L 3 AL 63/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 31 AL 183/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 63/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Eignung für den mit der Zweitausbildung angestrebten Beruf kann nicht anhand eines Abgleichs mit dem
Aufgabenzuschnitt und den Bedingungen eines konkreten einzelnen Arbeitsplatzes erfolgen. Ob eine dauerhafte berufliche Eingliederung nach aller Voraussicht erreicht wird, kann nur anhand des allgemeinen Berufsbildes eingeschätzt werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Verpflichtung der Beklagten, ihm Berufsausbildungsbeihilfe zu bewilligen.

Der am 1987 geborene Kläger wurde, von der Beklagten durch die Bewilligung von Berufsbildungsbeihilfe gefördert, von Oktober 2005 bis August 2007 zum Maurer ausgebildet. Zeiten der Arbeitslosigkeit, unterbrochen durch Fördermaßnahmen und kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit schlossen sich an. Vom 16. Juni 2008 bis 29. August 2008 war der Kläger bei der Firma SMR Haus- und Umwelttechnik D tätig, mit der er am 25. Juli 2008 einen Berufsausbildungsvertrag schloss. Danach sollte der Kläger vom 1. September 2008 bis 29. Februar 2012 zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik ausgebildet werden. Vom 30. August 2008 bis 31. August 2008 war der Klägerin wiederum arbeitslos. Zum 1. September 2008 nahm er die Berufsausbildung auf.

Am 11. September 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe.

Mit Bescheid vom 14. November 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Ausbildung könne nicht nach § 60 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung –(SGB III) gefördert werden. Der Kläger habe bereits eine berufliche Ausbildung abgeschlossen. Der Förderung der zweiten Ausbildung stehe entgegen, dass eine Vermittlung im ersten erlernten Beruf als Maurer möglich sei. Ein ärztliches Gutachten liege nicht vor.

Dagegen hat der Kläger am 2. Dezember 2008 Widerspruch eingelegt. Der ständige Kontakt mit Putz- und Maurermörtel und Staub habe bei ihm starke gesundheitliche Auswirkungen. Der Kontakt zu diesen Substanzen habe einen akuten Schub der Schuppenflechte mit schuppigen Flechten über fast den gesamten Körper sowie häufige immer wiederkehrende anfallsartige Atemnot (Asthma bronchiale) mit Erstickungsgefühl verursacht. Seit er nicht mehr als Maurer tätig sei, seien die Beschwerden rückläufig. Trotz der gesundheitlichen Probleme sei er bestrebt gewesen, die Ausbildung zum Maurer erfolgreich abzuschließen und habe dies auch erreicht.

In der Folge legte der Kläger einen Befundbericht der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. W /D vom 4. Dezember 2008 vor. Darin wird Asthma bronchiale diagnostiziert. Weiter heißt es in dem Befundbericht: "Aufgrund des Asthma bronchiale sind eine Staubexposition und das Arbeiten in wechselnden Temperaturen nicht geeignet. Während der Tätigkeit als Maurer kam es zu häufigen Exazerbationen mit deutlich erhöhtem Sprayverbrauch. Deshalb empfehle ich, die Tätigkeit als Maurer zu beenden und einen neuen Beruf ohne Belastung des Bronchialsystems zu erlernen."

Am 10. Februar 2009 wurde der Kläger durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit R begutachtet. Bei noch ausstehendem lungenärztlichem Befund kommt die Fachärztin für Arbeitsmedizin/Sozialmedizin Dr. H zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger eine Schuppenflechtenerkrankung, eine tiefe Atemwegserkrankung, eine Allergie auf Katzen- und Pferdehaare, ein leichtgradiger Haltungsrundrücken und ein brillenkorrigiertes Sehvermögen vorliegen. Damit sei der Kläger vollschichtig für maximal überwiegend mittelschwere Tätigkeiten, gelegentlich stehend, überwiegend gehend, einsetzbar. Auszuschließen seien Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wie Kälte, Nässe und Zugluft, Arbeiten mit anhaltend hoher Hautverschmutzung, anhaltend schwere körperliche Arbeiten – auch mit erhöhtem Schwitzen – und der berufliche Umgang mit den Allergenen. Der dauerhafte Einsatz als Maurer sei "eher nicht zu erwarten" und entspreche auch nicht dem Leistungsbild. Die Tätigkeit als Anlagenmechaniker nach Eigenbeschreibung des Klägers sei bedingt möglich, Lungenarztbefunde stünden noch aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der von ihm selbst gewählte Ausbildungsberuf des Anlagenmechanikers sei nicht uneingeschränkt mit dem Leistungsbild vereinbar. Eine dauerhafte berufliche Eingliederung könne daher nicht zweifelsfrei prognostiziert werden.

