L 29 AS 1782/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 179 AS 11574/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 1782/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2012 wird, auch soweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit ab Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die 1979 geborene Antragstellerin ist spanische Staatsangehörige. Nach einem Studium für Bildende Kunst in London, das sie im Juni 2009 mit einem Bachelor abschloss, zog sie im Juli 2010 nach Berlin. Ab August 2010 absolvierte sie ein elfmonatiges Praktikum bei dem "a a k" e. V. in Berlin, das durch ein Stipendium gefördert wurde. Seit Beendigung des Praktikums am 14. Juni 2011 ist die Antragstellerin arbeitslos.

Unter dem 16. Januar 2012 stellte ihr das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU aus. Als Zeitpunkt der Anmeldung war der 2. Juni 2011 festgehalten.

Am 17. Januar 2012 beantragte sie bei dem Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und gab an, dass sie so schnell wie möglich eine passende Arbeitsstelle finden möchte und seit Juli 2011 bis auf ein Geldgeschenk ihrer Eltern in Höhe von 300 Euro über keine Einkünfte verfüge.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 20. April 2012 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 17. Januar 2012 bis 30. April 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Den Weitergewährungsantrag der Antragstellerin vom 19. April 2012 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. April 2012 ab. Da sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, sei sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen.

Unter dem 2. Mai 2012 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 20. April 2012 Widerspruch ein.

Am 4. Mai 2012 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der der Antragsgegner verpflichtet werden sollte, ihr mindestens ab dem Zeitpunkt der Entscheidung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mindestens in Höhe des durch das Gericht zu bestimmenden, zum Lebensunterhalt unabweisbaren Betrags, hilfsweise als Darlehen zu gewähren. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei nicht anwendbar. Sie könne sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) als unmittelbar geltendes Bundesrecht berufen. Durch den von der Bundesregierung zum EFA erklärten Vorbehalt vom 19. Dezember 2011 hinsichtlich der Anwendung des SGB II könne das EFA als unmittelbar geltendes Bundesrecht nicht für unwirksam erklärt werden. Vielmehr hätte es zur wirksamen Erklärung eines Vorbehalts eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens bedurft.

Mit Beschluss vom 29. Mai 2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Bedenken hinsichtlich der völkerrechtlichen Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung der Bundesregierung bestünden, mit der diese mit Wirkung vom 19. Dezember 2011 gemäß Art. 16 b EFA einen Vorbehalt bezüglich der Anwendung des SGB II erklärt habe. Aufgrund dessen stehe spanischen Staatsangehörigen, die ausschließlich zur Arbeitsuche nach Deutschland kämen, kein Anspruch mehr auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu. Im Übrigen sei § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch europarechtskonform.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2012 hat der Antragsgegner den Widerspruch der Antragstellerin unter Hinweis auf den von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 zum SGB II erklärten Vorbehalt zum EFA zurückgewiesen. Unter dem 03. August 2012 hat die Antragstellerin unter dem Az. S 179 AS 11574/12 bei dem Sozialgericht Berlin dagegen Klage erhoben.

Am 13. Juli 2012 hat die Antragstellerin gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 15. Juni 2012 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Berlin Beschwerde eingelegt und ergänzend ausgeführt, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 verstoße, nach dem Personen, für die diese Verordnung gelte, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten wie die Staatsangehörigen dieses Staates hätten.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerdegegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2012, S 179 AS 11574/12 ER – mindestens ab dem Zeitpunkt der Entscheidung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mindestens in Höhe des zum Lebensunterhalt unabweisbaren Betrags hilfsweise als Darlehen zu zahlen,

dem Beschwerdeführer unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2012, S 179 AS 11574/12 ER, die Prozesskostenhilfe zu bewilligen,

dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung des unterzeichnenden Rechtanwalts zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Mai 2012, S 179 AS 11574/12 ER, zurückzuweisen.

