L 5 KR 4763/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 3687/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4763/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.6.2010 wird zurückgewiesen. Die Urteilsformel des Urteils des Sozialgerichts wird wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 7.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2009 verurteilt der Klägerin für die Zeit vom 27.2.2009 bis 12.5.2009 und 25.6.2009 bis 14.7.2010 Krankengeld in Höhe von 10.519,04 Euro nachzuzahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen das Ruhen des Krankengeldanspruchs wegen der Verwendung von Arbeitsentgelt zur Auffüllung eines Wertguthabens für die Freistellungsphase (Freizeitblock) eines Altersteilzeitmodells.

Die 1954 geborene Klägerin ist bei der BG N. und G. (BG) versicherungspflichtig beschäftigt. Sie hat mit der BG als ihrer Arbeitgeberin eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen. Diese sieht für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.11.2011 eine Ansparphase (Arbeitsblock) und für die Zeit vom 1.12.2011 bis 30.9.2014 eine Freistellungsphase vor (Freizeitblock).

Am 15.1.2009 erkrankte die Klägerin arbeitsunfähig. In den Entgeltbescheinigungen der BG vom 16.2.2009 und vom 10.3.2009 sind als letzter bezahlter Tag vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit der 15.1.2009, als letzter abgerechneter Entgeltzeitraum die Zeit vom 1. bis 31.12.2008 und als in diesem Zeitraum erzieltes beitragspflichtiges Arbeitsentgelt 3.151,31 Euro brutto (1.795,51 Euro netto) sowie eine Einmalzahlung von 2.515,73 Euro ausgewiesen. Das Gesamtbruttogehalt im Februar 2009 betrug demgegenüber wegen der am 1.2.2009 begonnenen Altersteilzeit-Arbeitsphase 1.619,68 brutto bzw. 1.098,14 netto.

Die Klägerin bezog bis 26.2.2009 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und sodann ab 27.2.2009 Krankengeld von der Beklagten. Der Krankengeldzahlung lag ein Bescheid der Beklagten vom 10.3.2009 zugrunde. Krankengeld wurde wie folgt gezahlt:

27. und 28.2.2009: 64,18 Euro 1. bis 31.3.2009: 972,70 Euro 1. bis 30.4.2009: 962,70 Euro 1. bis 12.5.2009: 382,08 Euro 13.5. bis 24.6.2009: Keine Krankengeldzahlung wegen Bezugs von Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger 25.6. bis 31.12.2009 Krankengeldbezug in Höhe von 36,60 Euro (brutto) täglich 1.1. bis 14.7.2010 Krankengeldbezug in Höhe von 37,49 Euro (brutto) täglich

Mit Bescheid vom 7.4.2009 - überschrieben mit ?Berichtigung? des Bescheids vom 10.3.2009 - setzte die Beklagte das der Klägerin ab 27.2.2009 zustehende Krankengeld auf 32,09 Euro täglich fest (Krankengeldanspruch 36,60 Euro abzüglich Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 0,36 Euro bzw. 3,64 Euro und 0,51 Euro). Im Bescheid ist ausgeführt, wie man erst jetzt erfahren habe, befinde sich die Klägerin seit 1.2.2009 in Altersteilzeit. Daher sei das Krankengeld nach der ab diesem Tag geltenden Gehaltsvereinbarung zu berechnen, das bisher zuviel gezahlte Krankengeld werde mit Folgezahlungen verrechnet.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, für die Höhe des Krankengelds sei der letzte Lohnabrechnungszeitraum vor der Arbeitsunfähigkeit (Dezember 2008) maßgeblich. Spätere Änderungen des Arbeitsvertrages seien unerheblich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.9.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Krankengeldanspruch ruhe zur Hälfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach der Altersteilzeitvereinbarung arbeite die Klägerin ab 1.2.2009 in Vollzeit, erhalte das Arbeitsentgelt aber nur zur Hälfte ausgezahlt; mit der anderen Hälfte werde das Wertguthaben für die Freistellungsphase aufgefüllt. In der Freistellungsphase bekomme die Klägerin hälftiges Arbeitsentgelt, obwohl sie dann nicht mehr arbeite. Die BG fülle das Wertguthaben auch in solchen Zeiten (weiter) auf, in denen der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht arbeite. Die Arbeitsunfähigkeit während der Ansparphase wirke sich daher nur insoweit aus, als das hälftige Arbeitsentgelt ausfalle. Hinsichtlich der Auffüllung des Wertguthabens trete jedoch kein Einkommensausfall ein; nur die Auszahlung des zur Auffüllung des Wertguthabens weiter gewährten Arbeitsentgelts sei bis zur Freistellungsphase aufgeschoben. Dies beruhe jedoch nicht auf der Arbeitsunfähigkeit, sondern auf der Altersteilzeitvereinbarung.

