Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 5 R 217/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 283/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) in dem Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 streitig.
Die am ... 1959 geborene Klägerin schloss die POS nach acht Jahren mit dem Abschluss der 7. Schulklasse ab und absolvierte dann vom 1. September 1974 bis zum 15. August 1976 eine Ausbildung im Teilberuf Wirtschaftspfleger (Abschlusszeugnis vom 13. Juli 1976). Ab dem 1. August 1976 bis zum 2. Oktober 1979 arbeitete sie ausweislich des Arbeitsvertrages mit der Agraringenieurschule N. vom 1. August 1976 als Küchenhilfe, vom 22. Oktober 1979 bis zum 30. Januar 1980 als Glühlampenanfertiger und vom 1. Februar 1980 bis zum 31. März 2000 als Beiköchin. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 22. März 1994 mit dem Land Sachsen-Anhalt war die Klägerin in Fortführung des bestehenden Arbeitsverhältnisses als vollbeschäftigte Arbeiterin auf unbestimmte Zeit beschäftigt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages war sie bei Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen mit Wirkung vom 1. Juli 1991 in die Lohngruppe 2 des MTArb-O (Tarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes vom 8. Mai 1991 in der jeweils geltenden Fassung) eingereiht. Das Arbeitsverhältnis wurde per Auflösungsvertrag vom 23. September 1999 zum 31. März 2000 beendet. Als Beiköchin war die Klägerin nach ihren Angaben in der Großküche der Agraringenieurschule N. für die Zubereitung, Ausgabe und den Verkauf der Mahlzeiten zuständig gewesen und erledigte Reinigungsarbeiten. Bereits ab dem 12. Januar 1998 war sie arbeitsunfähig und später arbeitslos. Sie bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung - SGB II).
Ab dem 17. September 2003 war bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt; seit Juli 2010 ist ein GdB von 50 festgestellt (Vergleich vom 19. Mai 2011 in dem vor dem Sozialgericht Halle geführten Klageverfahren S 12 SB 117/07).
Den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung stellte die Klägerin am 10. Januar 2006 bei der Beklagten und machte geltend, seit 1998 wegen erlittener Bandscheibenvorfälle, einer chronischen Depression, einer Struma, eines Karpaltunnelsyndroms, eines Springfingers beidseitig, eines Reizmagens und trockener Augen keine Arbeiten verrichten zu können.
Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den beiden vorangegangenen Rentenverfahren (Rentenanträge vom 19. Oktober 1998 und 30. Oktober 2001) bei, u.a. die Entlassungsberichte der T.-Fachklinik vom 29. Dezember 1998 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 16. September bis zum 7. Oktober 1998 sowie des S. Reha-Klinikums II vom 9. August 1999 über die Anschlussheilbehandlung vom 15. Juni bis zum 13. Juli 1999 nach Spondylodese am 5. Mai 1999 wegen Instabilität und Bandscheibenprotrusion L4/5. Ausweislich der sozialmedizinischen Epikrisen sei die Klägerin in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Beiköchin für zwei Stunden bis unterhalbschichtig bzw. unter zwei Stunden täglich einsetzbar. Für leichte körperliche Arbeiten sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung zusätzlicher Leistungseinschränkungen vollschichtig vermittelbar. In dem weiter beigefügten ärztlichen Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Rehabilitation, Sozialmedizin Dr. C. des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit M. vom 14. November 2001 wird der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen bescheinigt. In dem Arztbrief vom 18. Mai 2001 verneint der Facharzt für Nervenheilkunde Dipl.-Med. S. das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. In dem ebenfalls der Beklagten vorliegenden Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 6. Juni 2002 wird die Klägerin als in der Lage erachtet, eine körperlich leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin sei die Klägerin nicht mehr geeignet.
Die Beklagte zog im streitgegenständlichen Rentenverfahren den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 16. Februar bis zum 23. März 2005 bei. Dort wurden die Diagnosen Somatisierungsstörung, Bandscheibenschäden, Zervikobrachial-Syndrom und Chondromalacia patellae berücksichtigt. Die Klägerin habe im Abschlussgespräch angegeben, ihr habe alles nichts gebracht; ihre Schmerzen seien unverändert. Aus therapeutischer Sicht seien die Rehabilitationsziele entsprechend der schwierigen Grundvoraussetzung nicht erreicht worden. Gleichwohl bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne monotone Arbeiten in vorgebeugter Körperhaltung oder Überkopf sowie im Wechsel von Vorbeugung und Aufrichtung, ohne ständige Arbeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten mit stochastischen Schwingungen und Nachtschicht. Die Entlassung erfolgte arbeitsfähig mit der Empfehlung der Prüfung berufsfördernder Leistungen.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. vom 18. Januar 2006 ein, der einen Status idem gegenüber der letzten Begutachtung durch das Arbeitsamt M. vom 1. November 2005 mitteilte und bei der Frage nach Funktionseinschränkungen ein Heben und Tragen von schweren Lasten ausschloss. Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit M. führte in der mitübersandten gutachterlichen Äußerung vom 1. November 2005 eine verminderte psychische Belastbarkeit mit körperlichen Beschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS) bei Zustand nach Versteifungsoperation im Bereich der LWS (1999) sowie eine Bandscheibenkrankheit, Kniegelenksbeschwerden, eine Schilddrüsenerkrankung und einen Zustand nach operativer Behandlung einer Nervenenge im Bereich der Handgelenke beidseits (ein Rezidiv sei nervenfachärztlich im Mai 2005 ausgeschlossen worden) an. Eine körperlich leichte Arbeit mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen sei vollschichtig denkbar. Beigefügt war ferner ein Gutachten von MR Dr. A. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 28. Juli 2004.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dipl.-Med. S. das Gutachten vom 14. Juli 2006. Bei der Untersuchung am 7. Juni 2006 habe die Klägerin angegeben, durch die starken Schmerzen nicht belastbar zu sein und nichts leisten zu können. Sie stehe gegen 5.00 Uhr auf, trinke Kaffee und versorge den Haushalt; sie bewohne eine 65 m² große Wohnung. Anschließend gehe sie zu ihren behandelnden Ärzten. Sonst würde sie nicht viel leisten. Der Gutachter stellte dar, die mindestens seit Mitte der 90iger Jahre zu verzeichnende chronische Analgetikaeinnahme sei bisher kritisch nicht reflektiert worden. Mittlerweile erfolge eine kontinuierliche neuropsychiatrische Behandlung mit einem schmerzdistanzierenden Antidepressivum (Cymbalta), bisher ohne ausreichenden Effekt. Im neurologischen Befund hätten sich keine Lähmungen, muskuläre Atrophien oder reflexisolierte Reflexausfälle gezeigt, lediglich im Dermatom L5 links sei partiell eine diskrete Hypästhesie festzustellen gewesen. Im psychischen Befund sei eine dysphorische Stimmungslage mit etwas demonstrativem Verhalten, Zukunftsangst, innerer Unruhe und Antriebsminderung ohne Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit zu verzeichnen gewesen. Elektroneurographisch habe ein bedeutsames Rezidiv des Karpaltunnelsyndroms ausgeschlossen werden können. Als Diagnosen führte er ein multiätiologisches chronisches Schmerzsyndrom bei einem aktuell im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzsyndrom, eine Toleranzentwicklung von Opioidanalgetika, ein chronisches lumboischialgieformes Schmerzsyndrom bei Zustand nach Fusionsoperation L4/5 1999, eine beginnende Coxarthrose und eine Chrondropathia patellae beidseits an. In der Zusammenschau der Krankheitsentwicklung und der bisherigen Behandlungen sei eine Analgetika-Entgiftungsbehandlung mit Krankengymnastik und psychopharmakologischer Mitbehandlung erforderlich. In ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Beiköchin sei die Klägerin nicht einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie derzeit drei bis unter sechs Stunden täglich ohne Heben von Lasten von mehr als zehn kg sowie einseitige Körper- und Zwangshaltung einsatzfähig. Nach der empfohlenen Therapie sei sie wieder vollschichtig einsetzbar. Unter Berücksichtigung sozialmedizinischer Aspekte nach dem Tod des langjährigen Lebenspartners und der Arbeitsmarktsituation mit fehlender beruflicher Perspektive der Klägerin sei eine solche positive Entwicklung jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Die getroffenen Feststellungen würden seit März 2005 gelten.
Auf das Schreiben der Prüfärztin der Beklagten Dipl.-Med. F. vom 1. August 2006 mit der Bitte um nochmalige kritische Würdigung der erhobenen Befunde, insbesondere unter Einbeziehung der Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005, und gegebenenfalls vorzunehmende Korrektur der abschließenden Leistungseinschätzung änderte Dipl.-Med. S unter dem 7. August 2008 seine Leistungseinschätzung dahingehend ab, dass er auf dem Anlageblatt zum Gutachten das Kästchen "vollschichtig" ankreuzte mit dem handschriftlichen Zusatz "und zusätzliche Einschränkungen"; das Kreuz im Kästchen "halb- bis unter vollschichtig" strich er durch und vermerkte, dass zur Stabilisierung der bedrohten Leistungsfähigkeit eine Analgetikaentwöhnung empfohlen werde.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei durch ein Wirbelsäulen- und Gelenkleiden, eine seelische Gesundheitsstörung und den Verdacht auf Schmerzmittelabhängigkeit beeinträchtigt. Gleichwohl liege ein Leistungsvermögen der Klägerin für sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne starken Zeitdruck, häufiges Heben und Tragen über zehn kg, häufiges Bücken, Hocken, Knien sowie ohne häufige Zwangshaltungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vor. Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Für angelernte Arbeiter im unteren Bereich und ungelernte Arbeiter entfalle die konkrete Benennung; sie könnten auf ungelernte Arbeiten sowie alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Die Tatsache, dass die Klägerin früher eine Teilausbildung zur Wirtschaftspflegerin mit Erfolg durchlaufen habe und in diesem Beruf tätig gewesen sei, könne zu keiner anderen Bewertung ihrer beruflichen Qualifikation führen, denn nach den Ermittlungen habe sie diesen Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Vielmehr habe sie sich beruflich neu orientiert und sei zuletzt als Beiköchin versicherungspflichtig tätig gewesen. Diese letzte Tätigkeit als Beiköchin sei jedoch nicht maßgebend, denn die Klägerin sei auf die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar (Bescheid vom 15. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007).
