L 3 AS 328/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 6137/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 328/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Dezember 2012 abgeändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1 für die Zeit vom 12. Dezember 2012 bis zum 28. Februar 2013 Leistungen in Höhe von monatlich 328,- EUR und dem Antragssteller zu 2 Leistungen in Höhe von monatlich 58,- EUR zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern die Hälfte (1/2) der außergerichtlichen Kosten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die Antragstellerin (Ast.) zu 1 und ihr 2002 geborener Sohn, der Ast. zu 2, bezogen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft vom 01.01.2005 bis 30.10.20012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnen seit September 2002 eine Wohnung mit einer Gesamtwohnfläche von 71 qm (zwei Räume, eine Küche, ein Bad; vgl. Angaben im Zusatzblatt 1 zum Antrag vom 19.10.2004). Vermieterin ist die Mutter der Ast. zu 1.

Im Fortzahlungsantrag vom 16.02.2012 hatte die Ast. zu 1 angegeben, in den persönlichen Verhältnissen der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen hätten sich keine Änderungen ergeben.

Am 22.05.2012 erhielt der Antragsgegner (Agg.) einen anonymen Hinweis, dass bereits seit Oktober/November 2011 der Freund der Ast. zu 1 bei dieser wohne und unter der Woche in Säckingen arbeite.

Die Agg. veranlasste darauf hin einen Hausbesuch bei der Ast. Am 30.05.2012 wurde diese um im 10.35 Uhr nicht in ihrer Wohnung angetroffen. Beim zweiten Besuch am 14.06.2012 wurde sie um 9.30 Uhr zu Hause angetroffen. Im Protokoll über den Hausbesuch ist vermerkt, die Ast. zu 1 habe angegeben, seit kurzem wohne Herr S. bei ihr. Dieser sei ihr Lebenspartner. Der Aussendienstmitarbeiter brauche gar nicht weiter nachschauen. Dieser vermerkte daraufhin im Protokoll, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit werde unter diesen Umständen auf Durchführung des Hausbesuches verzichtet. Die Ast. zu 1 werde sich zur weiteren Klärung mit dem Amt in Verbindung setzen.

Bei diesem Hausbesuch wurde ein Foto vom Klingelschild und Briefkasten der Ast. aufgenommen. Auf dem Briefkasten der Ast. war danach auch der Name "S." angebracht.

Nach einer Auskunft des EMA D. wohnte Herr S. seit 01.11.2011 mit alleinigem Wohnsitz in D., H.straße 18. Mit Schreiben vom 19.06.2012 forderte der Agg. von der Ast. zu 1 Unterlagen bezüglich Herrn S. an.

Mit Schreiben vom 25.06.2012 teilte die Ast. zu 1 der Agg. mit, ihr Freund und sie bildeten keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft, da sie erst seit 01.06.2012 zusammen lebten und im Moment lediglich die rechtlichen Voraussetzungen einer Haushaltsgemeinschaft erfüllten. Insbesondere lebten sie nicht mit einem gemeinsamen Kind zusammen und seien nicht befugt, über Einkommen oder Vermögen des jeweils anderen zu verfügen.

Im Fortzahlungsantrag vom 08.09.2012, beim Agg. am 12.09.2012 eingegangen, gab die Ast. zu 1 u.a. an, bei den Kosten für Unterkunft und Heizung seien keine Änderungen eingetreten.

Mit Schreiben vom 29.10.2012 wurde die Ast. zu 1 gebeten, einen vollständigen Antrag für sich, ihren Sohn sowie Herrn S. als Bedarfsgemeinschaft zu stellen und alle angeforderten Unterlagen vollständig vorzulegen.

In einer Erklärung vom 30.10.2012 gab die Ast. zu 1 daraufhin an, seit 01.06.2012 wohne Herr S. bei ihr und ihrem Sohn, es liege aber kein gemeinsamer Haushalt vor. Weder in der Vergangenheit noch aktuell habe eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden. Es werde getrennt gewirtschaftet, jeder bestreite für sich seinen Lebensunterhalt. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und finanziell/materiell füreinander einzustehen, sei nicht vorhanden.

Mit Schreiben vom 07.11.2012 trug der Bevollmächtigte der Ast. zu 1 vor, zwischen dieser und Herrn S. bestünden keine Absprachen die Haushaltsführung betreffend. Der Lebensunterhalt werde unabhängig voneinander bestritten, es bestünden keine gemeinsamen Konten. Beide würde ihre Wäsche getrennt waschen, hinsichtlich der Einkäufe gebe es keine gemeinsamen Kassen. Auch würde Herr S. keine Betreuungsleistungen für den Ast. zu 2 übernehmen.

