Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 24 R 1233/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 350/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
gesetzliche Rentenversicherung - Rückforderungsanspruch gegen Erben bzw. Erbeserben gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI - verdrängende Spezialregelung
1. Der Anspruch aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Erbe oder Erbeserbe zugleich Empfänger bzw. Verfügender war.
2. Neben dem Anspruch aus § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI besteht keine Haftung der Erben gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB. Eine solche ist durch die Spezialregelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen (entgegen: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS, RdNr. 23-26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS, RdNr. 25-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII; im Anschluss an:
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 2 U 126/05 - JURIS, RdNr. 32 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII).
3. Rechtsstreitigkeiten, die einen Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI betreffen, sind nicht
gerichtskostenpflichtig im Sinne des § 197a SGG, sondern gerichtskostenfrei im Sinne des § 183 Satz 1 SGG.
1. Der Anspruch aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Erbe oder Erbeserbe zugleich Empfänger bzw. Verfügender war.
2. Neben dem Anspruch aus § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI besteht keine Haftung der Erben gemäß § 118 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB. Eine solche ist durch die Spezialregelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen (entgegen: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS, RdNr. 23-26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS, RdNr. 25-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII; im Anschluss an:
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 2 U 126/05 - JURIS, RdNr. 32 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII).
3. Rechtsstreitigkeiten, die einen Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI betreffen, sind nicht
gerichtskostenpflichtig im Sinne des § 197a SGG, sondern gerichtskostenfrei im Sinne des § 183 Satz 1 SGG.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2011 dahingehend abgeändert, dass ein Streitwert nicht festzusetzen ist. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten gegenüber der Klägerin, als Rechtsnachfolgerin des Stiefsohnes der verstorbenen Berechtigten, geltend gemachten Erstattung von Rentenzahlungen nach dem Tod der Berechtigten, im Zeitraum von November 1991 bis Mai 2007 in Höhe von 155.871,65 Euro.
Die am 1920 geborene Versicherte, M C , bezog nach dem, am 1922 geborenen und am 1990 vorverstorbenen H C , eine Witwenrente und eine eigene Altersrente. Diese Renten wurden durch den Postrentendienst auf das Konto der Versicherten bei der Stadt- und Kreissparkasse L bis zum Monat Mai 2007 gezahlt, obwohl diese bereits am 1991 verstorben war. Hiervon erlangte die Beklagte durch einen Postrücklauf am 12. März 2007 und Mitteilung der Stadt L vom 7. Mai 2007, auf Grund der erfolgten Nachfrage, Kenntnis. Am 10. Mai 2007 verfügte die Beklagte die endgültige Zahlungseinstellung und machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und 17. Juli 2007 gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L für die Zeit vom 1. November 1991 bis 31. März 2007 Erstattungsansprüche in Höhe von 107.917,56 Euro für die überzahlte Hinterbliebenenrente und in Höhe von 114.077,81 Euro für die überzahlte Altersrente geltend. Die Stadt- und Kreissparkasse L teilte mit Schreiben vom 16. Juli 2007 mit, den noch auf dem Empfängerkonto vorhandenen Saldo in Höhe von 65.640,52 Euro zurückzuzahlen und erklärte, dass der am 1945 geborene Stiefsohn der Versicherten und Sohn des H C , R C , der der Ehemann der Klägerin ist, über das Konto der Versicherten verfügt und Barabhebungen bis einschließlich 23. Juli 2004 vorgenommen habe. Danach sei über das Konto nicht mehr durch Dritte verfügt worden. Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Ermittlungen wurde bekannt, dass R C am 2004 verstorben ist. Mit Schreiben vom 19. September 2007 teilte die Stadt- und Kreissparkasse L mit, ausweislich der vorgelegten Monatsumsätze sei ersichtlich, dass über das Guthaben des Kontos der Versicherten ausschließlich mittels Barabhebungen verfügt worden, neben der Versicherten alleiniger Verfügungsberechtigter der Sohn der Versicherten (zutreffender Weise: der Stiefsohn) verfügungsbefugt gewesen, das Konto nicht umgeschrieben worden und keine neuen Kontoinhaber eingetragen worden seien. Nach Einholung weiterer Auskünfte machte die Beklagte gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L mit Schreiben vom 14. Februar 2008 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 156.354,85 Euro geltend. Nachdem sich die Stadt- und Kreissparkasse L auf § 118 Abs. 3 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) berufen hatte, wandte sich die Beklagte an die Klägerin, bat um Übersendung von Kontoauszügen für das Konto der Versicherten und um Übersendung eines Erbscheines für ihren verstorbenen Ehemann, R C. Nach Anhörung mit Schreiben vom 3. Februar 2009 und 25. Mai 2009 über die beabsichtigte Geltendmachung eines Erstattungsanspruches in Höhe von 155.871,65 Euro teilte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 11. Juni 2009 mit, vom Konto, auf das die Rentenleistungen gezahlt wurden, weder Kenntnis gehabt zu haben, noch über dieses verfügungsberechtigt gewesen zu sein. Sie selbst habe weder Rentenzahlungen in Empfang genommen, noch sei sie verfügungsbefugt über das Empfängerkonto gewesen. Ihre wirtschaftliche Situation erlaube auch keine Rückzahlung.