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 21. März 2007 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt. Die Wirbelsäulenerkrankung habe dazu geführt, dass sie in ihrem erlernten Beruf nicht mehr tätig sein könne. Gegen die chronischen Schmerzen nehme sie dauerhaft Medikamente und leide zwischenzeitlich an schweren Depressionen. Auf Grund der eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Hände und Finger könne sie keiner schreibenden Tätigkeit nachgehen. Zudem leide sie an einer ständig auftretenden Infektionskrankheit. Sie könne nicht mehr drei Stunden täglich arbeiten.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. B. hat unter dem 3. Juli 2007 einen Status idem in organischer Hinsicht angegeben. Die Somatisierungsstörung habe sich deutlich verschlechtert. Er hat diverse Arztbriefe beigefügt. Nach dem Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 18. Mai 2005 habe am 13. Mai 2005 ein Karpaltunnelsyndrom beidseits ausgeschlossen werden können. In dem Arztbrief des Facharztes für Nuklearmedizin M. vom 15. Juli 2005 wird auf das Vorliegen einer Struma diffusa und einer beginnenden nodosa 1. Grades ohne zwingende Operationsindikation verwiesen. Die Stoffwechsellage mit kompletter Euthyreose biete keinen Anhalt für eine funktionelle Autonomie. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. hat in dem Arztbrief vom 2. April 2007 "eine strukturell i.w. herzgesunde Patientin" beschrieben. Aus kardiologischer Sicht bestehe kein Therapiebedarf. Die Klägerin sei in Behandlung beim Psychiater, das scheine der wesentliche Punkt zu sein. Des Weiteren hat der Orthopäde Dipl.-Med. K. in dem Befundbericht vom 6. September 2007 zusätzlich zu der Wirbelsäulenerkrankung als Diagnose "schnellende Finger D4 beidseits und D3 rechts" benannt. Die von ihm erhobenen Befunde hätten sich seit 2005 im Wesentlichen nicht verschlechtert. Günstig erscheine im Verlauf der Röntgenreihe die Durchbauung des stabilisierten Bewegungssegmentes L4/5. Nach den zuletzt dargebotenen Befunden sowie dem Röntgenbefund sei die Klägerin in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Fachärztin für u.a. Dermatologie Dr. W. hat in ihrem Befundbericht vom 31. Januar 2008 und dem diesen ergänzenden Bericht vom 12. März 2008 eine Stauungsdermatitis beidseits bei einem Ausschluss einer Kollagenose und einer Thrombose mitgeteilt. Die Beschwerden seien durch Antibiotika abgeheilt. Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. hat in einer weiteren gutachterlichen Äußerung vom 9. Oktober 2007 als Diagnosen eine chronifizierte Depression mit somatischer depressiver Symptomatik, ein chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom mit Zustand nach dorsaler Spondylodese L4/5 bei medialem Bandscheibenvorfall L4/5 im Mai 1999, schnellende Finger D4 beidseits und D3 rechts - Operation schnellender Daumen rechts 1998 -, einen Zustand nach Karpaltunnelsyndrom beidseits - operative Behandlung 1997, Rezidiv 2005 ausgeschlossen - und eine Chondromalacia patellae beidseits angegeben. Der Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose sei nicht bestätigt worden. Dipl.-Med. R. hat von einem Telefonat mit Dr. T. vom 8. Oktober 2007 berichtet, der eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkungen unter Hinweis auf ein ausgeprägtes langjähriges Rentenbegehren bejaht habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle hat die Klägerin beantragt "1. den Bescheid vom 15.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2007 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.08.2006 bis 31.07.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen."
Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 8. Mai 2008 die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfüge über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Weder teilweise noch volle Erwerbsminderung liege vor. Ferner sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig. Die letzte Tätigkeit der Klägerin als Beiköchin sei als angelernte Tätigkeit im unteren Bereich mit einer Ausbildungsdauer von drei bis zwölf Monaten zu qualifizieren. Dies ergebe sich aus der tariflichen Einstufung der Klägerin in die Lohngruppe 2 des Tarifvertrages BMT-G-O. Die Lohngruppe 2 sei die zweitniedrigste Lohngruppe. In diese Lohngruppe würden Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich sei, eingestuft. Als Beispiele seien u.a. Kochfrauen aufgeführt. Mithin sei die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Gegen das ihr am 18. August 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. September 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat vorgetragen, vordergründig leide sie an einer schweren Depression und einer Schmerzstörung. Ferner liege ausweislich des vorgelegten Laborbefundes vom 11. August 2008 "eine aktive bzw. seit längerer Zeit bestehende Borrelioseinfektion möglicherweise Stadium II oder III ev. gar im chronischen Stadium" vor. Viele ihrer Krankheitssymptome, wie z.B. Körperschmerzen, Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Beweglichkeitseinschränkungen, Hautverfärbung, seien dieser Erkrankung zuzuordnen. Ferner sei bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin abzustellen, sondern auf ihren erlernten Beruf als Teilfacharbeiter-Wirtschaftspfleger, von dem sie sich nicht freiwillig gelöst habe; vielmehr habe sie diese Tätigkeit aufgeben müssen. Die Klägerin hat zudem eine an sie gerichtete Bescheinigung des Hautarztes - Allergologie - Dr. E. vom 19. Dezember 2008 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 8. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts und ihren Bescheid für zutreffend.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. B. hat unter dem 2. Dezember 2009 keine Änderung in den objektiven Befunden mitgeteilt. Er hat u.a. die Epikrise der Klinik für Neurologie des S.-Klinikums N. vom 21. Juli 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 21. bis zum 23. Juli 2009 beigefügt. Die Angabe multipler Beschwerden spreche für eine somatisierte Depression. Die chemische Konstellation ergebe keinen Hinweis auf eine Neuroborreliose oder derzeit behandlungsbedürftige Borreliose. Dr. P., Fachärztin für Spezielle Schmerztherapie und Homöopathie, hat unter dem 3. Dezember 2009 mitgeteilt, die Klägerin - bei ihr in Behandlung seit dem 2. Dezember 2008 - beklage eine ständige Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und wechselnde Krämpfe in den Füßen, Kopfschmerzen sowie Schmerzen in der Leistengegend und der rechten Clavicula. Als Diagnosen hat sie ein chronisches Schmerzsyndrom mit Somatisierung, ein Postfusionssyndrom L4/5, eine Depression, ein HWS-Syndrom, eine Hüftdysplasie beidseits, eine Borreliose und ein Ekzem beider Hände mitgeteilt. Die Fachärztin für Hautkrankheiten Dr. E. hat unter dem 22. Dezember 2009 bei einem unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin als Diagnosen ein Eccema vulgare allergicum der Hände, eine intestinale Candidose (Hefepilzinfektion des Darms) und eine - nach den Angaben der Klägerin bestehende - chronische Borrelieninfektion angeführt. Die Klägerin gebe ständig neue Beschwerden an; dies gehöre sicher zu der festgestellten somatisierten Depression. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N. hat unter dem 22. Januar 2010 mitgeteilt, in diagnostischer Hinsicht sei er von einer Angststörung/DD Panikstörung und des Weiteren von dem Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ausgegangen. Das psychische Befinden der Klägerin sei im Behandlungszeitraum vom 2. April bis zum 12. Dezember 2008 zum Teil deutlichen Schwankungen unterworfen gewesen; eine ausreichende zufriedenstellende andauernde psychische Stabilisierung sei nicht zu verzeichnen gewesen. Eine stationäre Behandlung sei empfohlen worden.
Der Senat hat sodann aus dem Verfahren S 12 SB 117/07 diverse Befundberichte und die auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Feststellung des GdB erstellten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. vom 17. August 2010 und des Facharztes für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. W. vom 1. Februar 2011 beigezogen. Bei der Untersuchung am 26. Juli 2010 bei Dr. R. habe die Klägerin Schmerzen im Bereich der LWS, HWS und des Beckenkamms rechts sowie eine Schwäche in den Händen und Beinen, ein Nervenzucken, eine Kopfschmerzsymptomatik sowie Schwindelgefühle geschildert. Ihr sei bisher weder erklärt worden, was eine Somatisierungsstörung wirklich sei, noch die Notwendigkeit einer entsprechenden Behandlung aufgezeigt worden. Auch ihr "Borreliose-Arzt", Herr H., habe ihr gegenüber mitgeteilt, sie leide an einer Somatisierungsstörung; gleichzeitig habe er sie als nicht psychisch krank eingeschätzt. Die behandelnden Ärzte der Klinik für Neurologie des Klinikums B. hätten ihr gegenüber kurz und knapp geäußert, eine organische Erkrankung, wie z.B. eine Neuroborreliose, liege nicht vor, vielmehr müsse sie psychisch behandelt werden. Sie sei nicht in der Lage, auch nur stundenweise einer Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Sie schaffe noch nicht einmal ihren Haushalt. Sie habe viele Freundinnen in N., mit denen sie sich ein- bis zweimal im Monat treffe. Ferner unternehme sie häufiger kleinere Städtereisen mit ihrem Mann, meist für zwei bis drei Tage. Trotz der stetigen Schmerzen könne sie solche Unternehmungen genießen. Störungen der Merkfähigkeit, des Kurz- und Allzeitgedächtnisses seien nicht zu objektivieren gewesen; Aufmerksamkeit, Konzentration und intellektuelle Leistungsfähigkeit hätten unauffällig bei einer ausgeglichenen Stimmungslage, jedoch affektiver Indolenz gewirkt. Hinweise für eine manifeste depressive Stimmungslage sowie Störungen seitens des Antriebes und der Psychomotorik hätten sich nicht ergeben. Ausweislich der testpsychologischen Untersuchung (Gießen-Test und Freiburger Persönlichkeitsinventar) sei die Diagnosestellung einer manifesten psychischen Störung nicht begründet. Als Diagnosen hat Dr. R. benannt:
Chronifizierte somatoforme Schmerzstörung und undifferenzierte Somatisierungsstörung.
Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei Zustand nach Nukleotomie L4/L5 und späterer dorsaler Spondylodese L4/L5 sowie sekundärer Pseudolisthesis L5 über S1 ohne neurologische Ausfallsymptomatik.
Eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt manifeste neurologische Erkrankung, wie z.B. eine Neuroborreliose, sei - insbesondere aufgrund der ausführlichen Liquor-Diagnostik unter Einbeziehung der auch sonst letztlich widersprüchlichen Laborbefunde - auszuschließen. Die Klägerin sei insbesondere aufgrund der Schwere und des Chronifiziertheitsgrades der somatoformen Schmerzstörung und undifferenzierten Somatisierungsstörung in einem hohen Maße in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Sie sei selbst für regelmäßig wiederkehrende alltägliche Belastungen nur eingeschränkt belastbar. Dr. R. hat seinem Gutachten den Befund der spinalen Computertomografie (CT) der LWS vom 24. Februar 2010 beigefügt.
Dr. W. hat mitgeteilt, der von ihm erhobene neurologische Befund vom 22. September 2010 habe keine Hinweise auf motorische Ausfallerscheinungen oder eine gestörte Sensibilität ergeben. Das Gutachten von Dr. R. vom 3. August 2010 sei nachvollziehbar und plausibel. Er könne jedoch nicht beurteilen, ob die Borreliose klinisch in Erscheinung trete oder die Beschwerdesymptomatik des Rückens ausschließlich auf die degenerativen Veränderungen zurückzuführen sei. Ein Mitwirken der Borreliose mit den typischen klinischen Zeichen sei aber zu berücksichtigen. Im Vordergrund des Geschehens stehe allerdings die psychische Erkrankung mit den entsprechenden Funktionseinschränkungen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Chefarzt der Neurologischen Klinik und Ärztlicher Direktor im SKH A. Dr. V., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, das nervenfachärztliche Gutachten vom 11. November 2011 nach Aktenlage in Bezug auf den Zeitraum Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 erstattet. Bei der Klägerin liege seit dem Ende der 80iger Jahre eine psychosomatische Störung vor, deren Ursache Konflikte und Verlusterlebnisse im familiären Umfeld, aber auch Überlastungs- und Überforderungssituationen in beruflicher Hinsicht im Rahmen der letzten Berufstätigkeit sei. Begünstigend wirke sich eine durchgängige Abwehr der Klägerin gegen eine psychische Interpretation ihrer Beschwerden aus. Die Beschwerdeschilderung der Klägerin weise an vielen Stellen auf Beschwerden im psychischen und psychovegetativen Bereich hin. Auffällig sei aber, dass fast durchgängig im Rahmen der psychischen Befunderhebung jeweils keine krankheitswertigen Auffälligkeiten beschrieben worden seien. Auch die Ausführungen zu Aktivitäten und sozialen Kontakten der Klägerin im Gutachten von Dr. R. sprächen gegen das Vorliegen ausgeprägter depressiver Störungen mit Rückzug und Inaktivität. Zudem fänden sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Insoweit könne die Einschätzung, auch die allgemeine Leistungsfähigkeit der Klägerin sei weitgehend eingeschränkt, nicht geteilt werden. Die im Hinblick auf die Frage nach den Auswirkungen durch die Behinderung getroffene Leistungseinschätzung könne nicht auf die Frage nach der beruflichen Leistungsfähigkeit übertragen werden. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei von Januar 2006 bis Juli 2009, auch über diesen Zeitraum hinaus, für berufliche Tätigkeiten lediglich qualitativ eingeschränkt gewesen. Eine quantitativ verminderte Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten sei in der Zusammenschau und Wertung der vorliegenden Befunde und Unterlagen nicht ableitbar. Als Diagnosen seien eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung zu berücksichtigen. Die Klägerin sei von Januar 2006 bis Juli 2009 in der Lage gewesen, nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken oder Überkopfarbeiten sowie Gerüst- und Leiterarbeiten seien ausgeschlossen gewesen. Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen, zeitweilig auch im Freien unter Witterungsschutz, d.h. ohne Einflüsse von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, seien möglich gewesen. Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderten, seien durchführbar gewesen. Hinweise auf funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen hätten sich nicht ergeben, obwohl ein Zustand nach Karpaltunnelsyndrom bestanden habe und schnellende Finger beschrieben worden seien. Die grobe Kraft, der Faustschluss, der Spitzgriff, die Spreizmöglichkeiten im Bereich beider Hände und auch das Drehen eines Schraubenziehers, Aufheben kleiner Gegenstände, Autofahren, Geld zählen, Schreiben im Alltag und Berufsleben seien nicht gravierend eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit überwiegend geistig einfachen Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten gewachsen gewesen. Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck in Wechselschicht, jedoch ohne Nachtschicht, und mit häufigem Publikumsverkehr seien durchführbar gewesen. Die Klägerin sei Arbeiten mit einfachen körperlichen Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen gewachsen gewesen. Weder im kognitiven noch im affektiv psychischen Bereich hätten sich Einschränkungen feststellen lassen, die eine Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht für den genannten Zeitraum begründeten, so dass weder ein Abfall von Konzentration und Aufmerksamkeit noch der allgemeinen Arbeitsleistung innerhalb einer Arbeitsschicht zu erwarten gewesen wäre. Da die Schmerzwahrnehmung und -empfindung wesentlich auf psychosomatischer Grundlage zu interpretieren gewesen sei, sei auch davon auszugehen, dass für den genannten Zeitraum eine unzumutbare Schmerzverstärkung oder Gefährdung der Gesundheit unter den Anforderungen einer leichten körperlichen Tätigkeit nicht zu erwarten gewesen sei. Die Gehfähigkeit sei im o.g. Zeitraum nicht eingeschränkt gewesen.
Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 2. Dezember 2011 ist der Klägerin das Gutachten am 8. Dezember 2011 übermittelt und diese darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Nachdem ihren Anträgen vom 22. Dezember 2011 und 17. Januar 2012 auf Fristverlängerung bis zum 17. Januar 2012 bzw. bis zum 7. Februar 2012 stattgegeben und sie mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Februar 2012 an die Beantwortung des gerichtlichen Schreibens vom 2. Dezember 2011 binnen zwei Wochen erinnert worden ist, hat die Klägerin am 5. März 2012 mitgeteilt, dass sie die Berufung nicht zurücknehme. Sie folge der Einschätzung von Dr. V. nicht und erhebe Einwände gegen dessen Gutachten; insoweit wird auf Bl. 300 bis 302 der Gerichtsakte verwiesen. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass sie nach der Einschätzung von Dr. V. vollschichtig leistungsfähig, aber wegen der psychischen Erkrankung arbeitsunfähig sei. Sie beantrage, "ein Gutachten nach § 109 SGG, im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu erstellen. z.B. von Dr. R.". Für den Fall, dass das Gericht diesem Antrag nicht Folge leiste, beantrage sie die persönliche Ladung des Sachverständigen als Zeugen zum Termin.
Den darüber hinaus im Schriftsatz vom 5. März 2012 gestellten Antrag, Dr. V. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der Senat mit Beschluss vom 6. März 2012 als unzulässig verworfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten S 12 SB 117/07, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat auf die anberaumte mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden können. Ein ausdrücklicher Antrag auf Verlegung bzw. Vertagung des Termins ist von der Klägerin nicht gestellt worden. Eine Verlegung oder Vertagung ist auch nicht erforderlich geworden, da der mit Schreiben vom 5. März 2012 gestellte Antrag, "ein Gutachten nach § 109 SGG z.B. von Dr. R." einzuholen, keinen wirksamen Antrag nach § 109 SGG darstellt. Trotz des richterlichen Hinweises vom 6. März 2012 hat die Klägerin keinen bestimmten Arzt benannt, der nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG gutachterlich gehört werden sollte.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zusteht. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Berufungsgegenstand ist die Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle am 8. Mai 2008 ihren Klageantrag ausdrücklich beschränkt. Über diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Mai 2008 entschieden.
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin war aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Eintritt des Leistungsfalls der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung ist im streitgegenständlichen Zeitraum zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Das Gericht muss sich grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Ausreichend ist insoweit eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 24. November 2010, - B 11 AL 35/09 - juris). Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast für die einen Anspruch begründenden Tatsachen, der den Anspruch geltend macht. Der Grundsatz der objektiven Beweislast kommt immer dann zum Tragen, wenn trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung der Sachverhalt nicht mehr vollständig aufklärbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 118 RdNr 6). Anhand der dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit im Nachhinein feststellen, ob der Leistungsfall der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 eingetreten ist.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte die Klägerin von Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin konnte noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken, sowie Überkopf-, Gerüst- und Leiterarbeiten waren ausgeschlossen. Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen, zeitweilig auch im Freien unter Witterungsschutz, d.h. ohne Witterungseinflüsse, wie Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, konnte die Klägerin bewältigen. Sie war Arbeiten mit geistig überwiegend einfachen Anforderungen und mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen und an mnestische Fähigkeiten gewachsen. Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck in Wechselschicht, jedoch ohne Nachtschicht, und mit häufigem Publikumsverkehr waren durchführbar. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände war gegeben.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. V. vom 11. November 2011, den medizinischen Befunden von Dr. R. und Dr. W. in ihren Gutachten vom 17. August 2010 bzw. 1. Februar 2011 sowie den Feststellungen im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005 und in den Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere von Dipl.-Med. B. und Dipl.-Med. K.
Die Leistungsfähigkeit der Klägerin wurde auf psychiatrischem Gebiet durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung beeinträchtigt. Das Ausmaß der von der Klägerin wahrgenommenen körperlichen Beschwerden und Einschränkungen ist anhand der erhobenen somatischen Befunde nicht erklärbar. Die psychosomatische Störung hat sich hauptsächlich auf die LWS bezogen; darüber hinaus sind auch die psychovegetativen Symptome wie Schlafstörungen, Zittern, Kopfschmerzen, Krämpfe, depressive Gedanken, Panikstörung, allgemeine Erschöpfbarkeit und Belastungsinsuffizienz dem psychosomatischen Symptomenkomplex zuzuordnen. Bei sämtlichen Begutachtungen, bei Dipl.-Med. S., Dr. R. und Dr. W., und den psychischen Befunderhebungen ausweislich der Epikrise der Klinik für Neurologie des S.-Klinikums N. vom 21. Juli 2009 wurden keine pathologischen Auffälligkeiten, sondern ein überwiegend unauffälliger psychischer Befund bei einer ausgeglichenen Stimmungslage ohne Hinweise auf mnestische Störungen oder eine manifeste depressive Stimmungslage, bei einer lediglich affektiven Indolenz beschrieben. Insoweit bestanden keine Einschränkungen für ein mindestens sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen der Klägerin, wobei in qualitativer Hinsicht Arbeiten mit besonderem Zeitdruck und Nachtschicht ausgeschlossen waren. Ferner war die Klägerin noch geistig einfachen Arbeiten und solchen mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen.
Das Gutachten von Dr. V. ist in sich schlüssig und überzeugend. Er hat sich mit den Gutachten von Dr. R. und Dr. W. eingehend auseinandergesetzt und dabei berücksichtigt, dass diese Gutachten zur Klärung der Feststellung des GdB erstellt worden sind. Die Befragung des Sachverständigen Dr. V. durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. Juli 2012 nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 402, 397 Abs. 2 Zivilprozessordnung hat keine darüber hinausgehenden Erkenntnisse erbracht.
Die Einschränkungen des Leistungsvermögens ergaben sich auf orthopädischem Gebiet aus einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 am 5. Mai 1999, einer Hüftdysplasie und einer Chondromalacia patellae beidseits. Dipl.-Med. B. hat in seinen Befundberichten vom 18. Januar 2006, 3. Juli 2007 und 2. Dezember 2009 jeweils unveränderte objektive Befunde und unter dem 3. Juli 2007 lediglich auf eine Zunahme der Somatisierungsstörung verwiesen. Dipl.-Med. K. hat ebenfalls in seinem Befundbericht vom 6. September 2007 einen seit 2005 unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin aufgezeigt und für den Senat nachvollziehbar seine Leistungsbeurteilung im Sinne eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens mit der aufgezeigten Durchbauung des stabilisierten Bewegungssegmentes L4/5 begründet. Dr. P. hat unter dem 3. Dezember 2009 keine Störungen der Motorik oder Sensibilität beschrieben. Als klinischen Befund der LWS hat sie eine Entfaltungsbehinderung bei der Inklination der Wirbelsäule und ein positives Lasegue’sches Zeichen bei 45° angegeben. Dipl.-Med. S. hat im neurologischen Befund keine Lähmungen, muskuläre Atrophien oder Reflexausfälle aufgezeigt, sondern lediglich im Dermatom L5 links partiell eine diskrete Hypästhesie festgestellt. Da insgesamt lediglich geringgradige funktionelle Einschränkungen, keine motorischen Ausfälle und Sensibilitätsstörungen nachweisbar waren, war der Klägerin eine mindestens sechsstündige tägliche Erwerbstätigkeit möglich, allerdings im Hinblick auf die orthopädischen Gesundheitsstörungen ohne Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken, Überkopf oder auf Gerüsten und Leitern.