Am 29.10.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie trug vor, der Krankengeldanspruch ruhe gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, soweit Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt und nicht nur zur Auffüllung eines Wertguthabens für die Freistellungsphase eines Altersteilzeitmodells verwendet werde. Nur mit dem tatsächlich gezahlten (erhaltenen) Arbeitsentgelt könne sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Der Bezug von Krankengeld und das Ansparen eines Wertguthabens im Rahmen eines Altersteilzeitmodells dienten der wirtschaftlichen Absicherung zu unterschiedlichen Zeiten, weshalb ein (zeitgleiches) Zusammentreffen von Arbeitsentgelt und Entgeltersatzleistung mit der Folge des Ruhens des Krankengeldanspruchs nicht vorliege. Das Wertguthaben erlange seinen vollen wirtschaftlichen Wert erst mit Beendigung der Ansparphase und sei so gleichsam aufschiebend bedingt.

Die Beklagte trug vor, der Klägerin sei auch der zur Auffüllung des Wertguthabens verwendete Teil ihres Arbeitsentgelts zugeflossen. Der Krankengeldanspruch, der nach Maßgabe des im Dezember 2008 noch in voller Höhe gezahlten Arbeitsentgelts berechnet worden sei, ruhe daher zur Hälfte. Bei voller Zahlung des Krankengelds stelle sich die Klägerin als Folge der Arbeitsunfähigkeit wirtschaftlich besser. Sie erhielte dann Krankengeld in Höhe von 70% des im Dezember 2008 (noch voll) bezogenen Bruttoarbeitsentgelts und zusätzlich Arbeitsentgelt in Höhe von 50% zur Auffüllung des Wertguthabens, im Ergebnis also um 20% über dem (vollen) Bruttoarbeitsentgelt liegende Entgelt- und Entgeltersatzleistungen. Das widerspreche der Entgeltersatzfunktion des Krankengelds. Aus der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V folge nichts anderes. Danach ruhe der Anspruch auf Krankengeld soweit und solange für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung (§ 7 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV) eine Arbeitsleistung nicht geschuldet werde. Diese Bestimmung gelte für typische Altersteilzeitregelungen, da sie über § 7 Abs. 1a SGB IV mittelbar auf die Regelung des § 7 Abs. 1b zu Wertguthaben verweise. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1b SGB IV seien bei dem Altersteilzeitmodell der Klägerin aber nicht erfüllt, da das Wertguthaben mit einer vor oder nach der Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erbrachten Arbeitsleistung erzielt worden sein müsse und die Klägerin schon vor Beginn der Ansparphase ihres Altersteilzeitmodells arbeitsunfähig erkrankt sei. Das Wertguthaben - soweit es die BG seit dem 1.2.2009 aufgefüllt habe - sei ausschließlich mit Entgeltersatzleistungen und nicht durch Arbeitsleistung der Klägerin gebildet worden. Die Klägerin sei nach wie vor ununterbrochen arbeitsunfähig und habe deswegen für das Wertguthaben keine Arbeitsleistung in der hierfür ursprünglich vorgesehenen Ansparphase erbracht.