Mit Bescheid vom 25. September 2009 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 24. August 2010 forderte die Beklagte von der Klägerin, in ihrer Eigenschaft als Erbin des am 2004 verstorbenen R C , die Erstattung der Rentenüberzahlungen in Höhe von 155.871,65 Euro. Zur Begründung führte sie aus: Die Witwen- und Altersrente der Versicherten sei bis einschließlich Juni 2007 nach dem Tod ohne Rechtsgrund auf das Konto der Versicherten bei der Stadt- und Kreissparkasse L weitergezahlt worden. Bis einschließlich Juli 2004 seien Barabhebungen vom Konto der verstorbenen Versicherten durch ihren inzwischen ebenfalls verstorbenen Ehemann, als allein Verfügungsberechtigten über das Konto, vorgenommen worden. Ihr Ehemann habe daher die Rentenbeträge für die Zeit ab November 1991 zu Unrecht in Empfang genommen. Als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes habe sie die Erstattung der zu Unrecht von ihrem Ehemann in Empfang genommenen Rentenbeträge zu erstatten, ohne sich erfolgreich darauf berufen zu können, weder von der Rentenzahlung noch von dem Konto etwas gewusst zu haben.
Auf die hiergegen am 6. Oktober 2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 15. März 2011 den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2009 in der Fassung (zutreffender Weise: in der Gestalt) des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2010 aufgehoben, die Beklagte zur Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten verurteilt und den Streitwert auf 155.871,65 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar seien die Rentenzahlungen nach dem Tod der Versicherten ohne Rechtsgrund auf das bekannte Konto gezahlt worden. Einziger Verfügungsberechtigter nach dem Tod der Versicherten über das Empfängerkonto sei jedoch der verstorbene Ehemann der Klägerin gewesen. Ab dem Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Klägerin habe keine Person mehr über das Konto verfügt. Die Beklagte hätte daher nur gegenüber R C auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI einen Rückforderungsbescheid erlassen können. Die Klägerin sei weder Empfängerin der Rentenzahlungen gewesen, noch habe sie über diese verfügt, so dass die Beklagte gegenüber der Klägerin ihren Anspruch nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI stützen könne. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt gewesen, die Forderung auf der Grundlage von §§ 1922 und 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI durchzusetzen. Zwar hafte nach § 1967 BGB der Erbe auch für öffentliche Erstattungsansprüche. Der Erstattungsanspruch sei jedoch wegen der spezialgesetzlichen Regelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gegenüber dem Erben nach § 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend zu machen, wie bereits das Sächsische Landessozialgericht im Urteil vom 18. Oktober 2007 (L 2 U 126/05) zum wortgleichen § 96 des Siebenten Buches Sozialgesetzbuch a.F. (SGB VII) entschieden habe. Gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI bliebe ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt. Nach dem im vorliegenden Fall als einzige Alternative anzuwendenden § 50 Abs. 2 SGB X seien Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sein, zu erstatten, wobei bei der Geltendmachung die Regelungen der §§ 45 und 48 SGB X entsprechend zu berücksichtigen seien. Daher habe die Beklagte Vertrauensschutzregelungen zu prüfen. Unabhängig davon, dass die Beklagte keinen Vertrauensschutz geprüft habe und eine Umdeutung des entsprechenden Erstattungsbescheides nicht erfolgen könne, habe die Klägerin geltend gemacht, von der Rentenzahlung und der Verfügung des R C keine Kenntnis besessen zu haben. Dies werde dadurch gestützt, dass nach dem Tod von R C keine Person mehr über das Konto verfügt habe. Die Kostenentscheidung hat das Sozialgericht Leipzig auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt und den Streitwert, auf Grund der bezifferten Rückforderung, auf 155.871,65 Euro festgesetzt.