Der Antragsgegner bezeiht sich auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners (92202 BG 0116454 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch auf die geltend gemachte Leistung glaubhaft gemacht sind, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.

Trotz entgegenstehender Rechtsprechung anderer Senate des hiesigen Landessozialgerichts zur Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. April 2012, L 14 AS 763/ 12 B ER, Beschluss vom 29. Juni 2012, L 14 AS 1460/12 B ER, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 19 AS 1106/12 B ER, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 25 AS 837/12 B ER, Beschluss vom 14. August 2012, L 16 AS 568/12 B ER, jeweils zitiert nach juris) bzw. anderer Landessozialgerichte (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. August 2012, L 16 AS 568/12 B ER, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, jeweils zitiert nach juris) sah sich der Senat nicht veranlasst, im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden. Denn der Senat ist auch unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Rechtsprechung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten des Eilantrags nicht zu der Überzeugung gelangt, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechts- bzw. völkerrechtswidrig ist (vgl. bereits Beschluss vom 5. März 2012, L 29 AS 414/12 B ER, Beschlüsse vom 12. Juni 2012, L 29 AS 1044/12 B ER, L 29 AS 914/12 B ER, Beschluss vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER, Beschluss vom 5. Juli 2012, L 29 AS 1244/12 B ER, Beschluss vom 25. Juli 2012, L 1504/12 B ER, jeweils zitiert nach juris). Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dürfen zwar grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Sofern die Erfolgsaussichten der Hauptsache maßgebend sind, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Hierbei müssen Fragen des Grundrechtsschutzes einbezogen werden. Bei offenen Erfolgsaussichten ist in der Regel auf Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, zitiert nach juris). Wird, wie vorliegend, die Nichtanwendung eines Gesetzes begehrt, ist bei der Folgenabwägung jedoch ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Denn die Nichtanwendung eines in Kraft getretenen Gesetzes stellt einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dar (vgl. zur Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2009, 1 BvR 2492/08, zitiert nach juris). Da der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europa- bzw. völkerrechtswidrig ist, war auch unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Rechtsprechung für die Folgenabwägung kein Raum (in diesem Sinne vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juni 2012, L 20 AS 1322/12 B ER mwN, zitiert nach juris).

Die Antragstellerin hat nicht mit der im Eilverfahren erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes glaubhaft machen können. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes folgen aus § 7 Abs. 1 SGB II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II

1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitneh- mer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt, § 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist die Antragstellerin von einem Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgeschlossen. Denn ihr Aufenthaltsrecht folgt allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Diesen Aufenthaltszweck hat sie gegenüber dem Antragsgegner als alleinigen Aufenthaltsgrund angegeben. Als Unionsbürgerin darf sich die Antragstellerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten. Ein weiteres Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU ist nicht ersichtlich. Sie hat insbesondere kein fortwirkendes Aufenthaltsrecht wegen einer früheren Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU, da es sich bei dem in der Zeit von August 2010 bis Juni 2011 absolvierten und durch ein Stipendium finanzierten Praktikum bei dem "art aspects kunstverein" um keine Erwerbstätigkeit handelte. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU besteht ebenfalls nicht, da sich die Antragstellerin noch keine fünf Jahre im Bundesgebiet aufhält.

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auch europarechtskonform (vgl. Beschluss vom 5. März 2012, L 29 AS 414/12 B ER, Beschlüsse vom 12. Juni 2012, L 29 AS 1044/12 B ER, L 29 AS 914/12 B ER, Beschluss vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER, so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. April 2012, L 5 AS 2157/11 B ER, Beschluss vom 2. August 2012, L 5 AS 1297/12 B ER, Beschluss vom 29. Februar 2012, L 20 AS 2347/11 B ER, Urteil vom 17. April 2012, L 20 AS 618/10, Beschluss vom 12. Juni 2012, L 20 AS 2/12 B ER, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012, L 3 AS 1477/11 (anhängig BSG, B 4 AS 54/12 R), LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Februar 2010, L 15 AS 30/10 B ER, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 9 AS 347/12 B ER, aA LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011, L 14 AS 148/11 B ER, 30. November 2010, L 34 AS 1501/10 B ER, LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. November 2011, L 5 AS 406/11 B ER, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. Oktober 2011, L 12 AS 3938/11 ER B, LSG Niedersachsen Bremen, Beschluss vom 11. August 2011, L 15 AS 188/11 B ER, Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011, L 7 AS 107/11 B ER, jeweils zitiert nach juris).

