Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 203/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 11.06.2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 29.09.2010 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.06.2010 Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
III. Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der 1953 geborene Kläger absolvierte 1971 in der DDR eine Schlosserlehre und war bis 1979, unterbrochen durch Haftaufenthalte wegen versuchter Republikflucht, als Schlosser beschäftigt. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland arbeitete er von 1979 bis 1997 als Stahlbauschlosser. Von 1997 bis 2000 absolvierte er eine Umschulung zum Altenpfleger und war anschließend von 2000 bis 2009 als Altenpfleger beschäftigt.
Der Kläger befand sich vom 7.4.2010 bis 1.5.2010 in einer Leistung zu medizinischen R-habilitation im Reha-Zentrum C-Stadt. Die Reha-Ärzte attestierten ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für die letzte Tätigkeit als Altenpfleger und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Daraufhin beantragte der Kläger am 4.5.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte diese mit Bescheid vom 11.6.2010 ab. Hinsichtlich der Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stufte sie den Kläger in die zweite Gruppe der Angestellten ein und verwies ihn auf Tätigkeiten als Musterprüfer Wareneingang und Serienprüfer. Im Widerspruchsverfahren wurde der Kläger vom Chirurgen Dr. R. untersucht. Dieser teilte die Leistungseinschätzung der Reha-Ärzte. Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 29.9.2010 zurück. Als Verweisungstätigkeiten benannte sie: Musterprüfer im Wareneingang, Qualitäts- und Funktionskontrolleur, Serienprüfer sowie Bürokraft nach BAT BVIII.
Der Kläger hat am 14.10.2010 Klage zum Sozialgericht München erhoben.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers eingeholt. Darüber hinaus hat das Gericht den Neurologen und Psychiater Dr. H. nach § 106 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 27.6.2010 untersucht und folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: &61485; Dysthymie &61485; schädlicher Gebrauch von Alkohol und Nikotin &61485; beginnende Schwerhörigkeit beiderseits &61485; Halswirbelsäulenwurzelreizsyndrom &61485; Abnützungen an der Wirbelsäule und verschiedenen Gelenken
Der Gutachter hat ausgeführt, dass aus neurologischer Sicht keine zusätzlichen Leistungseinschränkungen zur chirurgischen Bewertung vorliegen würden. Eine schwere Depressivität sei aufgrund der relativ weitmaschigen Betreuung und der noch vorhandenen Möglichkeiten von therapeutischen Maßnahmen nicht anzunehmen. Für leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen. Als Altenpfleger könne der Kläger nur drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten Das Leistungsbild bestehe seit Mai 2010 voraussichtlich auf Dauer.
Nach Übermittlung des Gutachtens an die Beteiligten hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie an den im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten nicht festhalte. Sie hat jedoch die Auffassung vertreten, dass der Kläger noch folgende Tätigkeiten ausüben könne: Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationsklini-ken, Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation, Fachberater Altenhilfe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme eines Sachverständigen der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit. Die Regionaldirektion Bayern hat damit ihren technischen Berater, Herrn G., beauftragt.
Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 19.1.2012 im Ergebnis ausgeführt, dass die von der Beklagten neu genannten Verweisungstätigkeiten als Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationskliniken, Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation und Fachberater Altenhilfe dem Kläger aus medizinischen Gründen bzw. fehlender Qualifikation nicht zumutbar seien, da bei den ersten beiden Tätigkeiten jeweils mittelschwere bis schwere Hebearbeiten nicht ausgeschlossen werden könnten und der Kläger die in den Tätigkeiten geforderten höheren Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit nicht erfüllen könne und für die Tätigkeit als Fachberater Altenhilfe üblicherweise eine fachspezifischer Weiterbildung erforderlich sei. Herr G. ist weiter der Ansicht gewesen, dass der Kläger aufgrund seiner beruflichen Vorbildung nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung vollwertig unter betriebsüblichen Bedingungen als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen auf der einfachen Anlernebene sowie als Elektrogerätemontierer tätig werden könne. Das Tätigkeits-profil im Bereich der Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile wei-se eine weite Bandbreite auf, die von einfachen bis hin zu sehr anspruchsvollen komplexen Prüf- und Kontrollaufgaben reichen würden. Für diese Tätigkeiten stünden in der Industrie im Bundesgebiet wesentlich mehr als 300 Arbeitsplätze auch für Betriebsfremde zur Verfügung.