Gegen das ihr am 27. April 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Mai 2011 Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage verfolgt. Das Sozialgericht verkenne, ebenso wie das Sächsische Landessozialgericht im vom Sozialgericht zitierten Urteil, dass mit "Erben" im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gerade nicht die Erben eines beliebigen verfügenden Dritten, sondern allein die Erben des Berechtigten gemeint seien. Nur in den Fällen, in denen die Erben des Berechtigten weder Verfügende noch Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI seien, richte sich der Rückforderungsanspruch nach § 50 SGB X. Allein auf eine solche, hier nicht vorliegende, Fallgestaltung beziehe sich auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Juli 1998. Im Gegensatz dazu könne der Gesamtrechtsnachfolger des Erben des Versicherten, also die Klägerin, dem Rückforderungsanspruch des Leistungsträgers aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI keine in seiner Person liegenden Vertrauensschutzgründe nach den §§ 45 ff., 50 SGB X entgegenhalten. Die Klägerin hafte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 1 BGB, zu dem der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI als Erblasserschuld gehöre. Ein vorrangiger Anspruch gegenüber dem Kreditinstitut habe nicht bestanden. Zum Zeitpunkt des Todes des R C habe der Rückforderungsanspruch der Beklagten zu dessen Nachlass gehört. Die Klägerin als Alleinerbin ihres Ehemannes habe die Erbschaft nicht ausgeschlagen, so dass sie Schuldnerin des Erstattungsanspruches geworden sei. Soweit davon ausgegangen werde, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, ihren Anspruch gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des Erben durch Verwaltungsakt geltend zu machen, sei Eventualwiderklage in Form einer Leistungsklage zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, 2. hilfsweise: die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 155.871,65 Euro zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Schriftsätzen vom 23. Juni 2011 und 8. Juli 2011 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreites durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als das Sozialgericht Leipzig in seinem Urteil vom 15. März 2011 zu Unrecht einen Streitwert nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG festgesetzt hat (dazu. unter II.). In der Sache ist die Berufung der Beklagten hingegen unbegründet, weil das Sozialgericht Leipzig der Klage zu Recht stattgegeben hat. Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2010 ist rechtswidrig, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Rentenüberzahlungen nach dem Tod der Versicherten hat.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der aus dem Tatbestand folgenden tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Leipzig im angefochtenen Urteil vom 15. März 2011 Bezug und von einer weiteren Begründung Abstand genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:
1. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI stützen, weil die Klägerin weder Empfängerin noch Verfügende über die nach dem Tod der Versicherten von der Beklagten zu Unrecht geleisteten Rentenzahlungen ist.
2. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin auch nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB stützen, weil dieser Anspruch durch die spezielle Norm des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen ist (ebenso: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 2 U 126/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 32 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII; anderer Ansicht: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 25-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII).
Dass § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI eine die – übergeleitete – Erbenhaftung nach §§ 118 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB verdrängende Spezialregelung ist, ergibt sich aus dem, in den Gesetzesmaterialien hinreichend zum Ausdruck kommenden, Willen des Gesetzgebers. Dieser hatte zu der – ursprünglich noch als § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI in Kraft getretenen – Vorschrift des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI, die erst im Rahmen der Gesetzesberatungen auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) (vgl. BT-Drs. 13/3150, S. 13) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (vgl. BT-Drs. 13/2590, S. 7) in die Gesetzesnovelle eingefügt wurde, ausgeführt, mit der Regelung, wonach ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt bleibe, werde klargestellt, dass 1. Rückforderungsansprüche gegen die Erben, die nicht über die Rentenzahlung verfügt haben und deshalb nicht nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI haften, nach den allgemeinen Regelungen des SGB X geltend gemacht werden können, 2. auch insoweit der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist und 3. dabei nicht die verschärfte (also verschuldens- und vertrauensunabhängige) Haftung nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI eingreift, sondern die Vertrauensschutzregelungen des SGB X Anwendung finden (BT-Drs. 13/3150, S. 42). Damit hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Erben und Erbeserben, soweit sie nicht Verfügende oder Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind, nicht der verschärften Haftung zu unterstellen und die Bösgläubigkeit des Empfängers oder Verfügenden nicht über die Erbenhaftung "weiterzuleiten". Verstünde man die Vorschrift anders, nämlich dahingehend, dass neben der Erstattungspflicht des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI auch eine Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X in Betracht komme, und zwar auch im Falle der Verfügung und in Empfangnahme, verbliebe für sie kein relevanter Anwendungsbereich, was nicht im Plan des Gesetzgebers gelegen hat.