Mit Urteil vom 10.6.2010 änderte das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 7.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2009 ab und verurteilte die Beklagte, das Krankengeld der Klägerin nach dem vor dem 16.1.2009 zuletzt abgerechneten Arbeitsentgelt des Dezember 2008 zu berechnen. Im Tatbestand des Urteils ist (u.a.) ausgeführt, im Widerspruchsbescheid vom 29.9.2009 habe die Beklagte das Ruhen des Krankengeldanspruchs zu 50% angenommen und hierfür darauf abgestellt, wegen der Auffüllung des Wertguthabens der Klägerin auch während der Arbeitsunfähigkeitszeit komme es nicht zu einem Einkommensverlust, der durch das Krankengeld als Lohnersatzleistung auszugleichen sei. In der Klagebegründung habe sich die Klägerin (u.a.) gegen das Ruhen des Leistungsanspruchs gewandt; soweit und solange tatsächlich kein Arbeitsentgelt gezahlt werde, ruhe der Krankengeldanspruch nicht. Die Beklagte habe das in der Klageerwiderung in Abrede gestellt, weil der Klägerin unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung ein ungerechtfertigter Vorteil durch den Zufluss des (nicht ruhenden) Krankengelds zusätzlich zur Auffüllung des Wertguthabens mit Arbeitsentgelt erwachse. Das widerspreche der Lohnersatzfunktion des Krankengelds. In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ist ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, das Krankengeld müsse gem. § 47 SGB V aus dem Arbeitsentgelt der Klägerin für Dezember 2008 berechnet werden. Krankengeld könne nur für vor der Arbeitsunfähigkeit bezogenes und krankheitsbedingt weggefallenes Arbeitsentgelt gewährt werden. Maßgeblich sei die Bezugs- bzw. Referenzmethode und nicht das Lohnausfallprinzip, weshalb es nicht darauf ankomme, wie sich das Arbeitsentgelt außerhalb des Bezugs- bzw. Bemessungszeitraums entwickelt habe (BSG, Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 5/06 R -; Urt. v. 30.5.2005, - B 1 KR 19/05 R -). Das ermögliche schnelle Entscheidungen, vermeide unnötigen Verwaltungsaufwand und stelle sicher, dass mit dem Krankengeld als Entgeltersatzleistung der faktische Lebensstandard des Versicherten, der durch die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Arbeitsentgelt geprägt sei, aufrecht erhalten werde (BSG, Urt. v. 14.12.2006, a. a. O.). Daher sei hier das im Dezember 2008 erzielte Arbeitsentgelt für die Bemessung des Krankengelds maßgeblich. Auf die Verhältnisse bei Beendigung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall komme es nicht an.

Auf das ihr am 15.9.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.10.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, sie habe - wie jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 29.9.2009 klar gestellt - das Krankengeld der Klägerin nach dem Arbeitsentgelt des Dezember 2008 berechnet, weshalb das Urteil des Sozialgerichts eigentlich ins Leere gehe. Im Streit sei nicht die Berechnung des Krankengelds, sondern das (teilweise) Ruhen des Krankengeldanspruchs wegen der Auffüllung des Wertguthabens der Klägerin im Zuge ihres Altersteilzeitmodells. Im Übrigen bleibe sie bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung. Das Wertguthaben begründe nicht nur ungewisse Ansprüche auf eine ?bezahlte Freistellungsphase? in der Zukunft; es stelle vielmehr einen tatsächlichen Vermögenszuwachs dar. Das Wertguthaben müsste bei einer etwaigen Rückabwicklung der Altersteilzeitvereinbarung insgesamt, ggf. sogar an Erben der Klägerin, ausgezahlt werden. Auch wenn das Urteil des Sozialgerichts eigentlich ?ins Leere? gehe, werde der Anschein rechtswidrigen Handelns erweckt, weshalb sie ein Rehabilitationsinteresse bzw. ein Interesse an der Feststellung der Rechtmäßigkeit ihres Handelns habe. Außerdem könnte die Klägerin unter Berufung auf das angefochtene Urteil höheres Krankengeld verlangen, selbst wenn dies aus dem Tenor des Urteils nicht hervorgehe. Die Differenz zwischen dem gezahlten und dem vollen Krankengeldanspruch belaufe sich für die Zeiträume vom 27.2.2009 bis 12.5.2009 auf 1.742,70 Euro, vom 25.06.2009 bis 31.12.2009 auf 4.380,30 und für die Zeit vom 1.1.2010 bis 14.7.2010 auf 4.396,04 Euro.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.6.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend; ihr sei Krankengeld vorenthalten worden, weil die Beklagte zu Unrecht das (teilweise) Ruhen des Krankengeldanspruchs angenommen habe. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vortragen lassen, als Ausgleich für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit habe sie die Hälfte dieser Zeit (abzüglich 6 Wochen Lohnfortzahlung) nacharbeiten müssen, sodass die Freistellungsphase erst am 8.7.2012 begonnen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere ist die Beklagte durch das angefochtene Urteil beschwert.

