L 16 AL 329/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 527/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 AL 329/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 2/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. wird zurückgewiesen
Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.09.2011 werden zurückgewiesen. Die Beklagte und die Beigeladene haben dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Auszahlung von Arbeitslosengeld in Höhe von 230,43 Euro, das die Beklagte zur Befriedigung eines von dem Beigeladenen geltend gemachten Erstattungsanspruchs an diesen ausgezahlt hat.

Der Kläger lebt mit Frau O. T. in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. In dem Haushalt lebt auch die Tochter von Frau T., die am 00.00.1991 geborene T1. T., deren Vater nicht der Kläger ist.

Mit Bescheid vom 20.11.2009 bewilligte der Beigeladene Frau O.T. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.01.2010 bis zum 30.04.2010 in Höhe von monatlich 445,95 Euro. Der monatliche Gesamtbetrag setzte sich aus Leistungen an Frau O.T.in Höhe von 215,53 Euro, aus Leistungen an den Kläger in Höhe von 215,52 Euro und aus Leistungen an T1. T. in Höhe von 14,90 Euro zusammen.

Nachdem sich der Kläger am 07.12.2009 mit Wirkung zum 05.12.2009 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 07.01.2010 Arbeitslosengeld ab dem 05.12.2009 für die Dauer von 360 Tagen in Höhe von 32,27 Euro täglich. Für den Zeitraum vom 05.12.2009 bis zum 31.01.2010 bezifferte sie den Auszahlungsanspruch wegen eines "vorläufigen Erstattungsanspruchs eines Leistungsträgers (05.12.2009 bis 31.01.2010)" mit 0 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 19.01.2010 erklärte die Beklagte, dass ein zuvor angemeldeter Erstattungsanspruch der Beigeladenen für den Zeitraum vom 05.12.2009 bis zum 18.12.2009 in Höhe von 445,95 Euro befriedigt werde.

Gegen die Bescheide der Beklagten vom 07.01.2010 und vom 19.01.2010 legte der Kläger am 14.01.2010 und vom 19.02.2010 Widerspruch mit der Begründung ein, er habe im Dezember 2009 keine Leistungen des Beigeladenen erhalten. Zudem sei der Beigeladene nicht berechtigt, wegen der an seine Lebensgefährtin und deren Tochter erbrachten Leistungen einen Erstattungsanspruch aus seinem Leistungsanspruch zu verfolgen. Dieses folge aus dem seinem Wortlaut nach eindeutigen § 34a SGB II.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 05.12.2009. Damit sei die Beklagte im Verhältnis zum Beigeladenen gegenüber dem Kläger vorrangig leistungspflichtig. Für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.01.2010 habe der Beigeladene als nachrangiger Leistungsträger Leistungen in Höhe von 445,95 Euro erbracht, bevor die Zahlungen der Beklagten erfolgt seien. Somit bestehe ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen. Dieser habe zwar nur für Januar 2010 und nicht auch für Dezember 2009 Leistungen erbracht. Er habe den Erstattungsanspruch in Höhe von 445,95 Euro zum Ausgleich der von ihm im Januar 2010 erbrachten Leistungen geltend gemacht. Diese Summe sei also auf jeden Fall zu erstatten. Aus technischen Gründen sei die Absetzung für die Tage im Dezember 2009 erfolgt. Gemäß § 34a SGB II seien auch Leistungen zu berücksichtigen, die an den Ehepartner und dessen Kinder erbracht würden. Vorliegend handele es sich bei Frau O. T. zwar nicht um die Ehefrau des Klägers, eine eheähnliche Gemeinschaft werde jedoch einer Ehe insoweit gleichgestellt.