Der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist insbesondere mit der seit 1. Mai 2010 geltenden Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union L 166, S. 1, im Folgenden: VO 883/2004) vereinbar. Eine Verordnung gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (vgl. Art. 288 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), ex-Art. 249 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV)). Sie ist als solche geeignet, für den einzelnen Gemeinschaftsangehörigen Rechte zu begründen, zu deren Schutz die nationalen Gerichte verpflichtet sind (Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 14. Dezember 1971, Politi./. Finanzministerium der Italienischen Republik, Rs. 43/71, zitiert nach juris). Unabhängig von der Frage des Konkurrenzverhältnisses zwischen der VO 883/2004 und der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 (Freizügigkeitsrichtlinie/Unionsbürgerrichtlinie) verstößt der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht gegen die VO 883/2004 (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 9 AS 347/12 B ER, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012, L 3 AS 1477/11, LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, jeweils zitiert nach juris).

Denn die Antragstellerin kann eine Gleichbehandlung nach Art. 4 VO 883/2004 nicht geltend machen. Nach Art. 4 VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Angehörigen dieses Staates. Der Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 4 VO 883/2004 besteht nur dann, wenn der persönliche Geltungsbereich (Art. 2 VO 883/2004) und der sachliche Geltungsbereich (Art. 3 VO 883/2004) der VO 883/2004 eröffnet sind. Der persönliche Geltungsbereich der VO 883/2004 ist nach Art. 2 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats eröffnet, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für Familienangehörige und Hinterbliebene. Nach der Legaldefinition des Art. 1 l) VO 883/2004 sind "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. Nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die bestimmte Zweige der sozialen Sicherheit betreffen, so u.a. die unter Art. 3 Abs. 1 h) beschriebenen "Leistungen bei Arbeitslosigkeit" (z.B. Arbeitslosengeld nach § 136 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft ab 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals § 117 ff. SGB III).

Da sich das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 lediglich auf die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates im Sinne des Art. 1 l) VO 883/2004 bezieht, müsste es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II um eine Leistung der sozialen Sicherheit gemäß Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 handeln. Dies ist nicht der Fall. Eine Leistung kann dann als Leistung der sozialen Sicherheit bezeichnet werden, wenn sie den Empfängern ohne jede auf Ermessen beruhende individuelle Bedürftigkeitsprüfung aufgrund eines gesetzgeberischen Tatbestands gewährt wird und sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (Fuchs (Hg.), Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., Art. 3 Rn. 7 m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). Die von der Antragstellerin begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes lassen sich keinem der in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 aufgezählten Zweige der Sozialen Sicherheit zuordnen. Insbesondere handelt es sich nicht um Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 h) VO 883/2004. Zwar nimmt Art. 3 Abs. 2 VO 883/2004 Bezug auf die beitragsfinanzierten und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit. Hiermit soll jedoch lediglich der Verschiedenartigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden, über die Gestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit selbständig zu entscheiden (Fuchs (Hg.), Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl., Art. 3 Rn. 30). Sofern in einem Mitgliedstaat die Leistungen bei Arbeitslosigkeit wie in der Bundesrepublik über die Versichertenbeiträge finanziert werden, sind Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 h) VO 883/2004 auf die beitragsfinanzierten Leistungen beschränkt. Da es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht um beitrags-, sondern um steuerfinanzierte Leistungen handelt, sind diese keine Leistungen der sozialen Sicherheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004. Allenfalls könnte es sich um beitragsunabhängige Geldleistungen gemäß Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 VO 883/2004 handeln (ablehnend u.a. Beschluss des Senats vom 12. Juni 2012, L 29 AS 1044/12 B ER), für die das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO 883/2004 allerdings nicht gilt.

Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 betrifft Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen. Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen sind nach der Legaldefinition des Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 Leistungen, die dazu bestimmt sind, einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht, und deren Finanzierung gemäß Art. 70 Abs. 2 b) ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen und die gemäß Art. 70 Abs. 2 c) in Anhang X aufgeführt sind. In Anhang X zu Art. 70 Abs. 2 c) VO 883/2004 sind für Deutschland seit 2009 (30.10.2009, DE, Amtsblatt der Europäischen Union, L 284/59) die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind, aufgeführt.

Dass für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II der sachliche Anwendungsbereich gemäß Art. 3 VO 883/2004 überhaupt eröffnet ist, ist äußerst zweifelhaft (siehe hierzu u.a. ausführlich Beschluss des Senats vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER). Der sachliche Anwendungsbereich wäre eröffnet, wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als beitragsunabhängige Geldleistungen gemäß Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 VO 883/2004 qualifiziert werden könnten, was wiederum voraussetzen würde, dass sie einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken gewähren, die von den in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweifeln der sozialen Sicherheit gedeckt sind. Hierbei meint "zusätzlicher" oder "ergänzender" Schutz gegen die Risiken im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Leistungen, die zusammen mit einer Regelleistung nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden und dasselbe Risiko wie dieser abdecken (Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Titel III Art. 70 Rn. 11 m.w.N.). Dies ist zumindest bei den vorliegend im Streit befindlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 ff. SGB II nicht der Fall, weil sie nicht ergänzend zu einer in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Leistung der sozialen Sicherheit gewährt werden. Hier kämen einzig Leistungen zur Arbeitslosigkeit (Art. 3 Abs. 1 h) VO 883/2004) in Betracht, nämlich in erster Linie Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III (in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft ab 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals § 117 ff. SGB III), für die ein Anspruch aber unstreitig nicht erfüllt sein dürfte. Auch ein "ersatzweiser" Schutz im Sinne von Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 kann nicht angenommen werden. Denn solche Leistungen sind Leistungen, die anstelle der Regelleistungen in Versicherungsfällen nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden; deshalb muss bei diesen Leistungen der exakt identische Versicherungsfall vorliegen (Fuchs (Hg.), Europäisches Sozialrecht, Art. 70 Rn. 11, 14). Dies ist bei Leistungen nach § 19 ff. SGB II im Vergleich zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III regelmäßig kaum der Fall, weil sie unabhängig von dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von Bedürftigkeitsgesichtspunkten erbracht werden (Beschluss des Senats vom 22. Juni 2012, L 29 AS 1252/12 B ER, bejahend LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER).

Im Ergebnis kann die Frage, ob der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist, offen bleiben. Denn gegen eine erweiternde Auslegung des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 4 VO 883/2004 auf beitragsunabhängige Geldleistungen spricht insbesondere der Vergleich zu der Definition der Rechtsvorschriften in der Vorgängervorschrift des Art. 1 j) VO (EWG) 1408/71, zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 592/2008 (ABL L 177 vom 4. Juli 2008, S. 1), von der der Begriff der "beitragsunabhängigen Sonderleistungen" nach Art. 4 Abs. 2a VO 1408/71, die den "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" nach Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 VO 883/2004 entsprechen, noch erfasst war. Der nach Art. 1 j) VO (EWG) 1408/71 weitere Begriff der Rechtsvorschriften korrespondierte mit einem engeren Adressatenkreis der VO (EWG) 1408/71. Dieser bezog sich nach Art. 2 Abs. 1 nur auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie auf Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie weitere darin aufgeführte Anforderungen erfüllten. Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhielten, konnten demnach aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71 keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ableiten. Dass der Begriff der Rechtsvorschriften in Art. 1 l) VO 883/2004 die besonderen beitragsunabhängige Geldleistungen nicht mehr erfasst, geht einher mit einem erweiterten persönlichen Geltungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004, wonach die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates mit Wohnort in einem Mitgliedstaat genügt (vgl. mit weiteren Erwägungen LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER).