Soweit die Beklagte und andere Landessozialgerichte (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS-Dokument, RdNr. 26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 28-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII) meinen, § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI könne lediglich für den Erben des Empfängers oder Verfügenden in Betracht kommen, nicht aber für den noch entfernteren Erbeserben (bzw. wie die Beklagte explizit meint: "nicht für die Erben eines beliebigen verfügenden Dritten"), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn der noch weiter von der unrechtmäßigen Verfügung oder Empfangnahme entferntere Erbeserbe würde nach dieser Ansicht, wegen der Erbenhaftung, schärfer haften, als der näher stehende Erbe, der sich in seiner Person auf Vertrauensschutz berufen können soll. Das ist weder einleuchtend, noch unter Gesichtspunkten der Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte zu rechtfertigen, noch mit dem vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierungsschutz zu vereinbaren. Im Übrigen verbliebe auch insoweit kein relevanter Anwendungsbereich des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI, verstünde man diese Vorschrift, wie die Beklagte, lediglich dahingehend, dass sie nur für den nicht verfügenden oder die Rentenzahlung in Empfang genommenen Erben des verstorbenen Rentenberechtigten in Betracht käme, nicht aber auch für den Erbeserben, weil der Vertrauensschutz des Erben des verstorbenen Berechtigten regelmäßig deshalb ausgeschlossen ist. Denn diesem ist im Normalfall bekannt, dass nach dem Todesmonat des Rentenberechtigten geleistete Rentenzahlungen zu Unrecht erfolgt sind. Selbst wenn der Erbe vom Tod des Berechtigten zunächst keine Kenntnis hatte und auch nicht wusste, ob der Erblasser eine Rente bezogen hat, kann er sich nicht auf Vertrauen berufen; bösgläubig im Sinne der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ist er in dem Zeitpunkt, in dem er vom Tod des Berechtigten erfährt, von der Erbschaft Kenntnis erhält und davon weiß, dass zu den Nachlassverbindlichkeiten die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Rentenversicherungsträger gehört. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Norm statuiert, für die regelmäßig kein Anwendungsbereich eröffnet ist.
Soweit die Beklagte sinngemäß argumentiert, unter § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI seien lediglich die sich unmittelbar aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Erstattungsansprüche zu subsumieren, und in Bezug auf den vorliegenden Fall die Auffassung vertritt, die Klägerin sei nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen ihr und der Versicherten eingetreten, so dass sich die Klägerin nicht auf eigenen Vertrauensschutz, sondern nur die Erben des verstorbenen Leistungsempfängers auf einen solchen berufen könnten, ist dieser Argumentation nicht zu folgen. Die Klägerin ist als Erbin des Verfügenden durch die Erbfolge in das Leistungsverhältnis eingetreten. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das klargestellt hat, dass zum 1. Januar 1996 durch die Einführung des § 118 Abs. 4 SGB VI insoweit eine Rechtsänderung eingetreten ist, als ab diesem Zeitpunkt ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Leistungsträger und den in den Normen genannten Personen (Empfänger der Geldleistung bzw. Verfügender; Erben) eingetreten ist (BSG, Urteil vom 29. Juli 1998 - B 9 V 5/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15). Nur, und das ist in der vorliegenden Konstellation das Entscheidende, ist der übergeleitete Spezialerstattungsanspruch, der aus dem Eintritt in das Sozialrechtsverhältnis folgt, durch § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen.
3. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin schließlich nicht auf die einzig in Betracht kommende Norm des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X stützen, weil sich die Klägerin für die rückwirkende Erstattung auf Vertrauensschutz berufen kann und die Beklagte keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat.
4. Über die als Hilfsantrag von der Beklagten erhobene Eventualwiderklage ist nicht zu entscheiden, weil die innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist. Die Beklagte hat die Eventualwiderklage unter der Bedingung erhoben, dass das Gericht davon ausgeht, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihren Anspruch gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des Erben durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Davon geht das Gericht jedoch nicht aus. Vielmehr ergibt sich aus § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten, für den Fall der einzig aus der Sicht des Gerichts in Betracht kommenden Erstattungsanspruchsanspruchsgrundlage der Beklagten aus § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X, ausdrücklich.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Es handelt sich nicht um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren, weshalb es einer Streitwertfestsetzung nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG in Verbindung mit § 52 des Gerichtskostengesetzes nicht bedarf. Die Klägerin wird nach § 118 Abs. 4 SGB VI als Erbin/Rechtsnachfolgerin eines zu Unrecht "Sozialleistungen in Empfang Genommenen" in Anspruch genommen. Es handelt sich daher um ein Verfahren im Sinne des § 183 Satz 1 SGG. Wegen der widersprüchlich vom Sozialgericht tenorierten Aussprüche unter Ziffer II. und III. im Urteil vom 15. März 2001 und der im sozialgerichtlichen Verfahren zu Unrecht erhobenen Gerichtskosten, hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Insoweit war das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2011 auf die Berufung der Beklagten abzuändern und auszuurteilen, dass eine Streitwertfestsetzung nicht zu erfolgen hat.