Die Klage vom 6. März 2009 hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 24. März 2011 abgewiesen. Die Voraussetzungen zur Förderung einer Zweiten Ausbildung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III seien nicht gegeben. Eine solche Ausbildung könne gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird. Es könne letztlich dahinstehen, ob der Kläger in seinem Beruf als Maurer auf Dauer in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Jedenfalls sei die Prognoseentscheidung der Beklagten, dass auch die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik eine dauerhafte Eingliederung nicht zweifelsfrei erwarten lasse, nicht zu beanstanden. Die mit der Tätigkeit verbundenen Arbeitsbedingungen ließen keine positive Erfolgsprognose zu. Denn auch in diesem Beruf könnten Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wie Kälte, Nässe, Hitze und Zugluft anfallen oder mit Staubentwicklung verbunden sein. Auch könne dass zum Teil notwendige Tragen von Schutzkleidung wie Kittel oder Handschuhen zu erhöhtem Schwitzen führen. Derartige Arbeitsbedingungen seien aber nach dem Gutachten von Frau Dr. H beziehungsweise der Einschätzung von Frau Dr. W für den Kläger auszuschließen.

Gegen das ihm am 4. April 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 28. April 2011. Das erstinstanzliche Gericht habe keine Feststellungen zu seinem konkreten Arbeitsplatz getroffen. Allein die Tatsache, dass er seit dem 1. September 2008 im Ausbildungsberuf ohne jegliche gesundheitliche Beeinträchtigungen beschäftigt sei, verdeutliche, dass er auch dauerhaft in dem mit Zweitausbildung erlernten Beruf unter Maßgabe der gesundheitlichen Beeinträchtigungen beschäftigt werden könne. Auch vertrete er die Rechtsauffassung, dass zwar prinzipiell eine Prognoseentscheidung zu treffen sei, die sich allerdings nur darauf zu beziehen habe, ob die Bildungsmaßnahme die Eingliederungschancen erhöht. Eine Feststellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei nicht erforderlich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. März 2011 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2009 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. September 2008 Berufsausbildungsbeihilfe für die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik in gesetzlicher Höhe und Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Gutachten und Befunde sei in Bezug auf die im Rahmen des § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III zu treffende Prognoseentscheidung weiterhin davon auszugehen, dass mit der Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik eine dauerhafte berufliche Eingliederung des Klägers nicht zu erreichen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage des Klägers abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Klägern nicht in seinen Rechten. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Zweitausbildung nicht zu.

Die maßgebenden Rechtsgrundlagen finden sich in § 60 Abs. 2 SGB III in der hier maß-gebenden, vom 30. August 2008 bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes vom 26. August 2009 [BGBl. I S. 1728]; im Folgenden: a. F.). Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III a. F. war die erstmalige Ausbildung förderungsfähig. Eine zweite Ausbildung konnte gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. gefördert werden, wenn zu erwarten war, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden konnte und durch die zweite Ausbildung die berufliche Eingliederung erreicht würde. Diese mit Wirkung vom 30. August 2008 eingefügte Regelung lies ausnahmsweise die Förderung einer zweiten Ausbildung zu. Es handelte sich dabei um eine Ermessensleistung, wobei zunächst über eine Prognose festzustellen war, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft nur im Wege der Förderung einer zweiten Ausbildung zu erreichen war (vgl. Stratmann, in: Niesel/Brand, SGB III [5. Aufl., 2010], § 60 Rdnr. 12). Erst wenn diese Prognose positiv getroffen war, war für die Beklagte der Ermessensspielraum eröffnet. Bei der Prognoseentscheidung war der Vorrang der Vermittlung gemäß § 4 SGB III zu beachten. Eine Zweitausbildung konnte nur gefördert werden, wenn eine Eingliederung überregional nicht möglich war und das Integrationsziel auch durch andere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere durch Förderung der beruflichen Weiterbildung, nicht erreicht werden konnte (vgl. Stratmann, a. a. O.).

