S 41 SO 426/12 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
41
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 SO 426/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 06.09.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2012 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 02.03.2012, mit dem sie zur Auskunftserteilung über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde, weil die Antragsgegnerin vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem von ihr gepflegten Herrn XXX ausgeht. Letzterer begehrt Leistungen nach Kapitel 4. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) von der Antragsgegnerin.

Am 18. August 2011 beantragte der 19XX geborene Herr XXX – vertreten durch die 19XX geborene Antragstellerin – bei der Antragsgegnerin Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Im Hinblick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gab er an, er habe früher als Heilpraktiker gearbeitet und später das Geschäft seiner 20xx verstorbenen Ehefrau mit indianischen Kräutern übernommen und damit einen Umsatz i.H.v. EUR 15.000 jährlich erzielt. Der Umsatz sei immer weiter zurückgegangen und seit Juli 2011 verfüge er über kein Einkommen mehr. Seine Tätigkeit als Heilpraktiker habe er nach einem Schlaganfall im Jahre 2006 aufgegeben. Von einer angesparten Summe i.H.v. EUR 3.000 habe er gelebt, insbesondere die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung – zuletzt im Juli 2011 – beglichen. Aktuell erhalte er Pflegegeld in Höhe von EUR 430,- monatlich. Zu den Wohnverhältnissen erklärte Herr xxx, er lebe in der Wohnung der Antragstellerin, die eine gute Bekannte sei und seiner verstorbenen Ehefrau versprochen habe, sich um ihn zu kümmern. Die Wohnung befinde sich im Haus der Tochter der Antragstellerin. Die Antragstellerin müsse ihrer Tochter keine Miete zahlen, er müsse pauschal EUR 400,- an die Antragstellerin zahlen für "Miete, Nebenkosten, Heizkosten, Telefon, Strom, etc.". Im Laufe des Verfahrens legte Herr xxx einen Formularmietvertrag zwischen ihm und der Antragstellerin vor, bei dem die Formularfelder zum Beginn des Mietverhältnisses, der Wohnfläche der Mietwohnung und den Kündigungsfristen nicht ausgefüllt waren und der zwar unterschrieben, nicht aber datiert war. Außerdem legte er die Sterbeurkunde seiner im Jahre 20xx verstorbenen Ehefrau, Kontoauszüge der Commerzbank xxx, eine Kopie der über ihn vom Medizinischen Dienst der Pflegekasse gefertigten Pflegegutachten aus September 2006 und Juli 2011, eine Bescheinigung über die monatlichen Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung i.H.v. EUR 471,53 sowie Steuerbescheide von 2007 bis 2009 und die Steuerunterlagen für 2010 vor.

Mit Schriftsatz vom 18.10.2011 teilte die Antragsgegnerin Herrn xxx mit, dass sie vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen ihm und der Antragstellerin ausgehe und forderte ihn deshalb auf, bis zum 02.11.2011 die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nachzuweisen. Falls keine Unterlagen eingereicht würden, werde nach Aktenlage entschieden. Herr xxx teilte mit Schriftsatz vom 02.11.2011 mit, dass seitens der Antragstellerin keine Bereitschaft bestehe, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen.

Mit Bescheid vom 07.11.2011 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Herrn xxx ab. Er lebe in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Antragstellerin, so dass Grundsicherungsleistungen nur gewährt werden könnten, wenn Herr xxx auch unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Antragstellerin nicht in der Lage sei, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Antragstellerin habe sich jedoch geweigert, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Die Antragsgegnerin gehe deshalb davon aus, dass Herr xxx seinen Grundsicherungsbedarf mit eigenem Einkommen / Vermögen bzw. dem Einkommen / Vermögen der Antragstellerin decken könne und deshalb nicht bedürftig im Sinne von § 43 SGB XII sei.

Mit Widerspruch vom 10.11.2011 bestritt Herr xxx das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft und stellte unter dem 22.11.2011 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Dortmund (Az. S 41 SO 598/11 ER). Zur Begründung trug er vor, er lebe lediglich in einer Wohngemeinschaft mit der Antragstellerin, eine eheähnliche Gemeinschaft bestehe hingegen nicht. Mit der Antragstellerin verbinde ihn nur eine langjährige Freundschaft. Aus diesem Grund habe sie ihn auch bei sich als Untermieter aufgenommen und pflege ihn. Die Antragstellerin sei nach wie vor nicht bereit, gegenüber der Antragsgegnerin Angaben zu ihrer Einkommens- und Vermögenssituation zu machen und er habe auch keine Möglichkeit, sie dazu zu zwingen.