Das Sozialgericht hat die Beklagte (vordergründig) zur Neuberechnung des Krankengelds nach Maßgabe des im Dezember 2008 erzielten Arbeitsentgelts der Klägerin verurteilt. Es hat damit dem Klagabweisungsantrag der Beklagten in formeller Hinsicht nicht entsprochen; bereits daraus folgt die Beschwer der Beklagten und damit ihr Rechtsschutzbedürfnis für die Berufungsinstanz (vgl. Meyer/Ladewig, SGG Vor § 143 Rdnr. 7 m. N.). Die Beklagte weist freilich zu Recht darauf hin, dass sie die ihr im angefochtenen Urteil aufgegebene Krankengeldberechnung bereits in dem - insoweit maßgeblichen - Widerspruchsbescheid vom 29.9.2009 vollzogen hat, weshalb die ?Berechnungsfrage?, anders als die ?Ruhensfrage?, unter den Beteiligten letztendlich auch nicht mehr streitig gewesen ist. Das Urteil des Sozialgerichts bzw. dessen Urteilsausspruch bedarf daher der Auslegung. Streitig ist im Klage- wie im Berufungsverfahren allein, ob der Krankengeldanspruch ab dem 1.2.2009 (zur Hälfte) geruht hat, weil das Wertguthaben der Klägerin für die Freistellungsphase ihres Altersteilzeitmodells von der BG als Arbeitgeberin auch während der Zeit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit weiterhin aufgefüllt worden ist. Hierüber hat das Sozialgericht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach entschieden und das (hälftige) Ruhen des Krankengeldanspruchs implizit verneint. Der Senat entnimmt dies dem Gesamtzusammengang des angefochtenen Urteils, nachdem das Sozialgericht im Urteilstatbestand den wahren Gegenstand des unter den Beteiligten herrschenden Streits durch Wiedergabe der hierauf bezogenen Begründung des Widerspruchsbescheids sowie der hierauf bezogenen Klagebegründung und Klageerwiderung festgehalten, in den Entscheidungsgründen die Verhältnisse bei Beendigung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und damit den Beginn der weiteren Auffüllung des Wertguthabens der Klägerin trotz Fortdauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für nicht maßgeblich erklärt und schließlich auf die tatsächliche Verfügungsgewalt des Versicherten über das Arbeitsentgelt abgestellt hat. Daraus geht in der Gesamtschau hervor, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, der Klägerin über das bereits gezahlte Krankengeld hinaus weiteres Krankengeld zu gewähren, und zwar dasjenige Krankengeld, das ihr nach Ansicht des Sozialgerichts rechtswidrig zur Hälfte vorenthalten worden ist.

Die Berufung der Beklagten bedarf nicht der Zulassung, da Streitgegenstand die Bewilligung weiteren Krankengelds für die Zeit vom 27.2.2009 bis 12.5.2009 und 25.6.2009 bis 14.7.2010 in Höhe von 50% des für diese Zeit bereits gezahlten Krankengelds ist. Mit einem streitigen Nachzahlungsbetrag von 10.519,04 Euro ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750 Euro damit bei Weitem überschritten. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Der Krankengeldanspruch der Klägerin hat während der Zeit ab 1.2.2009 nicht zur Hälfte geruht. Die Beklagte muss der Klägerin daher das bislang nicht gezahlte Krankengeld nachzahlen.

1.) Rechtsgrundlage für die Gewährung von Krankengeld sind die Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB V (in der während der streitigen Zeit geltenden Fassung).

a.) Gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 1.Alt. SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Anspruch entsteht von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V).

Das Krankengeld stellt eine Entgeltersatzleistung dar. Es soll dem Versicherten (ggf. nach dem Ende der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) einen Ausgleich für das wegen Arbeitsunfähigkeit vorübergehend - und nicht wie bei Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) dauerhaft - ausgefallene Arbeitsentgelt bieten und dient so gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) der wirtschaftlichen Sicherung bei Krankheit. Das Krankengeld sichert sowohl die Existenz wie die soziale Stellung des Versicherten, solange dieser seinen Lebensunterhalt krankheitsbedingt nicht aus dem (versicherten bzw. beitragspflichtigen) Arbeitsentgelt, das er bis zur Arbeitsunfähigkeit erhalten hat, bestreiten kann. Die Entgeltersatzfunktion des Krankengelds ist in § 47 Abs. 3 SGB V gesetzlich verankert und wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, dass solche Personen Krankengeld nicht erhalten, die in der Regel über zu ersetzendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht verfügen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V: bspw. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Studierende oder Familienversicherte) oder die bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit typischerweise nicht sogleich auf die Gewährung von Sozialleistungen angewiesen sind (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ff.: bspw. selbständig Erwerbstätige). Die Entgeltersatzfunktion des Krankengelds bezieht sich auf das während der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich ausgefallene Arbeitsentgelt, also nur auf dasjenige Arbeitsentgelt, über welches der Versicherte infolge der Arbeitsunfähigkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhalts (vorübergehend) nicht verfügen kann. Demgegenüber findet eine Betrachtung, die auch auf langfristige, über die Arbeitsunfähigkeitszeit hinausreichende Sachverhalte (wie bspw. die beitragsrechtliche Förderung des Aufbaus einer betrieblichen Altersversorgung, dazu etwa Senatsurteil vom 15.2.2012, - L 5 KR 115/09 -) abstellt, grundsätzlich nicht statt.

b.) Die Höhe und die Berechnung des Krankengelds sind in § 47 SGB V, das Ruhen des Krankengeldanspruchs ist in § 49 SGB V geregelt.

Gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeld 70 v. H. des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV), soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Für die Berechnung des Regelentgelts ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 SGB V das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgeblich. Bei flexibler Arbeitszeit (Blockmodell nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AltTZG) wird das für die Zeit der Freistellung (Freizeitblock) erarbeitete, jedoch nicht ausgezahlte Arbeitsentgelt (Wertguthaben) gem. § 47 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V bei der Berechnung des Regelentgelts nicht berücksichtigt. Die Versicherten sollen Krankengeld während des Arbeitsblocks (nur) auf Basis des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts erhalten (jurisPK-Bohlken, SGB V § 47 Rdnr. 76).

§ 47 Abs. 2 SGB V legt für die Krankengeldberechnung die Bezugs- bzw. Referenzmethode fest; außerdem gilt (von engen Ausnahmen abgesehen) das Zuflussprinzip. Die Referenzmethode berücksichtigt im Gegensatz zum Lohnausfallprinzip nicht, wie sich das Arbeitsentgelt außerhalb des Bezugs- bzw. des Bemessungszeitraums, insbesondere nach Eintritt des Leistungsfalls, entwickelt. Mit der Anknüpfung an das im Bemessungszeitraum erzielte und abgerechnete Entgelt wird (u.a.) sichergestellt, dass mit dem Krankengeld der faktische Lebensstandard des Versicherten aufrechterhalten bleibt, der durch die tatsächliche Verfügungsbefugnis über das Arbeitsentgelt geprägt ist (BSG, Urt. v. 14.12.2006, - B 1 KR 5/06 R -). Das Krankengeld soll den wirtschaftlichen Status des Versicherten sichern, der zuletzt vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bestanden hat (BSG, Vorlagebeschluss vom 5.7.2005, - B 1 KR 7/05 R -).

Gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Durch das Ruhen des Krankengeldanspruchs bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitsentgelt soll verhindert werden, dass das Krankengeld nicht nur die wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB I) gewährleistet, sondern infolge des Zusammentreffens mit Arbeitsentgelt zu einer Überversorgung des Versicherten während der Zeit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit führt. Auch für den Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gilt daher das Zuflussprinzip; das Gesetz verlangt, dass die Versicherten Arbeitsentgelt ?erhalten?. Wird während der Zeit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt nicht gezahlt, ruht der Krankengeldanspruch nicht; aus welchen Gründen das Arbeitsentgelt nicht gezahlt wird, ist unerheblich. Da der Krankengeldanspruch gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auch nur ruht, ?solange? die Versicherten Arbeitsentgelt erhalten, kommt es auf den tatsächlichen und zeitgleichen Bezug von Arbeitsentgelt und Krankengeld an. § 49 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz SGB V verdeutlicht das zusätzlich. Danach führt einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wie regelmäßig (erst) am Ende des Jahres gezahltes Weihnachtsgeld, nicht zum Ruhen des Krankengeldanspruchs. Der Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V soll eine (aktuelle) Überversorgung des Versicherten durch den zeitgleichen Bezug von Krankengeld und Arbeitsentgelt während der Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch eine (potentielle) Bereicherung verhindern, zu der es (nur) bei einer über die Arbeitsunfähigkeitszeit hinausgreifender Betrachtungsweise kommen kann.

Bei Altersteilzeit im Rahmen des Blockmodells nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AltTZG knüpft das Gesetz im Hinblick auf die Entgeltersatzfunktion des Krankengelds und die Maßgeblichkeit des Zuflussprinzips folgerichtig sowohl für die Berechnung des Krankengelds (§ 47 SGB V) wie das Ruhen des Krankengeldanspruchs (§ 49 SGB V) im Grundsatz an die tatsächlichen Verhältnisse bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt Arbeitsunfähigkeit während der Ansparphase (Arbeitsblock) ein, wird das Krankengeld - freilich unbeschadet der auf den Vormonat abstellenden Referenzmethode - (nur) nach dem tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelt berechnet; Arbeitsentgelt zur Auffüllung des Wertguthabens bleibt unberücksichtigt (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB V). Tritt Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase (Freizeitblock) ein, ruht der Krankengeldanspruch gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Der Versicherte, der keine Arbeitsleistung mehr schuldet, aber weiterhin Arbeitseinkommen (aus dem Wertguthaben) bezieht, bedarf nicht des Schutzes der Sozialversicherung, da er keinen Arbeitsentgeltverlust erleidet (jurisPK-Brinkhoff, SGB V § 49 Rdnr. 62 ff.). Nach der Konzeption des Gesetzes soll das während der Ansparphase in das Wertguthaben geflossene Arbeitsentgelt Krankengeldzahlungen daher nur bei seinem ?Abfluss? (bei seiner Fälligkeit) während der Freistellungsphase, nicht jedoch auch und zusätzlich bei seinem ?Zufluss? (in das Wertguthaben) während der Ansparphase entgegenstehen. Unerheblich ist, ob das Wertguthaben neben dem in der Ansparphase gutgeschriebenen Arbeitsentgelt nur mit Entgeltersatzleistungen aufgefüllt worden ist.

2.) Davon ausgehend muss die Beklagte der Klägerin Krankengeld für die streitige Zeit (27.2.2009 bis 12.5.2009 und 25.6.2009 bis 14.7.2010) zur Hälfte nachzahlen.