III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Lübke Dr. Schnell
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten gegenüber der Klägerin, als Rechtsnachfolgerin des Stiefsohnes der verstorbenen Berechtigten, geltend gemachten Erstattung von Rentenzahlungen nach dem Tod der Berechtigten, im Zeitraum von November 1991 bis Mai 2007 in Höhe von 155.871,65 Euro.
Die am 1920 geborene Versicherte, M C , bezog nach dem, am 1922 geborenen und am 1990 vorverstorbenen H C , eine Witwenrente und eine eigene Altersrente. Diese Renten wurden durch den Postrentendienst auf das Konto der Versicherten bei der Stadt- und Kreissparkasse L bis zum Monat Mai 2007 gezahlt, obwohl diese bereits am 1991 verstorben war. Hiervon erlangte die Beklagte durch einen Postrücklauf am 12. März 2007 und Mitteilung der Stadt L vom 7. Mai 2007, auf Grund der erfolgten Nachfrage, Kenntnis. Am 10. Mai 2007 verfügte die Beklagte die endgültige Zahlungseinstellung und machte mit Schreiben vom 26. Juni 2007 und 17. Juli 2007 gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L für die Zeit vom 1. November 1991 bis 31. März 2007 Erstattungsansprüche in Höhe von 107.917,56 Euro für die überzahlte Hinterbliebenenrente und in Höhe von 114.077,81 Euro für die überzahlte Altersrente geltend. Die Stadt- und Kreissparkasse L teilte mit Schreiben vom 16. Juli 2007 mit, den noch auf dem Empfängerkonto vorhandenen Saldo in Höhe von 65.640,52 Euro zurückzuzahlen und erklärte, dass der am 1945 geborene Stiefsohn der Versicherten und Sohn des H C , R C , der der Ehemann der Klägerin ist, über das Konto der Versicherten verfügt und Barabhebungen bis einschließlich 23. Juli 2004 vorgenommen habe. Danach sei über das Konto nicht mehr durch Dritte verfügt worden. Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Ermittlungen wurde bekannt, dass R C am 2004 verstorben ist. Mit Schreiben vom 19. September 2007 teilte die Stadt- und Kreissparkasse L mit, ausweislich der vorgelegten Monatsumsätze sei ersichtlich, dass über das Guthaben des Kontos der Versicherten ausschließlich mittels Barabhebungen verfügt worden, neben der Versicherten alleiniger Verfügungsberechtigter der Sohn der Versicherten (zutreffender Weise: der Stiefsohn) verfügungsbefugt gewesen, das Konto nicht umgeschrieben worden und keine neuen Kontoinhaber eingetragen worden seien. Nach Einholung weiterer Auskünfte machte die Beklagte gegenüber der Stadt- und Kreissparkasse L mit Schreiben vom 14. Februar 2008 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 156.354,85 Euro geltend. Nachdem sich die Stadt- und Kreissparkasse L auf § 118 Abs. 3 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) berufen hatte, wandte sich die Beklagte an die Klägerin, bat um Übersendung von Kontoauszügen für das Konto der Versicherten und um Übersendung eines Erbscheines für ihren verstorbenen Ehemann, R C. Nach Anhörung mit Schreiben vom 3. Februar 2009 und 25. Mai 2009 über die beabsichtigte Geltendmachung eines Erstattungsanspruches in Höhe von 155.871,65 Euro teilte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 11. Juni 2009 mit, vom Konto, auf das die Rentenleistungen gezahlt wurden, weder Kenntnis gehabt zu haben, noch über dieses verfügungsberechtigt gewesen zu sein. Sie selbst habe weder Rentenzahlungen in Empfang genommen, noch sei sie verfügungsbefugt über das Empfängerkonto gewesen. Ihre wirtschaftliche Situation erlaube auch keine Rückzahlung.