Die von Dipl.-Med. S. in seinem Gutachten vom 14. Juli 2006 zunächst aufgezeigte quantitative Leistungsminderung ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Er hat zwar auf das dringende Erfordernis einer Analgetikaentwöhnungsbehandlung hingewiesen. Unter Berücksichtigung des von ihm dargestellten regelrechten neurologischen Befundes und des überwiegend unauffälligen psychischen Befundes mit einer lediglich dysphorischen Stimmungslage, Zukunftsangst, innerer Unruhe und Antriebsminderung ohne Störungen der mnestischen Fähigkeiten bestand lediglich die Notwendigkeit von zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen. Insoweit hat der Gutachter unter dem 7. August 2008 seine Leistungseinschätzung geändert, ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht und das Erfordernis einer Analgetikaentwöhnungsbehandlung lediglich zur Stabilisierung der bedrohten, aber noch vorhandenen Erwerbsfähigkeit aufgezeigt.
Ferner vermag sich der Senat der Einschätzung von Dr. R., auch die allgemeine Leistungsfähigkeit der Klägerin sei weitgehend eingeschränkt, unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen psychopathologischen unauffälligen Befunde nicht anzuschließen. Zudem sprechen die im Gutachten von Dr. R. aufgezeigten Tagesaktivitäten und sozialen Kontakte der Klägerin gegen das Vorliegen ausgeprägter depressiver Störungen mit Rückzug und Inaktivität. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die diesem Gutachten zugrunde liegende Untersuchung erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraumes am 26. Juli 2010 stattgefunden hat. Neue medizinische Befunde bzw. eine zu diesem Zeitpunkt erst festgestellte erhebliche Leistungseinschränkung hätten für das vorliegende Streitverfahren keine Relevanz. Letztlich sind für die Beurteilung der Höhe des GdB, der die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen festlegt, andere gesetzliche Voraussetzungen maßgeblich als bei der Prüfung von Erwerbsminderung.
Das Vorliegen einer Depression, wie von Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. unter dem 9. Oktober 2007 aufgezeigt, konnte nicht nachgewiesen werden. Die testpsychologischen Untersuchungen bei Dr. R. und der klinische Befund ergaben keine Hinweise auf eine manifeste depressive Störung.
Ferner bestanden ein Zustand nach Karpaltunnelsyndrom, jedoch ohne Rezidiv, und schnellende Finger beidseits D4 und rechts D3 ohne Hinweise auf funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen im o.g. Zeitraum. Vielmehr waren die grobe Kraft, der Faustschluss, der Spitzgriff sowie die Spreizmöglichkeiten im Bereich beider Hände im Wesentlichen erhalten.
Bei der Klägerin lagen ferner eine nicht behandlungsbedürftige Herzerkrankung, eine Darmpilzinfektion, ein Ekzem beider Hände und Knoten in der Schilddrüse vor. Aus diesen Erkrankungen resultierten jedoch keine weitergehenden Leistungseinschränkungen. Die darüber hinaus vorliegende Stauungsdermatitis machte akutmedizinische fachärztliche Maßnahmen notwendig, begründete jedoch keine rentenrelevanten Einschränkungen. Zudem bestand nach den Laborbefunden kein Hinweis auf eine Neuroborreliose oder eine behandlungsbedürftige Borreliose.
Der Senat sieht schließlich keine Veranlassung zu weiteren (aktuellen) medizinischen Ermittlungen, da diese keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn für den streitgegenständlichen, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bringen würden.
Die Tatsache, dass die Klägerin arbeitsunfähig war, steht der Annahme von Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Denn Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Versicherter aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Dabei bleibt unbeachtet, ob der Versicherte noch in der Lage ist, eine sonstige Tätigkeit zu verrichten. Im Übrigen ist für den Senat unter Berücksichtigung der von den Gutachtern aufgezeigten überwiegend unauffälligen psychischen Befunde nicht erkennbar, weshalb die Klägerin im Rahmen ihrer objektiv vorhandenen Möglichkeiten und einer ihr abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Anforderungen eines leidensgerechten Arbeitsplatzes mit den oben genannten Einschränkungen zu entsprechen. Dr. V. hat insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zu einer regelmäßigen, täglich mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit in der Lage war.
Bei der Klägerin lag vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führte. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reichte vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris). Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände lag vor. Funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen bestanden nicht. Verrichtungen im Berufsleben wie z.B. das Drehen eines Schraubenziehers, Aufheben kleiner Gegenstände, Geld zählen, Schreiben waren durchführbar. Leichte Verpack- und Sortierarbeiten konnte die Klägerin unter Berücksichtigung der angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen bewältigen.
Auch bestand im Falle der Klägerin im oben genannten Zeitraum kein Seltenheits- oder Katalogfall, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O., Seite 35). Insbesondere war für die Klägerin der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, weil es ihr an der so genannten Wegefähigkeit gefehlt hätte.
Die Klägerin hat für den vorgenannten Zeitraum auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Kann er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss mit dem Ziel verrichtet worden sein, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. z.B. Niesel in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI RdNr 9 f. m.w.N.).
Bisheriger Beruf der Klägerin ist die vom 1. Februar 1980 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit am 12. Januar 1998 ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin. Bisheriger Beruf ist nicht der des Wirtschaftspflegers, da die Klägerin in diesem nach Beendigung der Ausbildung vor der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nicht mehr tätig war. Die körperlich zumindest mittelschwere Tätigkeit als Beiköchin konnte die Klägerin zur Überzeugung des Senats, die von der Beklagten geteilt wird, seit Rentenantragstellung nicht mehr verrichten, da ihr auf Grund des lumbalen Schmerzsyndroms nur noch leichte körperliche Arbeiten zuzumuten waren.
Damit war die Klägerin aber noch nicht berufsunfähig. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema, das auch der Senat seinen Entscheidungen zugrunde legt. Dieses gliedert die Berufe hierarchisch in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei bis drei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten, auch mit einer erforderlichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von bis zu drei Monaten. Eine vom Versicherten vollschichtig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des § 240 SGB VI, wenn er irgendwelche Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann.
Dabei muss dem Versicherten allerdings grundsätzlich ein konkreter Verweisungsberuf benannt und zugeordnet werden können, anhand dessen sich die Zumutbarkeit seiner Ausübung beurteilen lässt. Kann ein anderer Beruf nicht konkret in Betracht gezogen werden, liegt bei der Unfähigkeit der Ausübung des bisherigen Berufs Berufsunfähigkeit vor. Eine Ausnahme vom Erfordernis der konkreten Benennung eines Verweisungsberufs besteht aber dann, wenn dem Versicherten fachlich-qualitativ ungelernte Tätigkeiten und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Es gibt eine Vielzahl von ungelernten Berufen im inländischen Erwerbsleben. Sie stellen gerade keine besonderen Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung. Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit grundsätzlich zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten Arbeiters oder dem des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Allerdings ist bei den angelernten Arbeitern weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Daher sind für Angelernte des oberen Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (KassKomm-Niesel, § 240 SGB VI, RdNr 93 f. m.w.N).
Der bisherige Beruf der Klägerin als Beiköchin ist der Gruppe der unteren Angelernten zuzuordnen. Für ihre ausgeübte Tätigkeit war keine Ausbildung, sondern lediglich eine Einarbeitung erforderlich. Die Klägerin war eingesetzt bei der Zubereitung, Ausgabe und dem Verkauf der Mahlzeiten und erledigte Reinigungsarbeiten in der Großküche der Agraringenieurschule N. Eine Ausbildung oder Anlernzeit hat die Klägerin nicht durchlaufen. Über die Ausbildung im Teilberuf Wirtschaftspfleger im Betrieb der Agraringenieurschule N. liegt lediglich das Abschlusszeugnis vom 13. Juli 1976 und kein Teilfacharbeiterbrief vor. Schließlich diente die Ausbildung der Erfüllung der Schulpflicht der damals erst 15-jährigen, lediglich über einen Abschluss der 7. Schulklasse verfügenden, Klägerin. Soweit sich Tätigkeitsfelder als Wirtschaftspfleger und Beiköchin überschritten haben, führt dies nicht zur Qualifizierung der letzten Tätigkeit als zumindest obere Anlerntätigkeit. Denn es ist nicht ersichtlich, dass eine ungelernte Kraft mindestens drei Monate oder gar ein Jahr hätte angelernt bzw. eingearbeitet werden müssen, um die Arbeitsaufgaben des Wirtschaftspflegers zu erfüllen.
Für eine Einstufung als untere Angelernte spricht zudem die tarifliche Eingruppierung der Klägerin in die zweitniedrigste Lohngruppe des MTArb-O. Die Lohngruppe des 2 des MTArb-O vom 8. Mai 1991 umfasst Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist. Als Beispiel werden unter 1.2 Küchenhilfskräfte angeführt. Zur Lohngruppe 2a gehören Arbeiter mit Tätigkeiten, die eine handwerkliche oder fachliche Anlernung erfordern. Erst in die Lohngruppe 3 sind Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder besonders qualifizierte Arbeiter der Lohngruppe 2a eingruppiert.
Als untere Angelernte war die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) in dem Zeitraum vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 streitig.
Die am ... 1959 geborene Klägerin schloss die POS nach acht Jahren mit dem Abschluss der 7. Schulklasse ab und absolvierte dann vom 1. September 1974 bis zum 15. August 1976 eine Ausbildung im Teilberuf Wirtschaftspfleger (Abschlusszeugnis vom 13. Juli 1976). Ab dem 1. August 1976 bis zum 2. Oktober 1979 arbeitete sie ausweislich des Arbeitsvertrages mit der Agraringenieurschule N. vom 1. August 1976 als Küchenhilfe, vom 22. Oktober 1979 bis zum 30. Januar 1980 als Glühlampenanfertiger und vom 1. Februar 1980 bis zum 31. März 2000 als Beiköchin. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 22. März 1994 mit dem Land Sachsen-Anhalt war die Klägerin in Fortführung des bestehenden Arbeitsverhältnisses als vollbeschäftigte Arbeiterin auf unbestimmte Zeit beschäftigt. Nach § 4 des Arbeitsvertrages war sie bei Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen mit Wirkung vom 1. Juli 1991 in die Lohngruppe 2 des MTArb-O (Tarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes vom 8. Mai 1991 in der jeweils geltenden Fassung) eingereiht. Das Arbeitsverhältnis wurde per Auflösungsvertrag vom 23. September 1999 zum 31. März 2000 beendet. Als Beiköchin war die Klägerin nach ihren Angaben in der Großküche der Agraringenieurschule N. für die Zubereitung, Ausgabe und den Verkauf der Mahlzeiten zuständig gewesen und erledigte Reinigungsarbeiten. Bereits ab dem 12. Januar 1998 war sie arbeitsunfähig und später arbeitslos. Sie bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung - SGB II).