Am 08.07.2010 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben. Zur Begründung hat er seine Auffassung bekräftigt, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Rahmen des § 34 a SGB II nicht gleichgestellt sei. Die Leistungen des Beigeladenen an seine Lebensgefährtin und deren Tochter seien folglich nicht von dem geltend gemachten Erstattungsanspruch erfasst, weshalb er von der Beklagten weitere Leistungen in Höhe von 230,43 Euro beanspruchen könne.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, weiteres Arbeitslosengeld in Höhe von 230,43 Euro auszuzahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Es sei geboten, nichteheähnliche Lebensgemeinschaften in den Anwendungsbereich des § 34a SGB II einzubeziehen. Schließlich werde bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II das Einkommen und Vermögen des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft berücksichtigt. Diese rechtliche Wertung müsse auch im Rahmen der Vorschriften über Erstattungsansprüche Berücksichtigung finden. Anderenfalls würden nichteheliche Lebensgemeinschaften im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen bessergestellt als eheliche Lebensgemeinschaften.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Mit Urteil vom 29.09.2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.01.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2010 verurteilt, dem Kläger weiteres Arbeitslosengeld in Höhe von 230,43 Euro auszuzahlen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet, da der Kläger die Auszahlung weiteren Arbeitslosengeldes in Höhe von 230,43 Euro beanspruchen könne.

Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld sei nicht nach § 107 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe von 230,43 Euro erloschen, weil dem beigeladenen Grundsicherungsträger insoweit ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht zustehe. Zwar sei der Beigeladene i.S.d. § 104 SGB X nachrangig leistungsverpflichtet; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze jedoch der Erstattungsanspruch eine Personenidentität des Leistungsberechtigten der nachrangigen mit der vorrangigen Sozialleistung voraus (BSG, Urteil vom 12.05.2011 - B 11 AL 24/10 R). Ein Erstattungsanspruch bestehe nur insoweit, als es sich bei dem Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem Leistungsberechtigten der anderen Leistung, vorliegend also des Arbeitslosengeldes, um dieselbe Person handele. Demgemäß umfasse der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X nicht die an Angehörige der Bedarfsgemeinschaft eines Berechtigten nach dem SGB II erbrachten Leistungen.

An dem Erfordernis der personellen Kongruenz ändere auch die zum 01.08.2006 in Kraft getretene Regelung des § 34a SGB II nichts. Hiernach erstrecke sich der Ersatzanspruch des Grundsicherungsträgers gegenüber einem dem Hilfebedürftigen vorrangig verpflichteten Leistungsträger ausdrücklich auch auf solche Aufwendungen, die an dessen nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Hilfebedürftigen erbracht worden seien sowie an dessen unverheiratete Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Dem Wortlaut nach nicht einbezogen sei jedoch ein Partner nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II. Der Gesetzgeber sehe es insoweit als ausreichend an, in die Ersatzansprüche nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzubeziehen, die an die Familienmitglieder des Leistungsberechtigten im engeren Sinne gewährt worden seien.

Im Hinblick auf das aus Art. 6 Grundgesetz (GG) abzuleitende Verbot, eheliche Lebensgemeinschaft schlechter zu behandeln als eine eheähnliche, begegne die abweichende Behandlung von Ehegatten und Lebenspartnern gegenüber eheähnlichen beziehungsweise partnerschaftsähnlichen Partnern bei der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft einerseits und der Heranziehung zu Erstattungsansprüchen andererseits verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung von § 34a SGB II dahingehend, dass auch nichteheliche Lebenspartner in den Anwendungsbereich einbezogen würden, sei indes nicht möglich. Hier sei das Regelungskonzept des Gesetzgebers zu respektieren, der zusammen mit § 34a SGB II auch § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II geändert habe. Anhaltspunkte für eine planwidrige Lücke oder eine "unbedachte" Übernahme der Regelung des SGB XII ließen sich vor dem Hintergrund der zeitgleichen Änderung der Vorschriften nicht ausmachen.

Im Ergebnis bleibe daher festzuhalten, dass ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen nur in Höhe der an den Kläger erbrachten Leistungen bestehe. Für die an dessen Lebensgefährtin und deren Tochter erbrachten Leistungen in Höhe von 230,43 Euro bestehe ein Erstattungsanspruch nicht, weshalb insoweit der Leistungsanspruch des Klägers nicht nach § 107 Abs. 1 SGB X erloschen sei.

Gegen das der Beklagten am 27.10.2011 und dem Beigeladenen am 28.10.2011 zugestellte Urteil haben die Beklagte und der Beigeladene am 24.11.2011 die von dem Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 1) wiederholt ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Ihre Rechtsauffassung finde in Teilen der Literatur (etwa Link, in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 34a Rn. 21 ff.) eine Stütze. Mit den aufgeworfenen Fragen habe sich das BSG in seiner von dem Sozialgericht erwähnten Entscheidung vom 12.05.2011 (B 11 AL 24/10 R) nicht auseinandersetzen müssen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin zu 1) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.09.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene und Berufungskläger zu 2) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 29.09.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Auch er meint, dass § 34a SGB II auf nichteheliche Lebensgemeinschaften analoge Anwendung finde. Auch wenn der Partner i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II von dem Wortlaut des § 34a SGB II nicht unmittelbar erfasst werde, ergebe sich aus Sinn und Zweck der Regelung, dass auch dieser von dem Anwendungsbereich der Norm umfasst sei. Bei der Einführung des § 34a SGB II habe der Gesetzgeber festgestellt, dass ohne die gesetzliche Regelung Leistungen nach dem SGB II für Angehörige der Bedarfsgemeinschaft nicht erstattet werden könnten, da der Grundsatz der Personenidentität nach § 104 SGB X gelte. Von diesem Grundsatz habe durch die Regelung des § 34a SGB II abgewichen werden sollen. Insoweit sei es dem Gesetzgeber erkennbar darum gegangen, die gesamte Bedarfsgemeinschaft in den Anwendungsbereich des § 34a SGB II einzubeziehen.

Die Entscheidung des Sozialgerichts überzeuge auch hinsichtlich der Ausführungen zum Verbot der Schlechterstellung der ehelichen Lebensgemeinschaften gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht. So habe das Sozialgericht zwar festgestellt, dass verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, der Wille des Gesetzgebers aber zu berücksichtigen sei. An dieser Stelle sei jedoch nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 34a SGB II bewusst auf die Gleichstellung von ehelichen Lebensgemeinschaften mit nichtehelichen Lebensgemeinschaften verzichtet habe. Dieses verdeutliche etwa auch der Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.01.2006 (L 19 AL 111/05).

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist auf das Urteil des BSG vom 12.05.2011 (B 11 AL 24/10 R). Eine analoge Anwendung des § 34a SGB II auf nichteheliche Lebensgemeinschaften scheide aus, zumal Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten und des Beigeladenen sind zulässig, aber nicht begründet.

I. Die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen sind gem. §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Zulassung statthaft und im Übrigen zulässig; insbesondere gem. § 151 Abs. 1 SGG fristgerecht eingelegt worden.

Das beigeladene Jobcenter Arbeitplus C ist nach § 69 Nr. 3 SGG Beteiligte des Verfahrens und für das vorliegende Berufungsverfahren rechtsmittelberechtigt. Die für das Rechtsmittel des Beigeladenen erforderliche materielle Beschwer ist gegeben, weil der Beigeladene geltend machen kann, dass die angefochtene Entscheidung unmittelbare Auswirkungen auf seine subjektiven Rechte haben wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 12 (zur Rechtsmittelberechtigung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in einem Rechtsstreit eines zugelassenen Vertragsarztes gegen die Begrenzung seiner Honorare für Laborleistungen durch die Kassenärztliche Vereinigung); BSG SozR 4-1300 § 107 Nr. 4 (zur Rechtsmittelberechtigung des Grundsicherungsträgers in einem Rechtsstreit eines Versicherten auf Auszahlung von Insolvenzgeld, welches von der Bundesagentur für Arbeit an den Grundsicherungsberechtigten ausgezahlt hat)). Dies ergibt sich, wenngleich nach dem Tenor der angefochtenen Entscheidung allein die Beklagte zur weitergehenden Leistungsgewährung verurteilt worden ist, aus dem Umstand, dass für den Fall des Obsiegens des Klägers eine Erstattungspflicht des Beigeladenen gem. § 112 SGB X in Betracht kommt.

II. Die Berufungen sind jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger weiteres Arbeitslosengeld in Höhe von 230,43 Euro zu gewähren, weil die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, Abs. 4, 56 SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Klage des Klägers begründet ist.

1. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit folgt aus §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (a.F.). Hiernach haben Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben, Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Arbeitslosigkeit. Der i.S.d. § 119 SGB III a.F. arbeitslose Kläger hat sich am 07.12.2009 mit Wirkung zum 05.12.2009 bei der Beklagten arbeitslos gemeldet. Dass der Kläger die gem. § 123 SGB III a.F. erforderliche Anwartschaftszeit nachgewiesen hat, ist - ebenso wie der Leistungsanspruch des Klägers der Höhe nach - zwischen den Beteiligten nicht streitig.

2. Der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld ist nicht gem. § 107 Abs. 1 SGB X in Höhe von 230,43 Euro erloschen. Diese Vorschrift bestimmt, dass im Umfang eines nach den §§ 102 ff. SGB X bestehenden Erstattungsanspruchs der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt. Die Voraussetzungen dieser Erfüllungsfiktion sind indessen nicht erfüllt, weil in Höhe des mit der Klage verfolgten Leistungsanspruchs von 230,43 Euro ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegenüber der Beklagten nicht gegeben ist.

a. Rechtsgrundlage für den von dem Beigeladenen gegenüber der Beklagten verfolgten Erstattungsanspruch ist § 104 Abs. 1 SGB X. Hiernach ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen (Satz 1). Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X).

aa. Der Beigeladene ist als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende im Verhältnis zur Beklagten i.S.d. § 104 Abs. 1 SGB X nachrangig zur Leistung verpflichtet, da das bei rechtzeitiger Leistungserbringung gewährte Arbeitslosengeld gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als grundsicherungsrechtlich relevantes Einkommen zu berücksichtigen und der Beigeladene mangels Hilfebedürftigkeit insoweit nicht leistungsverpflichtet gewesen wäre (§ 9 SGB II).

bb. Ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegenüber der Beklagten scheidet gleichwohl aus, weil es an der hierfür erforderlichen Personenidentität des Leistungsberechtigten der nachrangigen Sozialleistung mit der der vorrangigen Sozialleistung mangelt (hierzu vgl. BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 3; BSG SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Gegenüber der Beklagten sind Frau O. T. und deren Tochter T1. nämlich nicht leistungsberechtigt.

Die insoweit fehlende personelle Kongruenz lässt sich nur im Rahmen einer gesetzlichen Regelung überwinden (BT-Drucks. 16/1410. S. 27; BSG SozR 4-1300 § 107 Nr. 4). Die mit Wirkung zum 01.08.2006 in Kraft getretene Regelung des § 34a SGB II (seit dem 01.04.2011 aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch § 34b SGB II) vermag eine Überwindung der fehlenden personellen Identität entgegen der Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen jedoch nicht zu bewirken, weil die nichteheliche Lebensgefährtin des Klägers und deren Tochter von dessen persönlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfasst werden.

Bestimmt sich das Recht des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende, Ersatz seiner Aufwendungen von einem anderen zu verlangen, gegen den der Leistungsberechtigte einen Anspruch hat, nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften, die - wie im vorliegenden Fall - dem § 33 SGB II vorgehen, gelten als Aufwendungen hiernach auch solche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die an den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Hilfebedürftigen sowie an dessen unverheiratete Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erbracht werden.

(1) Eine Überwindung der fehlenden personellen Kongruenz in unmittelbarer Anwendung des § 34a SGB II (bzw. § 34b SGB II) scheidet aus, da Frau O. T. weder mit dem Kläger verheiratet ist, noch als Lebenspartnerin des Klägers nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) anzusehen ist. Damit kommt von vornherein auch eine Einbeziehung von der Tochter der Frau T. nicht in Betracht.

In persönlicher Hinsicht erfasst der Anwendungsbereich des § 34a SGB II lediglich den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner des Hilfebedürftigen, sowie dessen unverheiratete Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Auch die mit Wirkung zum 01.04.2011 in Kraft getretene neue Fassung der Regelung, die nunmehr in § 34b SGB II Eingang gefunden hat, ist in ihrem persönlichen Anwendungsbereich nicht weiter gefasst. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Zuge der Neufassung neben dem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die "Ehegattin" und "Lebenspartnerin" aufgenommen. Insofern erfasst § 34b SGB II dem Wortlaut nach - wie schon nach der zuvor geltenden Gesetzesfassung - nicht alle Personen der Einstandsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 SGB II, also auch nicht die eheähnlichen und partnerschaftsähnlichen Partner (so auch etwa Schoch, in: Münder (Hrsg.); LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 34b Rn. 5; Fügemann, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 34a Rn. 25; Hölzer, in: Estelmann (Hrsg.), Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), Loseblattsammlung, Stand September 2012, § 34b, Rn. 36 f.).

(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen scheidet auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf nichteheliche Lebenspartner aus.

Es fehlt nämlich an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Der Senat folgt insoweit der auch in der Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung, die ebenfalls das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke verneint (etwa Hölzer, in: Estelmann, SGB II, § 34b Rn. 36; Conradis, a.a.O.; § 34a Rn. 7; Canztler, in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 34b Rn. 4) und schließt sich der namentlich von Link (in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 34a Rn. 22 ff.) vertretenen Auffassung nicht an.

Der Gesetzgeber hat bei Einführung des § 34a SGB II ausdrücklich betont, dass es sich bei der Regelung um eine Abweichung von dem das Recht der Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. SGB X beherrschenden Grundsatz der Personenidentität handelt (BT-Drucks. 16/1410, S. 27). Da es sich bei der gesetzlichen Regelung demzufolge um eine Ausnahmevorschrift handelt, sind einer richterlichen Analogiebildung enge Grenzen gesetzt. Gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke spricht maßgeblich, dass der Gesetzgeber die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen ausdrücklich auf den nicht getrennt lebenden Ehegatten und den Lebenspartner beschränkt hat. Da das SGB II etwa in § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II neben dem in Buchst. a dieser Vorschrift benannten nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten auch den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft kennt, sprechen überwiegende Gründe dafür, dass der Gesetzgeber den persönlichen Anwendungsbereich des § 34a SGB II bewusst enger fassen wollte. Hierfür spricht insbesondere auch, dass § 34a SGB II mit Wirkung zum 01.08.2006 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (SGB II-Fortentwicklungsgesetz (BGBl. I. S. 1706) eingefügt hat und zu diesem Zeitpunkt die das SGB II prägenden Differenzierungen der leistungsberechtigten Personen bekannt waren. Die von der Beklagten und der Beigeladenen unter Hinweis auf die Auffassung von Link (a.a.O.) befürwortete Normenauslegung würde die von dem Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung hinsichtlich der leistungsberechtigten Personen unzulässig aufweichen. Nach Ansicht des Senats muss daher angenommen werden, dass sich der Gesetzgeber von der Erwägung hat leiten lassen, dass der Anwendungsbereich des § 34a SGB II (bzw. nunmehr § 34b SGB II) auf die dort genannten Personen beschränkt bleiben sollte. Andernfalls hätte eine andere Fassung des Wortlautes durch den Gesetzgeber nahe gelegen.

Der Senat sieht sich in dieser Interpretation auch dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber die ursprünglich in § 34a SGB II enthaltene Regelung mit Wirkung zum 01.04.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 ((RBESGBÄndG) BGBl. I. S. 453) in sprachlich modifizierter Fassung in den neu eingefügten § 34b SGB II übernommen hat. Bei der sprachlichen Neufassung der Vorschrift hat der Gesetzgeber redaktionell neben dem männlichen auch den weiblichen Genus aufgenommen und damit eine Anpassung der in der Regelung genannten Personengruppen vorgenommen. Da in der Literatur die Reichweite der persönlichen Anwendungsvoraussetzungen der Vorschrift bereits vor dem Inkrafttreten des RBESGBÄndG diskutiert worden war, hätte es - sofern der Gesetzgeber tatsächlich die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs auf nichteheliche Lebenspartner beabsichtigt hätte - ohne Weiteres nahe gelegen, den Wortlaut der Vorschrift auch insoweit anzupassen. Namentlich hat Link die von ihm befürwortete analoge Anwendung der Norm auf nichteheliche Lebenspartner bereits in der im Jahr 2008 erschienen zweiten Auflage der Kommentierung zum SGB II vertreten. Dass der Gesetzgeber die Vorschrift jedoch insoweit unverändert gelassen hat, lässt nach Ansicht des Senats nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Regelung gerade nicht auf sonstige, in der Neufassung des § 34b SGB II nicht erfasste Personen ausweiten wollte. Hierfür spricht auch, dass eine Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs den Wortlaut der Vorschrift vereinfacht hätte (Cantzler, a.a.O., Rn. 4).

Soweit Link betont, dass in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen werde, dass die Regelung des § 34a SGB II (bzw. § 34b SGB II) der Regelung des § 114 SGB XII im Wesentlichen entspreche (BT-Drucks. 16/1410, S. 27 zu § 34a SGB II), ergibt sich aufgrund der vorstehenden Erwägungen hieraus keine andere Beurteilung. Im Hinblick auf die sprachliche Fassung der Norm kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Gesetzgeber - wie Link meint - "unbedacht" die Regelungen des SGB XII übernommen hat.

Eine andere Auslegung der Vorschrift ist auch nicht von Verfassungs wegen geboten. Insbesondere ergibt sich aus dem Gebot, die Ehe gegenüber Einstandspartnerschaften oder jedenfalls eheähnlichen Lebensgemeinschaften gleichzustellen (BVerfG SozR 3-4100 § 137 N. 3) keine andere Gesetzesauslegung. Die Nichteinbeziehung von ehe- oder partnerschaftsähnlichen Gemeinschaften in die Regelung bewirkt keine unzulässige materiell-rechtliche Besserstellung. Erhält ein Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine einkommensrelevante Sozialleistung durch einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger, bewirkt diese Leistungsgewährung zwar keine Erfüllungsfiktion gem. § 107 SGB X; ein Ausgleich kann in diesem Fall gleichwohl nach näherer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unmittelbar zwischen dem Träger der Grundsicherung und dem Leistungsempfänger erfolgen (so auch Hölzer, in: Engelmann, a.a.O. Rn. 37). Hier kann eine Besserstellung allenfalls eintreten, wenn der Partner des Leistungsberechtigten der vorrangig zu gewährenden Leistung zwischenzeitlich keine Leistung zur Grundsicherung für Arbeitssuchende mehr erhält. Die unterschiedliche Handhabung lässt sich jedoch damit rechtfertigen, dass die Frage, ob eine ehe- oder partnerschaftsähnliche Gemeinschaft besteht, erstmals zu klären ist, wenn deswegen Leistungen nicht zu zahlen sind. Es ist jedoch nachvollziehbar, die hierfür erforderlichen Feststellungen nicht dem Erstattungsverfahren zwischen Leistungsträgern zu überlassen oder im Rahmen eines Zahlungsbegehrens gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger vorzusehen, der mit der Feststellung einer ehe- oder partnerschaftsähnlichen Lebensgemeinschaft nicht vertraut ist (Hölzer, a.a.O. Rn. 37). Wenngleich es dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, eine weiterreichende Regelung zu fassen, ist er hierzu nicht verfassungsrechtlich verpflichtet.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 183, 193, 194 Satz 1 SGG i.V.m. § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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