Mit Schreiben vom 15.11.2012 teilte er weiter mit, Herr S. habe in der Zeit vom 01.11.2011 bis 01.06.2012 bei einem Freund in der Schweiz gewohnt (Herr R. B., L.straße 14c, CH-5322 K.). Er habe zunächst den Ablauf der mit dem Arbeitgeber vereinbarten Probezeit abwarten wollen und im Wege regelmäßiger Kontakte überprüfen wollen, ob er sich mit dem Sohn der Ast. zu 1 vertrage. Die Meldung in D. sei primär zu dem Zweck erfolgt, Herrn C. die Angabe einer deutschen Postadresse zu ermöglichen. In der Zeit vor dem 01.06.2012 habe er sich bei der Ast. zu 1 an den Wochenenden und an Feiertagen zu Gast aufgehalten.

Eine Anfrage der Agg. bei der Einwohnerkontrolle K./Schweiz am 22.11.2012 ergab, dass Herr S. dort nicht gemeldet (gewesen) war.

Am 20.11.2012 sollte ein weiterer Hausbesuch durch den Außendienst der Agg. erfolgen. Im Protokoll hierüber ist vermerkt, die Ast. zu 1 habe bei dem Besuch um 10.20 Uhr angegeben, sie sei mit dem Hausbesuch einverstanden, wenn Herr S. dabei sei. Dieser sei ab 15.30 Uhr erreichbar. Um 16.00 Uhr sei die Ast. zu 1 angerufen worden und ihr sei mitgeteilt worden, dass nun der Hausbesuch durchgeführt werde. Nachdem die Ast. zu 1 daraufhin mitgeteilt habe, dass sie einen Hausbesuch nicht zulasse, sei davon abgesehen worden.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 lehnte die Agg. den Antrag auf Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.11.2012 ab wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit. Hiergegen haben die Ast. am 05.12.2012 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.

Am 12.12.2012 haben die Ast. beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Unter Vorlage einer eidesstattlichen Erklärung der Ast. zu 1 vom 03.12.2012, des Herrn S. vom 03.12.2012 sowie eines Schreibens von R.B. vom 01.12.2012 haben sie vorgetragen, Herr S. habe bis zum 30.09.2011 in der Nähe von Stuttgart gewohnt. Zunächst habe telefonischer und besuchsweiser Kontakt bestanden. Nach ca. einem Jahr habe Herr S. eine Hausmeistertätigkeit in B. mit einer Probezeit von einem halben Jahr angetreten. Während der Probezeit habe er bei seinem Freund in der Schweiz gewohnt und nur an den Wochenenden, an Feiertagen und in den Ferien die Ast. besucht. In der Schweiz sei er nicht polizeilich gemeldet gewesen. Er habe sich bei der Ast. zu 1 lediglich polizeilich gemeldet, um eine Postanschrift in Deutschland zu erhalten. Vorliegend fehle es bereits an einem "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt", denn es bestehe kein gemeinsames Wirtschaften. Es existiere keine gemeinsame Absprache über die Haushaltsführung, der Lebensunterhalt werde unabhängig voneinander bestritten, es bestünden keine gemeinsamen Konten, die Wäsche werde getrennt gewaschen und auch hinsichtlich der Einkäufe würden keine gemeinsamen Kassen gebildet. Zudem habe Herr S. Unterhalt i.H.v. 292,00 EUR monatlich an ein eigenes Kind zu leisten.

Mit Beschluss vom 20.12.2012 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es fehle bereits an einem Anordnungsanspruch, da eine Bedarfsgemeinschaft der Ast. mit Herrn S. im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II bestehe. Der Vermutungstatbestand des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II sei erfüllt, da Herr S. bereits seit dem 01.11.2011 bei den Ast. wohne. Ab diesem Datum habe er seinen Lebensmittelpunkt am Wohnsitz der Ast. gehabt. Ab diesem Datum sei er auch unter der Adresse der Ast. gemeldet gewesen. Die Angabe, dass keine gemeinsame Haushaltsführung vorliegen, halte die Kammer nicht für glaubhaft. Mangels Angaben über das Einkommen des Herrn S. sei eine Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen.