Ab dem 17. September 2003 war bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt; seit Juli 2010 ist ein GdB von 50 festgestellt (Vergleich vom 19. Mai 2011 in dem vor dem Sozialgericht Halle geführten Klageverfahren S 12 SB 117/07).
Den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung stellte die Klägerin am 10. Januar 2006 bei der Beklagten und machte geltend, seit 1998 wegen erlittener Bandscheibenvorfälle, einer chronischen Depression, einer Struma, eines Karpaltunnelsyndroms, eines Springfingers beidseitig, eines Reizmagens und trockener Augen keine Arbeiten verrichten zu können.
Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den beiden vorangegangenen Rentenverfahren (Rentenanträge vom 19. Oktober 1998 und 30. Oktober 2001) bei, u.a. die Entlassungsberichte der T.-Fachklinik vom 29. Dezember 1998 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 16. September bis zum 7. Oktober 1998 sowie des S. Reha-Klinikums II vom 9. August 1999 über die Anschlussheilbehandlung vom 15. Juni bis zum 13. Juli 1999 nach Spondylodese am 5. Mai 1999 wegen Instabilität und Bandscheibenprotrusion L4/5. Ausweislich der sozialmedizinischen Epikrisen sei die Klägerin in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Beiköchin für zwei Stunden bis unterhalbschichtig bzw. unter zwei Stunden täglich einsetzbar. Für leichte körperliche Arbeiten sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung zusätzlicher Leistungseinschränkungen vollschichtig vermittelbar. In dem weiter beigefügten ärztlichen Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Rehabilitation, Sozialmedizin Dr. C. des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit M. vom 14. November 2001 wird der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen mit zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen bescheinigt. In dem Arztbrief vom 18. Mai 2001 verneint der Facharzt für Nervenheilkunde Dipl.-Med. S. das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit. In dem ebenfalls der Beklagten vorliegenden Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. K. vom 6. Juni 2002 wird die Klägerin als in der Lage erachtet, eine körperlich leichte Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung unter Berücksichtigung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin sei die Klägerin nicht mehr geeignet.
Die Beklagte zog im streitgegenständlichen Rentenverfahren den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 16. Februar bis zum 23. März 2005 bei. Dort wurden die Diagnosen Somatisierungsstörung, Bandscheibenschäden, Zervikobrachial-Syndrom und Chondromalacia patellae berücksichtigt. Die Klägerin habe im Abschlussgespräch angegeben, ihr habe alles nichts gebracht; ihre Schmerzen seien unverändert. Aus therapeutischer Sicht seien die Rehabilitationsziele entsprechend der schwierigen Grundvoraussetzung nicht erreicht worden. Gleichwohl bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen ohne monotone Arbeiten in vorgebeugter Körperhaltung oder Überkopf sowie im Wechsel von Vorbeugung und Aufrichtung, ohne ständige Arbeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten mit stochastischen Schwingungen und Nachtschicht. Die Entlassung erfolgte arbeitsfähig mit der Empfehlung der Prüfung berufsfördernder Leistungen.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. B. vom 18. Januar 2006 ein, der einen Status idem gegenüber der letzten Begutachtung durch das Arbeitsamt M. vom 1. November 2005 mitteilte und bei der Frage nach Funktionseinschränkungen ein Heben und Tragen von schweren Lasten ausschloss. Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit M. führte in der mitübersandten gutachterlichen Äußerung vom 1. November 2005 eine verminderte psychische Belastbarkeit mit körperlichen Beschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen bei degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS und LWS) bei Zustand nach Versteifungsoperation im Bereich der LWS (1999) sowie eine Bandscheibenkrankheit, Kniegelenksbeschwerden, eine Schilddrüsenerkrankung und einen Zustand nach operativer Behandlung einer Nervenenge im Bereich der Handgelenke beidseits (ein Rezidiv sei nervenfachärztlich im Mai 2005 ausgeschlossen worden) an. Eine körperlich leichte Arbeit mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen sei vollschichtig denkbar. Beigefügt war ferner ein Gutachten von MR Dr. A. des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 28. Juli 2004.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dipl.-Med. S. das Gutachten vom 14. Juli 2006. Bei der Untersuchung am 7. Juni 2006 habe die Klägerin angegeben, durch die starken Schmerzen nicht belastbar zu sein und nichts leisten zu können. Sie stehe gegen 5.00 Uhr auf, trinke Kaffee und versorge den Haushalt; sie bewohne eine 65 m² große Wohnung. Anschließend gehe sie zu ihren behandelnden Ärzten. Sonst würde sie nicht viel leisten. Der Gutachter stellte dar, die mindestens seit Mitte der 90iger Jahre zu verzeichnende chronische Analgetikaeinnahme sei bisher kritisch nicht reflektiert worden. Mittlerweile erfolge eine kontinuierliche neuropsychiatrische Behandlung mit einem schmerzdistanzierenden Antidepressivum (Cymbalta), bisher ohne ausreichenden Effekt. Im neurologischen Befund hätten sich keine Lähmungen, muskuläre Atrophien oder reflexisolierte Reflexausfälle gezeigt, lediglich im Dermatom L5 links sei partiell eine diskrete Hypästhesie festzustellen gewesen. Im psychischen Befund sei eine dysphorische Stimmungslage mit etwas demonstrativem Verhalten, Zukunftsangst, innerer Unruhe und Antriebsminderung ohne Störungen von Konzentration und Aufmerksamkeit zu verzeichnen gewesen. Elektroneurographisch habe ein bedeutsames Rezidiv des Karpaltunnelsyndroms ausgeschlossen werden können. Als Diagnosen führte er ein multiätiologisches chronisches Schmerzsyndrom bei einem aktuell im Vordergrund stehenden somatoformen Schmerzsyndrom, eine Toleranzentwicklung von Opioidanalgetika, ein chronisches lumboischialgieformes Schmerzsyndrom bei Zustand nach Fusionsoperation L4/5 1999, eine beginnende Coxarthrose und eine Chrondropathia patellae beidseits an. In der Zusammenschau der Krankheitsentwicklung und der bisherigen Behandlungen sei eine Analgetika-Entgiftungsbehandlung mit Krankengymnastik und psychopharmakologischer Mitbehandlung erforderlich. In ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Beiköchin sei die Klägerin nicht einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie derzeit drei bis unter sechs Stunden täglich ohne Heben von Lasten von mehr als zehn kg sowie einseitige Körper- und Zwangshaltung einsatzfähig. Nach der empfohlenen Therapie sei sie wieder vollschichtig einsetzbar. Unter Berücksichtigung sozialmedizinischer Aspekte nach dem Tod des langjährigen Lebenspartners und der Arbeitsmarktsituation mit fehlender beruflicher Perspektive der Klägerin sei eine solche positive Entwicklung jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Die getroffenen Feststellungen würden seit März 2005 gelten.
Auf das Schreiben der Prüfärztin der Beklagten Dipl.-Med. F. vom 1. August 2006 mit der Bitte um nochmalige kritische Würdigung der erhobenen Befunde, insbesondere unter Einbeziehung der Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005, und gegebenenfalls vorzunehmende Korrektur der abschließenden Leistungseinschätzung änderte Dipl.-Med. S unter dem 7. August 2008 seine Leistungseinschätzung dahingehend ab, dass er auf dem Anlageblatt zum Gutachten das Kästchen "vollschichtig" ankreuzte mit dem handschriftlichen Zusatz "und zusätzliche Einschränkungen"; das Kreuz im Kästchen "halb- bis unter vollschichtig" strich er durch und vermerkte, dass zur Stabilisierung der bedrohten Leistungsfähigkeit eine Analgetikaentwöhnung empfohlen werde.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin ab. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei durch ein Wirbelsäulen- und Gelenkleiden, eine seelische Gesundheitsstörung und den Verdacht auf Schmerzmittelabhängigkeit beeinträchtigt. Gleichwohl liege ein Leistungsvermögen der Klägerin für sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne starken Zeitdruck, häufiges Heben und Tragen über zehn kg, häufiges Bücken, Hocken, Knien sowie ohne häufige Zwangshaltungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vor. Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Für angelernte Arbeiter im unteren Bereich und ungelernte Arbeiter entfalle die konkrete Benennung; sie könnten auf ungelernte Arbeiten sowie alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Die Tatsache, dass die Klägerin früher eine Teilausbildung zur Wirtschaftspflegerin mit Erfolg durchlaufen habe und in diesem Beruf tätig gewesen sei, könne zu keiner anderen Bewertung ihrer beruflichen Qualifikation führen, denn nach den Ermittlungen habe sie diesen Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Vielmehr habe sie sich beruflich neu orientiert und sei zuletzt als Beiköchin versicherungspflichtig tätig gewesen. Diese letzte Tätigkeit als Beiköchin sei jedoch nicht maßgebend, denn die Klägerin sei auf die Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar (Bescheid vom 15. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007).