Mit Bescheid vom 25. September 2009 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 24. August 2010 forderte die Beklagte von der Klägerin, in ihrer Eigenschaft als Erbin des am 2004 verstorbenen R C , die Erstattung der Rentenüberzahlungen in Höhe von 155.871,65 Euro. Zur Begründung führte sie aus: Die Witwen- und Altersrente der Versicherten sei bis einschließlich Juni 2007 nach dem Tod ohne Rechtsgrund auf das Konto der Versicherten bei der Stadt- und Kreissparkasse L weitergezahlt worden. Bis einschließlich Juli 2004 seien Barabhebungen vom Konto der verstorbenen Versicherten durch ihren inzwischen ebenfalls verstorbenen Ehemann, als allein Verfügungsberechtigten über das Konto, vorgenommen worden. Ihr Ehemann habe daher die Rentenbeträge für die Zeit ab November 1991 zu Unrecht in Empfang genommen. Als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes habe sie die Erstattung der zu Unrecht von ihrem Ehemann in Empfang genommenen Rentenbeträge zu erstatten, ohne sich erfolgreich darauf berufen zu können, weder von der Rentenzahlung noch von dem Konto etwas gewusst zu haben.
Auf die hiergegen am 6. Oktober 2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 15. März 2011 den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2009 in der Fassung (zutreffender Weise: in der Gestalt) des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2010 aufgehoben, die Beklagte zur Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten verurteilt und den Streitwert auf 155.871,65 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar seien die Rentenzahlungen nach dem Tod der Versicherten ohne Rechtsgrund auf das bekannte Konto gezahlt worden. Einziger Verfügungsberechtigter nach dem Tod der Versicherten über das Empfängerkonto sei jedoch der verstorbene Ehemann der Klägerin gewesen. Ab dem Zeitpunkt des Todes des Ehemannes der Klägerin habe keine Person mehr über das Konto verfügt. Die Beklagte hätte daher nur gegenüber R C auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI einen Rückforderungsbescheid erlassen können. Die Klägerin sei weder Empfängerin der Rentenzahlungen gewesen, noch habe sie über diese verfügt, so dass die Beklagte gegenüber der Klägerin ihren Anspruch nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI stützen könne. Die Beklagte sei auch nicht berechtigt gewesen, die Forderung auf der Grundlage von §§ 1922 und 1967 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI durchzusetzen. Zwar hafte nach § 1967 BGB der Erbe auch für öffentliche Erstattungsansprüche. Der Erstattungsanspruch sei jedoch wegen der spezialgesetzlichen Regelung des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gegenüber dem Erben nach § 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) geltend zu machen, wie bereits das Sächsische Landessozialgericht im Urteil vom 18. Oktober 2007 (L 2 U 126/05) zum wortgleichen § 96 des Siebenten Buches Sozialgesetzbuch a.F. (SGB VII) entschieden habe. Gemäß § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI bliebe ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt. Nach dem im vorliegenden Fall als einzige Alternative anzuwendenden § 50 Abs. 2 SGB X seien Leistungen, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sein, zu erstatten, wobei bei der Geltendmachung die Regelungen der §§ 45 und 48 SGB X entsprechend zu berücksichtigen seien. Daher habe die Beklagte Vertrauensschutzregelungen zu prüfen. Unabhängig davon, dass die Beklagte keinen Vertrauensschutz geprüft habe und eine Umdeutung des entsprechenden Erstattungsbescheides nicht erfolgen könne, habe die Klägerin geltend gemacht, von der Rentenzahlung und der Verfügung des R C keine Kenntnis besessen zu haben. Dies werde dadurch gestützt, dass nach dem Tod von R C keine Person mehr über das Konto verfügt habe. Die Kostenentscheidung hat das Sozialgericht Leipzig auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt und den Streitwert, auf Grund der bezifferten Rückforderung, auf 155.871,65 Euro festgesetzt.
Gegen das ihr am 27. April 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Mai 2011 Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage verfolgt. Das Sozialgericht verkenne, ebenso wie das Sächsische Landessozialgericht im vom Sozialgericht zitierten Urteil, dass mit "Erben" im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI gerade nicht die Erben eines beliebigen verfügenden Dritten, sondern allein die Erben des Berechtigten gemeint seien. Nur in den Fällen, in denen die Erben des Berechtigten weder Verfügende noch Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI seien, richte sich der Rückforderungsanspruch nach § 50 SGB X. Allein auf eine solche, hier nicht vorliegende, Fallgestaltung beziehe sich auch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29. Juli 1998. Im Gegensatz dazu könne der Gesamtrechtsnachfolger des Erben des Versicherten, also die Klägerin, dem Rückforderungsanspruch des Leistungsträgers aus § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI keine in seiner Person liegenden Vertrauensschutzgründe nach den §§ 45 ff., 50 SGB X entgegenhalten. Die Klägerin hafte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 Abs. 1 BGB, zu dem der Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI als Erblasserschuld gehöre. Ein vorrangiger Anspruch gegenüber dem Kreditinstitut habe nicht bestanden. Zum Zeitpunkt des Todes des R C habe der Rückforderungsanspruch der Beklagten zu dessen Nachlass gehört. Die Klägerin als Alleinerbin ihres Ehemannes habe die Erbschaft nicht ausgeschlagen, so dass sie Schuldnerin des Erstattungsanspruches geworden sei. Soweit davon ausgegangen werde, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, ihren Anspruch gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des Erben durch Verwaltungsakt geltend zu machen, sei Eventualwiderklage in Form einer Leistungsklage zu erheben.
Die Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, 2. hilfsweise: die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 155.871,65 Euro zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Mit Schriftsätzen vom 23. Juni 2011 und 8. Juli 2011 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreites durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 SGG).
I. Die Berufung der Beklagten ist nur insoweit begründet, als das Sozialgericht Leipzig in seinem Urteil vom 15. März 2011 zu Unrecht einen Streitwert nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG festgesetzt hat (dazu. unter II.). In der Sache ist die Berufung der Beklagten hingegen unbegründet, weil das Sozialgericht Leipzig der Klage zu Recht stattgegeben hat. Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 25. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2010 ist rechtswidrig, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Rentenüberzahlungen nach dem Tod der Versicherten hat.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen und der aus dem Tatbestand folgenden tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen wird zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Leipzig im angefochtenen Urteil vom 15. März 2011 Bezug und von einer weiteren Begründung Abstand genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:
1. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI stützen, weil die Klägerin weder Empfängerin noch Verfügende über die nach dem Tod der Versicherten von der Beklagten zu Unrecht geleisteten Rentenzahlungen ist.
2. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin auch nicht auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB stützen, weil dieser Anspruch durch die spezielle Norm des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen ist (ebenso: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. Oktober 2007 - L 2 U 126/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 32 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII; anderer Ansicht: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 25-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII).
Dass § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI eine die – übergeleitete – Erbenhaftung nach §§ 118 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit §§ 1922, 1967 BGB verdrängende Spezialregelung ist, ergibt sich aus dem, in den Gesetzesmaterialien hinreichend zum Ausdruck kommenden, Willen des Gesetzgebers. Dieser hatte zu der – ursprünglich noch als § 118 Abs. 4 Satz 3 SGB VI in Kraft getretenen – Vorschrift des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI, die erst im Rahmen der Gesetzesberatungen auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) (vgl. BT-Drs. 13/3150, S. 13) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze (vgl. BT-Drs. 13/2590, S. 7) in die Gesetzesnovelle eingefügt wurde, ausgeführt, mit der Regelung, wonach ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt bleibe, werde klargestellt, dass 1. Rückforderungsansprüche gegen die Erben, die nicht über die Rentenzahlung verfügt haben und deshalb nicht nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI haften, nach den allgemeinen Regelungen des SGB X geltend gemacht werden können, 2. auch insoweit der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist und 3. dabei nicht die verschärfte (also verschuldens- und vertrauensunabhängige) Haftung nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI eingreift, sondern die Vertrauensschutzregelungen des SGB X Anwendung finden (BT-Drs. 13/3150, S. 42). Damit hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Erben und Erbeserben, soweit sie nicht Verfügende oder Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI sind, nicht der verschärften Haftung zu unterstellen und die Bösgläubigkeit des Empfängers oder Verfügenden nicht über die Erbenhaftung "weiterzuleiten". Verstünde man die Vorschrift anders, nämlich dahingehend, dass neben der Erstattungspflicht des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI auch eine Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 2 SGB X in Betracht komme, und zwar auch im Falle der Verfügung und in Empfangnahme, verbliebe für sie kein relevanter Anwendungsbereich, was nicht im Plan des Gesetzgebers gelegen hat.