Der Außendienst der Antragsgegnerin besuchte die gemeinsame Wohnung des Herrn xxx und der Antragsstellerin am 09.12.2011: Beide schliefen in verschiedenen Räumen. In dem (Mehrgenerationen-)Haus, in dem außer Herrn xxx und der Antragstellerin noch weitere Personen lebten, werde angabegemäß für alle Bewohner gemeinsam gekocht und gewaschen. Die Bekleidung des Herrn xxx und der Antragstellerin habe sich in einem gemeinsamen Kleiderschrank im Schlafzimmer des Herrn xxx befunden.

Mit Beschluss vom 09.02.2012 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin unter Ablehnung des Antrags im Übrigen Herrn xxx vorläufig für die Zeit vom 22.11.2011 bis zum 31.08.2012, längstens jedoch bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Grundsicherung im Alter in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 (291,- Euro) monatlich zu gewähren. Bei der der Entscheidung zu Grunde liegenden Folgenabwägung sei zu berücksichtigen gewesen, dass dem an sich im Hinblick auf die Bedürftigkeit beweisbelasteten Herrn xxx jede Möglichkeit fehle, die Antragstellerin zu den von der Antragsgegnerin begehrten Angaben zu ihrem Einkommen und Vermögen zu zwingen. Über solche Möglichkeiten habe die Antragsgegnerin wiederum verfügt, wenn sie dem Herrn xxx erweiterte Hilfe nach § 19 Abs. 5 SGB XII gewährt und dann ihren Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII gegenüber der Antragstellerin geltend gemacht und notfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt hätte. Es habe deshalb an der Antragsgegnerin gelegen, die Beweisnot des Herrn xxx zu beseitigen, ohne sich dabei – wegen der Möglichkeit des Aufwendungsersatzes nach § 19 Abs. 5 SGB XII – endgültig zu binden.

Unter dem 17.02.2012 teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Herrn xxx mit, dass die aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Dortmunds zu erbringenden Zahlungen nunmehr an Herrn xxx ausgekehrt würden. Diese sowie auch zukünftige Zahlungen erfolgten nach § 19 Abs. 5 SGB XII.

Mit dem hier streitgegenständlichem Bescheid vom 02.03.2012 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, ihr gem. § 117 SGB XII Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen, u.a. durch Ausfüllen eines dem Bescheid beiliegenden Formulars und durch Vorlage von Einkommensbescheinigungen der letzten zwölf Monate, des letzten Einkommenssteuerbescheides und weiterer Beweisurkunden. Zur Begründung gab die Antragsgegnerin an, die Antragstellerin und Herr xxx bildeten eine eheähnliche Gemeinschaft i.S.d. § 20 SGB XII.

