Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 4476/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5489/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14. November 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung seines Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 70.
Der Kläger ist 1947 geboren, t. Staatsangehöriger und seit 24.11.2000 zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Für ihn wurde zuletzt mit Bescheid vom 27.04.2004 ein GdB von 60 wegen einer seelischen Störung, Depression, eines Diabetes mellitus, einer Schwerhörigkeit beidseits, einer Sehminderung beidseits, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Knorpelschäden in beiden Kniegelenken festgestellt.
Am 10.03.2010 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Behinderung und die Feststellung von Merkzeichen. Zur Begründung teilte er mit, dass seine Depressionen, seine Bandscheibe und sein Diabetes schlimmer geworden seien.
Der Beklagte zog Unterlagen beim Hausarzt des Klägers bei. Am 30.04.2009 und 14.05.2009 war der Kläger in orthopädischer Behandlung bei Dr. Ak. (Universitätsklinikum H. , Arztbriefe vom 18.05.2009 und 02.06.2009) wegen einer degenerativen Spinalkanalstenose L4/5. Es bestand eine Claudicatio spinalis Symptomatik mit einer auf 50 m reduzierten Gehstrecke.
Der Augenarzt Dr. Wi. berichtete am 11.09.2009 über ein Sehvermögen von beidseits 0,5 bis 0,6 partiell. Es bestehe beidseits ein Zustand nach Cataract Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation rechts mehr als links sowie nasale Hornhauttrübungen. Er diagnostizierte eine Pseudoaphakie mit Astigmatismus, einen Glaukomverdacht und eine beginnende diabetische Backgroundretinopathie.
Dr. Ko. und Dr. K. H. prüften am 25.11.2009 Herz und Nieren im Rahmen einer Verlaufskontrolle bei Diabetes mellitus. Es ergab sich kein Anhalt für das Vorliegen einer kardialen Grunderkrankung. Es bestand eine Doppelniere links bei ansonsten unauffälligem Befund.
Der Kläger war in der Zeit vom 06.08.2009 bis 09.09.2009 zum wiederholten Mal in stationärer Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N ... Ausweislich der Entlassungsberichts vom 04.12.2009 bestand eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome. Er litt bei Aufnahme seit zwei Monaten unter Antriebsmangel, innerer Unruhe, Ängsten sowie Schlaflosigkeit und führe Selbstgespräche. Wenn er seine Augen schließe, sehe er Tiere. Im Verlauf der stationären Behandlung konnte eine Stabilisierung erreicht werden. Der Diabetes mellitus werde mit Glucobay behandelt.
Der behandelnde Psychiater und Neurologe H. A. berichtete in Arztbriefen vom 21.01.2008, 21.04.2008, 23.03.2009, 27.04.2009 und 06.07.2009, dass es dem Kläger unter der Medikation psychisch relativ gut gehe. Er leide unter Rückenschmerzen und solle sich einer Operation unterziehen, vor der er furchtbare Angst habe. In einem Arztbrief vom 24.09.2009 teilte H. A. mit, dass es der Kläger trotz der stationären Behandlung noch recht deprimiert wirke. Er habe die dort vorgenommene Veränderung der Medikation wieder geändert. Am 19.10.2009 berichtete H. A. , dass der Kläger deutlich herabgestimmt und depressiv sei, er habe deshalb die Medikation verändert. Ausweislich des Arztbriefs vom 08.04.2010 wurden die Medikamente zwischenzeitlich reduziert, unter der jetzigen Medikation sei es zu keiner Verschlechterung der Symptomatik gekommen.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. St. , 25.05.2010) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2010 einen GdB von 70 fest. Die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG und RF lehnte er ab.
Dagegen erhob der Kläger am 14.06.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung er seine behandelnden Ärzte aufzählte und mitteilte, dass er wegen seines Diabetes nunmehr von Dr. Ko. regelmäßig gespritzt werde.
Nach erneuter Anhörung des medizinischen Dienstes (Dr. H. , 21.10.2010) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 16.12.2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim, zu deren Begründung er ausführte, dass nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für die Anerkennung eines GdB von mindestens 80 vorlägen. Der Diabetes könne nicht mehr allein mit Diät und oralen Antidiabetika eingestellt werden, es bedürfe nunmehr einer Spritzentherapie, so dass der berücksichtigte GdB von 20 nicht ausreichend sei. Das gelte insbesondere, weil der Diabetes nur sehr schwer einzustellen sei. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit 20 zu gering bemessen. Die Knorpelschäden in beiden Kniegelenken müssten mit 20 bewertet werden. Es lägen darüber hinaus die Voraussetzungen für die Merkzeichen G, aG und RF vor.