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 21. März 2007 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage gewandt. Die Wirbelsäulenerkrankung habe dazu geführt, dass sie in ihrem erlernten Beruf nicht mehr tätig sein könne. Gegen die chronischen Schmerzen nehme sie dauerhaft Medikamente und leide zwischenzeitlich an schweren Depressionen. Auf Grund der eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Hände und Finger könne sie keiner schreibenden Tätigkeit nachgehen. Zudem leide sie an einer ständig auftretenden Infektionskrankheit. Sie könne nicht mehr drei Stunden täglich arbeiten.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. B. hat unter dem 3. Juli 2007 einen Status idem in organischer Hinsicht angegeben. Die Somatisierungsstörung habe sich deutlich verschlechtert. Er hat diverse Arztbriefe beigefügt. Nach dem Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 18. Mai 2005 habe am 13. Mai 2005 ein Karpaltunnelsyndrom beidseits ausgeschlossen werden können. In dem Arztbrief des Facharztes für Nuklearmedizin M. vom 15. Juli 2005 wird auf das Vorliegen einer Struma diffusa und einer beginnenden nodosa 1. Grades ohne zwingende Operationsindikation verwiesen. Die Stoffwechsellage mit kompletter Euthyreose biete keinen Anhalt für eine funktionelle Autonomie. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. hat in dem Arztbrief vom 2. April 2007 "eine strukturell i.w. herzgesunde Patientin" beschrieben. Aus kardiologischer Sicht bestehe kein Therapiebedarf. Die Klägerin sei in Behandlung beim Psychiater, das scheine der wesentliche Punkt zu sein. Des Weiteren hat der Orthopäde Dipl.-Med. K. in dem Befundbericht vom 6. September 2007 zusätzlich zu der Wirbelsäulenerkrankung als Diagnose "schnellende Finger D4 beidseits und D3 rechts" benannt. Die von ihm erhobenen Befunde hätten sich seit 2005 im Wesentlichen nicht verschlechtert. Günstig erscheine im Verlauf der Röntgenreihe die Durchbauung des stabilisierten Bewegungssegmentes L4/5. Nach den zuletzt dargebotenen Befunden sowie dem Röntgenbefund sei die Klägerin in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Fachärztin für u.a. Dermatologie Dr. W. hat in ihrem Befundbericht vom 31. Januar 2008 und dem diesen ergänzenden Bericht vom 12. März 2008 eine Stauungsdermatitis beidseits bei einem Ausschluss einer Kollagenose und einer Thrombose mitgeteilt. Die Beschwerden seien durch Antibiotika abgeheilt. Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. hat in einer weiteren gutachterlichen Äußerung vom 9. Oktober 2007 als Diagnosen eine chronifizierte Depression mit somatischer depressiver Symptomatik, ein chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom mit Zustand nach dorsaler Spondylodese L4/5 bei medialem Bandscheibenvorfall L4/5 im Mai 1999, schnellende Finger D4 beidseits und D3 rechts - Operation schnellender Daumen rechts 1998 -, einen Zustand nach Karpaltunnelsyndrom beidseits - operative Behandlung 1997, Rezidiv 2005 ausgeschlossen - und eine Chondromalacia patellae beidseits angegeben. Der Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose sei nicht bestätigt worden. Dipl.-Med. R. hat von einem Telefonat mit Dr. T. vom 8. Oktober 2007 berichtet, der eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit Einschränkungen unter Hinweis auf ein ausgeprägtes langjähriges Rentenbegehren bejaht habe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle hat die Klägerin beantragt "1. den Bescheid vom 15.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2007 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.08.2006 bis 31.07.2009 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen."
Das Sozialgericht Halle hat mit Urteil vom 8. Mai 2008 die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfüge über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Weder teilweise noch volle Erwerbsminderung liege vor. Ferner sei die Klägerin auch nicht berufsunfähig. Die letzte Tätigkeit der Klägerin als Beiköchin sei als angelernte Tätigkeit im unteren Bereich mit einer Ausbildungsdauer von drei bis zwölf Monaten zu qualifizieren. Dies ergebe sich aus der tariflichen Einstufung der Klägerin in die Lohngruppe 2 des Tarifvertrages BMT-G-O. Die Lohngruppe 2 sei die zweitniedrigste Lohngruppe. In diese Lohngruppe würden Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende fachliche Einarbeitung erforderlich sei, eingestuft. Als Beispiele seien u.a. Kochfrauen aufgeführt. Mithin sei die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Gegen das ihr am 18. August 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. September 2008 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat vorgetragen, vordergründig leide sie an einer schweren Depression und einer Schmerzstörung. Ferner liege ausweislich des vorgelegten Laborbefundes vom 11. August 2008 "eine aktive bzw. seit längerer Zeit bestehende Borrelioseinfektion möglicherweise Stadium II oder III ev. gar im chronischen Stadium" vor. Viele ihrer Krankheitssymptome, wie z.B. Körperschmerzen, Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Beweglichkeitseinschränkungen, Hautverfärbung, seien dieser Erkrankung zuzuordnen. Ferner sei bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin abzustellen, sondern auf ihren erlernten Beruf als Teilfacharbeiter-Wirtschaftspfleger, von dem sie sich nicht freiwillig gelöst habe; vielmehr habe sie diese Tätigkeit aufgeben müssen. Die Klägerin hat zudem eine an sie gerichtete Bescheinigung des Hautarztes - Allergologie - Dr. E. vom 19. Dezember 2008 vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 8. Mai 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts und ihren Bescheid für zutreffend.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt. Dipl.-Med. B. hat unter dem 2. Dezember 2009 keine Änderung in den objektiven Befunden mitgeteilt. Er hat u.a. die Epikrise der Klinik für Neurologie des S.-Klinikums N. vom 21. Juli 2009 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 21. bis zum 23. Juli 2009 beigefügt. Die Angabe multipler Beschwerden spreche für eine somatisierte Depression. Die chemische Konstellation ergebe keinen Hinweis auf eine Neuroborreliose oder derzeit behandlungsbedürftige Borreliose. Dr. P., Fachärztin für Spezielle Schmerztherapie und Homöopathie, hat unter dem 3. Dezember 2009 mitgeteilt, die Klägerin - bei ihr in Behandlung seit dem 2. Dezember 2008 - beklage eine ständige Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und wechselnde Krämpfe in den Füßen, Kopfschmerzen sowie Schmerzen in der Leistengegend und der rechten Clavicula. Als Diagnosen hat sie ein chronisches Schmerzsyndrom mit Somatisierung, ein Postfusionssyndrom L4/5, eine Depression, ein HWS-Syndrom, eine Hüftdysplasie beidseits, eine Borreliose und ein Ekzem beider Hände mitgeteilt. Die Fachärztin für Hautkrankheiten Dr. E. hat unter dem 22. Dezember 2009 bei einem unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin als Diagnosen ein Eccema vulgare allergicum der Hände, eine intestinale Candidose (Hefepilzinfektion des Darms) und eine - nach den Angaben der Klägerin bestehende - chronische Borrelieninfektion angeführt. Die Klägerin gebe ständig neue Beschwerden an; dies gehöre sicher zu der festgestellten somatisierten Depression. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie N. hat unter dem 22. Januar 2010 mitgeteilt, in diagnostischer Hinsicht sei er von einer Angststörung/DD Panikstörung und des Weiteren von dem Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung ausgegangen. Das psychische Befinden der Klägerin sei im Behandlungszeitraum vom 2. April bis zum 12. Dezember 2008 zum Teil deutlichen Schwankungen unterworfen gewesen; eine ausreichende zufriedenstellende andauernde psychische Stabilisierung sei nicht zu verzeichnen gewesen. Eine stationäre Behandlung sei empfohlen worden.
Der Senat hat sodann aus dem Verfahren S 12 SB 117/07 diverse Befundberichte und die auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Feststellung des GdB erstellten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. vom 17. August 2010 und des Facharztes für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. W. vom 1. Februar 2011 beigezogen. Bei der Untersuchung am 26. Juli 2010 bei Dr. R. habe die Klägerin Schmerzen im Bereich der LWS, HWS und des Beckenkamms rechts sowie eine Schwäche in den Händen und Beinen, ein Nervenzucken, eine Kopfschmerzsymptomatik sowie Schwindelgefühle geschildert. Ihr sei bisher weder erklärt worden, was eine Somatisierungsstörung wirklich sei, noch die Notwendigkeit einer entsprechenden Behandlung aufgezeigt worden. Auch ihr "Borreliose-Arzt", Herr H., habe ihr gegenüber mitgeteilt, sie leide an einer Somatisierungsstörung; gleichzeitig habe er sie als nicht psychisch krank eingeschätzt. Die behandelnden Ärzte der Klinik für Neurologie des Klinikums B. hätten ihr gegenüber kurz und knapp geäußert, eine organische Erkrankung, wie z.B. eine Neuroborreliose, liege nicht vor, vielmehr müsse sie psychisch behandelt werden. Sie sei nicht in der Lage, auch nur stundenweise einer Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Sie schaffe noch nicht einmal ihren Haushalt. Sie habe viele Freundinnen in N., mit denen sie sich ein- bis zweimal im Monat treffe. Ferner unternehme sie häufiger kleinere Städtereisen mit ihrem Mann, meist für zwei bis drei Tage. Trotz der stetigen Schmerzen könne sie solche Unternehmungen genießen. Störungen der Merkfähigkeit, des Kurz- und Allzeitgedächtnisses seien nicht zu objektivieren gewesen; Aufmerksamkeit, Konzentration und intellektuelle Leistungsfähigkeit hätten unauffällig bei einer ausgeglichenen Stimmungslage, jedoch affektiver Indolenz gewirkt. Hinweise für eine manifeste depressive Stimmungslage sowie Störungen seitens des Antriebes und der Psychomotorik hätten sich nicht ergeben. Ausweislich der testpsychologischen Untersuchung (Gießen-Test und Freiburger Persönlichkeitsinventar) sei die Diagnosestellung einer manifesten psychischen Störung nicht begründet. Als Diagnosen hat Dr. R. benannt:
Chronifizierte somatoforme Schmerzstörung und undifferenzierte Somatisierungsstörung.
Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei Zustand nach Nukleotomie L4/L5 und späterer dorsaler Spondylodese L4/L5 sowie sekundärer Pseudolisthesis L5 über S1 ohne neurologische Ausfallsymptomatik.
Eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt manifeste neurologische Erkrankung, wie z.B. eine Neuroborreliose, sei - insbesondere aufgrund der ausführlichen Liquor-Diagnostik unter Einbeziehung der auch sonst letztlich widersprüchlichen Laborbefunde - auszuschließen. Die Klägerin sei insbesondere aufgrund der Schwere und des Chronifiziertheitsgrades der somatoformen Schmerzstörung und undifferenzierten Somatisierungsstörung in einem hohen Maße in ihrer Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie in ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Sie sei selbst für regelmäßig wiederkehrende alltägliche Belastungen nur eingeschränkt belastbar. Dr. R. hat seinem Gutachten den Befund der spinalen Computertomografie (CT) der LWS vom 24. Februar 2010 beigefügt.
Dr. W. hat mitgeteilt, der von ihm erhobene neurologische Befund vom 22. September 2010 habe keine Hinweise auf motorische Ausfallerscheinungen oder eine gestörte Sensibilität ergeben. Das Gutachten von Dr. R. vom 3. August 2010 sei nachvollziehbar und plausibel. Er könne jedoch nicht beurteilen, ob die Borreliose klinisch in Erscheinung trete oder die Beschwerdesymptomatik des Rückens ausschließlich auf die degenerativen Veränderungen zurückzuführen sei. Ein Mitwirken der Borreliose mit den typischen klinischen Zeichen sei aber zu berücksichtigen. Im Vordergrund des Geschehens stehe allerdings die psychische Erkrankung mit den entsprechenden Funktionseinschränkungen.