Am 08.03.2012 legte die Antragstellerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen ihr und Herrn xxx und somit eine Auskunftspflicht nicht bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2012 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung des Auskunftsersuchens nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Sie sei aufgrund einer Vielzahl von Indizien vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft überzeugt: Herr xxx sei gesundheitlich seit 2006 nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Kräuterhandel selbstständig durchzuführen. Dieser habe vielmehr nur mit Hilfe und Unterstützung der Antragstellerin aufrecht erhalten werden können. Sein Einkommen aus dem Kräuterhandel habe darüber hinaus schon seit Jahren nicht zur vollständigen Sicherstellung seines Lebensunterhalts genügt, diesbezügliche Hilfe habe Herr xxx nur durch die Antragstellerin erhalten können. Weiter habe die Antragstellerin jedenfalls seit 2006 mit Herrn xxx zusammen gelebt und nach dessen Schlaganfall am 15.06.2006 auch dessen Pflege übernommen und diese nicht etwa dem Sohn oder Dritten überlassen. Die Tatsache, dass Herr xxx nach seinen Schlaganfällen in xxx behandelt worden sei, obwohl er seinerzeit noch in xxx gewohnt habe, spreche darüber hinaus dafür, dass Herr xxx bereits vor dem Jahr 2006 mit der Antragstellerin zusammen gelebt habe. Schließlich sei im Grundantrag des Herrn xxx angegeben worden, dass die beantragten Grundsicherungsleistungen auf das Konto der Antragstellerin überwiesen werden sollten, obwohl Herr xxx über ein eigenes Konto verfügte und habe Herr xxx der Antragstellerin das von ihm für seine Beerdigung angesparte Geld zur Verwahrung übergeben. Eine eheähnliche Gemeinschaft begründe – über § 20 SGB XII i.V.m. § 39 SGB XII – auch eine Auskunftspflicht nach § 117 SGB XII und die Auskunft sei – weil Einkommen und Vermögen der Antragstellerin die Höhe des Sozialhilfeanspruchs des Herrn xxx beeinflussten – zur Durchführung des SGB XII auch erforderlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete die Antragsgegnerin damit, dass dadurch auch während eines etwaigen Klageverfahrens Maßnahmen ergriffen werden könnten, um die zur Prüfung des Leistungsanspruchs des Herrn Xxx benötigten Auskünfte zu erhalten. Außerdem werde Herrn Xxx erweiterte Hilfe nach § 19 Abs. 5 SGB XII geleistet, so dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, einen möglichen Aufwendungsersatzanspruch zu prüfen. Die aufschiebende Wirkung etwaiger Rechtsbehelfe gegen das Auskunftsersuchen hätte möglicherweise zur Folge, dass ein möglicher Aufwendungsersatzanspruch nicht zeitnah geltend gemacht werden könne, was dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen Verwendung öffentlicher Gelder widerspreche.

Am 18.10.2012 teilte die Antragstellerin der Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund mit, sie habe bereits Anfang September per Einschreiben eine Klage erhoben. Nachdem ihr in der Folge kein Aktenzeichen mitgeteilt worden sei, habe sie auf telefonische Nachfrage und nach Übersendung des Einlieferungsbeleges erfahren, dass ihre Klageschrift nicht auffindbar sei. Deshalb übersende sie nunmehr eine Kopie der Klageschrift. Als Anlage übersandte die Antragstellerin eine Kopie der von einem Mitarbeiter des Sozialgerichts Dortmund am 06.09.2012 unterschriebenen Empfangsbestätigung sowie eine auf den 31.08.2012 datierte Klageschrift, mit der sich die Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2012 wandte. Die Präsidentin des Sozialgerichts Dortmund teilte der Antragstellerin auf deren Anfrage mit, dass das am 06.09.2012 in Empfang genommene Schreiben vom 31.08.2012 hausintern in Verlust geraten oder verfächert worden sein müsse.

Mit Bescheid vom 19.10.2012 setzte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Frist zur Auskunftserteilung bis zum 07.11.2012, drohte für den Fall nicht fristgerechter Auskunftserteilung ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 200,- an und erklärte die Zwangsgeldandrohung für sofort vollziehbar.

Am 25.10.2012 hat die Antragstellerin das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gemacht. Dazu führt sie aus, dass sie keiner Auskunftspflicht gegenüber der Antragsgegnerin unterliege. Weder bestehe eine eheähnliche Gemeinschaft mit Herrn Xxx, noch habe die Antragsgegnerin – entgegen ihrer Behauptung im an den Bevollmächtigten des Herrn Xxx gerichteten Schreiben vom 17.02.2012 – Leistungen nach § 19 Abs. 5 SGB XII erbracht. Die an Herrn Xxx rückwirkend für die Zeit ab dem 22.11.2011 erbrachten Leistungen erfolgten vielmehr allein auf Grundlage einer richterlichen Anordnung.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 06.09.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2012 anzuordnen

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung nimmt sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug.

Das Gericht hat die Antragstellerin im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten am 30.11.2012 persönlich angehört. Im Hinblick auf den Inhalt des Erörterungstermins wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.11.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Das Begehren der Antragstellerin war gem. § 123 SGG zunächst auszulegen. In ihrer Antragsschrift vom 25.10.2012 hat die unvertretene Antragstellerin ausdrücklich nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 24.10.2012 gegen den Bescheid vom 19.10.2012 (Androhung eines Zwangsgeldes) beantragt. Mit der Begründung wendet sich die Antragstellerin inhaltlich aber vor allem gegen das – der Zwangsgeldandrohung letztlich zu Grunde liegende – Auskunftsersuchen. Dementsprechend hat sie im Erörterungstermin vom 30.11.2012 erklärt, auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsbehelfe gegen das Auskunftsersuchen vom 02.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 erreichen zu wollen. Im Hinblick auf die Aufhebung der Zwangsgeldandrohung im Erörterungstermin vom 30.11.2012 durch die Antragsgegnerin ist dies letztlich das einzig verbliebene Begehren der Antragstellerin und war damit der Entscheidung zu Grunde zu legen.

Der so verstandene Antrag ist zulässig.

Insbesondere fehlt es der Antragstellerin nicht an einem allgemeinen Rechtschutzbedürfnis. Denn sie hat – wie die Erörterung der Rechtslage im Erörterungstermin vom 30.11.2012 ergeben hat – im Verfahren S 41 SO 412/12 letztlich eine (reine) Anfechtungsklage gerichtet gegen das Auskunftsersuchen vom 02.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2012 erhoben, der nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommt. Die aufschiebende Wirkung dieser Anfechtungsklage entfällt auch nicht unabhängig von der auf § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG gestützten Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 10.08.2012, weil die Klage mangels Einhaltung der Klagefrist offensichtlich unzulässig wäre (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 10. Auflage 2012, § 86a Rn 10 m.w.N.). Denn zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Klage der Antragstellerin das Gericht bereits am 06.09.2012 und damit innerhalb der Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (§ 87 Abs. 2 SGG) vom 10.08.2012 am 13.08.2012 (§ 37 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-) erreicht hat. Die Antragstellerin hat durch Vorlage einer von einem Gerichtsmitarbeiter unterzeichneten Empfangsbestätigung nachgewiesen, dass unter dem 06.09.2012 ein Schriftstück das Gericht erreicht hat. Bei diesem – nach wie vor verschwundenen – Schriftstück hat es sich nach dem Dafürhalten der Kammer um das Original der Klageschrift vom 31.08.2012 gehandelt. Zum Einen konnte die Empfangsbestätigung durch die Gerichtsverwaltung keinem anderen Schriftstück zugeordnet werden, das am 06.09.2012 beim Sozialgericht Dortmund eingegangen ist. Zum Anderen führte die Antragstellerin zu dieser Zeit kein laufendes Verfahren bei Gericht, zu dem sie Unterlagen hätte einsenden können. Schließlich erklärt dies widerspruchslos das Verhalten der Antragstellerin, die sich am 17.10.2012 zunächst telefonisch und dann am 18.10.2012 schriftlich bei Gericht um Nachforschungen zum Verbleib ihrer Klageschrift bemüht hat.

Der Antrag ist auch begründet. Denn im Rahmen der nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG u.a. vorzunehmenden gerichtlichen Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung.

Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG zu prüfen, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung formal rechtmäßig getroffen wurde und außerdem eine eigene Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (Aussetzungsinteresse) und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung (Vollzugsinteresse) anzustellen. Bei dieser gerichtlichen Interessenabwägung ist stets die nach summarischer vorläufiger Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. Auflage 2012, § 86b, Rn. 12e, m.w.N.). Bestehen nämlich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, überwiegt allein deshalb das Aussetzungsinteresse und ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Denn ein überwiegendes Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht nicht. Ist hingegen in einem Fall des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG von der Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsaktes auszugehen, kann angesichts der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) von einem überwiegenden Vollzugsinteresse (nur) ausgegangen werden, wenn neben der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes ein zusätzliches besonderes öffentliches Interesse an einer Vollziehung des Verwaltungsaktes vor Eintritt seiner Bestandskraft vorliegt (vgl. § 86a Abs. 1 Nr. 5 SGG; Keller, in: Meyer-Ladewig, § 86b Rn 12i m.w.N.).