Der Kläger legte einen Arztbrief des Internisten Dr. Ko. vom 02.08.2010 mit den Diagnosen Gonarthrose, Hypercholesterinämie, Glaukom, diabetische Retinopathie, Arteriosklerose der Arteria carotis, Doppelniere, insulinpflichtiger Typ-2-Diabetes vor. Eine Echokardiographie am 28.07.2010 ergab einen normal großen linken Ventrikell mit guter Pumpfunktion, eine geringgradige MI+TI und einzelne SVES. Der Blutzucker lag bei den Kontrollen jeweils über dem Normwert.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde H. P. gab unter dem 18.02.2011 an, der Kläger sei bei ihm in Behandlung wegen eines chronisch degenerativen Lumbalsyndroms, eines chronischen Schmerzsyndroms, einer leichten beidseitigen Gonarthrose und einer Depression. Im Vordergrund stehe das ausgeprägte Schmerzsyndrom der gesamten Lendenwirbelsäule (LWS). Neurologische Ausfälle, also Lähmungserscheinungen, Störungen des Gefühls der Beine ließen sich in seinen Aufzeichnungen nicht finden. Eine Einschränkung der Gehstrecke gebe der Kläger nicht an. Schmerzmittel führten jeweils zu einer Besserung, eine Spritztherapie zu einer geringen Besserung der Symptomatik. Für das Schmerzsyndrom der Wirbelsäule sei ein GdB von 30, für den röntgenologisch leichten Kniegelenksverschleiß ein solcher von 10 anzusetzen, eine Änderung des Gesamt-GdB ergebe sich daraus nicht.
Der Psychiater H. A. gab am 22.02.2011 an, den Kläger ca. alle zwei Monate zu sehen. Die Symptomatik der rezidivierenden depressiven Störung sei zur Zeit relativ stabil. Der Kläger sei weiterhin wenig belastbar, scheu, klagte gelegentlich über Schlafstörungen. Er habe wenig Freude, oft wenig Antrieb, die meiste Zeit sehe er das Leben düster und von der depressiven Seite. Mit dem GdB von 70 seien die Leiden des Klägers vollständig bezeichnet und bewertet.
Der Internist U. B. teilte am 20.03.2011 mit, der Kläger konsultiere ihn ca. monatlich z.T. zur Ausstellung von Folgerezepten und Überweisungen. Die einzige Änderung, die sich ergeben habe, sei eine Umstellung des Diabetes auf eine intensivierte Insulintherapie, bei der der Kläger anhand von Blutzuckermessungen die Insulindosis selbst anpassen müsse. Insofern sei von einem GdB von 30 auszugehen. Insgesamt ergebe sich dann ein GdB von 80. U. B. legte weitere Befunde von Dr. Ko. über Kontrolluntersuchungen des Herzens und der Niere vom 11.11.2010 vor.
Dr. Ko. beantwortete die gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 04.07.2011. Der Kläger sei wegen des Diabetes seit 2010 auf Insulin eingestellt.
Das SG holte ein Gutachten des Internisten Dr. Su. vom 10.10.2011 ein. Dort gab der Kläger an, unter Sehproblemen und Rückenschmerzen sowie Kniebeschwerden zu leiden. Er verabreiche dreimal täglich Humolog, zurzeit 14 Einheiten. Dr. Ko. entscheide, ob er die Dosis verändern müsse, dort stelle er sich alle zwei bis drei Monate vor. Wenn der Blutzucker zu hoch sei, esse er weniger oder gar nichts. Eine Dokumentation der Blutzuckerwerte habe er nicht vorgenommen. Unter Bewusstlosigkeit habe er noch nie gelitten, der Blutzucker betrage regelmäßig mehr als 200. Bei der Laborkontrolle fand sich ein Blutzuckerwert von 147 mg/dl, der HbA1c lag bei 7,8. Dr. Su. kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein insulinpflichtiger Diabetes und ein Bluthochdruck vorliege. Der Blutzucker sei im Langzeitprofil ausreichend eingestellt, tagesaktuell sei er recht gut. Die Insulintherapie könne eine Hypoglykämie auslösen. Die Blutzuckerüberwachung beeinträchtige die tägliche Lebensführung insofern, als der Kläger dann weniger Nahrung zu sich nehme. Eine Protokollierung der Blutzuckerwerte erfolge nicht. Insofern sei ein GdB von 30 ab Juli 2010 anzunehmen. Der Bluthochdruck sei medikamentös gut eingestellt und könne mit einem GdB von 10 berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der nach den Berichten von H. A. relativ stabilen psychischen Situation sei ein Gesamt-GdB von 70 weiterhin zutreffend.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.11.2011 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger selbst vortragen lasse, dass seine Seh-, Hör- und psychische Behinderung ausreichend berücksichtigt seien. Andere Anhaltspunkte habe das Gericht auch nicht. Die Einschätzung des GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden mit 30 durch Dr. P. überzeuge nicht. In den Befunden der Uniklinik H. und des Psychiatrischen Zentrums N. ergebe sich kein entsprechender Röntgenbefund, die Beweglichkeit der Wirbelsäule werde als frei beschrieben. Für den Diabetes sei ein Teil-GdB von 30 anzusetzen. Der Kläger gebe insofern selbst an, dass eine gezielt geringere Nahrungsaufnahme die einzige Konsequenz von zu hoch gemessenen Blutzuckerwerten sei. Insbesondere erfolge keine Änderung der jeweiligen Insulindosis. Die Hypertonie bedinge einen GdB von 10. Insgesamt sei der GdB von 70 unter Berücksichtigung eines GdB von 50 für die Depression und seelische Störung, 30 für den Diabetes, je 20 für die Sehminderung, die Wirbelsäulenbeschwerden und die Hörbehinderung ausreichend. Die Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen G, aG und RF lägen nicht vor.
Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 16.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14.12.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt, das SG habe den Gesamt-GdB nicht zutreffend bemessen, denn der Diabetes, die Sehminderung und die Hörminderung verstärkten sich gegenseitig. Insbesondere könne die Hörminderung nicht durch Sehen ausgeglichen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 27.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 80 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Der GdB von 50 für die psychische Erkrankung sei bereits sehr weitreichend. Zur weiteren Begründung hat er eine Stellungnahme von Dr. Wo. vom 06.08.2012 vorgelegt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 12.09.2012 mit den Beteiligten erörtert. Insofern wird auf die Niederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 12.09.2012 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Mannheim und die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Der Senat konnte über den nach dem Begehren des Klägers sinngemäß gefassten Berufungsantrag durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, § 124 Abs. 2 SGG. Streitgegenstand ist im Berufungsverfahren allein noch die Feststellung des GdB. Die mit der Klage in der ersten Instanz noch verfolgte Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichen hat der Kläger mit seiner Berufung nicht mehr weiter verfolgt.
Dem Kläger steht kein höherer GdB als 70 zu. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass ab 01.01.2009 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) anstelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) heranzuziehen sind. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Nach diesen Kriterien sind die Behinderungen des Klägers mit einem GdB von 70 ausreichend bewertet. Für die seelische Störung und Depression ist ein GdB von 40, für den Diabetes ein solcher von 20, für die Schwerhörigkeit beidseits von 20, die Sehminderung beidseits bei Einpflanzung einer Kunstlinse beidseits von 20, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule von 20, die Schäden in beiden Kniegelenken von 10 und den Bluthochdruck von 10 zu berücksichtigen.
Die psychischen Beschwerden des Klägers bedingen zur Überzeugung des Senats mit Beginn des streitigen Zeitraums ab 10.03.2010 nur noch einen GdB von 40. Stärker behindernde Störungen sind dem Bewertungsrahmen eines GdB von 30-40, schwere Störungen dagegen einem Bewertungsrahmen von 50-70 bzw. 80-100 zugeordnet (VG Teil B 3.7). Vorliegend wurde die seelische Störung des Klägers bislang als schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (Bewertungsstufe GdB 50-70, VG Teil B 3.7) mit einem GdB 50 bewertet. Der Kläger wurde jedoch aus der stationären Behandlung im August/September 2009 im Psychiatrischen Zentrum N. als stabilisiert entlassen. Er war wegen einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig schwerer Episode aufgenommen worden. Nach Ende der Behandlung mit Reduzierung der Medikamentengabe war es insgesamt zu einer Besserung gekommen (Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 04.12.2009). Diese - nach einer kurzen Verschlechterung Ende September 2009 - seit Oktober 2009 aus den Arztbriefen des behandelnden Psychiaters erkennbare Entwicklung wird in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Psychiater A. vom 22.02.2011 bestätigt, der zwar eine fortbestehende geringe Belastbarkeit bei Schlafstörungen und geringem Antrieb beschreibt, aber diese als noch im Februar anhaltende relativ stabile, remittierte Symptomatik wiedergibt. Der bisherige schwankende Verlauf der depressiven Erkrankung ist unter Behandlung und der jetzigen Medikation somit eingedämmt, nach Auskunft von Psychiater A. hat sich die von der Klinik beschriebene Besserung der Erkrankung als dauerhaft erwiesen. Der Kläger sucht nur noch alle zwei Monate Herrn A. auf, eine Psychotherapie findet nicht statt. Neben der depressiven Erkrankung liegt eine somatoforme Schmerzstörung vor, die als ebenfalls psychisch bedingte Erkrankung zu berücksichtigen ist. Der Senat erachtet die Einstufung der psychischen Erkrankung in die Bewertungsstufe einer schweren seelischen Störung für nicht mehr gerechtfertigt, vielmehr ist die psychische Störung des Klägers mit dem höchsten GdB von 40 aus der Bewertungsstufe für stärker behindernde Störungen angemessen bewertet.
