L 6 AS 1004/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 2486/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1004/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Kläger zu 1) und 2) wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.05.2012 geändert. Den Klägern zu 1) und 2) wird für das Klageverfahren für die Zeit ab 07.07.2011 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwalt Dr. D, E, beigeordnet. Die Beschwerde des Klägers zu 3) wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren um die Erstattung von (anteiligen) Kosten für Sanierungsarbeiten innerhalb einer Wohnanlage in Höhe von 350,65 EUR.

Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sind miteinander verheiratet und leben in Bedarfsgemeinschaft. Der Kläger zu 3) ist der Sohn der Klägerin zu 2). Bis zum 30.11.2009 lebte auch der Kläger zu 3) in der Bedarfsgemeinschaft, er zog zum 01.12.2009 aus und lebt seither in einem eigenen Haushalt. Die Kläger zu 1) und 2) sind Eigentümer eines Reihenhauses, das Teil einer Wohnanlage mit Gemeinschaftseigentum ist.

Am 13.07.2010 beantragte der Kläger zu 1) - der mit der Klägerin zu 2) AlG II bezog - die Übernahme von anteiligen Kosten in Höhe von zuletzt noch 350,65 EUR für ihm in Rechnung gestellte Sanierungsmaßnahmen an der Wohnanlage. Er legte Schreiben des Vertreters der Eigentümergemeinschaft vor, aus denen sich die Beschlussfassung über die Durchführung von Pflasterarbeiten und die Anbringung von Pollern im Innenhof der Wohnanlage ergibt. Nach Durchführung von Ermittlungen über Art und Umfang der Sanierungsarbeiten lehnte der Beklagte mit einem an den Kläger zu 1) gerichteten Bescheid vom 25.03.2011 die Kostenübernahme ab. Den durch den Bevollmächtigten im Namen von "Herrn M und dessen Familienangehörigen" erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit einem ausdrücklich nur auf "Herrn M" bezogenen Widerspruchsbescheid vom 09.06.2011 zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die von den Klägern zu 1) bis 3) am 07.07.2011 erhobene Klage, für die die Kläger PKH beantragt haben.

Mit Beschluss vom 11.05.2012 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag abgelehnt. In den Gründen hat das Sozialgericht ausgeführt, der Antrag sei sinngemäß dahingehend auszulegen, dass (nur) dem Kläger zu 3) PKH bewilligt werden solle. Dessen Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dies ergebe sich aus dem Widerspruchsbescheid, dem das Gericht nach eigener Prüfung folge.

Gegen diese am 21.05.2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 22.05.2012 eingegangene Beschwerde vom 21.05.2012. Mit einem ebenfalls am 22.05.2012 eingegangenen Schriftsatz vom 21.05.2012 hat der Bevollmächtigte der Kläger beantragt, den Klägern zu 1) und 2) PKH zu bewilligen.

II.

Die Schriftsätze vom 21.05.2012 sind (auch) als Beschwerden der Kläger zu 1) und 2) gegen den Beschluss vom 11.05.2012 auszulegen. Der Bevollmächtigte der Kläger hat die Beschwerde nicht auf den Kläger zu 3) beschränkt, sondern verweist auf seinen "bisherigen Schriftverkehr". Aus diesem lässt sich eine Beschränkung des PKH-Begehrens allein auf den Kläger zu 3) nicht im Ansatz entnehmen. Der Bevollmächtigte der Kläger führt im Antrag vom 21.05.2012 aus, dass eine Beschränkung seines Begehrens allein auf den Kläger zu 3) "missverständlich" gewesen sei, womit er deutlich macht, dass tatsächlich von Beginn an eine PKH-Antragstellung für alle Kläger vorliegt.

Die Zulässigkeit der Beschwerden der Kläger zu 1) und 2) scheitert nicht etwa daran, dass der angefochtene Beschluss nur auf den Kläger zu 3) bezogen wäre. Denn der PKH-Antrag ist ausdrücklich von den Klägern zu 1) bis 3) gestellt worden. Demzufolge sind die Kläger zu 1) bis 3) zutreffend im Rubrum des Beschlusses aufgeführt worden. Der Tenor des Beschlusses bezieht sich damit auf alle Kläger. Der Umstand, dass das Sozialgericht in den Gründen ausgeführt hat, der PKH-Antrag sei "sinngemäß dahingehend auszulegen", dass nur dem Kläger zu 3) PKH bewilligt werden solle, ist für die Beurteilung des Gegenstandes der Entscheidung damit unbeachtlich, zumal eine entsprechende Beschränkung sich weder aus dem Vorbringen der Kläger ergibt, noch aus deren verständiger und damit maßgeblicher Sicht irgendeinen Sinn macht. Die ausdrückliche Erwähnung allein des Klägers zu 3) im Kopfteil des Widerspruchsbescheides erfolgte offensichtlich irrtümlich und ist damit unbeachtlich.

Die zulässige Beschwerde der Kläger zu 1) und 2) ist begründet. Die Kläger zu 1) und 2) haben einen Anspruch auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts.

PKH ist gemäß §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 Satz 1 ZPO zu bewilligen, wenn - wie hier - die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Beurteilung, ob hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Für die Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussichten genügt damit, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit des Obsiegens besteht. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst darf nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen deswegen nicht überzogen werden (BVerfG, Beschluss vom 26.06.2003 - 1 BvR 1152/02, NJW 2003, 3190; Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1802/07, NJW 2008, 1060 ff.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg:

Gemäß § 22 Abs. 2 SGB II sind als Bedarf für die Unterkunft auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum i. S. d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II anzuerkennen, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauf folgenden 11 Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur umfassen Erhaltungsaufwendungen, nicht aber wertsteigernde Erneuerungsmaßnahmen oder größere Umbauten bzw. grundlegende Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten mit Umgestaltungsfolgen (vgl. hierzu nur Berlit, in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 102 m.w.N; Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2012, L 11 AS 455/09). Da die hier geltend gemachten Kosten Teil einer umfassenden, möglichweise wertsteigernden Sanierung des Innenhofs sind, könnte eine Kostenübernahme durch den Beklagten ausgeschlossen sein.

Jedoch ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Kläger zur Zahlung des Sanierungsbeitrages gesetzlich verpflichtet sind. Gemäß § 16 Abs. 2 WoEigG ist jeder Wohnungseigentümer den anderen Wohnungseigentümern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.

Es ist fraglich und nicht im PKH-Verfahren zu klären, ob derartige Aufwendungen auch (nur) unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 SGB II erstattet werden können, oder ob es sich um Bedarfe für Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II handelt, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen sind, wenn diese angemessen sind. Welche Aufwendungen zu den nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigungsfähigen tatsächlichen Kosten zählen, hängt davon ab, wie der Wohnbedarf gedeckt wird. Wird eine Mietwohnung genutzt, sind neben der reinen Miete (Grund- oder Kaltmiete) die üblichen Nebenkosten, d.h. die Betriebskosten, die der Vermieter von Gesetzes wegen in Ansatz bringen darf, umfasst, soweit sie nicht von der Regelleistung abgedeckt sind. Wird ein Eigenheim bewohnt, bedarf dieser für das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter entwickelte Maßstab der Anpassung. Zu den Unterkunftskosten gehören dann die Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte als mit dem Eigentum unmittelbar verbundende Lasten zu tragen hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2007 - L 12 AS 3932/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006 - L 10 AS 102/06).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe war - im Unterschied zu Eigentümern eines selbstbewohnten Hauses außerhalb einer Eigentümergemeinschaft (hierzu BSG, Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 38/08 R) - in der Rechtsprechung zu § 22 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung vor Inkrafttreten von § 22 Abs. 2 SGB II in der ab 01.01.2011 gültigen Fassung anerkannt, dass eine nach § 16 Abs. 2 WoEigG geschuldete Instandsetzungspauschale zu den Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II zählt (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.07.2009, L 5 AS 111/09, ZFSH SGB 2009, 744; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2007 - L 12 AS 3932/06; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.05.2006 - L 10 AS 102/06; ebenso Boerner, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn. 72; anders für die Gewährung eines größeren Darlehens für eine Dachsanierung Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2012, L 11 AS 455/09). Ob diese Rechtslage sich durch Inkrafttreten von § 22 Abs. 2 SGB II in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung geändert hat und auch auf die vom Kläger geltend gemachten Sanierungskosten zu übertragen ist, ist im Hauptsacheverfahren zu prüfen.

Eine Rechtsverfolgung des Klägers zu 3) ist hingegen ohne Erfolgsaussichten, denn dieser ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft und bewohnte bereits im Juli 2010 einen eigenen Haushalt, für den er selbständig Unterkunftskosten erhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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