Die Beteiligten streiten (zu Recht) nicht darüber, dass der Klägerin seinerzeit Krankengeld dem Grunde nach zugestanden hat. Sie ist arbeitsunfähig gem. § 44 SGB V gewesen und dies ist auch jeweils (rechtzeitig) ärztlich festgestellt worden (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Die Beklagte hat das Krankengeld - im das Verwaltungsverfahren abschließenden und für die Rechtskontrolle maßgeblichen - Widerspruchsbescheid vom 29.9.2009 gem. § 47 SGB V zutreffend berechnet, für das Regelentgelt insbesondere rechtsfehlerfrei auf das im Dezember 2008 erzielte Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt abgestellt.

Der Krankengeldanspruch der Klägerin hat entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten während der streitigen Zeit nicht geruht. Die Klägerin hat ab 1.2.2009 (beitragspflichtiges) Arbeitsentgelt nicht i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erhalten.

Die Klägerin hat sich ab 1.2.2009 in der Ansparphase (Arbeitsblock) des mit ihrem Arbeitgeber vereinbarten Altersteilzeitmodells befunden. Sie hat in Vollzeit gearbeitet. Das Arbeitsentgelt ist jedoch nur zur Hälfte gezahlt und zur anderen Hälfte ihrem Wertguthaben für die Freistellungsphase (Freizeitblock) gutgeschrieben worden. Wegen der am 15.1.2009 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit ist (nach dem Ende der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) das bislang zur Hälfte gezahlte Arbeitsentgelt weggefallen. Der Arbeitgeber der Klägerin hat die andere Hälfte des Arbeitsentgelts zwar weiterhin dem Wertguthaben der Klägerin für die Freistellungsphase gutgeschrieben. Darin liegt jedoch kein Erhalt von Arbeitsentgelt i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Das in das Wertguthaben geflossene Arbeitsentgelt ist der Klägerin während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht zugeflossen und sie hat es zur wirtschaftlichen Sicherung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I) während dieser Zeit nicht verwenden können, weshalb es zu einer aktuellen Überversorgung nicht gekommen ist. Freilich kann es, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, bei einer über die Arbeitsunfähigkeitszeit hinausgreifenden Betrachtung zu einer potentiellen Bereicherung der Klägerin kommen, da das Krankengeld nach Maßgabe des im Dezember 2008, also vor Eintritt in den Arbeitsblock der Altersteilzeit noch in voller Höhe bezogenen Arbeitsentgelt berechnet wird; die Klägerin kann im wirtschaftlichen Ergebnis über ein voll aufgefülltes Wertguthaben für die Freistellungsphase verfügen und erhält außerdem während der Arbeitsunfähigkeit in der Ansparphase Krankengeld, das höher ist als das hierfür an sich vorgesehen hälftige Arbeitsentgelt. Das beruht indessen darauf, dass der Arbeitgeber das Wertguthaben trotz Arbeitsunfähigkeit und deswegen ausbleibender Arbeitsleistung weiterhin aufgefüllt (zur Zulässigkeit einer Regelung in einem Altersteilzeitvertrag, nach der ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, krankheitsbedingte Ausfallzeiten mit Krankengeldbezug während der Arbeitsphase ab Beginn der an sich vorgesehenen Freistellungsphase zur Hälfte nachzuarbeiten, LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.2009, - 14 Sa 811/09 -) hat und dass sich die Berechnung des Krankengelds nach dem Referenzprinzip des § 47 SGB V bei kurz vor der Ansparphase eingetretener Arbeitsunfähigkeit noch nach dem zuvor in voller Höhe gezahlten Arbeitsentgelt richtet. Der deswegen eintretende Vermögenszuwachs der Klägerin, der in der Zukunft durch die Zahlung von Arbeitsentgelt in der Freistellungsphase oder auf andere Weise, ggf. auch durch Auflösung des Wertguthabens, oder der bei Vorversterben der Klägerin möglicherweise durch Vererbung realisiert werden kann, ist nicht mit dem Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V abzuschöpfen.

III. Die Berufung der Klägerin hat danach keinen Erfolg. Der Senat fasst die Urteilsformel des angefochtenen Urteils zur Klarstellung neu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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