Der beim Kläger vorliegende Diabetes ist weiterhin mit einem GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Für die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) sind die GdB-Bewertungsgrundsätze durch die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV (BGBl. 2010,928) mit Wirkung vom 22.07.2010 geändert worden. Danach gilt nach den VG Teil B 15.1 für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus: Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
Beim Kläger liegt nach den Befunden von Dr. Ko. und des Arztes B. , die im Wesentlichen durch Dr. Su. in seinem Gutachten vom 10.10.2011 bestätigt worden sind, ein nunmehr insulinpflichtiger Diabetes mellitus vor. Der Kläger spritzt sich selbst täglich dreimal Insulin nach festen Einheiten. Eine Dokumentation der von ihm selbst gemessenen Werte findet nicht statt und ist auch nicht notwendig. Der Kläger passt auch die Insulindosis nicht selbständig an, sondern stellt sich lediglich alle zwei bis drei Monate zur Kontrolle bei seinem Arzt vor. Einzige Konsequenz aus zu hohen Blutzuckerwerten ist eine geringere Nahrungszufuhr durch den Kläger.
Diese Einschränkungen bewertet der Senat mit einem GdB von 20. Die Insulintherapie kann Hypoglykämien auslösen, so dass der Bewertungsrahmen von 20 und mehr eröffnet ist. Der Kläger muss jedoch nicht mindestens einmal täglich eine dokumentierte Blutzuckermessung durchführen. Vielmehr dokumentiert er die Blutzuckerwerte selbst gar nicht und gibt auch nicht an, von einem Arzt zu einer solchen Dokumentation aufgefordert worden zu sein. Sein Therapieaufwand beschränkt sich insofern auf das Spritzen einer dreimal täglichen festen Dosis von Humalog. Soweit Dr. Su. dennoch einen GdB von 30 annimmt, legt er dieser Einschätzung eine unrichtige Auslegung der versorgungsmedizinischen Grundsätze zugrunde. Nach diesen bedingt erst die Notwendigkeit einer mindestens einmal täglichen Blutzuckerselbstmessung mit Dokumentation einen GdB von mindestens 30. Eine solche Dokumentation ist beim Kläger nicht indiziert, so dass ein GdB von wenigstens 30 zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt ist.
Die Sehbehinderung des Klägers bedingt einen GdB von höchstens 20. Nach Nr. 4.3 Teil B VG richtet sich die Bewertung von Sehminderungen nach der dort niedergelegten Tabelle. Beim Kläger liegt auf dem einen Auge eine Sehschärfe von 0,5 auf dem anderen eine solche von 0,6 vor. Allein die eingeschränkte Sehschärfe bedingt insofern einen GdB von 10. Darüber hinaus hat sich der Kläger einer Hinterkammerlinsenimplantation beidseits unterzogen, die nach Nr. 4.2 eine Erhöhung des GdB für die Sehbeeinträchtigung um 10 auf 20 rechtfertigt.
Die Behinderungen durch den Bluthochdruck, die Kniebeschwerden, die Hörminderung und die Wirbelsäulenbeschwerden hat das SG zutreffend bewertet. Insofern nimmt der Senat nach Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beschwerden des Klägers sind mit einem GesamtGdB von 70 ausreichend bewertet. Ausgehend von einem GdB von 40 für die psychische Behinderung wird der GdB durch den GdB von 20 für den Diabetes um 10 auf 50 erhöht, denn beide Behinderungen wirken sich gegenseitig insofern verstärkend aus, als sie beide Einfluss auf die tägliche Lebensführung des Klägers haben. Der GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden führt dagegen nicht zu einer weiteren Erhöhung, denn die Schmerzen in der Wirbelsäule sind nach den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden P. in seiner sachverständigen Zeugenaussage wesentlich durch eine somatoforme Schmerzstörung und nicht durch Bewegungseinschränkungen in der Wirbelsäule oder neurologische Störungen geprägt. Die somatoforme Störung stellt ihrerseits eine seelische Störung dar, die im GdB von 40 für die seelische Störung bereits berücksichtigt ist. Eine weitere Erhöhung durch diese Beeinträchtigung würde zu einer nicht gerechtfertigten Doppelbewertung führen. Der GdB wird durch den GdB von 20 für die Sehbehinderung um weitere 10 auf 60 erhöht. Auch der GdB von 20 für die Hörstörung wirkt um weitere 10 erhöhend, denn diese Behinderung betrifft ein Sinnesorgan und kann aufgrund der ebenfalls bestehenden Sehstörung nicht vollständig durch ein funktionstüchtiges anderes Sinnesorgan ausgeglichen werden. Insofern ist ein GdB von 70 angemessen, aber auch ausreichend. Eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB durch die Behinderungen durch den Bluthochdruck und die leicht ausgeprägten Verschleißschäden in den Knien ist nicht angezeigt.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Neufeststellung seines Grades der Behinderung (GdB) mit mehr als 70.
Der Kläger ist 1947 geboren, t. Staatsangehöriger und seit 24.11.2000 zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Für ihn wurde zuletzt mit Bescheid vom 27.04.2004 ein GdB von 60 wegen einer seelischen Störung, Depression, eines Diabetes mellitus, einer Schwerhörigkeit beidseits, einer Sehminderung beidseits, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Knorpelschäden in beiden Kniegelenken festgestellt.
Am 10.03.2010 beantragte der Kläger die Neufeststellung seiner Behinderung und die Feststellung von Merkzeichen. Zur Begründung teilte er mit, dass seine Depressionen, seine Bandscheibe und sein Diabetes schlimmer geworden seien.
Der Beklagte zog Unterlagen beim Hausarzt des Klägers bei. Am 30.04.2009 und 14.05.2009 war der Kläger in orthopädischer Behandlung bei Dr. Ak. (Universitätsklinikum H. , Arztbriefe vom 18.05.2009 und 02.06.2009) wegen einer degenerativen Spinalkanalstenose L4/5. Es bestand eine Claudicatio spinalis Symptomatik mit einer auf 50 m reduzierten Gehstrecke.
Der Augenarzt Dr. Wi. berichtete am 11.09.2009 über ein Sehvermögen von beidseits 0,5 bis 0,6 partiell. Es bestehe beidseits ein Zustand nach Cataract Operation mit Hinterkammerlinsenimplantation rechts mehr als links sowie nasale Hornhauttrübungen. Er diagnostizierte eine Pseudoaphakie mit Astigmatismus, einen Glaukomverdacht und eine beginnende diabetische Backgroundretinopathie.
Dr. Ko. und Dr. K. H. prüften am 25.11.2009 Herz und Nieren im Rahmen einer Verlaufskontrolle bei Diabetes mellitus. Es ergab sich kein Anhalt für das Vorliegen einer kardialen Grunderkrankung. Es bestand eine Doppelniere links bei ansonsten unauffälligem Befund.
Der Kläger war in der Zeit vom 06.08.2009 bis 09.09.2009 zum wiederholten Mal in stationärer Behandlung im Psychiatrischen Zentrum N ... Ausweislich der Entlassungsberichts vom 04.12.2009 bestand eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome. Er litt bei Aufnahme seit zwei Monaten unter Antriebsmangel, innerer Unruhe, Ängsten sowie Schlaflosigkeit und führe Selbstgespräche. Wenn er seine Augen schließe, sehe er Tiere. Im Verlauf der stationären Behandlung konnte eine Stabilisierung erreicht werden. Der Diabetes mellitus werde mit Glucobay behandelt.
Der behandelnde Psychiater und Neurologe H. A. berichtete in Arztbriefen vom 21.01.2008, 21.04.2008, 23.03.2009, 27.04.2009 und 06.07.2009, dass es dem Kläger unter der Medikation psychisch relativ gut gehe. Er leide unter Rückenschmerzen und solle sich einer Operation unterziehen, vor der er furchtbare Angst habe. In einem Arztbrief vom 24.09.2009 teilte H. A. mit, dass es der Kläger trotz der stationären Behandlung noch recht deprimiert wirke. Er habe die dort vorgenommene Veränderung der Medikation wieder geändert. Am 19.10.2009 berichtete H. A. , dass der Kläger deutlich herabgestimmt und depressiv sei, er habe deshalb die Medikation verändert. Ausweislich des Arztbriefs vom 08.04.2010 wurden die Medikamente zwischenzeitlich reduziert, unter der jetzigen Medikation sei es zu keiner Verschlechterung der Symptomatik gekommen.
Nach Anhörung des ärztlichen Dienstes (Dr. St. , 25.05.2010) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2010 einen GdB von 70 fest. Die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG und RF lehnte er ab.
Dagegen erhob der Kläger am 14.06.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung er seine behandelnden Ärzte aufzählte und mitteilte, dass er wegen seines Diabetes nunmehr von Dr. Ko. regelmäßig gespritzt werde.
Nach erneuter Anhörung des medizinischen Dienstes (Dr. H. , 21.10.2010) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2010 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 16.12.2010 Klage zum Sozialgericht Mannheim, zu deren Begründung er ausführte, dass nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für die Anerkennung eines GdB von mindestens 80 vorlägen. Der Diabetes könne nicht mehr allein mit Diät und oralen Antidiabetika eingestellt werden, es bedürfe nunmehr einer Spritzentherapie, so dass der berücksichtigte GdB von 20 nicht ausreichend sei. Das gelte insbesondere, weil der Diabetes nur sehr schwer einzustellen sei. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit 20 zu gering bemessen. Die Knorpelschäden in beiden Kniegelenken müssten mit 20 bewertet werden. Es lägen darüber hinaus die Voraussetzungen für die Merkzeichen G, aG und RF vor.