Eine erweiternde Auslegung des Art. 4 VO 883/2004 ist auch nicht deshalb geboten, weil die beitragsunabhängigen Geldleistungen in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 einbezogen wurden. Denn hierdurch wurden die beitragsunabhängigen Geldleistungen lediglich der Sonderregelung des Art. 70 VO 883/2004 unterworfen. Die Sonderregelung des Art. 70 VO 883/2004 besteht insbesondere darin, dass die beitragsunabhängigen Geldleistungen anders als die Leistungen der sozialen Sicherheit von der Exportverpflichtung ausgenommen werden, d.h. die beitragsunabhängigen Geldleistungen nur im Wohnortstaat geleistet und nicht in die Mitgliedstaaten transferiert werden (vgl. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004). Obwohl eine Koordinierung der beitragsunabhängigen Geldleistungen damit nicht stattfindet, war die Aufnahme der Sonderreglung des Art. 70 VO 883/2004 zur Abgrenzung der Leistungen der sozialen Sicherheit, die der Koordinierung der VO 883/2004 unterfallen, und der Leistungen, die von der Exportpflicht und damit der Koordinierung ausgenommen sind, erforderlich (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2012, L 20 AS 802/12 B ER).

Im Übrigen steht § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl L 158, S. 77, 112, vgl. zur Vereinbarkeit von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der Unionsbürgerrichtlinie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. April 2012, L 5 AS 2157/11 B ER, Beschluss vom 21. Juni 2012, L 20 AS 1322/12 B ER, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012, L 3 AS 1477/11, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Februar 2010, L 15 AS 30/10 B ER). Zwar bedarf eine Richtlinie (vgl. Art. 288 AEUV, ex Art. 249 EGV) der Umsetzung in nationales Recht. Da das nationale Umsetzungsrecht jedoch im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie ausgelegt werden muss (EuGH, Urteil vom 10. April 1984, Harz./. Deutsche Tradax, Rs. 73/83), ist auch das FreizügG/EU, mit dem die Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt wurde, im Lichte des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG auszulegen.

Nach Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und dem abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Abweichend von Abs. 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 b Richtlinie 2004/38/EG einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 b Richtlinie 2004/38/EG bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.

Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG, für die das nationale Recht einen Leistungsausschluss vorsehen darf (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03. April 2012, L 5 AS 2157/11 B ER, Beschluss vom 29. Februar 2012, L 20 AS 2347/11 B ER, Beschluss vom 08. Juni 2009, L 34 AS 790/09 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 9 AS 347/12 B ER, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012, L 3 AS 1477/11, dagegen LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER, Beschluss vom 29. Juni 2012, L 3 AS 169/10 B ER, jeweils zitiert nach juris).

Zur Bestimmung des Begriffs der "Sozialhilfe" in Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu beachten. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Ausnahmeregelung des Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2004/38/EG im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag – EGV - jetzt Art. 45 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV) eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C-22/08, C-23/08, zitiert nach juris). Die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, fallen in den Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 1 EGV - jetzt Art. 45 AEUV), nach dem innerhalb der Europäischen Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet ist, und haben grundsätzlich Anspruch auf die in Art. 24 Abs. 1 Richtlinie 2004/38/EG vorgesehene Gleichbehandlung. Vom Anwendungsbereich des Art. 39 EGV darf daher keine finanzielle Leistung ausgenommen werden, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates erleichtern soll. Folglich können sich die Staatsanghörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. 39 Abs. 2 EGV, nach dem die Arbeitnehmerfreizügigkeit die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten umfasst, berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Der Zweck der jeweiligen Leistung ist nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand ihrer formalen Struktur zu bestimmen. Finanzielle Leistungen, die unabhängig von ihrer Einstufung nach nationalem Recht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können deshalb nicht als "Sozialhilfeleistungen" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG beurteilt werden (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C-22/08, C-23/08). Der EuGH hat allerdings offen gelassen, wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II Leistungen zu qualifizieren sind.

Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II nicht um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Der Begriff der Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II erfasst nicht nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 iVm §§ 19 ff. SGB II, sondern auch die Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB II. Die einzelnen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit folgen aus § 16 SGB II. Die vorliegend ausschließlich geltend gemachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form der Regelleistung nach § 20 SGB II und der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II haben nicht den Zweck, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, sondern ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, zitiert nach juris). Zwar gehen die in § 1 Abs. 2 SGB II im Einzelnen formulierten Ziele, wonach die Grundsicherung für Arbeitsuchende die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben, stärken und dazu beitragen sollen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können, über die Sicherung des Lebensunterhalts hinaus. Aus dem systematischen Zusammenhang zu § 1 Abs. 3 SGB II, wonach die Leistungen nach dem SGB II in Leistungen der Eingliederung in Arbeit und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes differenziert werden, folgt jedoch, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gerade nicht der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen. Systematisch sind die Leistungen der Eingliederung gemäß § 16 SGB II von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 SGB II klar getrennt.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienen auch nach ihrem Sinn und Zweck ausschließlich der Sicherung des Existenzminimums (a.A. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012, L 3 AS 250/12 B ER). Das System der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Bestandteil der Grundsicherung für Arbeitsuchende soll nach seiner Zielrichtung sämtlichen Bedarfslagen, die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins gedeckt werden müssen, Rechnung tragen. Mit diesen Leistungen hat der Gesetzgeber entsprechend den materiellen Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, der einen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet, ein subsidiäres System der sozialen Sicherung des Existenzminimums geschaffen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, zitiert nach juris). Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes korrespondieren mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, denen ein Bezug zum Arbeitsmarkt ausdrücklich fehlt, § 21 SGB XII (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2012, L 20 AS 9546/12 ER, zitiert nach juris). Eine Interpretation der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dahingehend, dass diese über die Sicherung des Existenzminimums hinaus den Zugang zum Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH erleichtern sollen, ginge über den Sinn und Zweck der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hinaus. Auch wenn das SGB II neben der Sicherung des Lebensunterhalts auf die Eingliederung in Arbeit abzielt, dienen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß §§ 19 ff. SGB II ausschließlich der Existenzsicherung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen. Für diese Interpretation der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II spricht auch die Tatsache, dass diese Leistungen unabhängig davon gewährt werden, ob ein Zugang zum Arbeitsmarkt bereits besteht, wie dies insbesondere bei den sogenannten "Aufstockern" der Fall ist, die trotz ihrer Erwerbstätigkeit auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes angewiesen sind.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl. II 1956, S. 564) als unmittelbar geltendes Bundesrecht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R). Zwar gehört das Königreich Spanien ebenfalls zu den Vertragsstaaten des EFA. Die Bundesregierung hat jedoch am 19. Dezember 2011 einen Vorbehalt erklärt, nach dem keine Verpflichtung übernommen wird, die im SGB II in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden. Gleichzeitig hat sie das SGB II als neue Fürsorgevorschrift notifiziert (www.conventions.coe.int, BGBl. II 2012 S. 144).