Auf Veranlassung des Senats hat der Chefarzt der Neurologischen Klinik und Ärztlicher Direktor im SKH A. Dr. V., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, das nervenfachärztliche Gutachten vom 11. November 2011 nach Aktenlage in Bezug auf den Zeitraum Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 erstattet. Bei der Klägerin liege seit dem Ende der 80iger Jahre eine psychosomatische Störung vor, deren Ursache Konflikte und Verlusterlebnisse im familiären Umfeld, aber auch Überlastungs- und Überforderungssituationen in beruflicher Hinsicht im Rahmen der letzten Berufstätigkeit sei. Begünstigend wirke sich eine durchgängige Abwehr der Klägerin gegen eine psychische Interpretation ihrer Beschwerden aus. Die Beschwerdeschilderung der Klägerin weise an vielen Stellen auf Beschwerden im psychischen und psychovegetativen Bereich hin. Auffällig sei aber, dass fast durchgängig im Rahmen der psychischen Befunderhebung jeweils keine krankheitswertigen Auffälligkeiten beschrieben worden seien. Auch die Ausführungen zu Aktivitäten und sozialen Kontakten der Klägerin im Gutachten von Dr. R. sprächen gegen das Vorliegen ausgeprägter depressiver Störungen mit Rückzug und Inaktivität. Zudem fänden sich keine Hinweise auf das Vorliegen von Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Insoweit könne die Einschätzung, auch die allgemeine Leistungsfähigkeit der Klägerin sei weitgehend eingeschränkt, nicht geteilt werden. Die im Hinblick auf die Frage nach den Auswirkungen durch die Behinderung getroffene Leistungseinschätzung könne nicht auf die Frage nach der beruflichen Leistungsfähigkeit übertragen werden. Die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei von Januar 2006 bis Juli 2009, auch über diesen Zeitraum hinaus, für berufliche Tätigkeiten lediglich qualitativ eingeschränkt gewesen. Eine quantitativ verminderte Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten sei in der Zusammenschau und Wertung der vorliegenden Befunde und Unterlagen nicht ableitbar. Als Diagnosen seien eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung zu berücksichtigen. Die Klägerin sei von Januar 2006 bis Juli 2009 in der Lage gewesen, nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen noch mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken oder Überkopfarbeiten sowie Gerüst- und Leiterarbeiten seien ausgeschlossen gewesen. Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen, zeitweilig auch im Freien unter Witterungsschutz, d.h. ohne Einflüsse von Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, seien möglich gewesen. Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände erforderten, seien durchführbar gewesen. Hinweise auf funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen hätten sich nicht ergeben, obwohl ein Zustand nach Karpaltunnelsyndrom bestanden habe und schnellende Finger beschrieben worden seien. Die grobe Kraft, der Faustschluss, der Spitzgriff, die Spreizmöglichkeiten im Bereich beider Hände und auch das Drehen eines Schraubenziehers, Aufheben kleiner Gegenstände, Autofahren, Geld zählen, Schreiben im Alltag und Berufsleben seien nicht gravierend eingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen, mit überwiegend geistig einfachen Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an mnestische Fähigkeiten gewachsen gewesen. Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck in Wechselschicht, jedoch ohne Nachtschicht, und mit häufigem Publikumsverkehr seien durchführbar gewesen. Die Klägerin sei Arbeiten mit einfachen körperlichen Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen gewachsen gewesen. Weder im kognitiven noch im affektiv psychischen Bereich hätten sich Einschränkungen feststellen lassen, die eine Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht für den genannten Zeitraum begründeten, so dass weder ein Abfall von Konzentration und Aufmerksamkeit noch der allgemeinen Arbeitsleistung innerhalb einer Arbeitsschicht zu erwarten gewesen wäre. Da die Schmerzwahrnehmung und -empfindung wesentlich auf psychosomatischer Grundlage zu interpretieren gewesen sei, sei auch davon auszugehen, dass für den genannten Zeitraum eine unzumutbare Schmerzverstärkung oder Gefährdung der Gesundheit unter den Anforderungen einer leichten körperlichen Tätigkeit nicht zu erwarten gewesen sei. Die Gehfähigkeit sei im o.g. Zeitraum nicht eingeschränkt gewesen.
Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 2. Dezember 2011 ist der Klägerin das Gutachten am 8. Dezember 2011 übermittelt und diese darauf hingewiesen worden, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg biete und weitere medizinische Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Nachdem ihren Anträgen vom 22. Dezember 2011 und 17. Januar 2012 auf Fristverlängerung bis zum 17. Januar 2012 bzw. bis zum 7. Februar 2012 stattgegeben und sie mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Februar 2012 an die Beantwortung des gerichtlichen Schreibens vom 2. Dezember 2011 binnen zwei Wochen erinnert worden ist, hat die Klägerin am 5. März 2012 mitgeteilt, dass sie die Berufung nicht zurücknehme. Sie folge der Einschätzung von Dr. V. nicht und erhebe Einwände gegen dessen Gutachten; insoweit wird auf Bl. 300 bis 302 der Gerichtsakte verwiesen. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass sie nach der Einschätzung von Dr. V. vollschichtig leistungsfähig, aber wegen der psychischen Erkrankung arbeitsunfähig sei. Sie beantrage, "ein Gutachten nach § 109 SGG, im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu erstellen. z.B. von Dr. R.". Für den Fall, dass das Gericht diesem Antrag nicht Folge leiste, beantrage sie die persönliche Ladung des Sachverständigen als Zeugen zum Termin.
Den darüber hinaus im Schriftsatz vom 5. März 2012 gestellten Antrag, Dr. V. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat der Senat mit Beschluss vom 6. März 2012 als unzulässig verworfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten S 12 SB 117/07, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat auf die anberaumte mündliche Verhandlung in der Sache entscheiden können. Ein ausdrücklicher Antrag auf Verlegung bzw. Vertagung des Termins ist von der Klägerin nicht gestellt worden. Eine Verlegung oder Vertagung ist auch nicht erforderlich geworden, da der mit Schreiben vom 5. März 2012 gestellte Antrag, "ein Gutachten nach § 109 SGG z.B. von Dr. R." einzuholen, keinen wirksamen Antrag nach § 109 SGG darstellt. Trotz des richterlichen Hinweises vom 6. März 2012 hat die Klägerin keinen bestimmten Arzt benannt, der nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG gutachterlich gehört werden sollte.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009 zusteht. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Berufungsgegenstand ist die Bewilligung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, insbesondere bei Berufsunfähigkeit, vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2009. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Halle am 8. Mai 2008 ihren Klageantrag ausdrücklich beschränkt. Über diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Mai 2008 entschieden.
Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin war aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Eintritt des Leistungsfalls der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung ist im streitgegenständlichen Zeitraum zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Das Gericht muss sich grundsätzlich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen verschaffen. Ausreichend ist insoweit eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 24. November 2010, - B 11 AL 35/09 - juris). Im sozialgerichtlichen Verfahren trägt derjenige die objektive Beweislast für die einen Anspruch begründenden Tatsachen, der den Anspruch geltend macht. Der Grundsatz der objektiven Beweislast kommt immer dann zum Tragen, wenn trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung der Sachverhalt nicht mehr vollständig aufklärbar ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 118 RdNr 6). Anhand der dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen lässt sich nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit im Nachhinein feststellen, ob der Leistungsfall der vollen bzw. teilweisen Erwerbsminderung in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 eingetreten ist.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte die Klägerin von Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin konnte noch körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken, sowie Überkopf-, Gerüst- und Leiterarbeiten waren ausgeschlossen. Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen, zeitweilig auch im Freien unter Witterungsschutz, d.h. ohne Witterungseinflüsse, wie Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, konnte die Klägerin bewältigen. Sie war Arbeiten mit geistig überwiegend einfachen Anforderungen und mit durchschnittlichen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen und an mnestische Fähigkeiten gewachsen. Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck in Wechselschicht, jedoch ohne Nachtschicht, und mit häufigem Publikumsverkehr waren durchführbar. Eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände war gegeben.
Dieses Leistungsbild ergibt sich für den Senat aus dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, insbesondere aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. V. vom 11. November 2011, den medizinischen Befunden von Dr. R. und Dr. W. in ihren Gutachten vom 17. August 2010 bzw. 1. Februar 2011 sowie den Feststellungen im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 6. April 2005 und in den Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte, insbesondere von Dipl.-Med. B. und Dipl.-Med. K.
Die Leistungsfähigkeit der Klägerin wurde auf psychiatrischem Gebiet durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung beeinträchtigt. Das Ausmaß der von der Klägerin wahrgenommenen körperlichen Beschwerden und Einschränkungen ist anhand der erhobenen somatischen Befunde nicht erklärbar. Die psychosomatische Störung hat sich hauptsächlich auf die LWS bezogen; darüber hinaus sind auch die psychovegetativen Symptome wie Schlafstörungen, Zittern, Kopfschmerzen, Krämpfe, depressive Gedanken, Panikstörung, allgemeine Erschöpfbarkeit und Belastungsinsuffizienz dem psychosomatischen Symptomenkomplex zuzuordnen. Bei sämtlichen Begutachtungen, bei Dipl.-Med. S., Dr. R. und Dr. W., und den psychischen Befunderhebungen ausweislich der Epikrise der Klinik für Neurologie des S.-Klinikums N. vom 21. Juli 2009 wurden keine pathologischen Auffälligkeiten, sondern ein überwiegend unauffälliger psychischer Befund bei einer ausgeglichenen Stimmungslage ohne Hinweise auf mnestische Störungen oder eine manifeste depressive Stimmungslage, bei einer lediglich affektiven Indolenz beschrieben. Insoweit bestanden keine Einschränkungen für ein mindestens sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen der Klägerin, wobei in qualitativer Hinsicht Arbeiten mit besonderem Zeitdruck und Nachtschicht ausgeschlossen waren. Ferner war die Klägerin noch geistig einfachen Arbeiten und solchen mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen.
Das Gutachten von Dr. V. ist in sich schlüssig und überzeugend. Er hat sich mit den Gutachten von Dr. R. und Dr. W. eingehend auseinandergesetzt und dabei berücksichtigt, dass diese Gutachten zur Klärung der Feststellung des GdB erstellt worden sind. Die Befragung des Sachverständigen Dr. V. durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. Juli 2012 nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 402, 397 Abs. 2 Zivilprozessordnung hat keine darüber hinausgehenden Erkenntnisse erbracht.
Die Einschränkungen des Leistungsvermögens ergaben sich auf orthopädischem Gebiet aus einem chronischen lumbalen Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 am 5. Mai 1999, einer Hüftdysplasie und einer Chondromalacia patellae beidseits. Dipl.-Med. B. hat in seinen Befundberichten vom 18. Januar 2006, 3. Juli 2007 und 2. Dezember 2009 jeweils unveränderte objektive Befunde und unter dem 3. Juli 2007 lediglich auf eine Zunahme der Somatisierungsstörung verwiesen. Dipl.-Med. K. hat ebenfalls in seinem Befundbericht vom 6. September 2007 einen seit 2005 unveränderten Gesundheitszustand der Klägerin aufgezeigt und für den Senat nachvollziehbar seine Leistungsbeurteilung im Sinne eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens mit der aufgezeigten Durchbauung des stabilisierten Bewegungssegmentes L4/5 begründet. Dr. P. hat unter dem 3. Dezember 2009 keine Störungen der Motorik oder Sensibilität beschrieben. Als klinischen Befund der LWS hat sie eine Entfaltungsbehinderung bei der Inklination der Wirbelsäule und ein positives Lasegue’sches Zeichen bei 45° angegeben. Dipl.-Med. S. hat im neurologischen Befund keine Lähmungen, muskuläre Atrophien oder Reflexausfälle aufgezeigt, sondern lediglich im Dermatom L5 links partiell eine diskrete Hypästhesie festgestellt. Da insgesamt lediglich geringgradige funktionelle Einschränkungen, keine motorischen Ausfälle und Sensibilitätsstörungen nachweisbar waren, war der Klägerin eine mindestens sechsstündige tägliche Erwerbstätigkeit möglich, allerdings im Hinblick auf die orthopädischen Gesundheitsstörungen ohne Arbeiten mit häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, wie Knien, Hocken, Bücken, Überkopf oder auf Gerüsten und Leitern.