Der Kläger legte einen Arztbrief des Internisten Dr. Ko. vom 02.08.2010 mit den Diagnosen Gonarthrose, Hypercholesterinämie, Glaukom, diabetische Retinopathie, Arteriosklerose der Arteria carotis, Doppelniere, insulinpflichtiger Typ-2-Diabetes vor. Eine Echokardiographie am 28.07.2010 ergab einen normal großen linken Ventrikell mit guter Pumpfunktion, eine geringgradige MI+TI und einzelne SVES. Der Blutzucker lag bei den Kontrollen jeweils über dem Normwert.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde H. P. gab unter dem 18.02.2011 an, der Kläger sei bei ihm in Behandlung wegen eines chronisch degenerativen Lumbalsyndroms, eines chronischen Schmerzsyndroms, einer leichten beidseitigen Gonarthrose und einer Depression. Im Vordergrund stehe das ausgeprägte Schmerzsyndrom der gesamten Lendenwirbelsäule (LWS). Neurologische Ausfälle, also Lähmungserscheinungen, Störungen des Gefühls der Beine ließen sich in seinen Aufzeichnungen nicht finden. Eine Einschränkung der Gehstrecke gebe der Kläger nicht an. Schmerzmittel führten jeweils zu einer Besserung, eine Spritztherapie zu einer geringen Besserung der Symptomatik. Für das Schmerzsyndrom der Wirbelsäule sei ein GdB von 30, für den röntgenologisch leichten Kniegelenksverschleiß ein solcher von 10 anzusetzen, eine Änderung des Gesamt-GdB ergebe sich daraus nicht.
Der Psychiater H. A. gab am 22.02.2011 an, den Kläger ca. alle zwei Monate zu sehen. Die Symptomatik der rezidivierenden depressiven Störung sei zur Zeit relativ stabil. Der Kläger sei weiterhin wenig belastbar, scheu, klagte gelegentlich über Schlafstörungen. Er habe wenig Freude, oft wenig Antrieb, die meiste Zeit sehe er das Leben düster und von der depressiven Seite. Mit dem GdB von 70 seien die Leiden des Klägers vollständig bezeichnet und bewertet.
Der Internist U. B. teilte am 20.03.2011 mit, der Kläger konsultiere ihn ca. monatlich z.T. zur Ausstellung von Folgerezepten und Überweisungen. Die einzige Änderung, die sich ergeben habe, sei eine Umstellung des Diabetes auf eine intensivierte Insulintherapie, bei der der Kläger anhand von Blutzuckermessungen die Insulindosis selbst anpassen müsse. Insofern sei von einem GdB von 30 auszugehen. Insgesamt ergebe sich dann ein GdB von 80. U. B. legte weitere Befunde von Dr. Ko. über Kontrolluntersuchungen des Herzens und der Niere vom 11.11.2010 vor.
Dr. Ko. beantwortete die gerichtliche Anfrage mit Schreiben vom 04.07.2011. Der Kläger sei wegen des Diabetes seit 2010 auf Insulin eingestellt.
Das SG holte ein Gutachten des Internisten Dr. Su. vom 10.10.2011 ein. Dort gab der Kläger an, unter Sehproblemen und Rückenschmerzen sowie Kniebeschwerden zu leiden. Er verabreiche dreimal täglich Humolog, zurzeit 14 Einheiten. Dr. Ko. entscheide, ob er die Dosis verändern müsse, dort stelle er sich alle zwei bis drei Monate vor. Wenn der Blutzucker zu hoch sei, esse er weniger oder gar nichts. Eine Dokumentation der Blutzuckerwerte habe er nicht vorgenommen. Unter Bewusstlosigkeit habe er noch nie gelitten, der Blutzucker betrage regelmäßig mehr als 200. Bei der Laborkontrolle fand sich ein Blutzuckerwert von 147 mg/dl, der HbA1c lag bei 7,8. Dr. Su. kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein insulinpflichtiger Diabetes und ein Bluthochdruck vorliege. Der Blutzucker sei im Langzeitprofil ausreichend eingestellt, tagesaktuell sei er recht gut. Die Insulintherapie könne eine Hypoglykämie auslösen. Die Blutzuckerüberwachung beeinträchtige die tägliche Lebensführung insofern, als der Kläger dann weniger Nahrung zu sich nehme. Eine Protokollierung der Blutzuckerwerte erfolge nicht. Insofern sei ein GdB von 30 ab Juli 2010 anzunehmen. Der Bluthochdruck sei medikamentös gut eingestellt und könne mit einem GdB von 10 berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der nach den Berichten von H. A. relativ stabilen psychischen Situation sei ein Gesamt-GdB von 70 weiterhin zutreffend.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.11.2011 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger selbst vortragen lasse, dass seine Seh-, Hör- und psychische Behinderung ausreichend berücksichtigt seien. Andere Anhaltspunkte habe das Gericht auch nicht. Die Einschätzung des GdB für die Wirbelsäulenbeschwerden mit 30 durch Dr. P. überzeuge nicht. In den Befunden der Uniklinik H. und des Psychiatrischen Zentrums N. ergebe sich kein entsprechender Röntgenbefund, die Beweglichkeit der Wirbelsäule werde als frei beschrieben. Für den Diabetes sei ein Teil-GdB von 30 anzusetzen. Der Kläger gebe insofern selbst an, dass eine gezielt geringere Nahrungsaufnahme die einzige Konsequenz von zu hoch gemessenen Blutzuckerwerten sei. Insbesondere erfolge keine Änderung der jeweiligen Insulindosis. Die Hypertonie bedinge einen GdB von 10. Insgesamt sei der GdB von 70 unter Berücksichtigung eines GdB von 50 für die Depression und seelische Störung, 30 für den Diabetes, je 20 für die Sehminderung, die Wirbelsäulenbeschwerden und die Hörbehinderung ausreichend. Die Voraussetzungen für die beantragten Merkzeichen G, aG und RF lägen nicht vor.
Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 16.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14.12.2011 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er ausführt, das SG habe den Gesamt-GdB nicht zutreffend bemessen, denn der Diabetes, die Sehminderung und die Hörminderung verstärkten sich gegenseitig. Insbesondere könne die Hörminderung nicht durch Sehen ausgeglichen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 14.11.2011 und den Bescheid des Beklagten vom 27.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von 80 festzustellen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Der GdB von 50 für die psychische Erkrankung sei bereits sehr weitreichend. Zur weiteren Begründung hat er eine Stellungnahme von Dr. Wo. vom 06.08.2012 vorgelegt.
Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit am 12.09.2012 mit den Beteiligten erörtert. Insofern wird auf die Niederschrift über den Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 12.09.2012 verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten, einen Band Akten des Sozialgerichts Mannheim und die beim Senat angefallenen Akten.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.
Der Senat konnte über den nach dem Begehren des Klägers sinngemäß gefassten Berufungsantrag durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben, § 124 Abs. 2 SGG. Streitgegenstand ist im Berufungsverfahren allein noch die Feststellung des GdB. Die mit der Klage in der ersten Instanz noch verfolgte Feststellung der Voraussetzungen für Merkzeichen hat der Kläger mit seiner Berufung nicht mehr weiter verfolgt.
Dem Kläger steht kein höherer GdB als 70 zu. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen – welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören – zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 – 9 RVs 15/96 – BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass ab 01.01.2009 die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) anstelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) heranzuziehen sind. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr 30).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Nach diesen Kriterien sind die Behinderungen des Klägers mit einem GdB von 70 ausreichend bewertet. Für die seelische Störung und Depression ist ein GdB von 40, für den Diabetes ein solcher von 20, für die Schwerhörigkeit beidseits von 20, die Sehminderung beidseits bei Einpflanzung einer Kunstlinse beidseits von 20, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule von 20, die Schäden in beiden Kniegelenken von 10 und den Bluthochdruck von 10 zu berücksichtigen.
Die psychischen Beschwerden des Klägers bedingen zur Überzeugung des Senats mit Beginn des streitigen Zeitraums ab 10.03.2010 nur noch einen GdB von 40. Stärker behindernde Störungen sind dem Bewertungsrahmen eines GdB von 30-40, schwere Störungen dagegen einem Bewertungsrahmen von 50-70 bzw. 80-100 zugeordnet (VG Teil B 3.7). Vorliegend wurde die seelische Störung des Klägers bislang als schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (Bewertungsstufe GdB 50-70, VG Teil B 3.7) mit einem GdB 50 bewertet. Der Kläger wurde jedoch aus der stationären Behandlung im August/September 2009 im Psychiatrischen Zentrum N. als stabilisiert entlassen. Er war wegen einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig schwerer Episode aufgenommen worden. Nach Ende der Behandlung mit Reduzierung der Medikamentengabe war es insgesamt zu einer Besserung gekommen (Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums N. vom 04.12.2009). Diese - nach einer kurzen Verschlechterung Ende September 2009 - seit Oktober 2009 aus den Arztbriefen des behandelnden Psychiaters erkennbare Entwicklung wird in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Psychiater A. vom 22.02.2011 bestätigt, der zwar eine fortbestehende geringe Belastbarkeit bei Schlafstörungen und geringem Antrieb beschreibt, aber diese als noch im Februar anhaltende relativ stabile, remittierte Symptomatik wiedergibt. Der bisherige schwankende Verlauf der depressiven Erkrankung ist unter Behandlung und der jetzigen Medikation somit eingedämmt, nach Auskunft von Psychiater A. hat sich die von der Klinik beschriebene Besserung der Erkrankung als dauerhaft erwiesen. Der Kläger sucht nur noch alle zwei Monate Herrn A. auf, eine Psychotherapie findet nicht statt. Neben der depressiven Erkrankung liegt eine somatoforme Schmerzstörung vor, die als ebenfalls psychisch bedingte Erkrankung zu berücksichtigen ist. Der Senat erachtet die Einstufung der psychischen Erkrankung in die Bewertungsstufe einer schweren seelischen Störung für nicht mehr gerechtfertigt, vielmehr ist die psychische Störung des Klägers mit dem höchsten GdB von 40 aus der Bewertungsstufe für stärker behindernde Störungen angemessen bewertet.
Der beim Kläger vorliegende Diabetes ist weiterhin mit einem GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Für die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) sind die GdB-Bewertungsgrundsätze durch die Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV (BGBl. 2010,928) mit Wirkung vom 22.07.2010 geändert worden. Danach gilt nach den VG Teil B 15.1 für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus: Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt 0. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 20. Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdB beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdB beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdB-Werte bedingen.
Beim Kläger liegt nach den Befunden von Dr. Ko. und des Arztes B. , die im Wesentlichen durch Dr. Su. in seinem Gutachten vom 10.10.2011 bestätigt worden sind, ein nunmehr insulinpflichtiger Diabetes mellitus vor. Der Kläger spritzt sich selbst täglich dreimal Insulin nach festen Einheiten. Eine Dokumentation der von ihm selbst gemessenen Werte findet nicht statt und ist auch nicht notwendig. Der Kläger passt auch die Insulindosis nicht selbständig an, sondern stellt sich lediglich alle zwei bis drei Monate zur Kontrolle bei seinem Arzt vor. Einzige Konsequenz aus zu hohen Blutzuckerwerten ist eine geringere Nahrungszufuhr durch den Kläger.
Diese Einschränkungen bewertet der Senat mit einem GdB von 20. Die Insulintherapie kann Hypoglykämien auslösen, so dass der Bewertungsrahmen von 20 und mehr eröffnet ist. Der Kläger muss jedoch nicht mindestens einmal täglich eine dokumentierte Blutzuckermessung durchführen. Vielmehr dokumentiert er die Blutzuckerwerte selbst gar nicht und gibt auch nicht an, von einem Arzt zu einer solchen Dokumentation aufgefordert worden zu sein. Sein Therapieaufwand beschränkt sich insofern auf das Spritzen einer dreimal täglichen festen Dosis von Humalog. Soweit Dr. Su. dennoch einen GdB von 30 annimmt, legt er dieser Einschätzung eine unrichtige Auslegung der versorgungsmedizinischen Grundsätze zugrunde. Nach diesen bedingt erst die Notwendigkeit einer mindestens einmal täglichen Blutzuckerselbstmessung mit Dokumentation einen GdB von mindestens 30. Eine solche Dokumentation ist beim Kläger nicht indiziert, so dass ein GdB von wenigstens 30 zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt ist.
Die Sehbehinderung des Klägers bedingt einen GdB von höchstens 20. Nach Nr. 4.3 Teil B VG richtet sich die Bewertung von Sehminderungen nach der dort niedergelegten Tabelle. Beim Kläger liegt auf dem einen Auge eine Sehschärfe von 0,5 auf dem anderen eine solche von 0,6 vor. Allein die eingeschränkte Sehschärfe bedingt insofern einen GdB von 10. Darüber hinaus hat sich der Kläger einer Hinterkammerlinsenimplantation beidseits unterzogen, die nach Nr. 4.2 eine Erhöhung des GdB für die Sehbeeinträchtigung um 10 auf 20 rechtfertigt.
Die Behinderungen durch den Bluthochdruck, die Kniebeschwerden, die Hörminderung und die Wirbelsäulenbeschwerden hat das SG zutreffend bewertet. Insofern nimmt der Senat nach Überprüfung zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Die Beschwerden des Klägers sind mit einem GesamtGdB von 70 ausreichend bewertet. Ausgehend von einem GdB von 40 für die psychische Behinderung wird der GdB durch den GdB von 20 für den Diabetes um 10 auf 50 erhöht, denn beide Behinderungen wirken sich gegenseitig insofern verstärkend aus, als sie beide Einfluss auf die tägliche Lebensführung des Klägers haben. Der GdB von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden führt dagegen nicht zu einer weiteren Erhöhung, denn die Schmerzen in der Wirbelsäule sind nach den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden P. in seiner sachverständigen Zeugenaussage wesentlich durch eine somatoforme Schmerzstörung und nicht durch Bewegungseinschränkungen in der Wirbelsäule oder neurologische Störungen geprägt. Die somatoforme Störung stellt ihrerseits eine seelische Störung dar, die im GdB von 40 für die seelische Störung bereits berücksichtigt ist. Eine weitere Erhöhung durch diese Beeinträchtigung würde zu einer nicht gerechtfertigten Doppelbewertung führen. Der GdB wird durch den GdB von 20 für die Sehbehinderung um weitere 10 auf 60 erhöht. Auch der GdB von 20 für die Hörstörung wirkt um weitere 10 erhöhend, denn diese Behinderung betrifft ein Sinnesorgan und kann aufgrund der ebenfalls bestehenden Sehstörung nicht vollständig durch ein funktionstüchtiges anderes Sinnesorgan ausgeglichen werden. Insofern ist ein GdB von 70 angemessen, aber auch ausreichend. Eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB durch die Behinderungen durch den Bluthochdruck und die leicht ausgeprägten Verschleißschäden in den Knien ist nicht angezeigt.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved