L 17 U 41/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 107/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 41/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 57/13 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.01.2009 wird geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 verurteilt, beim Kläger Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfalles vom 01.04.2004 bis zum 22.06.2004 und Arbeitsunfähigkeit aufgrund des am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfalls vom 01.04.2004 bis zum 23.04.2004 und vom 24.05.2004 bis zum 22.06.2004 anzuerkennen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verfolgt mit der Berufung die Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 hinaus aufgrund eines am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfalls sowie die Gewährung von Leistungen.

Der 1974 geborene Kläger erlitt am 01.04.2004 während seiner Tätigkeit als Produktionsarbeiter bei der Firma I in C einen Arbeitsunfall. Gemäß der am 20.04.2004 gefertigten Unfallanzeige war er an diesem Tag mit Reinigungsarbeiten an einer Gießanlage beschäftigt. Dabei stand er neben einem Pfeiler, an den eine Eisenstange angelehnt war, die zum Öffnen der Dachluken diente. Ein Mitarbeiter stieß gegen diese Eisenstange, so dass sie umfiel. Dabei wurde der Kläger von der Stange am Hinterkopf getroffen.

Noch am Unfalltag suchte der Kläger den Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. X auf. Der Kläger gab an, ihm sei eine ca. 3 m lange Metallstange mit 2 cm Durchmesser auf den Kopf gefallen. Er sei kurz bewusstlos gewesen. Als er aufgewacht sei, sei er vom Rettungswagen abgeholt worden. Dr. X diagnostizierte eine Platzwunde am Hinterkopf links sowie eine Schädelprellung mit Verdacht auf Gehirnerschütterung. Eine frische knöcherne Verletzung fand Dr. X nicht. Der Kläger blieb 24 Stunden zur Überwachung im Krankenhaus und wurde alsdann entlassen. Diagnostiziert wurden eine Gehirnerschütterung sowie eine Platzwunde am Hinterkopf. Der stationäre Verlauf war unauffällig.

Am 26.04.2004 (Montag) nahm der Kläger zunächst seine Arbeit bis zum 21.05.2005 (Freitag) wieder auf. Mit ärztlicher Unfallmeldung vom 10.05.2004 diagnostizierte der Allgemeinmediziner Dr. H, nachdem er mittels Röntgenuntersuchung des Schädels knöcherne Verletzungen ausgeschlossen hatte, eine Gehirnerschütterung sowie eine Platzwunde am Hinterkopf. Am 24.05.2004 suchte der Kläger den Chirurgen Dr. T auf. Er klagte über Kopfschmerzen unklarer Ursache. Diagnostiziert wurde eine Cephalgie unklarer Genese posttraumatisch. Der Kläger wurde anschließend bis zum 01.06.2004 im Krankenhaus U stationär behandelt. Ausweislich des Entlassungsberichts war zu keinem Zeitpunkt ein neurologisches Defizit festzustellen. In einem CT des Schädels zeigte sich kein pathologischer Befund, insbesondere fand sich kein Hinweis auf posttraumatische Veränderungen.

Am 22.06.2004 wurde der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in E untersucht. Die dort durchgeführte neurologische Untersuchung ergab keine Auffälligkeiten. Die Kopfplatzwunde war reizlos abgeheilt. Der Leitende Arzt der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E Dr. C1 teilte anlässlich der Untersuchung vom 22.06.2004 mit Bericht vom 12.07.2004 mit, objektivierbare Befunde, die einen Unfallzusammenhang erklären würden, lägen nicht vor. Weitere Heilmaßnahmen zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu rechtfertigen. Es bestehe unfallunabhängig wegen Kopfschmerzen weiterhin Arbeitsunfähigkeit. Zum heutigen Tag sei die berufsgenossenschaftliche Heilmaßnahme bei unfallunabhängig bestehender Arbeitsunfähigkeit abzuschließen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade bestehe nicht.

In der Folgezeit holte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme von dem Neurologen und Psychiater Dr. L vom 27.09.2004 ein. Dr. L führte aus, auch unter der Annahme einer kurz dauernden Bewusstlosigkeit sei lediglich von einer leichtgradigen Gehirnerschütterung auszugehen. Eine darüber hinausgehende substantielle Hirnmitbeteiligung könne ausgeschlossen werden. Die Folgen der Schädelprellung würden im Normalfall innerhalb von ein bis zwei Tagen abheilen. Ein Beschwerdebild mit Wochen oder Monaten andauernden Kopfschmerzen sei mit einer Verletzung des beschriebenen Ausmaßes nicht in Einklang zu bringen. Es sei eine unfalIbedingte Arbeitsunfähigkeit höchstens bis zu einer Woche Dauer anzuerkennen. Über diesen Zeitpunkt hinaus liege keine Arbeitsunfähigkeit und auch sonst keine auf das Unfallereignis zurückzuführende Behandlungsbedürftigkeit mehr vor.

Mit Bescheid vom 11.10.2004 über die Anerkennung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit führte die Beklagte aus, anlässlich des Ereignisses vom 01.04.2004 habe der Kläger eine Schädelprellung mit einer Kopfplatzwunde erlitten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe vom 01.04.2004 bis 07.04.2004 bestanden. Die weitere Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab dem 08.04.2004 wegen Kopfschmerzen stehe mit dem Unfallereignis in keinem ursächlichen Zusammenhang. Ein Leistungsanspruch über den 07.04.2004 hinaus bestehe deshalb nicht.

Hiergegen legte der Kläger am 15.10.2004 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, seit dem Unfall leide er an Schwindel. Es bestünden auf nervenärztlichem Gebiet noch gravierende Unfallfolgen. Infolge des Arbeitsunfalls habe er vom 06.12.2004 bis zum 06.01.2005 stationär behandelt werden müssen. Ebenfalls infolge des Arbeitsunfalls sei es zu einer psychischen Belastungsstörung und insbesondere zu starken Angstzuständen gekommen.

Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der S Kliniken C, Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie I, Leiter: Prof. Dr. I, vom 27.01.2005 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 06.12.2004 bis zum 06.01.2005 bei. Hiernach habe das Unfallereignis einen Menschen getroffen, der bereits lange Zeit vorher (1999) wegen einer Angststörung in den S Kliniken in stationärer Behandlung gewesen sei. Diese Vorerkrankung habe den Verlauf nach dem Unfall wesentlich beeinflusst, indem sie die bereits vorher bestehende, jedoch gut kompensierte Angst wieder in ein klinisch relevantes Ausmaß gesteigert habe. Vom 01.04.2004 bis Ende Januar 2005 sei die Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Die Beklagte veranlasste ferner einen Bericht des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. L vom 22.02.2005, der ausführte, eine gezielte Heilbehandlung nach dem Unfall vom 01.04.2004 habe nicht stattgefunden. Erstmals habe der Kläger sich bei ihm am 19.07.2004 vorgestellt. Ab dem 11.10.2004 habe der Kläger eine ängstlich-depressive Symptomatik gezeigt, die anschließend eine stationäre Behandlung in der Psychiatrie der S Kliniken erforderlich gemacht habe. Ab dem 10.01.2005 habe der Kläger eine deutliche Besserung angegeben. Diagnostisch handele es sich um einen Zustand nach Schädelprellung bei Arbeitsunfall am 01.04.2004 mit posttraumatischem Kopfschmerzsyndrom und Schwindel. Bei dem Neurologen und Psychiater Dr. O stellte sich der Kläger am 29.06.2004 wegen Kopfschmerzen vor.

Die Beklagte legte diese Unterlagen ihrem Beratungsarzt, dem Neurologen und Psychiater Dr. C1 vor, der in einer Stellungnahme vom 09.03.2005 die Ansicht vertrat, ein gravierendes Verletzungsereignis habe nie zur Debatte gestanden. Eine substantielle Hirnschädigung sei eindeutig zu verneinen. Ein wesentliches Bedrohungserleben, das eine nachhaltige psychische Wirkung hätte bedingen können, sei auf keinen Fall zu begründen. Die Entwicklung der Angststörung ein halbes Jahr nach dem Unfall passe auch nicht zum Verletzungsbild. Der Krankheitsverlauf sei nur durch eine ganz im Vordergrund stehende primäre Persönlichkeitsstörung zu verstehen. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von einer Woche nach dem Unfall sei ausreichend.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2005 zurück. Der angefochtene Bescheid, wonach unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit nur bis zum 07.04.2004 bestanden hätten, sei rechtmäßig, wie die im Widerspruchsverfahren veranlassten weiteren Ermittlungen ergeben hätten.

Hiergegen hat der Kläger am 29.04.2005 Klage erhoben und die Ansicht vertreten, die bei ihm vorliegende psychische Störung sei auf den Unfall zurückzuführen. Zwar sei er schon 1999 wegen einer Angststörung in stationärer Behandlung gewesen. Durch den Unfall sei aber erneut eine Angst ausgelöst worden. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe deshalb bis Ende Januar 2005 vorgelegen.

Der hat Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 zu verurteilen, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 hinaus anzuerkennen und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei dem Unfall vom 01.04.2004 habe es sich lediglich um ein Bagatelltrauma gehandelt. Die psychischen Störungen des Klägers seien zwanglos erklärbar mit seiner Primärpersönlichkeit. In diesem Zusammenhang sei auch zu beachten, dass der Kläger bereits lange vor dem Unfall wegen einer psychischen Krankheit in Behandlung gewesen sei. Bestätigt gesehen hat sich die Beklagte durch mehrere von ihr vorgelegte Stellungnahmen ihres Beratungsarztes Dr. C1.

Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie -, des Oberarztes der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie I der S Kliniken C, Dr. C vom 03.01.2006 eingeholt. Dr. C hat ausgeführt, der Kläger habe durch die angewandten Psychopharmaka eine durchgreifende Besserung erlebt. Seit April 2005 würden diese Medikamente nicht mehr eingenommen. Der Kläger sei bislang beschwerdefrei und arbeitsfähig geblieben. Das zunächst harmlose Trauma vom 01.04.2004 habe der Kläger neurotisch verarbeitet. Dies habe zu einem anhaltenden Beschwerdebild geführt, zu dem sich später Angst, sozialer Rückzug, negatives Denken und depressive Stimmung hinzugesellt hätten. Da diese Symptome aber zunächst weder vom Kläger noch den behandelnden Ärzten erkannt worden seien, sei auch der Zusammenhang zwischen dem Unfall und der reaktivierten Angststörung lange nicht erkannt worden. Erst eine erneute gezielte Behandlung der Angststörung habe Anfang 2005 zur Wiederherstellung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit geführt. Es habe eine Ende 2004 diagnostizierte generalisierte Angststörung vorgelegen, die unfallbedingt sei. Eine entsprechende DiagnosesteIlung habe das Beschwerdebild unmittelbar nach dem Unfall noch nicht zugelassen, wohl aber sei rückblickend aus dem Hinzutreten der beschriebenen Symptome unschwer zu entnehmen gewesen, dass bereits der Unfall ein Reaktionsmuster wieder wachgerufen habe, das in der psychiatrischen Vorgeschichte schon einmal 1999 eine Rolle gespielt habe. Die Eisenstange habe einen Menschen getroffen, der in Bezug auf überraschende, angstmachende Ereignisse mit einem neurotischen Muster reagiere, und zwar in einem Ausmaß, das als Erkrankung identifizierbar gewesen sei und Arbeitsunfähigkeit bedingt habe. Eisenstange uns psychische Prädisposition des Klägers hätten "in puncto Kausalität" gleichberechtigt nebeneinander gestanden. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe damit seit dem 01.04.2004 bis Ende Januar 2005 bestanden. Danach sei die Erkrankung folgenlos ausgeheilt.

Demgegenüber hat die Beklagte die Primärpersönlichkeit des Klägers als die alles überragende Ursache für das Wiederaufleben der Angsterkrankung gehalten und hierzu eine Stellungnahme Dr. C1s vorgelegt, der auf die sehr leicht ansprechbare Angstdisposition des Klägers hingewiesen hat, so dass das Bagatelltrauma gegenüber der persönlichkeitsbedingten Angstanlage als Ursache weit zurücktrete. Ohnehin sei die Angststörung, so Dr. C1, erst acht Monate nach dem Unfall diagnostiziert worden. Es sei eine unbewiesene Behauptung Dr. Cs, dass man diese die ganze Zeit übersehen hätte.

Mit weiteren ergänzenden Stellungnahmen vom 24.05.2006 und 27.09.2007 hat Dr. C1 seine Einschätzung bekräftigt. Ebenfalls ist Dr. C im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahmen vom 05.05.2006, 26.07.2006 und 20.08.2007 bei seiner anderslautenden Beurteilung geblieben.

Vom 25.01.2007 bis zum 08.03.2007 hat der Kläger in Kostenträgerschaft der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik Burg Landshut, Abteilung Psychosomatik, durchlaufen, wo Anpassungsstörungen und eine somatoforme autonome Funktionsstörung im Herz- und Kreislaufsystem diagnostiziert worden sind. Er ist als weiterhin voll erwerbsfähig in seiner letzten Tätigkeit als Produktionshelfer beurteilt worden. Bei Wiederaufnahme dieser Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz - nach vorheriger Arbeitsunfähigkeit seit dem 16.08.2006 - sei aber mit einer erneuten psychischen Destabilisierung zu rechnen.

Das Sozialgericht hat im Anschluss daran von Amts wegen ein Gutachten von dem Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. N am 12.04.2008 eingeholt. Gegenüber Dr. N hat der Kläger angegeben, er sei nach dem Unfall erst im Krankenhaus wieder aufgewacht, nachdem man ihn verbunden habe. Sowohl vor als auch nach dem Unfall habe er am Arbeitsplatz Mobbingerfahrungen gemacht. Mit Arbeitsaufnahme am 01.02.2005 sei es ihm wieder gut gegangen, im Betrieb sei es aber schwierig geblieben. Seit dem 01.04.2007 sei er in einer anderen Abteilung, aber mit den gleichen Arbeiten beschäftigt. Seitdem sei das betriebliche Problem gelöst. Er fühle sich wohl und freue sich jeden Tag, dass er zur Arbeit gehen könne. Er habe auch keine seelischen Probleme mehr.

Dr. N hat festgestellt, dass gegenwärtig keine psychische Erkrankung vorliege. Das Beschwerdebild sei in einer für ein postcommotionelles Bild typischen Weise verlaufen. Der Kläger habe Kopfschmerzen und Schwindelbeschwerden entwickelt. Diese seien so weit rückläufig gewesen, dass er Anfang Mai 2004 seine berufliche Tätigkeit wieder habe aufnehmen können. Die Angst vor einem tödlichen Unfall sei ausgelöst worden durch die Bemerkung eines Krankenhausmitarbeiters, wenn die Stange ihn nur etwas anders getroffen hätte, wäre er tot gewesen.

Das Krankheitsgeschehen müsse in zwei Abschnitten gesehen werden. Der erste umfasse die Phase nach dem Unfall bis zur Wiederaufnahme der Arbeit Anfang Mai 2004. In dieser Zeit habe sich eine nachhaltige psychische Symptomatik nicht entwickelt. Der Verlauf stelle sich vielmehr als regelhaftes postcommotionelles Geschehen dar. Dieses sei in typischer Weise rückläufig gewesen, so dass nach vier Wochen die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt gewesen sei. Eine zureichend sicher nachgewiesene psychische Symptomatik sei erst im Mai 2004 aufgetreten. Diese sei im Zusammenhang mit den Mobbing-Erfahrungen des Klägers nach Rückkehr an die Arbeit Anfang Mai 2004 zu sehen. Eine psychische Erkrankung sei also nicht aufgrund des Unfalls vom 01.04.2004, sondern infolge Mobbings an der Arbeitsstelle bei Rückkehr dorthin im Mai 2005 eingetreten. Hierfür spreche insbesondere, dass die dem Unfall vom 01.04.2004 ursprünglich folgende Symptomatik zunächst rückläufig gewesen und dann wieder im Mai 2004 progredient geworden sei. Ein solcher zunächst abklingender und sich dann wieder verstärkender Symptomverlauf aber lasse sich mit dem Unfall vom 01.04.2004 nur schwer in Übereinklang bringen. Zum Unfallzeitpunkt habe als anlagebedingte Veränderung eine Bereitschaft, auf Lebensbelastungen mit psychischer Erkrankung zu reagieren, bestanden. Eine seelische Gesundheitsstörung sei durch den Unfall nicht eingetreten. Es sei die chirurgischerseits mit Datum vom 12.07.2004 festgestellte Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu bestätigen. Dr. C sei nicht zu folgen. Dessen Anamnese und Verlaufsanalyse seien oberflächlich. Zudem würden die Angaben des Klägers nicht kritisch hinterfragt.

Mit Urteil vom 09.01.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, eine etwaige Arbeitsunfähigkeit über den 07.04.2004 beruhe jedenfalls nicht auf den Folgen des Unfalls vom 01.04.2004. Diese seien abgeheilt gewesen. Vor allem seien die geltend gemachten psychischen Störungen nicht auf den Unfall zurückzuführen. Hierbei ist das Sozialgericht insbesondere Dr. N gefolgt. Soweit Dr. C in seinem Gutachten sowie den diversen ergänzenden Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen ist, die auf psychiatrischem Gebiet von ihm festgestellte generalisierte Angststörung gehe ursächlich auf den Unfall vom 01.04.2004 zurück, ist das Sozialgericht dem nicht gefolgt. Denn Dr. C habe außer Acht gelassen, dass beim Kläger bereits seit vielen Jahren eine Angsterkrankung bestehe, die schon im Jahre 1999 eine stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich gemacht habe. Dies zeige, worauf auch Dr. N hingewiesen habe, dass der Kläger auf irgendwelche Belastungen mit psychischen Erkrankungen reagiere. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, wieso der Unfall, der lediglich Bagatellverletzungen hervorgerufen habe, in der Lage gewesen sein solle, beim Kläger eine Angsterkrankung auszulösen. Schließlich habe Dr. N zu Recht darauf hingewiesen, dass Dr. C eine differenzierte Analyse des Erkrankungsverlaufs, etwa durch Befragung des Klägers, nicht durchgeführt habe. Nur hierdurch wäre er aber in die Lage versetzt worden, die Frage des Auftretens seelischer Symptome zumindest kritisch zu hinterfragen und hätte dann auch der Frage nachgehen können, warum es ab Mai 2004 zu einer progredienten Krankheitsentwicklung trotz ambulanter psychischer Behandlung gekommen sei. Dr. C gehe in seinem Gutachten davon aus, dass die Angststörung erst Ende 2004 diagnostiziert worden sei. Schließlich gebe er selbst an, dass die körperlichen Verletzungen lediglich Ieichtgradig gewesen seien. Wieso solche allenfalls leichten Verletzungen in der Lage sein sollten, eine psychische Erkrankung auszulösen bzw. wieder aufleben zu lassen, die bereits zuvor eine stationäre Behandlung erforderlich gemacht hat, sei weder nachvollziehbar noch von Dr. C schlüssig dargelegt worden.

Bestätigt werde die Ansicht Dr. Ns auch durch die Stellungnahmen von Dr. L und Dr. C1. Diese hätten aufgrund der Primärpersönlichkeit sowie der körperlich ausgesprochen geringfügigen Unfallverletzungen ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen der beim Kläger diagnostizierten Angsterkrankung und dem Unfallereignis feststellen können.

Gegen dieses ihm am 19.02.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.03.2009 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er vorträgt, Dr. N gehe zu Unrecht von einer somatoformen Störung aus. Auch die Ausführungen der Dres. L und C1 überzeugten nicht. Es läge eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Infolge des erlittenen Traumas sei es zu Todesangst mit schwerem Schock gekommen. In der Ambulanz habe man ihm nach dem Unfall gesagt - entweder sei es der Rettungssanitäter oder in der Ambulanz gewesen -, er wäre nicht mehr am Leben, wenn der Schlag mit der Eisenstange ein paar Zentimeter danebengegangen wäre. Die Unfallursächlichkeit seiner psychischen Beschwerden werde auch durch den Befundbericht Dr. Ls belegt. Hieraus gehe hervor, dass seine psychischen Leiden nach dem Unfall eine ganz andere Ursache - nämlich eben den Unfall - hätten als die 1999 bei ihm diagnostizierte Panikstörung. Auch die Mobbingsituation sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Diese sei infolge des Unfalls aufgetreten. Seit dem Unfall hätten auch Kopfschmerzen in zunehmender Frequenz bestanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.01.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 zu verurteilen, bei ihm unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 hinaus anzuerkennen und Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.

Ferner hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 08.08.2012 die Beweisanträge aus dem in dieser öffentlichen Sitzung überreichten Schriftsatz vom 07.08.2012 gestellt und beantragt, die Akten des Parallelverfahrens L 6 SB 76/09 zum Verfahren beizuziehen einschließlich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C vom 05.08.2011.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass gemäß dem Ergebnis der neurologischen Untersuchung vom 22.06.2004 die Kopfplatzwunde vollständig ausgeheilt gewesen sei und die neurologische Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E keine Auffälligkeiten ergeben habe. Die geklagten Kopfschmerzen bestünden unfallunabhängig. Allenfalls zu einer leichten Gehirnerschütterung könne es anlässlich des erlittenen Unfalls gekommen sein. Das leichtgradige Unfalltrauma sei auch nicht geeignet, nachhaltige psychische Beschwerden auszulösen. Auch der Befundbericht Dr. Ls bestätige die seit 1999 vorbestehende Panikstörung. Diese sei somit unfallfremder Ursache. Ferner habe schon zur Zeit des Unfalls eine anlagebedingte Bereitschaft des Klägers vorgelegen, auf Lebenslagen mit psychischen Erkrankungen zu reagieren.

Der Kläger hat zum Beweis der Folgen eines im Jahre 2000 erlittenen Verkehrsunfalls einen radiologischen Befund von Prof. Dr. O vom 12.03.2001 vorgelegt. Ferner hat der Kläger eine Bestätigung vorgelegt, dass er bei Dr. L am 19.08.2009 einen Termin wahrgenommen habe. Des Weiteren hat der Kläger einen Entlassungsbrief des Universitätsklinikums C, Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, vom 13.11.2009 über eine operative Neurolyse nach stattgehabter Hüft-OP vorgelegt.

Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat einen Befundbericht Dr. Ls vom 19.05.2010 angefordert, den dieser auf Bitten des Senats hinsichtlich des Behandlungszeitraums vom 25.11.1999 bis 18.07.2004 mit Schreiben vom 22.06.2010 ergänzt hat. Dr. L hat mitgeteilt, der Kläger sei bei ihm vom 19.07.2004 bis zum 02.03.2005 "wegen der zur Mitbeurteilung anstehenden Symptomatik" in Behandlung gewesen. Ansonsten werde er von ihm seit dem 25.11.1999 behandelt. Am 19.07.2004 habe der Kläger Schwindel und Kopfschmerz beklagt. Er traue sich nicht, Auto zu fahren. Am 30.07.2004 habe der Kläger Angst umzufallen sowie Kopfschmerzen angegeben. Am 23.08., 03.09. und 17.09.2004 habe der Kläger eher eine Verschlechterung angegeben. Bei seinen Behandlungen bis zum 24.11.2004 habe er ähnliche Beschwerden geäußert, eine Angst, dass er hätte sterben können angegeben und einen ausgeprägten Leidensdruck gezeigt. Ab dem 10.01.2005 habe der Kläger eine deutliche Besserung angegeben. Es gehe ihm gut, er habe sein Selbstvertrauen wieder. Die zunächst letzte Behandlung sei am 02.03.2005 erfolgt. Am 28.10.2008 habe dann die nächste Verlaufskontrolle wegen einer anderen Erkrankung stattgefunden.

Dr. L hat einen Zustand nach Schädelprellung bei Arbeitsunfall am 01.04.2004 mit posttraumatischem Kopfschmerzsyndrom und ab dem 11.10.2004 eine ängstlich-depressive Symptomatik festgestellt. Arbeitsunfähig habe er den Kläger vom 23.08.bis 24.09.2004 und dann wieder nach dem Sturz am 25.09.2004 bis zum 31.01.2005 geschrieben. Eine PTBS sei als Diagnose zu keiner Zeit gegeben gewesen. Im November 1999 habe der Kläger bereits Panikzustände geschildert. Im Rahmen der stationären Behandlung vom 29.11. bis 10.12.1999 in den S Kliniken C sei eine Panikstörung diagnostiziert worden. Den entsprechenden Bericht der S Kliniken C vom 17.01.2000 hat Dr. L beigefügt.

Hierzu hat der Senat Dr. N um eine ergänzende Stellungnahme gebeten. Der Sachverständige hat mit Stellungnahme vom 01.09.2010 eine PTBS sicher ausschließen können. Dies bestätige auch der Befundbericht Dr. Ls.

Der Senat hat alsdann von Amts wegen die Fachärztin für Nervenheilkunde und Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T mit der Erstattung eines neuropsychiatrischen Gutachtens beauftragt, welches sie am 10.02.2011 erstattet hat. Nach Mitteilung Dr. Ts hat der Kläger ihr gegenüber angegeben, nach Auftreffen der Stange auf seinen Körper sofort in Ohnmacht gefallen und erst im Krankenwagen aufgewacht zu sein. Im Krankenhaus habe man ihm gesagt, er habe sehr großes Glück gehabt, ein paar Millimeter weiter, und er wäre tot gewesen. Seitdem denke er nur noch darüber nach. Nach seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz im Mai 2004 habe man ihn "mies" empfangen und gesagt, man könne ihn sowieso nicht gebrauchen. Bereits 1999 habe er unter Panikattacken und Hyperventilationsanfällen gelitten. Er sei wiederholt ihn Ohnmacht gefallen. Bei der Arbeit sei er gemobbt worden. Noch heute erinnere er sich an den Unfall, wenn er eine I-Tüte auch nur sehe.

Frau Dr. T hat eine Somatisierungs- und eine ängstliche Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Schon die psychiatrische Behandlung im Jahre 1999 hätte die Tendenz des Klägers zur Konversionsstörung mit Depressivität gezeigt. Da der Kläger geschildert habe, seit langem an seinem Arbeitsplatz gemobbt worden zu sein, seien konkurrierende, unfallunabhängige Belastungen anzunehmen. Die Grübeleien hinsichtlich möglicher einschneidender Folgen des Unfalls unterstrichen seine Somatisierungsstörung, die darin bestehe, sich körperlich permanent sehr zu beobachten in der Angst, Unregelmäßigkeiten zu verkennen.

Es liege keine Gesundheitsstörung vor, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zumindest wesentlich mitursächlich auf das Ereignis vom 01.04.2004 zurückzuführen sei. Das erlittene Schädelhirntrauma sei als leicht einzuordnen bei unauffälligem neuroradiologischem Befund ohne neurologische oder neuropsychologische Defizite. Eine Amnesie ließe sich nicht finden. Der Kopfschmerz als Verletzungsfolge nach Schädelhirntrauma ohne Hirnhautnarbe sei selten. Die Mobbingsituation bei Wiederaufnahme der Arbeit am 26.04.2004 habe zu Spannungskopfschmerzen, Schwindel und Angst geführt. Den Stellungnahmen der Dres. L und C1 werde zugestimmt, nicht hingegen dem Gutachten Dr. Cs. Die geklagten psychischen Beschwerden seien nicht nach dem Unfall, sondern nach Wiederaufnahme der Arbeit aufgetreten, als Sorgen um den Arbeitsplatz und die damit verbundene finanzielle Sicherheit eingesetzt hätten. Diese Symptomatik habe auch schon zu der 1999 behandelten Angststörung geführt. Es liege somit, wie Dr. C1 zutreffend ausgeführt habe, eine sehr leicht ansprechbare Angstdisposition beim Kläger vor. Aufgrund der sehr selbstunsicheren Persönlichkeitsstruktur sei der Arbeitsunfall für die Entwicklung der psychischen Störungen nicht als bedeutsam einzustufen. Jedes andere Ereignis, das den Alltagsrhythmus des Klägers stören konnte, hätte zu einer neurotischen Verarbeitungsstörung geführt. Auch liege keine PTBS vor, weil insoweit bereits das A1-Eingangskriterium nach DSM IV nicht erfüllt sei. Insgesamt habe die Verletzung einen unwesentlichen Faktor in der Entwicklung der psychischen Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers dargestellt. Nachdem der Kläger sich in den ersten Wochen nach dem Arbeitsunfall zunehmend erholt und auch seine Arbeit wieder aufgenommen habe, müsse von einem völlig regelhaften Verlauf des postcommotionellen Syndroms ausgegangen werden.

Auch dieses Gutachten hält der Kläger für nicht zutreffend. Mit Schriftsatz vom 13.01.2012 hat er es vielmehr für unbrauchbar gehalten. Für den Fall, dass es der Senat gleichwohl als verwendbar ansehe, hat der Kläger die Ladung der Sachverständigen zur persönlichen Befragung durch den Kläger beantragt. Gegenstand der Befragung sollten die in der gerichtlichen Beweisanordnung vom 13.10.2010, mit der der Senat Frau Dr. T zur Sachverständigen bestellt hat, gestellten Fragen und die Darlegungen des Schriftsatzes vom 13.01.2012 sein. Insoweit hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2012 "beispielhaft" auf Folgendes hingewiesen:

1. "Die beiden Diagnosen der Sachverständigen sind nirgends zusammenfassend begründet. In der Beantwortung der Beweisfrage zu 1. werden lediglich Gefühle des Klägers erwähnt. Seine Beschwerden und Behinderungen werden nicht festgestellt, sondern es wird eine nicht konkret einzuordnende Schilderung des Klägers zitiert, die die wichtigsten Schäden nicht enthält: Angst, Schwindel, Kopfschmerzen fehlen. Es werden abwegige Hinweise gegeben: "Damals war gerade seine zweite Tochter geboren"!

2. Im Zusammenhang mit der Beweisfrage 2. fehlt jede systematische und vollständige Schilderung der festgestellten Krankengeschichte im Anschluss an den Unfall. Dies ist noch weiter unter dem Niveau des Sachverständigen Dr. N, der auf Seite 7 bis 9 am 12.04.2007 wenigstens versucht hat, einige konkrete Angaben zusammenfassend darzustellen. Frau Dr. T verschweigt die relativ ausführliche Schilderung des behandelnden Psychiaters Dr. L vom 22.05.2005, die die vielfältigen Schäden zeigt, die beim Kläger im Anschluss an den Unfall vom 01.04.2004 erstmals aufgetreten sind.

Es fehlt jede Erörterung der Frage, inwieweit das Mobbing am Arbeitsplatz, das erst nach dem Unfall vom 01.04.2004 aufgetreten ist, unfallbedingt und in die Kausalitätsbeurteilung einzubeziehen ist. Hierzu fehlt es an klaren Vorgaben des Gerichts, soweit die Beantwortung dieser Frage über die Kompetenz der Sachverständigen hinausgeht. Unser entsprechender Hinweis in der Berufungsbegründung ist unbeachtet geblieben, wie im Übrigen auch die Sachverständige sich mit keinem Wort mit unseren dortigen Ausführungen auseinandergesetzt hat, wozu allerdings die Fassung der Beweisanordnung des Gerichts beigetragen haben dürfte.

3. Die Bewertung des Unfalltraumas ist absolut unzureichend. Eine konkrete Bewertung der körperlichen Verletzung - Zweitunfall nach HWS-Trauma mit Schädigung des Ligamentum alare - und der psychischen Auswirkungen - nachträgliche Schockwirkung der tödlichen Bedrohung - fehlen vollständig.

Falsch ist, dass bei der ersten Wiederaufnahme der Arbeit ein "verstärktes Mobbing" auftrat; es gab vorher Mobbing im Sinne eines krankheitsrelevanten Vorganges nicht.

Vollständig unbeachtet bleibt, dass Prof. Maier zeitnah im November 2004 zweimal nach seiner Untersuchung die Diagnose eines ängstlich-depressiven Syndroms bei Schädel-Hirn-Trauma gestellt hat.

Frei erfunden ist die Behauptung der Identität der "Symptomatik" von 1999 bis 2004 (Seite 19). Weder die Ursache noch der Ablauf der Erkrankungen waren identisch. Die Bewertung des Vorganges 1999 (Bl. 14) entbehrt jeder qualifizierten Begründung, wenn nur "korrespondierende Symptome" - also keine ursächliche Parallelität - und die bloße "Tendenz zur Konversionsstörung mit Depressivität" angedeutet werden. Das MMPi-2-Profil ist in keiner Weise erläutert oder belegt (s. Bl. 12, 13). Das Profil ist nur "wahrscheinlich gültig"; die "Neigung zur Konversionsstörung" wird dahin erklärt, dass der Kläger unter "spezifischen funktionellen Störungen" leide. Eine konkrete Verknüpfung mit den Beschwerden und Behinderungen des Klägers fehlt vollständig. Welche Fragen im MMPi 2-Test gestellt worden und welche Antworten es gab, woraus sich die Bewertung ergibt, ist nicht erkennbar".

Des Weiteren meint der Kläger, die Sachverständige habe seine Angaben zu der Erkrankung 1999 praktisch in das Gegenteil verkehrt, was jeder Begründung entbehre und unverständlich sei. Ferner ist er der Auffassung, angesichts des behaupteten Zusammenhangs zwischen vielfältigen somatischen Erscheinungsbildern und spezifischen funktionellen Störungen einerseits und den deutlichen psychischen Störungen andererseits bedürfe es einer speziellen psychosomatischen Fachbegutachtung. Des Weiteren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2012 die Einholung eines weiteren Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. C zu den Beweisfragen vom 13.10.2010 beantragt, in dem dieser Sachverständige insbesondere zu der Behauptung von Frau Dr. T Stellung nehmen solle, dass jedes beliebige andere Ereignis, dass den Arbeitsrhythmus des Klägers störe, neurotische Verarbeitungsstörungen verursachen solle.

Hierzu hat der Senat die Sachverständige mit Schreiben vom 06.03.2012 zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert, die Frau Dr. T mit Schreiben vom 19.03.2012 gefertigt hat. Die pauschale Kritik an ihrem Gutachten weise sie zurück. Ausschlaggebend für die unfallabhängigen Schäden seien objektive Befunde und nicht alleine ausführliche Schilderungen des betreffenden Menschen. So verhalte es sich auch mit Mobbingsituationen. Das erlittene Schädel-Hirn-Trauma werde auf Seite 17 ihres Gutachtens eindeutig dargelegt, die geltend gemachten psychischen Auswirkungen: "Nachträgliche Schockwirkung der tödlichen Bedrohung" ebenfalls. Zeitgleich habe sie die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV ausgeklammert. Das im Bericht der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität C aufgeführte ängstlich depressive Syndrom nach Schädel-Hirn-Trauma habe keinen Bezug zur Kausalitätsbeurteilung, sondern sei rein deskriptiver Natur. 1999 habe sich der Kläger in stationärer Behandlung aufgrund von Panikattacken mit Hyperventilation, Todesangst und Schweißausbrüchen befunden. An dieser Symptomatik sei aufgrund der vorgelegten Befunde nicht zu zweifeln. Im Weiteren hat die Sachverständige ihre Erhebungen anhand des Minnesota-Multiphasic-Personality-Inventory (MMPi-2) erläutert und dargelegt, dass der Kläger psychische Probleme auch schon vor dem streitigen Arbeitsunfall gehabt habe. Eine psychosomatische Fachbegutachtung könne die aufgeworfenen Fragen beim Kläger nicht klären, da sowohl eine psychiatrische als auch neurologische Fachkompetenz erforderlich seien. An ihrer Beurteilung halte sie fest.

Auch hieran hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03.05.2012 Kritik geübt und in vollem Umfang seine Ausführungen und Beweisanträge mit Schriftsatz vom 13.01.2012 wiederholt. Wenn der Senat an der Sachverständigen festhalten sollte, bedürfe es ihrer persönlichen Anhörung und Befragung.

In der öffentlichen Sitzung des Senats vom 08.08.2012 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seinen am 07.08.2012 gefertigten Schriftsatz zu den Akten gereicht. In diesem "wird unter Wiederholung aller bisherigen Beweisanträge" nunmehr beantragt,

"die Sachverständige Dr. T zu ihrem Gutachten vom 10.02.2011 und 19.03.2012 persönlich anzuhören und dem Kläger Gelegenheit zur Ausübung seines Fragerechts zu geben. Gegenstand der Befragung sollen die Beweisfragen des Senats vom 13.10.2010 sein, in Verbindung mit unseren Schriftsätzen vom 13.01. und 03.05.2012.

Dies gilt insbesondere für die Diagnosen, deren Begründung nicht nachvollziehbar ist, z.B. an folgenden Punkten:

- der Kläger fühle sich minderwertig im Vergleich zu anderen;

- er sei in permanenter Sorge und Beobachtung abgelehnt und am Arbeitsplatz kritisiert zu werden;

- er zeige damit eine Tendenz, sich von zwischenmenschlichen Kontakten zurückzuziehen;

- er sei eine insgesamt selbstunsichere Persönlichkeit;

- multiple wiederholt auftretende körperliche Symptome ständen im Zusammenhang mit sozialen, interpersonalen und familiären Belastungen;

- welche Bedeutung für die Diagnosen ergibt sich aus der Behauptung, er sei als zwischen Kulturen stehender Familienvater recht großen psychischen Belastungen ausgesetzt und wodurch und wie weit bestätigt sich diese Behauptung im gesamten Verfahren? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Geburt der zweiten Tochter?

Es gilt z.B. auch für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs, den Ausführungen Bl. 16 bis 18 des Gutachtens insbesondere,

- welche unfallunabhängigen Belastungen sieht der Sachverständige als gegeben, welche als abhängig?

- kann die Somatisierungsstörung nicht unfallbedingt sein?

- was ergibt sich aus der differenzialdiagnostischen Prüfung einer somatoformen Schmerzstörung?

Es ist dann zu klären, wie sich die jeweiligen Antworten auf die Ausführungen der weiteren Beweisfragen insbesondere zu Ziffer 4. auswirken.

2. Als sachverständige Zeugen sind zu Beweisfrage 1., bezogen auf die Zeit nach dem 01.04.2004, als behandelnde Ärzte zu hören:

a) Dr. U. T, X-Str. 00, U,
b) Dr. U. H, T Str. 00, U,
c) Dr. A. O, G-Platz 00, I,
d) Dr. H. L, I-straße 00, U.

3. Als Sachverständiger ist zu den vollständigen Beweisfragen vom 13.10.2010 Herr Dr. C, L-Ring 00, C zu hören, den wir zugleich hilfsweise gemäß § 109 SGG benennen".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Prozessakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Anerkennung von durch den Arbeitsunfall vom 01.04.2004 zumindest wesentlich mitursächlich bedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 hinaus, weil die Beklagte mit dem angefochtenen und allein streitgegenständlichen Bescheid vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 lediglich über die - zwischen den Beteiligten nicht streitige - Anerkennung des Ereignisses vom 01.04.2004 als Arbeitsunfall sowie über die Anerkennung und die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit entschieden hat. Soweit der Kläger darüber hinaus auch im Berufungsverfahren an seinem weiteren Begehren festhält, ihm Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, kann er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil eine Entscheidung über Leistungsansprüche des Klägers nicht Gegenstand des genannten, angefochtenen Bescheides der Beklagten ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 36/03 R, Rn. 15 bis 17). Soweit die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 11.10.2004 weiterhin ausgeführt hat, dass Leistungsansprüche über den 07.04.2004 deshalb nicht bestünden, stellt dies insbesondere keine Bescheidung eines Leistungsbegehrens dar, sondern ist die von der Beklagten gezogene und rein deklaratorische Folgerung daraus, dass ihrer Meinung nach ab dem 08.04.2004 weder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit bestanden hätten.

Hierfür spricht insbesondere auch, dass die für die Bestimmung des (möglichen) Streitgegenstandes entscheidende Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes sich auf den Verfügungssatz beschränkt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 16), der vorliegend gerade keinen Ausspruch über etwaige Leistungsansprüche des Klägers enthält. Zwar kann zur Klärung des Umfangs der Bindungswirkung auch die Begründung des Verwaltungsaktes berücksichtigt werden, dies jedoch nur innerhalb des Verfügungssatzes und auch dies nur, wenn dieser unklar ist und Raum für Auslegungen lässt (BSG, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Solche Unklarheiten bestehen jedoch nicht. Vielmehr geht sowohl aus der Überschrift als auch aus den Verfügungssätzen des angefochtenen Bescheides klar hervor, dass er nur Entscheidungen über die Anerkennung und Dauer von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit enthält. Soweit der Kläger also mit seinem Antrag ein Leistungsbegehren formuliert hat, kann er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil es an einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen, weil der Bescheid vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 insoweit rechtswidrig ist, als beim Kläger aufgrund seines am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfalls auch für die Zeit vom 08.04.2004 bis zum 22.06.2004 unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit sowie auch für die Zeit vom 08.04.2004 bis zum 23.04.2004 sowie vom 24.05.2004 bis zum 22.06.2004 unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit anzuerkennen ist. Insoweit ist der Kläger i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Da weitergehende Ansprüche allerdings nicht bestehen, war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte bei ihm unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit auch für die Zeit vom 08.04.2004 bis zum 22.06.2004 anerkennt. Voraussetzung dafür, dass für einen bestimmten Zeitraum ein Anspruch auf Anerkennung von Behandlungsbedürftigkeit als Folge eines erlittenen Arbeitsunfalls besteht ist, dass zwischen dem Unfallereignis und der geltend gemachten Unfallfolge - hier der Behandlungsbedürftigkeit - ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung besteht. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rechtsprechung seit BSGE 1, 72, 76, vgl. zuletzt BSGE 94, 269 = SozR 4-2700, § 8 Nr. 15). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolges bzw. des Unfallschadens abgeleitet werden.

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind nach der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - eine Ursache ist aber nicht schon deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE, 38, 127, 129 = SozR 2200, § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200, § 589, Nr. 1). Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs genügt im Übrigen hinreichende Wahrscheinlichkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG 32, 203, 209 = SozR Nr. 15, § 1263 a.F. RVO; BSG 45, 285, 287 = SozR 2200, § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200, § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (vgl. BSGE 96, 156, = SozR 4-2700, § 8 Nr. 17).

Von diesen Voraussetzungen ausgehend lässt sich eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 wegen der vom Kläger nachdrücklich geltend gemachten psychischen Beschwerden nicht begründen, weil eine aus solchen Beschwerden resultierende Behandlungsbedürftigkeit des Klägers über den 07.04.2004 hinaus nicht mehr wesentlich ursächlich auf den am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Insoweit hält der Senat - wie bereits das Sozialgericht - insbesondere das Gutachten Dr. Ns für überzeugend. Dieser Sachverständige hat für den Senat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass das nach 1999 erneute Auftreten psychischer Beschwerden nicht mit dem am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfall, sondern mit der bei Rückkehr an die Arbeitsstätte vorgefundenen Mobbing-Situation in Kausalzusammenhang zu sehen ist. Hierfür spricht insbesondere auch, dass der Kläger sich erst am 29.06.2004 - also etwa drei Monate nach dem erlittenen Arbeitsunfall - bei Dr. O und dann ab dem 19.07.2004 bei Dr. L in neurologisch-psychiatrische Behandlung begeben hat. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger bereits zwei Monate vorher, nämlich am 26.04.2004, seine Arbeit am bisherigen Beschäftigungsort wieder aufgenommen. Schon diese zunächst immerhin für vier Wochen (nämlich bis zum 23.05.2004) erfolgte Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit, ohne dass sich der Kläger zeitlich nach dem Arbeitsunfall vor dem 29.06.2004 in psychiatrische Behandlung begeben oder auch nur psychiatrische Beschwerden geklagt hatte, spricht dagegen, dass die vom Kläger selbst ab dem 29.06.2004 (wieder) gesehene neurologisch-psychiatrische Behandlungsnotwendigkeit zumindest wesentlich mitursächlich auf den am 01.04.2004 erlittenen Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Überdies hat der Kläger bei Dr. O zunächst über Kopfschmerz bzw. bei Dr. L über Schwindel und Kopfschmerz geklagt, was Dr. N in überzeugender Weise als ein Wiederaufleben der zunächst abgeklungenen postcommotionellen Symptomatik, also Beschwerden nach Gehirnerschütterung, und damit als körperliche Reaktion auf die bei Rückkehr an die Arbeit vom Kläger vorgefundene und beklagte Mobbing-Situation eingeordnet hat.

Diese körperliche Reaktion des Klägers mit Schwindel und Kopfschmerz auf das Mobbing ist auch nicht als mittelbare Unfallfolge anzusehen, weil zum einen der Kläger nach eigenem Bekunden bereits vor dem Unfall sich gemobbt fühlte und zum anderen zur Überzeugung des Senats überragende Ursache für die genannten Reaktionen des Klägers dessen anlagebedingte Bereitschaft war, auf Lebensbelastungen mit psychischen Krankheiten zu reagieren, wie sowohl Dr. N als auch Dr. T in Auswertung der Berichte über die Behandlung der Panikstörung im Jahre 1999 überzeugend herausgearbeitet haben.

Demgegenüber vermag das Gutachten Dr. Cs nicht zu überzeugen. So ist bereits zu bemängeln, dass es sich hierbei um ein recht kurzes sowie in Anamnese und Verlaufsanalyse äußerst oberflächliches Gutachten handelt. Es ist auch nicht überzeugend, wenn Dr. C vor dem Hintergrund, dass selbst der Kläger erst ab Ende Juli 2004 überhaupt wieder psychische Beschwerden auch nur geäußert hat, postuliert, der Kläger habe infolge des Unfalls eine Angststörung erlitten, diese sei aber sowohl vom Kläger als auch von zahlreichen behandelnden Ärzten über acht Monate nicht erkannt worden. Gegen dieses Postulat Dr. Cs spricht insbesondere auch, dass der Kläger in dieser Zeit von dem Neurologen und Psychiater Dr. L intensiv betreut worden ist, wobei er dort erst ab dem 23.08.2004 einen ausgeprägten psychischen Leidensdruck gezeigt hat.

Zu beachten ist allerdings, dass der leitende Arztes der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E GbR Dr. C1 mit Bericht vom 12.07.2004 über eine Untersuchung des Klägers in der dortigen Poliklinik I am 22.06.2004 ausgeführt hat, dass (erst) mit der an diesem Tag erfolgten Untersuchung des Klägers dessen unfallbedingte Beschwerden soweit abgeklungen waren, dass mit diesem Datum die berufsgenossenschaftliche Heilmaßnahme abzuschließen sei. Dieser zeitnahen Einschätzung eines in der Behandlung von Arbeitsunfällen besonders erfahrenen Arztes misst der Senat besondere Bedeutung bei, zumal auch Dr. N in seinem Gutachten vom 12.04.2007 (Seite 25 = Bl. 142 Bd. I der Prozessakte) die von Dr. C1 chirurgischerseits festgestellte Dauer der Arbeitsunfähigkeit bestätigt hat. Für die von Dr. C1 festgestellte Dauer der unfallbedingten Behandlungsbedürftigkeit kann nach Auffassung des Senats nichts anderes gelten.

Hieraus ergibt sich gleichzeitig, dass der Kläger einen Anspruch auf die Anerkennung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über den 07.04.2004 hinaus bis zum 22.06.2004 hat. Wegen der zwischenzeitlichen Aufnahme seiner auch vor dem Arbeitsunfall ausgeübten Tätigkeit besteht ein Anspruch auf Anerkennung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit allerdings für die Zeit vom 24.04.2004 bis zum 23.05.2004 nicht.

Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen hat sich der Senat nicht gedrängt gesehen, weil der Sachverhalt vollständig ermittelt ist. Insbesondere hat sich der Senat nicht zur Einholung eines speziellen psychosomatischen Gutachtens gedrängt gesehen. Gerade die Sachverständige Dr. T hat zur Somatisierungsstörung des Klägers und zur Frage der etwaigen Unfallbedingtheit dieser Störung umfassend und für den Senat überzeugend mit dem Ergebnis Stellung genommen, dass sich Somatisierungsstörungen bereits anlässlich der 1999 erfolgten stationären Behandlung des Klägers gezeigt hätten und deshalb nicht von deren Unfallbedingtheit auszugehen sei. Der Senat hat keine Zweifel an der Fachkompetenz von Frau Dr. T und damit an der Richtigkeit der von ihr abgegebenen Beurteilung.Der Senat schließt sich ihrer mit ergänzender Stellungnahme vom 19.03.2012 abgegebenen Einschätzung an, wonach zur Beurteilung der Beschwerden des Klägers auf seelischem Gebiet sowohl eine psychiatrische als auch eine neurologische Fachkompetenz erforderlich aber auch ausreichend ist.

Ebenso wenig hat sich der Senat gedrängt gesehen, ein weiteres Gutachten des Sachverständigen Dr. C zu den mit Beweisanordnung des Senats vom 13.10.2010 formulierten Beweisfragen einzuholen. Dies folgt zum einen daraus, dass der bereits auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Neurologe und Psychiater Dr. C am 03.01.2006 ein Gutachten gefertigt hat. Da dies Gutachten zudem in seiner Kürze und Oberflächlichkeit in keiner Weise geeignet ist, zur Überzeugungsbildung des Senats beizutragen, hat sich der Senat zur Einholung eines weiteren neurologisch-psychiatrischen Gutachtens gerade durch Dr. C in keiner Weise gedrängt gesehen. Vielmehr hält der Senat den Sachverhalt insbesondere durch die überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. N und Dr. T (auch) auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet für vollständig aufgeklärt und sieht keinen Anlass für weitere Ermittlungen auf medizinischem Gebiet.

Ebenso wenig hat sich der Senat gehalten gesehen, dem Antrag des Klägers stattzugeben und die Sachverständige Dr. T zu ihrem Gutachten vom 10.02.2011 und ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 19.03.2012 persönlich anzuhören.

Nach §§ 118 SGG, 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Tatsachengericht, das erläuterungsbedürftige schriftliche Sachverständigengutachten eingeholt hat, von dem betreffenden Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nach pflichtgemäßem Ermessen eine Erläuterung verlangen. Einer Anregung der Beteiligten bedarf es dazu nicht. Stellen die Beteiligten allerdings entsprechende Beweisanträge, wie z.B. den Gutachter zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zu hören, ist dem im Regelfall nachzukommen, weil der Kläger hiermit sein Fragerecht nach § 116 SGG, §§ 402, 397 ZPO als Ausprägung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausüben will.

Voraussetzung für die zusätzliche Vernehmung des Sachverständigen ist allerdings, dass der Beteiligte die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich bezeichnet. Zumindest der Fragenkomplex muss konkret umschrieben sein. Auch haben die Beteiligten rechtzeitig vor dem Termin begründet und substantiiert darzulegen, welcher Aufklärungsbedarf trotz des schriftlichen Gutachtens noch besteht, etwa weil das Gutachten widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, oder wenn der Auffassung des Sachverständigen eine beachtliche wissenschaftliche Literaturmeinung entgegensteht oder der Sachverständige von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist oder ein Beteiligter gegen den Inhalt des Gutachtens substantielle Einwände vorbringt. Werden allerdings solche Anträge gestellt, besteht auch die Möglichkeit, von den Sachverständigen eine schriftliche Ergänzung ihrer Gutachten zu verlangen (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000, B 9 VS 2/99 R, Rn. 20 und 23, in SozR 3-1750, § 411 Nr. 1).

Danach kann ein Antrag auf Anhörung des Sachverständigen dann abgelehnt werden, wenn er verspätet oder rechtsmissbräuchlich gestellt wurde oder die für erläuterungsbedürftig gehaltenen Punkte nicht benennt. Hierbei ist ferner zu beachten, dass die mündliche Anhörung des Sachverständigen zwar die nächstliegende, aber nicht die einzig mögliche Behandlung eines derartigen Antrags ist. Das Gericht kann den Sachverständigen auch zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens veranlassen (BSG, Beschluss vom 31.10.2012, B 2 U 245/12 B, Rn. 3 bis 7; BSG, Beschluss vom 24.07.2012, B 2 U 100/12 B, Rn. 14 und 15).

Hiernach war der Senat nicht gehalten, dem Antrag des Klägers auf persönliche Anhörung der Sachverständigen Dr. T vor dem Senat zu entsprechen. Soweit der Kläger diesen Antrag erstmalig mit Schriftsatz vom 13.01.2012 gestellt hat, hat er zwar hinreichend bestimmt auf seiner Meinung aus dem Gutachten sich ergebende Lücken, Widersprüche und Unklarheiten, die er für erläuterungsbedürftig hält, hingewiesen. Allerdings kann das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch machen, den Sachverständigen zu einer schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens zu veranlassen (vgl. BSG, Beschluss vom 24.07.2012, a.a.O., Rn. 15). Von dieser Möglichkeit hat der Senat mit Schreiben vom 06.03.2012 auch Gebrauch gemacht, indem er Dr. T zur ergänzenden Stellungnahme zu den vom Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2012 für erläuterungsbedürftig gehaltenen Punkten aufgefordert hat.

Dem erneuten Antrag mit Schriftsatz vom 03.05.2012 auf persönliche Anhörung und Befragung der Sachverständigen Dr. T im Termin musste der Senat ebenfalls nicht nachkommen. Denn in diesem Schriftsatz hat der Kläger schon keine weiteren, neuen Einwendungen erhoben, sondern ausgeführt: "Insgesamt wiederholen wir in vollem Umfang unsere Ausführungen und Beweisanträge vom 13.01.2012". Ferner hat der Kläger auch mit Schriftsatz vom 03.05.2012 nicht dargelegt, warum er zu den Einwendungen, zu denen Dr. T mit Schreiben vom 19.03.2012 bereits schriftlich Stellung genommen hatte, dennoch weiterhin die mündliche Anhörung der Sachverständigen im Termin für erforderlich hält. Damit aber hat der Kläger nicht dargelegt, welcher Aufklärungsbedarf trotz des schriftlichen Gutachtens noch besteht, so dass der Senat nicht gehalten war, dem Antrag auf persönliche Anhörung nachzukommen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12.04.2000, aaO, Rn. 20, in SozR 3-1750, § 411 Nr. 1).

Im Übrigen bestehen Bedenken dagegen, ob der Kläger diesen Antrag mit Schriftsatz vom 03.05.2012 überhaupt wirksam gestellt hat, weil er mit einer Bedingung verknüpft war, dessen Eintritt der Senat vor seiner geheimen Beratung anlässlich der öffentlichen Sitzung vom 08.08.2012 gar nicht beurteilen konnte. Denn der - rechtsanwaltlich vertretene - Kläger hat mit Schriftsatz vom 03.05.2012 den Antrag auf persönliche Anhörung und Befragung der Sachverständigen Dr. T in einem Termin vor dem Senat nur dann gestellt, "wenn der Senat an der Sachverständigen festhalten sollte". Ob der Senat an einem Sachverständigen "festhält", kann er aber erst im Rahmen der mit den ehrenamtlichen Richtern durchzuführenden geheimen Beratung nach Abschluss oder - im Falle einer Zwischenberatung - während der mündlichen Verhandlung beurteilen. Ob das Tatsachengericht überhaupt gehalten ist, einem solchen mit einer Bedingung verknüpften Beweisantrag eines Beteiligten Folge zu leisten, hält der Senat jedenfalls dann, wenn dieser Beteiligte - wie hier - rechtsanwaltlich oder sonst fachkundig vertreten ist, für zweifelhaft. Letztlich kann dies aber dahin stehen, weil der Senat - wie bereits dargelegt - jedenfalls deshalb nicht gehalten war, dem mit Schriftsatz vom 03.05.2012 gestellten Antrag auf Anhörung und Befragung der Sachverständigen Dr. T im Termin nachzukommen, weil der Kläger nicht dargelegt hat, warum er dies - trotz der bereits erfolgten schriftlichen ergänzenden Stellungnahme - für erforderlich hält.

Solche Darlegungen enthält auch der in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 08.08.2012 gestellte Antrag auf persönliche Anhörung der Sachverständigen Dr. T nicht, weshalb der Senat auch diesem Antrag nicht nachkommen musste.

Da der Sachverhalt aufgeklärt ist, hat der Senat sich ebenfalls nicht gedrängt gesehen, wie vom Kläger mit Schriftsatz vom 07.08.2012 beantragt, die im Einzelnen benannten behandelnden Ärzte des Klägers zu hören.

Soweit der Kläger darüber hinaus mit dem o.g. Schriftsatz hilfsweise die - erneute - Anhörung Dr. Cs nach § 109 SGG beantragt hat, ist dieser Antrag als - auch - nach § 109 Abs. 2 SGG verspätet gestellt anzusehen, weil für den Kläger spätestens seit Mai 2012 der Abschluss der Ermittlungen von Amts wegen ersichtlich war.

Ebenso wenig war der Senat gehalten, dem Antrag des Klägers nachzukommen, "die Akten des Parallelverfahrens L 6 SB 76/09 zum Verfahren beizuziehen einschließlich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C vom 05.08.2011". Denn dort getroffenen Aussagen zur Höhe des Grades der Behinderung (GdB) stehen in keinem Zusammenhang mit den im Unfallversicherungsrecht maßgeblichen Wertungen, weil der GdB unabhängig von ihrer Ursache und insbesondere unabhängig von einer etwaigen Unfallabhängigkeit lediglich die aktuelle bestehenden Gesundheitsstörungen im Hinblick auf das Ausmaß der dadurch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen bewertet (vgl. Landesssozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.12.2008, L 3 U 1038/05, Rn. 35).) Diese Bewertungen sind im Unfallversicherungsrecht aber gerade nicht maßgeblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des bloß geringfügigen Obsiegens des Klägers war insoweit eine Quotelung nicht vorzunehmen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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