Unter Hinweis auf die entgegenstehenden berufskundlichen Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Bayern vom 29.1.2004 (SG Würzburg, S 8 RJ 611/01) und des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18.10.2005 (SG Kassel, S 7 RJ 947/03) sowie vom 10.8.2010 (SG Kassel, S 13 R 453/08) hat das Gericht den Sachverständigen gebeten, ergänzend insbesondere zur Frage Stellung zu nehmen, ob für die Verweisungstätigkeit als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen derzeit für Betriebsfremde Arbeitsplätze in relevantem Umfang bestehen. Herr G. hat dies unter Beifügung eines Auszugs aus der Arbeitsmarktstatistik hinsichtlich gemeldeter Arbeitsstellen im Bereich technischer Qualitätssicherung-Fachkraft, Qualitätskontrolleur/in sowie Auszügen aus dem Jobrotor der Bundesagentur für Arbeit mit den Suchbegriffen "Qualitätskontrolleur " und "Qualitätsprüfer" bejaht.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorlägen und zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht ersichtlich seien. Er verweist darauf, dass sich aus den Ausführungen des Sachverständigen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zweifelsfrei ergebe, dass mindestens 200-300 aktuell offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt für angelernte Tätigkeiten als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen vorhanden sind.
Der Kläger beantragt zuletzt, den Bescheid vom 11.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29.9.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger zumutbar insbesondere auf die Tätigkeit eines Prüfers und Kontrolleurs von elektromechanischen Geräten und Bauteilen verwiesen wer-den könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte und die bei-gezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingegangene Klage ist zulässig und im zuletzt noch streitgegenständlichen Umfang begründet.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 11.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2010, soweit der Antrag auf Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit abgelehnt wurde. Soweit ursprünglich von der Klage auch die Ansprüche auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI umfasst waren, wurde die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 27.7.2012 konkludent zurückgenommen.
Die Bescheide sind rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat gemäß § 240 SGB VI einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. § 240 SGB VI ist eine Sondervorschrift zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI. Da der Kläger 1953 geboren wurde, fällt er unter diese Vertrauensschutzregelung.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen.
Einschlägiger Beruf ist hier die Tätigkeit als Altenpfleger. Diese Tätigkeit kann der Kläger nur noch maximal drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Insoweit besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten, zudem auch Dr. H. das untervollschichtige Leistungsvermögen bestätigt hat. Auch bezüglich der qualitativen Einstufung der Tätigkeit be-steht im gerichtlichen Verfahren kein Streit mehr. Der Kläger ist aufgrund der dreijährigen erfolgreichen Umschulung, der Einstufung in Entgeltgruppe 8 der AVR und seiner tatsächlichen dementsprechenden Tätigkeit der III. Berufsgruppe der Angestellten zuzuordnen. Nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema (vgl. z.B. SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO) kann ein Versicherter nur auf Tätigkeiten der gleichen und jeweils niedrigeren Gruppe (z.B. Facharbeiter auf angelernte Arbeiten, angelernte Arbeiter auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) verwiesen werden. Folglich ist der Kläger nur auf Tätigkeiten verweisbar, für die ohne entsprechende Vorbildung eine Ausbildung von mindestens drei Monaten erforderlich ist (Anlernebene). Zudem darf er nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die ihm gesundheitlich zumutbar sind und auf die er unter Berücksichtigung seiner individuellen Vorkenntnisse innerhalb von drei Monaten angelernt oder eingewiesen werden kann.
Dies ist bezüglich der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren genannten Verweisungstätigkeiten "Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationskliniken", "Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation" und "Fachberater Altenhilfe" nicht der Fall. Die ersten beiden Tätigkeiten sind dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar, weil bei den Tätigkeiten schweres Heben und Tragen nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kläger darf jedoch nach den sozialmedizinischen Feststellungen von Dr. R. im Widerspruchsverfahren, an denen das Gericht keine Zweifel hat, nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Für die Tätigkeit als Fachberater Altenhilfe ist im Regelfall nach dem Berufsabschluss in der Alten- bezie-hungsweise Krankenpflege üblicherweise eine fachspezifische Weiterbildung erforderlich. Eine solche Weiterbildung hat der Kläger nicht durchlaufen. Er kann deshalb aufgrund fehlender Qualifikation derzeit nicht auf diese Tätigkeit verwiesen werden. Bezüglich dieser Einschätzungen stützt sich das Gericht maßgeblich auf die nachvollziehbaren Ausführungen des technischen Beraters der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, Herr G., in dessen berufskundlicher Stellungnahme an das Gericht.
Nach Auffassung des Gerichts kann der Kläger aber auch nicht zumutbar auf die Tätigkeiten als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen und als Elektrogerätemontierer verwiesen werden.
Bei der Tätigkeit als Elektrogerätemontierer handelt es sich ausweislich der berufskundlichen Stellungnahme um ungelernte Arbeiten. Auf solche kann der Kläger grundsätzlich aufgrund seines Berufschutzes nicht verwiesen werden. Es ist deshalb für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nach Zusendung der berufskundlichen Stellungnahme trotz vorherigem Anerkenntnis des Berufsschutzes auf diesen Beruf verwiesen hat. Ebenfalls unbefriedigend ist es, dass die Beklagte zunächst im gerichtlichen Verfahren nach Zusendung des medizinischen Gutachtens von Dr. H. explizit mitgeteilt hat, dass an den im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten nicht fest-gehalten wird. Dazu gehörten unter anderem der Musterprüfer im Wareneingang, der Qualitäts- und Funktionskontrolleur sowie der Serienprüfer. Diese Tätigkeiten sind offen-sichtlich artverwandt mit dem von Herrn G. benannten Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen. Erst nachdem der technische Berater diese Tätigkeit aufgeworfen hat, hat auch die Beklagte sich wieder darauf gestützt.
Bei der Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile handelt es sich nach den Ausführungen von Herrn G. um eine körperlich leichte Arbeit, die in geschlossenen, temperierten Räumen ausgeführt wird. Ein Wechselrhythmus zwischen sitzender und stehender Tätigkeit mit Gehabschnitten ist bei der Ausübung dieser Tätigkeit möglich. Heben und Tragen von Lasten über 10 kg kann in der industriellen Fertigung von elektro-mechanischen Geräten und Bauteilen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden und gelegentlich vorkommen, allerdings sind auch Branchen in großer Zahl zu finden, wo diese Belastungen bei der Ausübung der Tätigkeit gering gehalten werden. Unter Zugrundelegung dieser gesundheitlichen Anforderungen wäre dem Kläger die Tätigkeit durchaus zumutbar.
Jedoch konnte sich das Gericht trotz der berufskundlichen Stellungnahme und der ergänzenden Stellungnahme von Herrn G. nicht davon überzeugen, dass ausreichend Stellen als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen auf der einfachen Angelerntenebene auf dem Arbeitsmarkt auch für Betriebsfremde zur Verfügung stehen. Dies ist jedoch Voraussetzung dafür, dass auf eine solche Tätigkeit verwiesen werden kann (siehe dazu u.a. Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI, Rn 45f). Denn nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, kann nur auf eine Tätigkeit verwiesen werden, deren Vorhandensein positiv festgestellt ist (siehe dazu Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI, Rn 112 mwN).
Das Gericht kann dem Sachverständigen insoweit noch folgen, dass die Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile eine auf dem Arbeitsmarkt gängige Tätigkeit im Bereich des großen Feldes der Überwachung von Fertigungsprozessen, Materialien vom Rohstoff bis zum Endprodukt sowie Dienstleistungen durch Güteprüfungen ist, auch wenn die Tätigkeit mit der vom Sachverständigen benutzten Bezeichnung so nicht in der Datenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit aufgeführt ist. Viel-mehr wird dort die Tätigkeit als Qualitätskontrolleur mit der vom Sachverständigen verwendeten Beschreibung geführt. Bezüglich der Tätigkeit als Qualitätskontrolleur, die der Sachverständige als artverwandte Tätigkeit zum Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen beschreibt, wird üblicherweise eine Ausbildung in der Branche, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, oder eine Weiterbildung in der Qualitätsprüfung gefordert. Auch darauf hat Herr G. hingewiesen. Bei einem typischen Qualitätskontrolleur handelt es sich deshalb um eine höher qualifizierte Arbeit, die normalerweise eher auf der qualifizierten Anlernebene oder sogar auf der Facharbeiterebene anzusiedeln ist. Für eine solche gehobene Tätigkeit kann der Kläger aber auch nach Einschätzung von Herrn G. nicht innerhalb von drei Monaten eingearbeitet werden. Diese Einschätzung teilt die Kammer, auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger zuletzt vor 15 Jahren als Stahlbauschlosser beschäftigt war.
Das Gericht bezweifelt nicht die Feststellung des Sachverständigen, dass es auf dem Arbeitsmarkt auch Arbeitsplätze als Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile auf der einfachen Anlernebene gibt. Jedoch verbleiben erhebliche Zweifel, ob diese - trotz der gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen - auch mit Betriebs-fremden besetzt werden. Dagegen sprechen sämtliche dem Sachverständigen vom Gericht übersandten berufskundlichen Stellungnahmen des damals noch so genannten Landesarbeitsamtes Bayern vom 29.1.2004 sowie des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18.10.2005 und 10.8.2010. So wird zum Beispiel in dieser letzten Stellungnahme für das Sozialgericht Kassel im dortigen Rechtsstreit S 13 R 453/08 zur Tätigkeit eines Prüf- und Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie wörtlich ausgeführt: "Die angelernten Arbeitskräfte werden in der Regel aus erwerbsgeminderten betriebsinternen Arbeitskräften rekrutiert." Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sich der Arbeitsmarkt im Bereich der Qualitätsprüfung seit August 2010 erheblich geändert hat
Die oben genannten Zweifel konnte der Sachverständige auch mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2.5.2012 nicht ausräumen. Denn dort bezieht er sich entweder auf den Überbegriff "Berufe in der technischen Qualitätssicherung" oder auf die Tätigkeit als Qualitätskontrolleur oder Qualitätsprüfer. Weder aus seinen direkten Ausführungen noch aus den Anlagen lässt sich allerdings eine Aufteilung nach den Anforderungen an die Qualifikation für die Stellen in der Qualitätsprüfung entnehmen. Auch ist in den von ihm vorgelegten Auszügen aus der Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit keine Stelle er-sichtlich, die als "Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile" ausgeschrieben ist. Damit lässt sich aber nicht nachweisbar belegen, dass für die konkrete Tätigkeit als Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile insbesondere auf der einfachen Anlernebene für Betriebsfremde eine ausreichende Anzahl von offenen Arbeitsstellen im Bundesgebiet vorhanden ist.
Andere Verweisungstätigkeiten, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könnte, haben weder die Beklagte noch der berufskundliche Sachverständige benannt. Auch dem Gericht sind keine weiteren relevanten Verweisungstätigkeiten ersichtlich.
Nachdem Dr. H. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass das Leistungsvermögen als Altenpfleger seit Mai 2010 (nach Ende der Reha-Maßnahme) dauerhaft auf unter sechs Stunden gesunken ist, hat der Kläger ab 1.6.2010 Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die ur-sprünglich erhobene Klage teilweise erfolgreich war.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.06.2010 Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
III. Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der 1953 geborene Kläger absolvierte 1971 in der DDR eine Schlosserlehre und war bis 1979, unterbrochen durch Haftaufenthalte wegen versuchter Republikflucht, als Schlosser beschäftigt. Nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland arbeitete er von 1979 bis 1997 als Stahlbauschlosser. Von 1997 bis 2000 absolvierte er eine Umschulung zum Altenpfleger und war anschließend von 2000 bis 2009 als Altenpfleger beschäftigt.
Der Kläger befand sich vom 7.4.2010 bis 1.5.2010 in einer Leistung zu medizinischen R-habilitation im Reha-Zentrum C-Stadt. Die Reha-Ärzte attestierten ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für die letzte Tätigkeit als Altenpfleger und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Daraufhin beantragte der Kläger am 4.5.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte diese mit Bescheid vom 11.6.2010 ab. Hinsichtlich der Rente wegen teil-weiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stufte sie den Kläger in die zweite Gruppe der Angestellten ein und verwies ihn auf Tätigkeiten als Musterprüfer Wareneingang und Serienprüfer. Im Widerspruchsverfahren wurde der Kläger vom Chirurgen Dr. R. untersucht. Dieser teilte die Leistungseinschätzung der Reha-Ärzte. Den eingelegten Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 29.9.2010 zurück. Als Verweisungstätigkeiten benannte sie: Musterprüfer im Wareneingang, Qualitäts- und Funktionskontrolleur, Serienprüfer sowie Bürokraft nach BAT BVIII.
Der Kläger hat am 14.10.2010 Klage zum Sozialgericht München erhoben.
Das Gericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine Arbeitgeberauskunft des letzten Arbeitgebers eingeholt. Darüber hinaus hat das Gericht den Neurologen und Psychiater Dr. H. nach § 106 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat den Kläger am 27.6.2010 untersucht und folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: &61485; Dysthymie &61485; schädlicher Gebrauch von Alkohol und Nikotin &61485; beginnende Schwerhörigkeit beiderseits &61485; Halswirbelsäulenwurzelreizsyndrom &61485; Abnützungen an der Wirbelsäule und verschiedenen Gelenken
Der Gutachter hat ausgeführt, dass aus neurologischer Sicht keine zusätzlichen Leistungseinschränkungen zur chirurgischen Bewertung vorliegen würden. Eine schwere Depressivität sei aufgrund der relativ weitmaschigen Betreuung und der noch vorhandenen Möglichkeiten von therapeutischen Maßnahmen nicht anzunehmen. Für leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünde ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen. Als Altenpfleger könne der Kläger nur drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten Das Leistungsbild bestehe seit Mai 2010 voraussichtlich auf Dauer.
Nach Übermittlung des Gutachtens an die Beteiligten hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie an den im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten nicht festhalte. Sie hat jedoch die Auffassung vertreten, dass der Kläger noch folgende Tätigkeiten ausüben könne: Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationsklini-ken, Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation, Fachberater Altenhilfe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer berufskundlichen Stellungnahme eines Sachverständigen der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit. Die Regionaldirektion Bayern hat damit ihren technischen Berater, Herrn G., beauftragt.
Dieser hat in seiner Stellungnahme vom 19.1.2012 im Ergebnis ausgeführt, dass die von der Beklagten neu genannten Verweisungstätigkeiten als Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationskliniken, Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation und Fachberater Altenhilfe dem Kläger aus medizinischen Gründen bzw. fehlender Qualifikation nicht zumutbar seien, da bei den ersten beiden Tätigkeiten jeweils mittelschwere bis schwere Hebearbeiten nicht ausgeschlossen werden könnten und der Kläger die in den Tätigkeiten geforderten höheren Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit nicht erfüllen könne und für die Tätigkeit als Fachberater Altenhilfe üblicherweise eine fachspezifischer Weiterbildung erforderlich sei. Herr G. ist weiter der Ansicht gewesen, dass der Kläger aufgrund seiner beruflichen Vorbildung nach einer bis zu drei Monate dauernden Einarbeitung und Einweisung vollwertig unter betriebsüblichen Bedingungen als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen auf der einfachen Anlernebene sowie als Elektrogerätemontierer tätig werden könne. Das Tätigkeits-profil im Bereich der Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile wei-se eine weite Bandbreite auf, die von einfachen bis hin zu sehr anspruchsvollen komplexen Prüf- und Kontrollaufgaben reichen würden. Für diese Tätigkeiten stünden in der Industrie im Bundesgebiet wesentlich mehr als 300 Arbeitsplätze auch für Betriebsfremde zur Verfügung.
Unter Hinweis auf die entgegenstehenden berufskundlichen Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Bayern vom 29.1.2004 (SG Würzburg, S 8 RJ 611/01) und des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18.10.2005 (SG Kassel, S 7 RJ 947/03) sowie vom 10.8.2010 (SG Kassel, S 13 R 453/08) hat das Gericht den Sachverständigen gebeten, ergänzend insbesondere zur Frage Stellung zu nehmen, ob für die Verweisungstätigkeit als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen derzeit für Betriebsfremde Arbeitsplätze in relevantem Umfang bestehen. Herr G. hat dies unter Beifügung eines Auszugs aus der Arbeitsmarktstatistik hinsichtlich gemeldeter Arbeitsstellen im Bereich technischer Qualitätssicherung-Fachkraft, Qualitätskontrolleur/in sowie Auszügen aus dem Jobrotor der Bundesagentur für Arbeit mit den Suchbegriffen "Qualitätskontrolleur " und "Qualitätsprüfer" bejaht.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorlägen und zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht ersichtlich seien. Er verweist darauf, dass sich aus den Ausführungen des Sachverständigen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht zweifelsfrei ergebe, dass mindestens 200-300 aktuell offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt für angelernte Tätigkeiten als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen vorhanden sind.
Der Kläger beantragt zuletzt, den Bescheid vom 11.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29.9.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger zumutbar insbesondere auf die Tätigkeit eines Prüfers und Kontrolleurs von elektromechanischen Geräten und Bauteilen verwiesen wer-den könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte und die bei-gezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die fristgemäß eingegangene Klage ist zulässig und im zuletzt noch streitgegenständlichen Umfang begründet.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 11.6.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2010, soweit der Antrag auf Gewährung einer teilweisen Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit abgelehnt wurde. Soweit ursprünglich von der Klage auch die Ansprüche auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI umfasst waren, wurde die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 27.7.2012 konkludent zurückgenommen.
Die Bescheide sind rechtwidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat gemäß § 240 SGB VI einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
§ 240 SGB VI dehnt aus Gründen des Vertrauensschutzes den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 02.01.1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. § 240 SGB VI ist eine Sondervorschrift zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI. Da der Kläger 1953 geboren wurde, fällt er unter diese Vertrauensschutzregelung.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen.
Einschlägiger Beruf ist hier die Tätigkeit als Altenpfleger. Diese Tätigkeit kann der Kläger nur noch maximal drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten. Insoweit besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten, zudem auch Dr. H. das untervollschichtige Leistungsvermögen bestätigt hat. Auch bezüglich der qualitativen Einstufung der Tätigkeit be-steht im gerichtlichen Verfahren kein Streit mehr. Der Kläger ist aufgrund der dreijährigen erfolgreichen Umschulung, der Einstufung in Entgeltgruppe 8 der AVR und seiner tatsächlichen dementsprechenden Tätigkeit der III. Berufsgruppe der Angestellten zuzuordnen. Nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema (vgl. z.B. SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO) kann ein Versicherter nur auf Tätigkeiten der gleichen und jeweils niedrigeren Gruppe (z.B. Facharbeiter auf angelernte Arbeiten, angelernte Arbeiter auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes) verwiesen werden. Folglich ist der Kläger nur auf Tätigkeiten verweisbar, für die ohne entsprechende Vorbildung eine Ausbildung von mindestens drei Monaten erforderlich ist (Anlernebene). Zudem darf er nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die ihm gesundheitlich zumutbar sind und auf die er unter Berücksichtigung seiner individuellen Vorkenntnisse innerhalb von drei Monaten angelernt oder eingewiesen werden kann.
Dies ist bezüglich der von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren genannten Verweisungstätigkeiten "Krankenpfleger in Kurkliniken, Sanatorien beziehungsweise Rehabilitationskliniken", "Fachaltenpfleger klinische Geriatrie/Rehabilitation" und "Fachberater Altenhilfe" nicht der Fall. Die ersten beiden Tätigkeiten sind dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar, weil bei den Tätigkeiten schweres Heben und Tragen nicht ausgeschlossen werden kann. Der Kläger darf jedoch nach den sozialmedizinischen Feststellungen von Dr. R. im Widerspruchsverfahren, an denen das Gericht keine Zweifel hat, nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Für die Tätigkeit als Fachberater Altenhilfe ist im Regelfall nach dem Berufsabschluss in der Alten- bezie-hungsweise Krankenpflege üblicherweise eine fachspezifische Weiterbildung erforderlich. Eine solche Weiterbildung hat der Kläger nicht durchlaufen. Er kann deshalb aufgrund fehlender Qualifikation derzeit nicht auf diese Tätigkeit verwiesen werden. Bezüglich dieser Einschätzungen stützt sich das Gericht maßgeblich auf die nachvollziehbaren Ausführungen des technischen Beraters der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, Herr G., in dessen berufskundlicher Stellungnahme an das Gericht.
Nach Auffassung des Gerichts kann der Kläger aber auch nicht zumutbar auf die Tätigkeiten als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen und als Elektrogerätemontierer verwiesen werden.
Bei der Tätigkeit als Elektrogerätemontierer handelt es sich ausweislich der berufskundlichen Stellungnahme um ungelernte Arbeiten. Auf solche kann der Kläger grundsätzlich aufgrund seines Berufschutzes nicht verwiesen werden. Es ist deshalb für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nach Zusendung der berufskundlichen Stellungnahme trotz vorherigem Anerkenntnis des Berufsschutzes auf diesen Beruf verwiesen hat. Ebenfalls unbefriedigend ist es, dass die Beklagte zunächst im gerichtlichen Verfahren nach Zusendung des medizinischen Gutachtens von Dr. H. explizit mitgeteilt hat, dass an den im Widerspruchsbescheid genannten Verweisungstätigkeiten nicht fest-gehalten wird. Dazu gehörten unter anderem der Musterprüfer im Wareneingang, der Qualitäts- und Funktionskontrolleur sowie der Serienprüfer. Diese Tätigkeiten sind offen-sichtlich artverwandt mit dem von Herrn G. benannten Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen. Erst nachdem der technische Berater diese Tätigkeit aufgeworfen hat, hat auch die Beklagte sich wieder darauf gestützt.
Bei der Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile handelt es sich nach den Ausführungen von Herrn G. um eine körperlich leichte Arbeit, die in geschlossenen, temperierten Räumen ausgeführt wird. Ein Wechselrhythmus zwischen sitzender und stehender Tätigkeit mit Gehabschnitten ist bei der Ausübung dieser Tätigkeit möglich. Heben und Tragen von Lasten über 10 kg kann in der industriellen Fertigung von elektro-mechanischen Geräten und Bauteilen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden und gelegentlich vorkommen, allerdings sind auch Branchen in großer Zahl zu finden, wo diese Belastungen bei der Ausübung der Tätigkeit gering gehalten werden. Unter Zugrundelegung dieser gesundheitlichen Anforderungen wäre dem Kläger die Tätigkeit durchaus zumutbar.
Jedoch konnte sich das Gericht trotz der berufskundlichen Stellungnahme und der ergänzenden Stellungnahme von Herrn G. nicht davon überzeugen, dass ausreichend Stellen als Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen auf der einfachen Angelerntenebene auf dem Arbeitsmarkt auch für Betriebsfremde zur Verfügung stehen. Dies ist jedoch Voraussetzung dafür, dass auf eine solche Tätigkeit verwiesen werden kann (siehe dazu u.a. Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI, Rn 45f). Denn nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, kann nur auf eine Tätigkeit verwiesen werden, deren Vorhandensein positiv festgestellt ist (siehe dazu Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI, Rn 112 mwN).
Das Gericht kann dem Sachverständigen insoweit noch folgen, dass die Prüfung und Kontrolle elektromechanischer Geräte und Bauteile eine auf dem Arbeitsmarkt gängige Tätigkeit im Bereich des großen Feldes der Überwachung von Fertigungsprozessen, Materialien vom Rohstoff bis zum Endprodukt sowie Dienstleistungen durch Güteprüfungen ist, auch wenn die Tätigkeit mit der vom Sachverständigen benutzten Bezeichnung so nicht in der Datenbank BERUFENET der Bundesagentur für Arbeit aufgeführt ist. Viel-mehr wird dort die Tätigkeit als Qualitätskontrolleur mit der vom Sachverständigen verwendeten Beschreibung geführt. Bezüglich der Tätigkeit als Qualitätskontrolleur, die der Sachverständige als artverwandte Tätigkeit zum Prüfer und Kontrolleur von elektromechanischen Geräten und Bauteilen beschreibt, wird üblicherweise eine Ausbildung in der Branche, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, oder eine Weiterbildung in der Qualitätsprüfung gefordert. Auch darauf hat Herr G. hingewiesen. Bei einem typischen Qualitätskontrolleur handelt es sich deshalb um eine höher qualifizierte Arbeit, die normalerweise eher auf der qualifizierten Anlernebene oder sogar auf der Facharbeiterebene anzusiedeln ist. Für eine solche gehobene Tätigkeit kann der Kläger aber auch nach Einschätzung von Herrn G. nicht innerhalb von drei Monaten eingearbeitet werden. Diese Einschätzung teilt die Kammer, auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger zuletzt vor 15 Jahren als Stahlbauschlosser beschäftigt war.
Das Gericht bezweifelt nicht die Feststellung des Sachverständigen, dass es auf dem Arbeitsmarkt auch Arbeitsplätze als Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile auf der einfachen Anlernebene gibt. Jedoch verbleiben erhebliche Zweifel, ob diese - trotz der gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen - auch mit Betriebs-fremden besetzt werden. Dagegen sprechen sämtliche dem Sachverständigen vom Gericht übersandten berufskundlichen Stellungnahmen des damals noch so genannten Landesarbeitsamtes Bayern vom 29.1.2004 sowie des Landesarbeitsamtes Hessen vom 18.10.2005 und 10.8.2010. So wird zum Beispiel in dieser letzten Stellungnahme für das Sozialgericht Kassel im dortigen Rechtsstreit S 13 R 453/08 zur Tätigkeit eines Prüf- und Qualitätskontrolleurs in der Metallindustrie wörtlich ausgeführt: "Die angelernten Arbeitskräfte werden in der Regel aus erwerbsgeminderten betriebsinternen Arbeitskräften rekrutiert." Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sich der Arbeitsmarkt im Bereich der Qualitätsprüfung seit August 2010 erheblich geändert hat
Die oben genannten Zweifel konnte der Sachverständige auch mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 2.5.2012 nicht ausräumen. Denn dort bezieht er sich entweder auf den Überbegriff "Berufe in der technischen Qualitätssicherung" oder auf die Tätigkeit als Qualitätskontrolleur oder Qualitätsprüfer. Weder aus seinen direkten Ausführungen noch aus den Anlagen lässt sich allerdings eine Aufteilung nach den Anforderungen an die Qualifikation für die Stellen in der Qualitätsprüfung entnehmen. Auch ist in den von ihm vorgelegten Auszügen aus der Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit keine Stelle er-sichtlich, die als "Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile" ausgeschrieben ist. Damit lässt sich aber nicht nachweisbar belegen, dass für die konkrete Tätigkeit als Prüfer und Kontrolleur elektromechanischer Geräte und Bauteile insbesondere auf der einfachen Anlernebene für Betriebsfremde eine ausreichende Anzahl von offenen Arbeitsstellen im Bundesgebiet vorhanden ist.
Andere Verweisungstätigkeiten, auf die der Kläger zumutbar verwiesen werden könnte, haben weder die Beklagte noch der berufskundliche Sachverständige benannt. Auch dem Gericht sind keine weiteren relevanten Verweisungstätigkeiten ersichtlich.
Nachdem Dr. H. nachvollziehbar ausgeführt hat, dass das Leistungsvermögen als Altenpfleger seit Mai 2010 (nach Ende der Reha-Maßnahme) dauerhaft auf unter sechs Stunden gesunken ist, hat der Kläger ab 1.6.2010 Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass die ur-sprünglich erhobene Klage teilweise erfolgreich war.
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