Vorliegend bedarf keiner Entscheidung, ob die dauerhafte Integration des Klägers in den Arbeitsmarkt auf der Grundlage seiner Erstausbildung zum Maurer erfolgen kann. Da-gegen sprechen allerdings die eigene Darstellung des Klägers zu seinen gesundheitlichen Einschränkungen und die dem Senat vorliegenden medizinischen Einschätzungen. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch scheitert jedenfalls daran, dass sich der von ihm gewählte (Zweit-)Beruf mit seinem Leistungsbild nicht zweifelsfrei in Einklang bringen lässt. Nach den beigezogenen Berufsinformationen (berufenet.arbeitsagentur.de, Stichwort: Arbeitsbedingungen im Einzelnen) gehört zur Tätigkeit eines Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik auch die Arbeit bei Kälte, Hitze, Nässe, Feuchtigkeit sowie Zugluft, zum Beispiel in unbeheizten Rohbauten oder auf Baustellen unter freiem Himmel. Bei der Arbeit fallen Rauch, Staub, Gase und Dämpfe (z. B. Metallstaub, Rauchgase und Dämpfe beim Schweißen, Löten und Kleben) an. Ferner sind Schmutzarbeiten, z. B. bei Maurer- und Deckendurchbrüchen, durchzuführen. Auf diese Arbeitsbedingungen des – allgemeinen – Berufsbildes des Anlagenmechanikers ist bei der Prognose nach § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. abzustellen.

Entgegen der vom Kläger geäußerten Auffassung kann seine Eignung für den mit der Zweitausbildung angestrebten Beruf nicht anhand eines Abgleichs mit dem Aufgabenzuschnitt und den Bedingungen eines konkreten einzelnen Arbeitsplatzes erfolgen. Dies schon deshalb nicht, weil regelmäßig zu Beginn einer zweiten Ausbildung ein konkreter Arbeitsplatz noch nicht sicher in Aussicht stehen wird. Insbesondere aber kann nicht auf einen konkreten Arbeitsplatz abgestellt werden, weil nach § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. die Förderung einer Zweitausbildung nur (ausnahmsweise) dann erfolgen soll, wenn der erneut aus Mitteln der Versichertengemeinschaft betriebene finanzielle Aufwand prognostisch die dauerhafte berufliche Eingliederung sicher stellt. Da der einzelne – konkrete – Arbeitsplatz Veränderungen unterworfen sein kann, ist er insoweit als Maßstab untauglich. Die eine konkrete Arbeitsstelle prägenden Arbeitsbedingungen können sich, betrieblichen Erfordernissen folgend, verändern. Auch kann der Arbeitsplatz, etwa bei Insolvenz des Arbeitgebers, gänzlich in Wegfall geraten. Ob eine dauerhafte berufliche Eingliederung nach aller Voraussicht erreicht wird, kann daher nur anhand des allgemeinen Berufsbildes eingeschätzt werden.

Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten angestellte Überlegung, dass die beim Kläger festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu einem Leistungsbild führen, das mit den Arbeitsbedingungen eines Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik nicht in Einklang zu bringen ist, nicht zu beanstanden. Nach dem Gutachten von Dr. H sind für den Kläger Arbeiten unter ungünstigen klimatischen Bedingungen wie Kälte, Nässe und Zugluft auszuschließen. Genau diese Einflüsse treten aber nach den beigezogenen berufskundlichen Informationen bei den vom Anlagenmechaniker auszuführenden Arbeiten, zum Beispiel in unbeheizten Rohbauten oder auf Baustellen unter freiem Himmel, auf. Weiter hat Dr. H festgestellt, dass Arbeiten mit anhaltend hoher Hautverschmutzung für den Kläger nicht geeignet sind. Zu den Aufgaben des Anlagenmechanikers gehört aber auch die Verrichtung von Schmutzarbeit, zum Beispiel bei der Herstellung von Mauer- und Deckendurchbrüchen. Nach dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W und des Facharztes für Innere Medizin und Notfallmedizin M D r leidet der Kläger an Asthma bronchiale, sodass eine Staubexposition und das Arbeiten in wechselnden Temperaturen für ihn nicht geeignet sind. Neben dem bereits erwähnten Auftreten von Temperaturextremen (Kälte, Hitze) ist aber das Auftreten von Staub, wie auch Gasen und Dämpfen, typische Begleiterscheinung der Tätigkeit des Anlagenmechanikers. Wenn der Befundbericht vom 4. Dezember 2008 mit der Empfehlung endet, "einen neuen Beruf ohne Belastung des Bronchialsystems zu erlernen", wird deutlich, dass es sich dabei nicht um den vom Kläger gewählten Beruf handeln kann.

Konnte nach alldem eine Prognose dahingehend, dass eine (dauerhafte) berufliche Eingliederung nur im Wege der Förderung der Zweitausbildung zum Anlagenmechaniker zu erreichen ist, nicht getroffen werden, konnte die Zweitausbildung des Klägers nicht gefördert werden. Die Voraussetzungen für das der Beklagten nach § 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III a. F. andernfalls eröffnete Ermessen waren nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) vorliegen.

Dr. Scheer Krewer Höhl
Rechtskraft
Aus
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