Gemäß Art. 1 EFA verpflichten sich die Vertragschließenden, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsschließenden, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes handelt es sich um Fürsorgeleistungen im Sinne des Art. 1 EFA (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R). Nach der Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2010 werden die Vorschriften des EFA durch das Recht der Europäischen Union nicht verdrängt. Insbesondere die Kollisionsregel des Art. 6 VO (EGW) 1408/71, die in Art. 8 der Nachfolgeverordnung VO 883/2004 übernommen wurde, wonach die Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle bestimmter völkerrechtlicher Abkommen über die soziale Sicherheit tritt, greift nicht ein. Denn die Kollisionsregel ist nur anwendbar auf Abkommen sozialer Sicherheit, worunter nach der Begriffsbestimmung des Art. 1 k) VO (EWG) 1408/71 nur Vereinbarungen der in Art. 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung bezeichneten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit zu verstehen sind (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R). Da die in Art. 3 Abs. 1 und 2 VO 883/2004 definierten Zweige der sozialen Sicherheit mit Ausnahme der aufgenommenen Vorruhestandsleistungen Art. 4 Abs. 1 und 2 VO (EWG) 1408/71 entsprechen, wird das EFA in Bezug auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II auch durch die VO 883/2004 nicht verdrängt.

Aufgrund des von der Bundesregierung mit Wirkung vom 19. Dezember 2011 unter Berufung auf Art. 16 b EFA für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erklärten Vorbehalts, ist die Antragstellerin als spanische Staatsangehörige von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ausgeschlossen. Der Vorbehalt ist völkerrechtlich wirksam erklärt worden. Gemäß Art. 16 b Satz 1 EFA hat jeder Vertragsschließende dem Generalsekretär des Europarates alle neuen Rechtsvorschriften mitzuteilen, die in Anhang I noch nicht aufgeführt sind. Gleichzeitig mit dieser Mitteilung kann der Vertragschließende gemäß Art. 16 Abs. b Satz 2 EFA Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung dieser neuen Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragschließenden machen. Bei dem SGB II handelt es sich um neue Rechtsvorschriften in diesem Sinne, auch wenn der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der jetzt geltenden Fassung bereits am 28. August 2007 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2007, 1970). In der maßgeblichen englischen und französischen Fassung des EFA heißt es unter Art. 16 b Satz 1 EFA "any new law or regulation not already inlcuded in Annex I" bzw. "tot reglement non encore couvert par l’annexe I". Aus diesen Formulierungen folgt, dass neu danach die Rechtsvorschriften sind, die im Anhang I noch nicht aufgeführt sind und zwar unabhängig davon, wann sie in dem jeweiligen Vertragsstaat in Kraft getreten sind. Für diese Auslegung spricht auch die Tatsache, dass das EFA keine Fristen für die Mitteilung neuer Rechtsvorschriften und die Erklärung von Vorbehalten vorsieht. Art. 16 b Satz 2 EFA soll den Vertragsstaaten die Vorbehalte offenhalten, die sie bei Vertragsschluss noch nicht machen konnten, weil es ein entsprechendes Fürsorgegesetz noch nicht gab (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Mai 2000, 5 C 29/98, zitiert nach juris).

Die in Art. 16 b EFA vorgesehene Möglichkeit der Erklärung eines nachträglichen Vorbehalts geht auch Art. 2 Abs. 1 d) der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) vom 23. Mai 1969 (BGBl. II 1985, S. 926) vor, wonach ein Vorbehalt eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrages oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern, bedeutet. Art. 16 b EFA soll als speziellere Vorschrift gegenüber Art. 2 Abs. 1 d) WVRK nachträgliche Vorbehalte ausdrücklich ermöglichen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juni 2012, Az. L 20 AS 1322/12 B ER, a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2012, Az. L 19 AS 1106/12 B ER, zitiert nach juris). Auch die Entscheidung des BVerwG, nach der Art. 16 b Satz 2 EFA nur dazu ermächtigt, sich aus bereits vorbehaltlos eingegangenen Verpflichtungen einseitig zu lösen, wenn auch für Inländer die Fürsorgestandards abgesenkt würden, steht dem Ergebnis nicht entgegen (BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2000, 5 C 29/98). Denn diese Ausführungen, die im Übrigen nicht zu den tragenden Gründen der Entscheidung gehörten, bezogen sich auf das bis zum 31. Dezember 2004 geltende Bundessozialhilfegesetz (BSHG), das im Anhang I bereits aufgeführt war und für das im Anhang II nur wenige Vorbehalte erklärt worden waren (BGBl. II 1983, S. 337). Ob die seinerzeit erklärten Vorbehalte "dynamisch" auf die Nachfolgegesetzgebung und damit auf das SGB II anzuwenden sind, hat das BSG wegen des seinerzeit noch nicht erklärten Vorbehalts ausdrücklich offen gelassen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R).

Soweit die Antragstellerin meint, dass es zur Erklärung des Vorbehalts eines Gesetzes bedurft hätte, bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken (vgl. ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2012, L 5 AS 1297/12 B ER, a.A. Beschluss vom 14. August 2012, L 16 AS 568/12 B ER, Beschluss vom 23. Mai 2012, L 25 AS 837/12 B ER, jeweils zitiert nach juris). Denn die Bundesregierung durfte den Vorbehalt ohne Zustimmung der Gesetzgebungsorgane erklären. Zwar bedürfen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Unter völkerrechtlichen Verträgen sind dabei Übereinkünfte zwischen zwei oder mehr Völkerrechtssubjekten zu verstehen (Jarass/Pieroth, GG Kommentar, 10. Aufl., Art. 59 GG Rn. 9). Sämtliche Akte der auswärtigen Gewalt, die vom Tatbestand des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfasst werden, sind dagegen dem Kompetenzbereich der Exekutive zugeordnet. Art. 59 Abs. 2 GG lässt sich nicht entnehmen, dass immer dann, wenn ein Handeln der Bundesregierung im völkerrechtlichen Verkehr die politischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland regelt oder Gegenstände der Bundesgesetzgebung betrifft, die Form eines der gesetzgeberischen Zustimmung bedürftigen Vertrages gewählt werden muss (BVerfG, Urteil vom 12. Juli 1994, 2 BvE 3/92, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93, so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2012, L 5 AS 1297/12 B ER, jeweils zitiert nach juris). Vielmehr werden einseitige Rechtsgeschäfte, zu denen auch ein nachträglich erklärter Vorbehalt zu einem völkerrechtlichen Vertrag gehört, von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG nicht erfasst (BVerfG, Urteil vom 18. Dezember 1984, 2 BvE 13/83, zitiert nach juris, Jarass/Pieroth, GG Kommentar, Art. 59 GG, Rn. 10, 10. Aufl. mit der Einschränkung, dass ein nachträglicher Vorbehalt unter Art. 59 Abs. 2 GG fällt, sofern er zu zusätzlichen Bindungen führt, vgl. auch Rojahn, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 3. Aufl., Art. 59 GG, Rn. 49).

Da Art. 16 b Satz 2 EFA die Erklärung eines Vorbehalts ausdrücklich vorsieht, ist für dessen Erklärung der Erlass eines Bundesgesetzes nicht erforderlich gewesen. Zwar hat es die Bundesregierung versäumt, den Bundestag von der Einlegung des Vorbehalts zu unterrichten (vgl. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und weiterer Abgeordneter anderer Fraktionen vom 21. März 2012, BT-Drs. 17/9036). Dieses in dem Antrag der Bundestagsabgeordneten sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21. März 2012 ausdrücklich aufgegriffene Versäumnis spricht jedoch dafür, dass die Gesetzgebungskompetenz der zuständigen Körperschaften nicht missachtet wurde. Denn andernfalls hätten Bundestag und Bundesrat als gesetzgebende Körperschaften im Wege der Organklage gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ihre fehlende Beteiligung bei dem BVerfG rügen können.

Das Sozialgericht Berlin hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73 a SGG i.V.m § 114 ZPO mangels Erfolgsaussichten zu Recht abgelehnt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war wegen fehlender Erfolgsaussichten abzulehnen, § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und auf § 73 a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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