Gegen den am 21.12.2012 zugestellten Beschluss haben die Ast. am 15.01.2013 Beschwerde eingelegt. Unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen haben sie weiter vorgetragen, die Ast. zu 1 habe ihre Vermieterin mit Schreiben vom 02.05.2012 gebeten, den Mietvertrag vom 26.08.2002 dahingehend zu ändern, dass ab 01.06.2012 Herr S. in der Wohnung als Dauergast aufgenommen werden dürfte. Die Vermieterin habe diesbezüglich ihr Einverständnis erteilt. Weiter sei eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Ast. zu 1 und Herrn S. über die Zahlung der monatlichen Miet- und Nebenkosten sowie ein Untermietvertrag geschlossen worden. Beigefügt waren das Schreiben der Ast. vom 02.05.2012, Schreiben der Vermieterin vom 23.05.2012, Schlüsselübergabeprotokoll vom 30.05.2012, Kostenbeteiligungsvereinbarung vom 30.05.2012, Untermietvertrag vom 30.05.2012 sowie Änderungsmitteilung von November 2012, auf die Bezug genommen wird.

Die Agg. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsan¬spruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928). Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das die Ast. mit ihrem Begehren verfolgen (BVerfG a.a.O.). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Ast. umfassend in die Abwägung einzubeziehen.

1. Aufgrund summarischer Prüfung ist der Senat zwar wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Ast. zu 1 und Herrn S. bereits seit November 2011 eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft im Sinne des SGB II besteht. Eine solche liegt vor, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen gegeben sind: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzungen) und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung) (BSG, Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R- juris Leitsatz 1).

Zwischen der Ast. zu 1 und Herrn S. besteht unstreitig eine Partnerschaft. Eine solche liegt vor, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - juris). Hierfür spricht, dass die Ast. zu 1 Herrn S. bei dem Hausbesuch am 14.06.2012 als ihren Lebenspartner bezeichnet hat. Auch im Schreiben vom 25.06.2012 hat sie ihn als ihren Freund beschrieben.

Zur Überzeugung des Senats liegen auch die Voraussetzungen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft vor. Diese setzt das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem Topf voraus (BSG, a.a.O. Rn. 21). Zwar gehen die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Entscheidend ist vielmehr, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Indizien können sein die gegenseitige Erteilung von Kontovollmachten, getrennte Haushaltskassen, Art der Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten, Art der Haushaltsführung wie Organisation des Einkaufs, Reinigen der Wohnung und der Wäsche (BSG, a.a.O., Rn. 20 f.).

Zutreffend ist zwar, dass Vollmachten zur Verfügung über Konten des anderen nicht vorliegen und auch keine gemeinsamen Konten bestehen. Soweit jedoch hinsichtlich der Einkäufe vorgetragen wurde, es würde keine gemeinsamen Kasse gebildet, spricht dies nicht gegen ein gemeinschaftliches Wirtschaften, sofern jeder mit Mitteln aus seiner Kasse zum Lebensunterhalt beiträgt. Für ein gemeinschaftliches Wirtschaften spricht weiter der Umstand, dass die Wohnungseinrichtung von beiden genutzt wird. So ist in § 5 des Untermietvertrages angegeben, Herr S. sei berechtigt, jegliches Inventar der Ast. zu 1 mit zu nutzen. Gleiches gelte umgekehrt. Soweit darin aufgeführt ist, Herr S. bringe ein Schlafsofa, einen Kleiderschrank, einen Fernseher, eine Stereoanlage, einen Receiver sowie eine Kommode mit ist im Umkehrschluss zu schließen, dass alle sonstigen Haushaltsgegenstände von der Ast. zu 1 gestellt werden zur gemeinschaftlichen Nutzung. Eine weitere diesbezügliche Aufklärung hat die Ast. zu 1 dadurch verhindert, dass sie einen Hausbesuch nicht zugelassen hat.

Zur Überzeugung des Senats greift vorliegend auch die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II ein. Danach wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammen leben.

