandelt wurde und mit der Zustellung eines Urteils zu rechnen ist. Der Kläger hat nach der mündlichen Verhandlung am 26.03.2009 mit der Zustellung des an diesem Tage verkündeten Urteils rechnen müssen. Deshalb treffen ihn erhöhte Sorgfaltspflichten. Im Bewusstsein der Schwierigkeiten mit der Postzustellung hätte er sich damit nicht erst am 16.09.2009 telefonisch an den früheren Prozessbevollmächtigten wenden dürfen. Er hätte durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müssen, dass die Schwierigkeiten der Postzustellung behoben werden, die Berufung schon vor Zustellung des Urteils einlegen oder regelmäßige telefonische Erkundigungen nach der Zustellung des Urteils einholen müssen. Dem ist der Kläger nicht nachgekommen.
Auch der zuletzt vorgetragene Grund für eine Wiedereinsetzung, der Kläger sei aufgrund seiner Krankheit nicht in der Lage gewesen sicherzustellen, dass ihn die Post erreiche, ist nicht ausreichend, um ein unverschuldetes Versäumen der Berufungsfrist anzunehmen. Krankheit schließt ein Verschulden nur aus, wenn der Betreffende so schwer krank ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen anderen beauftragen kann (Keller in Meyer-Ladwig, SGG, § 67 RdNr 7c mit Verweis auf Entscheidungen ua des BVerfG und BSG). Das Vorliegen einer solchen schweren Erkrankung im maßgeblichen Zeitraum hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht und konnte ohne Schweigepflichtentbindungserklärung auch nicht von Amts wegen ermittelt werden.
Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist ist daher nicht zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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