Einer Prüfung der Einhaltung der bei Erlass einer Vollziehungsanordnung von der Antragsgegnerin zu beachtenden Formalien bedurfte es vorliegend nicht. Denn unter Berücksichtigung der im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung anzuwendenden Maßstäbe überwiegt vorliegend jedenfalls das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse: Die in der Hauptsache anhängige Anfechtungsklage hat nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der im Eilverfahren eingeschränkten Beweisanforderungen Aussicht auf Erfolg. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens vom 02.03.2012. Selbst wenn man vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herr Xxx ausgeht, fehlt es für das von der Antragsgegnerin erlassene Auskunftsersuchen jedenfalls an einer – im Hinblick auf die mit einer Auskunftspflicht verbundene Beeinträchtigung des in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin (vgl. LSG NRW, Urteile vom 14.09.2009, Az. L 20 SO 96/08 und vom 07.05.2012, Az. L 20 SO 32/12) – notwendigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Als Ermächtigungsgrundlage für ein Auskunftsersuchen gegenüber Personen, die mit Hilfebedürftigen in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, wird z.T. § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII für einschlägig gehalten (Blüggel, in: jurisPK-SGB XII, § 117 Rn 24; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII-Kommentar, 4. Auflage 2012, § 20 Rn 22; a.A. – ohne nähere Begründung - Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, aaO., § 117 Rn 21; Schoch, in: LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 117 Rn 22 jeweils m.w.N.). Zwar beziehe sich die in § 20 Satz 1 SGB XII angeordnete Gleichbehandlung mit Ehegatten nur auf die "Voraussetzungen" sowie den "Umfang [ ...] der Sozialhilfe", nicht dagegen auf Auskunftsansprüche. Gemäß § 20 Satz 2 SGB XII gelte aber § 39 SGB XII für eheähnliche Gemeinschaften entsprechend und § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII beziehe sich auf Personen, "von denen nach § 39 trotz Aufforderung unwiderlegt vermutet wird, dass sie Leistungen zum Lebensunterhalt an andere Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbringen". Über § 20 Satz 2 SGB XII gehörten hierzu eheähnliche Gemeinschaften, was auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1514, S. 61) ergäbe.

Allgemein lässt sich dieser Auffassung entgegenhalten, dass der Gesetzgeber für das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II einen Auskunftsanspruch gegenüber Personen, die mit einem SGB II-Empfänger in eheähnlicher Gemeinschaft leben, ausdrücklich geregelt hat. Wenn der Gesetzgeber sich der Problematik in dem dem SGB XII eng verwandten Rechtsgebiet bewusst war und trotz überreichlicher Gelegenheit zu gesetzgeberischem Tätigwerden eine entsprechende Regelung im SGB XII nicht eingeführt hat, spricht dies dagegen, das gleiche Ergebnis wie durch § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II über den Umweg des § 39 SGB XII herzuleiten (vgl. zu einer ähnlichen Problematik bezüglich der voneinander abweichenden § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu § 35 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB XII etwa Link, in: jurisPK-SGB XII, § 35 SGB XII, Rn 108). Überdies lässt die Anwendung des § 117 Abs. 1 Satz 3 über § 20 Satz 2 und § 39 SGB XII außer Acht, dass die widerlegbare Vermutungsregel des § 39 SGB XII, an die § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gerade anknüpft ("wird unwiderlegt vermutet") jedenfalls im Verhältnis der Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft zueinander ohnehin keine Anwendung finden kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2006, Az. L 7 SO 5441/05, juris-Rn 37 m.w.N.; Voelzke, in: jurisPK-SGB XII, § 20 Rn 34; Becker, in: jurisPK-SGB XII, § 39 SGB XII, Rn 11 m.w.N. und Ausführungen zum verbleibenden Anwendungsbereich). Denn aufgrund der wegen § 20 Satz 1 SGB XII zwingenden Anwendung des (strengen) Berücksichtigungsgebotes in § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB ("Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten [ ...] sind das Einkommen und Vermögen beider Ehegatten [ ...] gemeinsam zu berücksichtigen.") auf die eheähnliche Gemeinschaft bleibt für die (weiche) Vermutungsregelung des § 39 Satz 1 SGB XII ("wird vermutet, dass [ ...] die nachfragende Person von den anderen Personen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.") insoweit kein Raum. Fällt aber die Brücke des § 39 SGB XII bei eheähnlichen Gemeinschaften mangels Anwendbarkeit der Norm im Verhältnis der Partner zueinander weg, besteht kein Anknüpfungspunkt mehr für die Erstreckung des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf den Partner eines Hilfebedürftigen im Rahmen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.

Ungeachtet dieser Erwägungen lässt sich auf Grundlage des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII jedenfalls im Fall von Hilfebedürftigen, die Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII erhalten bzw. – wie Herr Xxx – beanspruchen, keine Ermächtigung zum Erlass eines Auskunftsersuchen gegenüber deren Partnern herleiten. Denn § 39 Satz 1 ist gem. § 43 Abs. 1 a.E. SGB XII im 4. Kapitel des SGB XII schon nicht anwendbar und kann daher auch i.V.m. § 20 Satz 2 SGB XII nicht zur Anwendbarkeit des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII führen. Dem lässt sich auch nicht entgegen halten, dass § 20 SGB XII selbst ohne Weiteres im 4. Kapitel anwendbar ist und in seinem Satz 2 § 39 SGB XII nur für "entsprechend" anwendbar erklärt. Zwar ließe dieser Wortlaut die Annahme zu, § 20 Satz 2 SGB XII wolle unabhängig vom originären Anwendungsbereich des § 39 SGB XII und den tatbestandlichen Voraussetzungen für eheähnliche Lebensgemeinschaften nur auf die Rechtsfolgen des § 39 SGB XII verweisen (Rechtsfolgenverweis). Zum einen ist vor dem Hintergrund des Wortlauts von § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ("von denen nach § 39 [ ...] vermutet wird") jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht zu Auskunftsersuchen außerhalb des durch § 43 Abs. 1 SGB XII begrenzten originären Anwendungsbereichs des § 39 SGB XII ermächtigen wollte und ermächtigt hat. Zum anderen stünden auch dieser Auslegung die oben allgemein dargelegten Überlegungen entgegen.

Das Auskunftsersuchen der Antragsgegnerin lässt sich auch nicht auf § 117 Abs. 2 und 3 SGB XII stützen. Zwar betreffen die Regelungen tatbestandlich wohl auch die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, aaO., § 117 Rn 23 m.w.N.; a.A. Schoch, in: LPK-SGB XII, aaO., § 117 Rn 27 und 31). Sie ermächtigt aber jedenfalls nicht dazu, umfassend Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Partners des Hilfebedürftigen zu verlangen, sondern erlaubt nur Auskunftsersuchen im Hinblick auf die erbrachten Leistungen (§ 117 Abs. 2: "hierüber") bzw. die Leistungen, zu denen eine Verpflichtung bestand (§ 117 Abs. 3 1. HS SGB XII) und die Guthaben und Vermögensgegenstände des Hilfebedürftigen, die der Partner verwahrt hat (§ 117 Abs. 3 2. HS SGB XII) sowie damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen.

Auch ein Rückgriff auf etwaige Auskunftsansprüche der Antragsgegnerin aus dem SGB X ist ausgeschlossen. Denn insbesondere die §§ 98, 99 SGB X werden durch spezielle und besonders ausgestaltete Auskunftspflichten – auch des SGB XII – verdrängt (Blüggel, in: jurisPK-SGB XII, § 117 Rn 24; Roos, in: von Wulffen, SGB X-Kommentar, § 99 Rn 3 zu § 116 BSHG, der Vorgängervorschrift des heutigen § 117 SGB XII).

Obwohl die Anwendung der Regelungen des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bezüglich von Haushaltsgemeinschaften auf eheähnliche Lebensgemeinschaften erst Recht geboten erscheint, kommt schließlich eine analoge Anwendung im Hinblick auf die mit einer Auskunftspflicht verbundene Beeinträchtigung des in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts der Auskunftspflichtigen aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes (§ 31 SGB I; vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.08.1996, Az. 2 BvR 2088/93, juris-Rn 13; BSG, Urteil vom 31.01.2012, Az. B 2 U 12/11 R, juris-Rn 47) nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Keiner der Beteiligten gehört zu dem in § 183 SGG genannten (kostenprivilegierten) Personenkreis.
Rechtskraft
Aus
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