Soweit die Beklagte und andere Landessozialgerichte (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. März 2005 - L 19 R 635/01 - JURIS-Dokument, RdNr. 26; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juni 2006 - L 1 U 4329/05 - JURIS-Dokument, RdNr. 28-30 zu den inhaltsgleichen Regelungen in § 96 Abs. 4 SGB VII) meinen, § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI könne lediglich für den Erben des Empfängers oder Verfügenden in Betracht kommen, nicht aber für den noch entfernteren Erbeserben (bzw. wie die Beklagte explizit meint: "nicht für die Erben eines beliebigen verfügenden Dritten"), vermag dies nicht zu überzeugen. Denn der noch weiter von der unrechtmäßigen Verfügung oder Empfangnahme entferntere Erbeserbe würde nach dieser Ansicht, wegen der Erbenhaftung, schärfer haften, als der näher stehende Erbe, der sich in seiner Person auf Vertrauensschutz berufen können soll. Das ist weder einleuchtend, noch unter Gesichtspunkten der Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte zu rechtfertigen, noch mit dem vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierungsschutz zu vereinbaren. Im Übrigen verbliebe auch insoweit kein relevanter Anwendungsbereich des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI, verstünde man diese Vorschrift, wie die Beklagte, lediglich dahingehend, dass sie nur für den nicht verfügenden oder die Rentenzahlung in Empfang genommenen Erben des verstorbenen Rentenberechtigten in Betracht käme, nicht aber auch für den Erbeserben, weil der Vertrauensschutz des Erben des verstorbenen Berechtigten regelmäßig deshalb ausgeschlossen ist. Denn diesem ist im Normalfall bekannt, dass nach dem Todesmonat des Rentenberechtigten geleistete Rentenzahlungen zu Unrecht erfolgt sind. Selbst wenn der Erbe vom Tod des Berechtigten zunächst keine Kenntnis hatte und auch nicht wusste, ob der Erblasser eine Rente bezogen hat, kann er sich nicht auf Vertrauen berufen; bösgläubig im Sinne der §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ist er in dem Zeitpunkt, in dem er vom Tod des Berechtigten erfährt, von der Erbschaft Kenntnis erhält und davon weiß, dass zu den Nachlassverbindlichkeiten die Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Rentenversicherungsträger gehört. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Norm statuiert, für die regelmäßig kein Anwendungsbereich eröffnet ist.
Soweit die Beklagte sinngemäß argumentiert, unter § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI seien lediglich die sich unmittelbar aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Erstattungsansprüche zu subsumieren, und in Bezug auf den vorliegenden Fall die Auffassung vertritt, die Klägerin sei nicht in das Sozialrechtsverhältnis zwischen ihr und der Versicherten eingetreten, so dass sich die Klägerin nicht auf eigenen Vertrauensschutz, sondern nur die Erben des verstorbenen Leistungsempfängers auf einen solchen berufen könnten, ist dieser Argumentation nicht zu folgen. Die Klägerin ist als Erbin des Verfügenden durch die Erbfolge in das Leistungsverhältnis eingetreten. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das klargestellt hat, dass zum 1. Januar 1996 durch die Einführung des § 118 Abs. 4 SGB VI insoweit eine Rechtsänderung eingetreten ist, als ab diesem Zeitpunkt ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen dem Leistungsträger und den in den Normen genannten Personen (Empfänger der Geldleistung bzw. Verfügender; Erben) eingetreten ist (BSG, Urteil vom 29. Juli 1998 - B 9 V 5/98 R - JURIS-Dokument, RdNr. 15). Nur, und das ist in der vorliegenden Konstellation das Entscheidende, ist der übergeleitete Spezialerstattungsanspruch, der aus dem Eintritt in das Sozialrechtsverhältnis folgt, durch § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI ausgeschlossen.
3. Die Beklagte kann den geltend gemachten Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin schließlich nicht auf die einzig in Betracht kommende Norm des § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X stützen, weil sich die Klägerin für die rückwirkende Erstattung auf Vertrauensschutz berufen kann und die Beklagte keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat.
4. Über die als Hilfsantrag von der Beklagten erhobene Eventualwiderklage ist nicht zu entscheiden, weil die innerprozessuale Bedingung nicht eingetreten ist. Die Beklagte hat die Eventualwiderklage unter der Bedingung erhoben, dass das Gericht davon ausgeht, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihren Anspruch gegenüber der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin des Erben durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Davon geht das Gericht jedoch nicht aus. Vielmehr ergibt sich aus § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X die Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten, für den Fall der einzig aus der Sicht des Gerichts in Betracht kommenden Erstattungsanspruchsanspruchsgrundlage der Beklagten aus § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X, ausdrücklich.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Es handelt sich nicht um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren, weshalb es einer Streitwertfestsetzung nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG in Verbindung mit § 52 des Gerichtskostengesetzes nicht bedarf. Die Klägerin wird nach § 118 Abs. 4 SGB VI als Erbin/Rechtsnachfolgerin eines zu Unrecht "Sozialleistungen in Empfang Genommenen" in Anspruch genommen. Es handelt sich daher um ein Verfahren im Sinne des § 183 Satz 1 SGG. Wegen der widersprüchlich vom Sozialgericht tenorierten Aussprüche unter Ziffer II. und III. im Urteil vom 15. März 2001 und der im sozialgerichtlichen Verfahren zu Unrecht erhobenen Gerichtskosten, hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Insoweit war das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15. März 2011 auf die Berufung der Beklagten abzuändern und auszuurteilen, dass eine Streitwertfestsetzung nicht zu erfolgen hat.
III. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Jacobi Lübke Dr. Schnell
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