Die von Dipl.-Med. S. in seinem Gutachten vom 14. Juli 2006 zunächst aufgezeigte quantitative Leistungsminderung ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Er hat zwar auf das dringende Erfordernis einer Analgetikaentwöhnungsbehandlung hingewiesen. Unter Berücksichtigung des von ihm dargestellten regelrechten neurologischen Befundes und des überwiegend unauffälligen psychischen Befundes mit einer lediglich dysphorischen Stimmungslage, Zukunftsangst, innerer Unruhe und Antriebsminderung ohne Störungen der mnestischen Fähigkeiten bestand lediglich die Notwendigkeit von zusätzlichen qualitativen Leistungseinschränkungen. Insoweit hat der Gutachter unter dem 7. August 2008 seine Leistungseinschätzung geändert, ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht und das Erfordernis einer Analgetikaentwöhnungsbehandlung lediglich zur Stabilisierung der bedrohten, aber noch vorhandenen Erwerbsfähigkeit aufgezeigt.
Ferner vermag sich der Senat der Einschätzung von Dr. R., auch die allgemeine Leistungsfähigkeit der Klägerin sei weitgehend eingeschränkt, unter Berücksichtigung der von ihm erhobenen psychopathologischen unauffälligen Befunde nicht anzuschließen. Zudem sprechen die im Gutachten von Dr. R. aufgezeigten Tagesaktivitäten und sozialen Kontakte der Klägerin gegen das Vorliegen ausgeprägter depressiver Störungen mit Rückzug und Inaktivität. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die diesem Gutachten zugrunde liegende Untersuchung erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraumes am 26. Juli 2010 stattgefunden hat. Neue medizinische Befunde bzw. eine zu diesem Zeitpunkt erst festgestellte erhebliche Leistungseinschränkung hätten für das vorliegende Streitverfahren keine Relevanz. Letztlich sind für die Beurteilung der Höhe des GdB, der die Auswirkung einer Behinderung in allen Lebensbereichen festlegt, andere gesetzliche Voraussetzungen maßgeblich als bei der Prüfung von Erwerbsminderung.
Das Vorliegen einer Depression, wie von Medizinaldirektorin Dipl.-Med. R. unter dem 9. Oktober 2007 aufgezeigt, konnte nicht nachgewiesen werden. Die testpsychologischen Untersuchungen bei Dr. R. und der klinische Befund ergaben keine Hinweise auf eine manifeste depressive Störung.
Ferner bestanden ein Zustand nach Karpaltunnelsyndrom, jedoch ohne Rezidiv, und schnellende Finger beidseits D4 und rechts D3 ohne Hinweise auf funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen im o.g. Zeitraum. Vielmehr waren die grobe Kraft, der Faustschluss, der Spitzgriff sowie die Spreizmöglichkeiten im Bereich beider Hände im Wesentlichen erhalten.
Bei der Klägerin lagen ferner eine nicht behandlungsbedürftige Herzerkrankung, eine Darmpilzinfektion, ein Ekzem beider Hände und Knoten in der Schilddrüse vor. Aus diesen Erkrankungen resultierten jedoch keine weitergehenden Leistungseinschränkungen. Die darüber hinaus vorliegende Stauungsdermatitis machte akutmedizinische fachärztliche Maßnahmen notwendig, begründete jedoch keine rentenrelevanten Einschränkungen. Zudem bestand nach den Laborbefunden kein Hinweis auf eine Neuroborreliose oder eine behandlungsbedürftige Borreliose.
Der Senat sieht schließlich keine Veranlassung zu weiteren (aktuellen) medizinischen Ermittlungen, da diese keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn für den streitgegenständlichen, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bringen würden.
Die Tatsache, dass die Klägerin arbeitsunfähig war, steht der Annahme von Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Denn Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Versicherter aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Dabei bleibt unbeachtet, ob der Versicherte noch in der Lage ist, eine sonstige Tätigkeit zu verrichten. Im Übrigen ist für den Senat unter Berücksichtigung der von den Gutachtern aufgezeigten überwiegend unauffälligen psychischen Befunde nicht erkennbar, weshalb die Klägerin im Rahmen ihrer objektiv vorhandenen Möglichkeiten und einer ihr abzuverlangenden Anstrengungsbereitschaft nicht in der Lage gewesen sein sollte, den Anforderungen eines leidensgerechten Arbeitsplatzes mit den oben genannten Einschränkungen zu entsprechen. Dr. V. hat insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum zu einer regelmäßigen, täglich mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit in der Lage war.
Bei der Klägerin lag vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2009 auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führte. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reichte vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris). Die Gebrauchsfähigkeit beider Hände lag vor. Funktionelle Einschränkungen der Finger- und Handfunktionen bestanden nicht. Verrichtungen im Berufsleben wie z.B. das Drehen eines Schraubenziehers, Aufheben kleiner Gegenstände, Geld zählen, Schreiben waren durchführbar. Leichte Verpack- und Sortierarbeiten konnte die Klägerin unter Berücksichtigung der angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen bewältigen.
Auch bestand im Falle der Klägerin im oben genannten Zeitraum kein Seltenheits- oder Katalogfall, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, GS, a.a.O., Seite 35). Insbesondere war für die Klägerin der Arbeitsmarkt nicht verschlossen, weil es ihr an der so genannten Wegefähigkeit gefehlt hätte.
Die Klägerin hat für den vorgenannten Zeitraum auch keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Kann er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss mit dem Ziel verrichtet worden sein, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. z.B. Niesel in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI RdNr 9 f. m.w.N.).
Bisheriger Beruf der Klägerin ist die vom 1. Februar 1980 bis zu ihrer Arbeitsunfähigkeit am 12. Januar 1998 ausgeübte Tätigkeit als Beiköchin. Bisheriger Beruf ist nicht der des Wirtschaftspflegers, da die Klägerin in diesem nach Beendigung der Ausbildung vor der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nicht mehr tätig war. Die körperlich zumindest mittelschwere Tätigkeit als Beiköchin konnte die Klägerin zur Überzeugung des Senats, die von der Beklagten geteilt wird, seit Rentenantragstellung nicht mehr verrichten, da ihr auf Grund des lumbalen Schmerzsyndroms nur noch leichte körperliche Arbeiten zuzumuten waren.
Damit war die Klägerin aber noch nicht berufsunfähig. Auf welche Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema, das auch der Senat seinen Entscheidungen zugrunde legt. Dieses gliedert die Berufe hierarchisch in vier Gruppen mit verschiedenen Leitberufen. An oberster Stelle steht die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion und der besonders qualifizierten Facharbeiter. Es folgen die Facharbeiter in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei bis drei Jahren, danach die angelernten Arbeiter mit einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren. Zuletzt folgen die so genannten Ungelernten, auch mit einer erforderlichen Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von bis zu drei Monaten. Eine vom Versicherten vollschichtig ausübbare Tätigkeit ist ihm zumutbar im Sinne des § 240 SGB VI, wenn er irgendwelche Tätigkeiten der eigenen Qualifikationsstufe oder aber der nächst niedrigeren Stufe spätestens nach einer Einarbeitung und Einweisung von drei Monaten zum Erwerb der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vollwertig ausüben kann.
Dabei muss dem Versicherten allerdings grundsätzlich ein konkreter Verweisungsberuf benannt und zugeordnet werden können, anhand dessen sich die Zumutbarkeit seiner Ausübung beurteilen lässt. Kann ein anderer Beruf nicht konkret in Betracht gezogen werden, liegt bei der Unfähigkeit der Ausübung des bisherigen Berufs Berufsunfähigkeit vor. Eine Ausnahme vom Erfordernis der konkreten Benennung eines Verweisungsberufs besteht aber dann, wenn dem Versicherten fachlich-qualitativ ungelernte Tätigkeiten und jedenfalls leichte körperliche, seelische und geistige Belastungen zumutbar sind. Es gibt eine Vielzahl von ungelernten Berufen im inländischen Erwerbsleben. Sie stellen gerade keine besonderen Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung. Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit grundsätzlich zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten Arbeiters oder dem des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Allerdings ist bei den angelernten Arbeitern weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Daher sind für Angelernte des oberen Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (KassKomm-Niesel, § 240 SGB VI, RdNr 93 f. m.w.N).
Der bisherige Beruf der Klägerin als Beiköchin ist der Gruppe der unteren Angelernten zuzuordnen. Für ihre ausgeübte Tätigkeit war keine Ausbildung, sondern lediglich eine Einarbeitung erforderlich. Die Klägerin war eingesetzt bei der Zubereitung, Ausgabe und dem Verkauf der Mahlzeiten und erledigte Reinigungsarbeiten in der Großküche der Agraringenieurschule N. Eine Ausbildung oder Anlernzeit hat die Klägerin nicht durchlaufen. Über die Ausbildung im Teilberuf Wirtschaftspfleger im Betrieb der Agraringenieurschule N. liegt lediglich das Abschlusszeugnis vom 13. Juli 1976 und kein Teilfacharbeiterbrief vor. Schließlich diente die Ausbildung der Erfüllung der Schulpflicht der damals erst 15-jährigen, lediglich über einen Abschluss der 7. Schulklasse verfügenden, Klägerin. Soweit sich Tätigkeitsfelder als Wirtschaftspfleger und Beiköchin überschritten haben, führt dies nicht zur Qualifizierung der letzten Tätigkeit als zumindest obere Anlerntätigkeit. Denn es ist nicht ersichtlich, dass eine ungelernte Kraft mindestens drei Monate oder gar ein Jahr hätte angelernt bzw. eingearbeitet werden müssen, um die Arbeitsaufgaben des Wirtschaftspflegers zu erfüllen.
Für eine Einstufung als untere Angelernte spricht zudem die tarifliche Eingruppierung der Klägerin in die zweitniedrigste Lohngruppe des MTArb-O. Die Lohngruppe des 2 des MTArb-O vom 8. Mai 1991 umfasst Arbeiter mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung erforderlich ist. Als Beispiel werden unter 1.2 Küchenhilfskräfte angeführt. Zur Lohngruppe 2a gehören Arbeiter mit Tätigkeiten, die eine handwerkliche oder fachliche Anlernung erfordern. Erst in die Lohngruppe 3 sind Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder besonders qualifizierte Arbeiter der Lohngruppe 2a eingruppiert.
Als untere Angelernte war die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved