S 11 AS 178/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 178/11
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Angelegenheiten nach dem SGB II
1. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung findet auch auf Sachverhalte Anwendung, in denen Grundlage nicht eine Eingliederungsvereinbarung, sondern ein Eingliederungsverwaltungsakt ist. Dies folgt aus einem Analogieschluss.
2. Verfassungsrechtliche Grenzen bezüglich der analogen Anwendung bestehen nicht.
3. Bestandskräftige Eingliederungsverwaltungsakte sind im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Sanktionierung grundsätzlich nicht inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.
4. Die Sanktionsregelungen der §§ 31 ff. SGB II sind verfassungskonform.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheids, mit welchem die Leistungen des Klägers zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 monatlich um 30 % der Regelleistung abgesenkt wurden.

Der im Jahr 1950 geborene Kläger erhält seit 01.04.2006 Leistungen nach dem SGB II.

Im Rahmen eines Termins am 29.10.2010 bei dem zuständigen Arbeitsvermittler der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden Beklagter) besprach dieser mit dem Kläger dessen berufliche Situation. Nach Beurteilung der Handlungsbedarfe und Profillage des Klägers stellte der Arbeitsvermittler dem Kläger die nach seiner Einschätzung geeignete Maßnahme "Orientierung im Handwerk" der Q.-Akademie vor, erläuterte dem Kläger die Inhalte der Maßnahme und bot ihm als Zuweisung den Zeitraum vom 02.11.2010 bis 21.12.2010 an.

Ebenfalls am 29.10.2010 erließ der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung mittels Verwaltungsakt (EVA), da der Kläger den entsprechenden Erklärungsbogen zur Teilnahme an dieser Maßnahme, der auch Grundlage späterer Fahrkostenerstattung war, nicht aber die Eingliederungsvereinbarung unterschrieben hatte. Der EVA wurde für den Geltungszeitraum 29.10.2010 bis 28.04.2011 erlassen.

In Ziffer 2. des EVA war u.a. die Verpflichtung des Klägers vorgesehen, an der Maßnahme "Orientierung im Handwerk" zur beruflichen Eingliederung bei der Q.-Akademie im Zeitraum vom 02.11.2010 bis 21.12.2010 teilzunehmen.

Dem EVA war eine Rechtsfolgenbelehrung beigefügt.

Mit Schreiben vom 29.10.2010 legte der Kläger gegen den EVA Widerspruch ein. Zur Begründung trug er unter anderem vor, dass ein ausreichendes Profiling entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nicht durchgeführt worden sei. Der EVA habe ferner keinen Nutzen für ihn, so stelle er auch seine Teilnahme an der Maßnahme in Frage. Er sei gelernter Groß- und Einzelhandelskaufmann und habe mit Handwerk noch nie beruflich zu tun gehabt.

Ebenfalls mit Schreiben vom 29.10.2010 legte der Kläger Widerspruch gegen die Zuweisung zu der Maßnahme "Orientierung im Handwerk" ein und verwies zur Begründung insbesondere darauf, dass er als gelernter Groß- und Einzelhandelskaufmann keine Kenntnisse über Handwerk, Gastronomie usw. habe. Er wolle sich auch nicht dahingehend qualifizieren.

Der Kläger nahm an der Maßnahme nicht teil.

Mit Scheiben vom 08.11.2010 hörte der Beklagte den Kläger hinsichtlich des möglichen Eintritts einer Sanktion nach § 31 SGB II wegen der Nichtteilnahme an der Maßnahme an.

Hierzu trug der Kläger mit Schreiben vom 15.11.2010 unter Verweis auf seine Widersprüche vom 29.10.2010 vor, dass eine Sanktionierung gesetzlich nur bei Verstößen gegen eine Eingliederungsvereinbarung vorgesehen sei, nicht bei Verstößen gegen einen EVA. Er sei immer seinen Verpflichtungen nachgekommen. Der Beklagte sei nicht berechtigt, ihm eine Zwangsvereinbarung vorzulegen.

Durch Bescheid vom 06.12.2010 senkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 um 30 % der Regelleistung in Höhe von monatlich 107,70 Euro ab.

Zugleich bewilligte der Beklagte dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 06.12.2010 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 in Höhe des Regelbedarfs von 359,00 Euro, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 aufgrund der Sanktion in Höhe von 251,30 Euro. Durch Änderungsbescheid vom 26.03.2011 wurde ab 01.11.2011 der Regelbedarf des Klägers um monatlich 5,00 Euro erhöht.

Die Widersprüche gegen den EVA und die Zuweisung zu der Maßnahme wies der Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 als unbegründet zurück. Der Erlass des EVA sei ebenso rechtmäßig wie die Zuweisung zu der Maßnahme. Gegen letztere habe der Kläger keinen wichtigen Grund darlegen können. Die Kursmodule seien nicht berufsspezifisch, es würden lediglich einfache Kenntnisse für den Berufseinstieg vermittelt. Auf den Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen (Blatt 301 ff Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 13.12.2010 legte der Kläger gegen den Absenkungsbescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug er erneut unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.12.2009, BSG B 4 AS 20/09, vor, dass die gesetzlichen Vorschriften in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b und 1c SGB II ihrem Wortlaut nach nur Verstöße gegen eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II sanktionieren, nicht Verstöße aus einem EVA. Eine erweiternde Auslegung auf einen EVA nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II käme nicht in Betracht. Ferner erfülle die Rechtsfolgenbelehrung nicht die vom BSG im Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 53/08, festgestellten Erfordernisse. Sanktionen seien schließlich an sich aufgrund der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, bereits verfassungswidrig.

Mit Schreiben vom 07.01.2011 legte der Kläger gegen den Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 Widerspruch ein.

Durch Widerspruchsbescheid vom 02.02.2011 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid als unbegründet zurück. Auch im Falle eines EVA handele es sich um eine Eingliederungsvereinbarung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II. Auf den Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen (Blatt 301 ff Beklagtenakte).

Durch Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 02.02.2011 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid als unbegründet zurück.

Gegen den Absenkungsbescheid hat der Prozessbevollmächtigte Klage zum Sozialgericht erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Eingliederungsvereinbarung niemals vom Kläger unterschrieben wurde, somit ein einseitig verpflichtender Verwaltungsakt vorläge, der allerdings unwirksam sei. An die einseitige Vorgabe des Beklagten im EVA könne keine Sanktion geknüpft werden. Auch könne eine Zuweisung in eine Bildungsmaßnahme nicht durch einen EVA erfolgen. Nach dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 seien Sanktionen im Übrigen de facto unzulässig.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Absenkungsbescheids vom 06.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011 und Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 06.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011, beide in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 26.03.2011, zu verurteilen, ihm für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Absenkung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass Sanktionen auch bei Vorliegen eines EVA auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b gestützt werden könnten. Es sei zwar richtig, dass der Kläger bis Ende 2000 als kaufmännischer Leiter tätig gewesen sei, in der Folgezeit jedoch unter anderem auch als Bürokraft, Kfz-Verkäufer, Kraftfahrer oder auch Inventurhelfer. Der Kläger sei in die Maßnahme zugewiesen worden, da sich in diesem Bereich die höchsten Integrationschancen für den Kläger ergeben hätten.

Am 22.06.2012 hat vor dem Sozialgericht ein Erörterungstermin statt gefunden; die Beteiligten haben sich dabei mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten und das Protokoll des Erörterungstermins vom 22.06.2012 Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage, über die das Gericht nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat in der Sache keinen Erfolg. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

A. Das beklagte Jobcenter als gemeinsame Einrichtung nach §§ 6d, 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Bundesagentur für Arbeit getreten. Es handelt sich um einen kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 99/10 R, juris).

B. Die Klage ist im Übrigen zulässig.
1. Streitgegenstand sind die vom Kläger begehrten Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.03.2011. Ein Sanktionsereignis bzw. ein Sanktionsbescheid gemäß § 31 SGB II stellt dabei keinen abtrennbaren Streitgegenstand dar, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09, juris).

Ist der Beginn des neuen Bewilligungszeitraums mit dem Beginn des Sanktionszeitraums identisch, so bilden der Bewilligungsbescheid (hier vom 06.12.2010 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 26.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011) und der Sanktionsbescheid (hier vom 06.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011) daher eine Einheit, über die einheitlich im vorliegenden Klageverfahren zu entscheiden ist (vgl. BSG, a.a.O., LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2012, juris mwN).

2. Der Kläger begehrt eine Leistungsbewilligung im Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2011 ohne Kürzung um einen Betrag von monatlich 107,70 Euro. Statthafte Klageart für dieses Klagebegehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG. Mit der isolierten Anfechtungsklage kann, anders als bei einer Absenkung innerhalb eines laufenden Bewilligungszeitraums, der Kläger sein Ziel dagegen nicht erreichen.

C. Höhere Leistungen stehen dem Kläger jedoch nicht zu, seine Klage ist unbegründet.

Für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2011 stehen dem Kläger Leistungen ohne Kürzung eines Betrags von 107,70 Euro zu, wenn er dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 7, 19 SGB II erfüllt und die Regelleistungen nicht nach § 31 Abs. 1 SGB II abgesenkt sind.

1. Der Kläger erfüllt als im streitigen Zeitraum 60-jährige, erwerbsfähige, hilfebedürftige Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er hat damit grundsätzlich Anspruch auf eine Leistung für den Regelbedarf in Höhe von monatlich 364,00 Euro, §§ 19, 20 SGB II in der zum 01.01.2011 geltenden Fassung. Einen Anspruch auf Mehrbedarf nach § 22 SGB II hat der Kläger nicht.

Die getrennte Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesagentur für Arbeit einerseits und durch den kommunalen Träger andererseits bestand vorliegend bis zum 31.12.2011 fort, sodass Regelungsgegenstand des Bewilligungsbescheids vom 06.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.02.2011, beide in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 26.03.2011, neben der Sanktionierung allein die Leistungsgewährung für den Regelbedarf ist, § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

2. Die Absenkung der Regelleistung um 30 % für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a. Der Sanktionsbescheid vom 06.12.2010 stützt die Sanktion auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung vom 10.10.2007 (BGBl I S. 2326) (im Folgenden a.F.), vgl. § 77 Abs. 12 SGB II.

Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach § 16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen.

Im Widerspruchsbescheid vom 02.02.2011 stützt der Beklagte die Sanktionierung dagegen auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II a.F. Danach wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.

Zutreffende Rechtsgrundlage ist die im Ausgangsbescheid herangezogene Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. gewesen. Die in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. geregelte Sanktionierung der Weigerung, eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzusetzen, überschneidet sich mit dem bereits in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II erfassten Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung und geht als speziellere Regelung vor (vgl. Berlit, LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 31 Rz. 32).

Im Ergebnis ist es jedoch unschädlich, wenn der Beklagte den Widerspruchsbescheid unzutreffend auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b SGB II a.F. stützte, denn durch die Anwendung der zutreffenden Rechtsgrundlage wird der Sanktionsbescheid in seinen Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Klägers nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert (st. Rspr, vgl. nur BSG, Urteil vom 25.04.2002, B 11 AL 69/01 R, juris Rz. 16).

b. Unabhängig davon ist jedoch für den Erfolg der Klage wesentlich, ob die Sanktionsregelung aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. auch auf Sachverhalte Anwendung findet, in denen Grundlage nicht eine Eingliederungsvereinbarung, sondern ein EVA ist. Nach den Grundsätzen der analogen Anwendung von Rechtsnormen ist dies vorliegend zu bejahen. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert die Anwendung nicht am Urteil des BSG vom 17.12.2009, B 4 AS 20/09 R. In dem darin zu entscheidenden Sachverhalt war weder eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen, noch ein EVA erlassen worden. Das BSG hat zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt damit keine Entscheidung getroffen.

aa. Die Eingliederungsvereinbarung, an die der Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. anknüpft, ist in § 15 SGB II geregelt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren. Die Norm enthält dabei die Legaldefinition für den Begriff der Eingliederungsvereinbarung. § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II zählt sodann maßgebende Inhalte der Vereinbarung auf, ohne dabei abschließend zu sein.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II sollen die in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorgesehenen inhaltlichen Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt.

bb. Der Wortlaut von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. bezieht sich allein auf "in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte" Maßnahmen. Maßnahmen, die in einem EVA nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II festgelegt sind, sind begrifflich damit eindeutig nicht erfasst. Die Wortwahl der "Eingliederungsvereinbarung" in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II a.F. lässt durch die in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II enthaltene Legaldefinition der Eingliederungsvereinbarung keine anderweitige Auslegung zu. Es liegt damit keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Sanktionierungen von Verstößen gegen Pflichten aus einem EVA vor.

cc. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. ist dennoch auf Sachverhalte anzuwenden, in denen ein EVA die Maßnahmen festlegt. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm sind dafür gegeben.

Bei der Analogie handelt es sich um eine anerkannte Methode der Rechtsfindung, zu der die Gerichte aufgrund des Rechtstaatsprinzips berufen sind. Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Art. 20 Abs. 3 GG ist dabei auch im Zusammenhang mit Art. 20 Abs. 2 GG zu sehen, wonach alle Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird.

Der Richter ist dabei nicht strikt an den geschriebenen Gesetzeswortlaut gebunden, sondern dazu berufen, materielle Gerechtigkeit zu schaffen, insbesondere um damit auch den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG durchzusetzen. Gleichartiges soll auch gleich behandelt werden.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) führt hierzu in ständiger Rechtsprechung aus: "Die traditionelle Bindung des Richters an das Gesetz, ein tragender Bestandteil des Gewaltentrennungsgrundsatzes und damit der Rechtsstaatlichkeit, ist im Grundgesetz jedenfalls der Formulierung nach dahin abgewandelt, daß die Rechtsprechung an "Gesetz und Recht" gebunden ist (Art. 20 Abs. 3). Damit wird nach allgemeiner Meinung ein enger Gesetzespositivismus abgelehnt. Die Formel hält das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken. Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag; es zu finden und in Entscheidungen zu verwirklichen, ist Aufgabe der Rechtsprechung. Der Richter ist nach dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist. Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den "fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft" (vgl. etwa BVerfGE 34, 269 (Soraya), juris Rz. 38 f mwN).

Vor diesem Hintergrund setzt ein Analogieschluss anerkanntermaßen konkret voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig (1) ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke (2) enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (3). Analogie ist mithin die Übertragung der Rechtsfolge eines geregelten Tatbestands auf einen ihm ähnlichen, aber ungeregelten Sachverhalt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 11 AL 30/10 R, juris Rz. 17 mwN). Grenzen können sich aus einem verfassungsrechtlich gebotenen Analogieverbot ergeben (4).

Diese Voraussetzungen sind bei einer analogen Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c SGB II a.F. auf Sachverhalte, bei denen Grundlage ein EVA ist, erfüllt.

(1) § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II a.F. ist wie die meisten Normen grundsätzlich analogiefähig. Grenzen werden für Ausnahmevorschriften gezogen, um diese nicht zum ungewollten Regelfall werden zu lassen; bei den Sanktionsvorschriften des SGB II handelt es sich jedoch nicht um Ausnahmevorschriften in diesem Sinn.
(2) Von einer planwidrigen Regelungslücke kann aufgrund der inzwischen erfolgten Neustrukturierung der Sanktionsvorschriften ausgegangen werden. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung (BGBl. I S. 453) verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Verstöße gegen Pflichten aus einem Eingliederungsverwaltungsakt werden Verstößen gegen Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung inzwischen gleichgestellt.

Ob der Gesetzgeber diese nun festgeschriebene Gleichstellung bis dahin bewusst oder unbewusst nicht geregelt hat, kann mit sicherer Erkenntnis für den hier zu entscheidenden Fall aus der vorliegenden Gesetzesbegründung geschlossen werden. Der Gesetzgeber des SGB II geht nach der Begründung zur Neufassung ab 01.04.2011 von einer klarstellenden Funktion der Neufassung von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II aus. Er führt dazu aus: "Gleichzeitig wird klargestellt, dass bei einem Verstoß gegen die im Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegten Pflichten die gleichen Rechtsfolgen wie bei einem Verstoß gegen die in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten eintreten. Verstößt der erwerbsfähige Leistungsberechtigte ohne wichtigen Grund gegen diese Pflichten, dann treten die entsprechenden Sanktionen ein ..." (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 111).

(3) Weiter liegen vergleichbare Tatbestände vor, d.h. der zu beurteilende Sachverhalt ist in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, er wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen.

Neben der zum 01.04.2011 erfolgten Neufassung von § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und der danach eindeutigen Gleichstellung von Eingliederungsvereinbarung und EVA ergibt sich die Vergleichbarkeit der Tatbestände zudem aus dem Urteil des BSG vom 22.09.2009, B 4 AS 13/09 R. Hierin hat das BSG grundlegend ausgeführt, dass es sich bei § 15 Abs. 1 SGB II um eine reine Verfahrensvorschrift handele; der Grundsicherungsträger treffe eine nicht justiziable Opportunitätsentscheidung darüber, welchen Verfahrensweg er zur Erfüllung des Ziels der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wähle, ohne dass dieser einen Rechtsverlust erleide. Nach Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 SGB II seien der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung einerseits und der Erlass eines ersetzenden Verwaltungsakts zwei grundsätzlich gleichwertige Wege. Dabei stehe dem Grundsicherungsträger die Alternative des Erlasses eines Verwaltungsakts schon dann zu, wenn ihm dies als der besser geeignete Weg erscheine.

(4) Die verfassungsrechtlich gebotene Rechtsfortbildung mittels Analogie hat jedoch auch verfassungsimmanente Schranken zu beachten. Im öffentlichen Recht besteht zwar kein allgemeines Analogieverbot zum Nachteil von Bürgern (vgl. etwa BSG, Urteil vom 09.06.2011, B 8 AY 1/10 R mwN).

Grenzen für eine zulässige Analogie ergeben sich jedoch aus dem Analogieverbot für strafbegründende Vorschriften, dem Willkürverbot sowie dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes.

(a) Die Sanktionsvorschriften des SGB II stellen keine Strafvorschriften dar, daher ergibt sich ein Analogieverbot nicht aus dem Verbot strafbegründender oder strafverschärfender Analogien nach Art. 103 Abs. 2 GG, welche als spezielle Norm des Willkürverbots anzusehen ist.

Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Strafe als missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht muss deshalb in Art und Maß durch den parlamentarischen Gesetzgeber normativ bestimmt, eine strafende staatliche Antwort auf eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm muss für den Norm-adressaten vorhersehbar sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.03.2002, 2 BvR 794/95).

Danach erstreckt sich die Regelungswirkung von Art. 103 Abs. 2 GG nur auf Strafnormen zur Ahndung kriminellen Handelns. Die Sanktionsvorschriften des SGB II sind nicht als solche zu qualifizieren.

(b) Der allgemeine Grundsatz des Verbots von Willkür, der aus Art. 3 GG abzuleiten ist, begründet vorliegend ebenfalls kein Analogieverbot. Willkürliche Entscheidungen sind bereits durch die Koppelung der Sanktion an die gleichen Tatbestandsvoraussetzungen wie im Fall eines Pflichtenverstoßes gegen Maßnahmen einer Eingliederungsvereinbarung ausgeschlossen.

(c) Schützenswertes Vertrauen, welches nach Art. 20 Abs. 3 GG als Teil des Rechtsstaatsgebots, ein Analogieverbot begründen kann, steht dem Kläger ebenfalls nicht zur Seite. Zum einen ist darauf abzustellen, dass auch im Hinblick auf die anderen Leistungsempfänger, die ihrer Mitwirkungsobliegenheit aus § 2 SGB II nachkommen und eine Eingliederungsvereinbarung abschließen, die richterliche Rechtsfortbildung eine Gleichbehandlung anzustreben hat. Es sind keine Gründe für ein schützenswertes Vertrauen und für eine Besserstellung derer erkennbar, die sich einer einvernehmlichen Eingliederungsvereinbarung verweigern, im Vergleich zu denen, die eine Eingliederungsvereinbarung abschließen und somit auf jeden Fall den Konsequenzen aus § 31 SGB II ausgesetzt sind.

c. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II a.F. sind im Übrigen erfüllt.

(1) Der Kläger hat sich geweigert, eine im EVA vorgesehene Maßnahme aufzunehmen. Weigern bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2010, B 14 AS 92/09, juris). Mit seinen Widersprüchen vom 29.10.2010 wandte der Kläger sich gegen die Zulässigkeit der Zuweisung in diese Maßnahme und trat sie am 02.11.2010 bewusst nicht an, eine ausdrückliche Weigerung liegt damit vor.

(2) Die Teilnahme an der Maßnahme "Orientierung im Handwerk" der Q.-Akademie war wirksam und auch bestandskräftig angeordnet worden. Die Rechtmäßigkeit des EVA wurde im gesonderten Widerspruchsverfahren überprüft und mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 bestätigt. Gegen den Widerspruchsbescheid wurde keine Klage erhoben, ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X wurde nicht gestellt.

Das Vorbringen des Klägers, welches sich inhaltlich gegen den Erlass des EVA an sich sowie gegen die Zuweisung in die Maßnahme richtet, war bereits Gegenstand des gesonderten Widerspruchsverfahrens, welches mit Widerspruchsbescheid bestandskräftig abgeschlossen wurde. Eine nochmalige, inzidente Überprüfung des EVA und seiner Inhalte ist damit nicht vorzunehmen, andernfalls würde der Sinn und Zweck der Bestandskraft, d.h. die damit eintretende Rechtssicherheit für alle Beteiligten, verletzt (in diese Richtung LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.02.2008, L 7 B 18/08 AS ER; Sonnhoff in juris-PK, 3. Auflage 2012, § 31 Rn 33, differenzierend Coseriu/Holzhey in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII u AsylblG, Stand Januar 2012, § 31 Rn. 19).

Aber auch wenn man davon ausgeht, dass auch bestandskräftige EVA im Rahmen eines Verfahrens gegen den Absenkungsbescheid inzident auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen sind (vgl. dazu Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage 2012, § 31 Rn 19), bestehen vorliegend keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des EVA.

Der Erlass eines EVA an sich steht - wie ausgeführt - im Ermessen des Grundsicherungsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 13/09 R).

Die aufgenommenen Inhalte entsprechen § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Die Zuweisung in die konkrete Maßnahme war als Eingliederungsleistung nach §§ 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II iVm § 46 SGB III möglicher Leistungsinhalt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II.

Ermessensfehler des Beklagten bei der Auswahl der konkreten Maßnahmen sind nicht ersichtlich, v.a. bestehen keine Bedenken gegen die Zumutbarkeit der Maßnahme. Nach § 10 Abs. 3 iVm Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich jede Arbeit zumutbar, insbesondere kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Maßnahme nicht seiner Ausbildung oder früheren Tätigkeit entspricht. Wie im Widerspruchsbescheid vom 08.12.2010 ausgeführt, waren die vorgesehenen Kursmodule auch nicht berufsspezifisch, es wurden lediglich einfache Kenntnisse für den Berufseinstieg vermittelt.

(3) Einen wichtigen Grund für den Nichtantritt der Maßnahme hat der Kläger nicht nachgewiesen, § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. Insbesondere ist ein solcher nicht darin zu sehen, dass gegen den EVA Widerspruch eingelegt wurde. Dieser hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II a.F. keine aufschiebende Wirkung, die Anordnungen aus dem EVA sind damit zu befolgen.

Der EVA war schließlich mit einer rechtmäßigen, den Vorgaben des BSG entsprechenden Rechtsfolgenbelehrung versehen. Soweit der Kläger sich darauf beruft, die Rechtsfolgenbelehrung sei unzureichend erfolgt, kann dem nicht gefolgt werden. Er wurde über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 14 AS 53/08, juris). Sie schildert ausdrücklich die konkreten Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die in Ziffer 2 geregelten Pflichten. Für den Kläger waren die Konsequenzen aus einem Nichtantritt der Maßnahme damit klar erkennbar.

d. Die Absenkung der Leistungen für den Regelbedarf ordnete der Bescheid vom 06.12.2010 entsprechend den Vorgaben aus § 31 Abs. 6 SGB II a.F. für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2011 an.

e. Die vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Sanktionsregelungen teilt das Gericht nicht.

Die Instrumente der Eingliederungsvereinbarung und des EVA haben ihre Grundlage im Grundsatz des Förderns und Forderns. Der Grundsatz des Forderns ist in § 2 SGB II niedergelegt.

Gemäß § 2 Abs. 1 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen. Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person eine ihr angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 09.02.2010 entschieden, dass Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums statuiert (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09). Es hat aber ebenfalls entschieden, dass die Verfassung nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen gebietet (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 1 BvR 2556/09).

Damit besagt das Prinzip des "Forderns und Förderns" des SGB II verfassungskonform, dass eine Person, die mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen muss, ihre Situation zu verbessern. Eine Person, die hilfebedürftig ist, weil sie keine Arbeit findet, kann mit der Unterstützung der Gemeinschaft rechnen. Im Gegenzug muss sie alles unternehmen, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst zu verdienen (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 110).

Mitwirkungspflichten und Eigenbemühungen können damit verfassungskonform als Voraussetzung für den Erhalt von Sozialleistungen vorgesehen werden. Die Entscheidung darüber obliegt dem Gesetzgeber, der den Inhalt des Leistungsanspruches auf Gewährleistung des Existenzminimums in Tatbestand und Rechtsfolge zu konkretisieren hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, juris Rz. 138).

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

E. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, §§ 143, 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG. Da die hier streitige Rechtsfrage außer Kraft getretenes Recht betrifft und nicht ersichtlich ist, dass insoweit noch eine Vielzahl von Fällen zu entscheiden wäre, vermag die Kammer insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu erkennen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 144 Rn 28, § 160 Rn 8d).
Rechtskraft
Aus
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