Für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht ehelich verbundenen Partnern ist zwingend, dass sie in "einer Wohnung" zusammen leben. Da es bei einer nicht ehelichen Partnerschaft an der durch die Eheschließung nach außen dokumentierten Verbundenheit mangelt, erfordert die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten bzw. nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbunden Partnern, dass deren Verbundenheit durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar wird (BSG, a.a.O., Rn. 22). Zur Überzeugung des Senats leben die Ast. zu 1 und Herr S. bereits seit 01.11.2011 zusammen. Hierfür spricht zunächst, dass Herr S. unstreitig bereits ab 01.11.2011 unter der gemeinsamen Adresse gemeldet ist. Ein nachvollziehbarer Grund, weshalb er hier und nicht in der Schweiz gemeldet war, ist nicht ersichtlich. Unabhängig hiervon hat sich Herr S. auch nach seinen eigenen Angaben sowie den Angaben der Ast. zu 1 bereits ab 01.11.2011 regelmäßig in der gemeinsamen Wohnung aufgehalten. Er hat nämlich nach diesen Angaben zumindest die Wochenenden, die Feiertage und die Ferien dort verbracht. Damit war die gemeinsame Wohnung bereits ab dem 01.11.2011 der gemeinsame Lebensmittelpunkt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen. Der Senat hält es für schlicht nicht nachvollziehbar, dass eine 40 jährige Frau ihre Mutter um Erlaubnis bittet, ihren Partner als Dauergast in ihrer Wohnung aufnehmen zu können, auch wenn die Mutter Vermieterin der Wohnung ist, zumal wenn dieser bereits zuvor über die Wochenenden, die Feiertage und während seiner freien Tage in der Wohnung gewohnt hat und dort auch polizeilich gemeldet war. Aus dem Umstand, dass am 30.05.2012 von der Vermieterin an Herrn S. Wohnungsschlüssel ausgehändigt wurden, lassen sich keine weiteren Rückschlüsse ziehen. Denn in der Zeit davor war die Nutzung der Wohnung mit den Schlüsseln der Ast. zu 1 möglich.

Auch der Umstand, dass der Untermietvertrag zum 01.06.2012 abgeschlossen wurde, die Anschrift Hauptstraße 18 in 79804 D. aber bereits bei den am 30.05.2012 unterzeichneten Vereinbarungen Kostenbeteiligungsvereinbarung und Untermietvertrag als Anschrift des Herrn S. angegeben waren, spricht dafür, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits dort gewohnt hat.

2. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss steht jedoch noch nicht fest, dass die Ast. nicht bedürftig sind. Gem. § 9 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen.

Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Bisher steht noch nicht fest, ob der Anspruch der Ast. aufgrund des anzurechnenden Einkommens und Vermögens von Herrn S. zu reduzieren oder ganz entfallen ist. Zwar hat die Ast. zu 1 bisher entsprechende Auskünfte bzw. die Vorlage von Unterlagen verweigert, so dass grundsätzlich nach den Grundsätzen der Beweislast eine Bedürftigkeit der Ast. als Anspruchs-voraussetzung nicht nachgewiesen ist.

Nach der Vorschrift des § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II hat der Grundsicherungsträger jedoch auch die Möglichkeit, Auskünfte vom Partner des Hilfebedürftigen einzuholen. Sind Einkommen oder Vermögen der Partnerin oder des Partners zu berücksichtigen, so haben diese Partner auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Bevor der Träger keine Anstrengungen unternommen hat, diesen Auskunftsanspruch durchzusetzen, ist eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Hilfebedür¬ftigen nicht statthaft (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 78/08 R - juris Rn. 17).

Die Agg. hat bisher lediglich die Ast. zu 1 zur Vorlage der entsprechenden Unterlagen aufgefordert. Eine entsprechende Aufforderung an Herrn S., Nachweise über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie ggf. über weitere Unterhaltsverpflichtungen vorzulegen, ist bisher noch nicht erfolgt. Die Ast. wird dies nachzuholen haben.

3. Die Bewilligung war der Höhe nach auf den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts für Partner einer Bedarfsgemeinschaft (§ 20 Abs. 1, Abs. 4 SGB II) unter Anrechnung des für den Ast. zu 2 gewährten Kindergeldes i.H.v. 184,00 EUR monatlich zu begrenzen, da hierdurch eine vorläufige Sicherung des Existenzminimums gewährleistet ist. Ein Mehrbedarf Alleinerziehung ist ebenso wenig wie die Kosten der Unterkunft im Wege der vorläufigen Anordnung zu übernehmen, da insoweit kein Anordnungsgrund besteht. Denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass den Ast. Wohnungslosigkeit durch eine Vermieterkündigung droht.

Die Bewilligung war in zeitlicher Hinsicht auf die voraussichtliche Dauer der von der Agg. noch durchzuführenden Ermittlungen zu begrenzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das lediglich teilweise Obsiegen der Ast.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 178 SGG).
Rechtskraft
Aus
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