Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 909/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 31/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Arbeitsentgelt und Arbeitgeber-Beitragsanteil, die sie für die Zeit vom 21. Mai 2007 bis zum 26. Juni 2007 an bzw. für die Versicherte einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten gezahlt hat, nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz, AAG).
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitgeberin der 1975 geborenen Frau B. (i.F.: Arbeitnehmerin), die bei der BKK, einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten, versichert war. Die behandelnde Gynäkologin bescheinigte der Arbeitnehmerin am 21. Mai 2007 und am 29. Mai 2007 Arbeitsunfähigkeit vom 21. Mai 2007 bis zum 29. Juni 2007. Die Klägerin zahlte während dieser Zeit weiter Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmerin und führte auch Beiträge zur Sozialversicherung ab.
Einen Erstattungsantrag der Klägerin, den diese mit dem Vorliegen eines ärztlich festgestellten Beschäftigungsverbots begründet hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2007 mit der Begründung ab, die Klägerin habe Entgeltfortzahlung gemäß § 3 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz, EFZG) geleistet, das nicht unter § 1 Abs. 2 AAG falle. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies die Klägerin auf ein Attest der behandelnden Gynäkologin, wonach die Arbeitnehmerin vom 21. Mai 2007 bis zum Entbindungstermin auf Grund einer Risikoschwangerschaft einem kompletten individuellen Beschäftigungsverbots nach dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) unterlegen habe. Nachdem die behandelnde Gynäkologin auf Nachfrage der Beklagten dabei geblieben war, dass Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Juni 2008 zurück.
Am 10. Juli 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Gynäkologin eingeholt und diese schließlich als Zeugin vernommen. Die Zeugin hat ausgesagt, sie habe bei der Arbeitnehmerin im April 2007 eine vorzeitige Wehentätigkeit bei Insuffizienz der Cervix (d.h. des Gebärmutterhalses) festgestellt. Der Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin, die unter unspezifischen Beschwerden mit Krämpfen und Schmerzen im Unterbach gelitten habe, sei in der Folge unverändert geblieben. Die Arbeitnehmerin habe sich körperlich nicht belasten dürfen und sei sowohl prognostisch als retrospektiv arbeitsunfähig gewesen.
Durch Urteil vom 22. November 2010 (der Klägerin zugegangen am 31.1.2011) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Arbeitnehmerin habe auf § 3 EFZG und nicht auf § 11 MuSchG beruht. Die Annahme eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft schlössen einander nach ständiger und übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts aus. Der Anspruch nach § 11 MuSchG setze voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegenstehe. An dem insoweit erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsverbot und Unterbrechung der Beschäftigung fehle es hingegen, wenn die Schwangere wegen einer Krankheit arbeitsunfähig sei, auch wenn diese Krankheit in ursächlichem Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehe. Zwar stelle die Rechtsauffassung der Klägerin sowohl die betroffenen Frauen als auch deren Arbeitgeber finanziell deutlich besser, jedoch bestehe die Funktion des § 11 MuSchG vorrangig darin, den Regelfall des § 3 EFZG für Schwangere dahingehend zu ergänzen, dass ausgehend von der konkreten Tätigkeit der Arbeitnehmerin ein vorbeugender Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Kindes möglich sei, indem bereits vor Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden könne. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Mutterschutzgesetzes lasse sich hingegen entnehmen, dass darüber hinaus auch eine Sonderregelung für Schwangere habe geschaffen werden sollen, die auf Grund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung arbeitsunfähig sind. Außerdem sei Differenzierung danach, ob eine Schwangere auf Grund ihrer Schwangerschaft oder auf Grund einer anderen Erkrankung arbeitsunfähig ist, problematisch. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – insbesondere ausweislich der Zeugenaussage der behandelnden Ärztin – sei die Arbeitnehmerin im Zeitraum vom 21. Mai 2007 bis zum 29. Juni 2007 arbeitsunfähig gewesen. Bereits im April 2007 seien Kontraktionen der Gebärmutter und eine vorzeitige Öffnung des Muttermunds aufgetreten; zeitweise habe die Arbeitnehmerin auch unter krampfartigen Schmerzen im Unterbauch gelitten. Dass die Zeugin im November 2007 ein komplettes Beschäftigungsverbot bestätigt habe, rechtfertige keine bereits deshalb keine andere Entscheidung, da nach den oben aufgezeigten Grundsätzen ein parallel zur Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenes Beschäftigungsverbot nicht zu einem Anspruch nach § 11 MuSchG führe.
Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt, auf der rechtlichen Seite jedoch die zahlreichen politischen Bestrebungen zugunsten werdender Mütter in den letzten Jahren nicht hinreichend berücksichtigt und bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Mutterschutzgesetz und dem Entgeltfortzahlungsgesetz auch die Vorgaben aus Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verkannt. Eine Gefährdung von Mutter und/oder Kind führe in den meisten Fällen auch zu Arbeitsunfähigkeit, so dass die Regelungen des Mutterschutzgesetzes leerzulaufen drohten. Daher sei davon auszugehen, dass bei Bestehen eines Beschäftigungsverbots aufgrund einer Gefährdung von Mutter oder Kind zumeist auch Arbeitsunfähigkeit vorliege. Dem demographisch motivierten Gesetzeszweck könne nur durch eine Auslegung des Rechts Rechnung getragen werden, die die finanzielle Situation werdender Mütter stärke und die Beschäftigungschancen von Frauen im gebärfähigen Alter erhöhe. Die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts sei angesichts eines entsprechenden politischen Willens des Gesetzgebers überholt. Im Ergebnis seien bei bestimmten Erscheinungsbildern, die einer Krankheit ähnelten und – obwohl keine Krankheit im eigentlichen Sinne vorliege – "über die GKV abgerechnet" würden, die Regelungen des Mutterschutzgesetzes vorrangig. Bei der Cervixinsuffizienz, unter der die Arbeitnehmerin gelitten habe, handele es sich um einen Zustand, der ausschließlich eine schwangere Frau treffen könne, und der für sich betrachtet keine Krankheit im Rechtssinne darstelle. Hieran ändere auch der kurzfristige Aufenthalt der Arbeitnehmerin im Krankenhaus nichts, der allein durch die Cervixinsuffizienz bedingt gewesen sei. Auch Gründe der Praktikabilität sprächen für eine solche Auslegung, da eine zuverlässige Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit einerseits und eines Beschäftigungsverbotes andererseits den behandelnden Ärzten – wie im vorliegenden Fall der vor dem Sozialgericht gehörten Zeugin – schwerfalle. Untragbar sei es, wenn Ärzte zur Vermeidung eines Haftungsrisikos und auf Anraten berufsständischer Organisationen kaum noch Beschäftigungsverbote aussprächen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2008 zu verurteilen, an sie 3.813,10 Euro nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und führt ergänzend aus, die Funktion des § 11 MuSchG liege in einer Ergänzung des Regelfalls von § 3 EFZG für den Fall, dass ausgehend von der konkreten Tätigkeit der Arbeitnehmerin ein vorbeugender Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Kindes möglich und geboten sei. Die im Gesetz angelegte Lastenverteilung und die Angleichungen des Umlageverfahrens an die aktuellen Strukturen der Sozialversicherung würden durchbrochen, wenn die Gemeinschaft der Arbeitgeber im Wege der Erstattung auch die Aufwendungen für eine Entgeltfortzahlung über mehr als sechs Wochen zu tragen hätte. Auch sei die vom Sozialgericht zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht etwa mit der Einführung des Aufwendungsausgleichsgesetzes als überholt anzusehen. Die mit der Neuregelung des Ausgleichsverfahrens bezweckte Stärkung von Beschäftigungschancen für Frauen im gebärfähigen Alter verlange nicht auch einen Ausgleich im Fall von Arbeitsunfähigkeit, die Frauen und Männer gleichermaßen treffe. Auch die Interessen schwangerer Arbeitnehmerinnen – die ohnehin nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien – hätten sich durch die Neuregelung nicht geändert.
Die Beteiligten haben sich im Dezember 2012 übereinstimmend mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Der Senat hat am 7. Februar 2013 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die vom Sozialgericht beigezogene Patientenakte des Marienkrankenhauses sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch den Einzelrichter entscheiden, § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des an die Arbeitnehmerin gezahlten Arbeitsentgelts oder der Arbeitgeber-Beitragsanteile. Die Voraussetzungen für Erstattungsansprüche nach § 1 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AAG sind nicht erfüllt, da die Arbeitnehmerin kein nach § 11 MuSchG gezahltes Arbeitsentgelt bezogen hat.
Die Zahlungen der Klägerin an die Arbeitnehmer stellten sich rechtlich als Entgeltfortzahlung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG dar. Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Nach § 11 Abs. 1 MuSchG ist Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten dreizehn Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Weiterhin bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, dass eine Arbeitnehmerin, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass sie ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat. Die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Regelungen liegen – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – für die betroffene Arbeitnehmerin in der Anspruchsdauer und für den betroffenen Arbeitgeber im Erstattungsanspruch aus § 1 Abs. 2 AAG.
Im Anwendungsbereich von § 11 MuSchG schließen sich die Annahme eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG und die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft gegenseitig aus (aus neuester Zeit BSG, Urteil vom 22.2.2012, B 11 AL 26/10 R, juris). Nach der im angefochtenen Urteil zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2012 (a.a.O.) erneut bekräftigt hat, setzt der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch nach § 11 MuSchG voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht, was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung aus Gründen der Gefahrenvorsorge absichert (BSG, a.a.O.). Hierbei erfassen die §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 MuSchG auch die Fallkonstellationen, in denen die Gefahr im Sinne von § 3 Abs. 1 MuSchG einzig von der individuellen gesundheitlichen Konstitution der Frau (und nicht auch von den Verhältnissen am Arbeitsplatz) ausgeht (BSG, a.a.O.; BAG, Urteile vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738, und 5 AZR 753/00, juris). Allerdings setzt ein Anspruch nach § 11 Abs. 1 MuSchG voraus, dass das Beschäftigungsverbot die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein muss (BAG, a.a.O.). An diesem ursächlichen Zusammenhang fehlt es, solange die werdende Mutter arbeitsunfähig krank ist, d.h. wenn und solange ein krankhafter Zustand, sei es im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, sei es unabhängig davon besteht, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt (auch hierzu BAG, a.a.O.).
Auch der Umstand, dass Gefährdungslagen nach § 3 Abs. 1 MuSchG und Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG häufig kumuliert vorliegen dürften, zwingt zu keiner anderen Abgrenzung. Soweit gegen die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien vorgebracht wird, sie könnten – gerade bei strenger Prüfung der Monokausalität – zu erheblichen Schutzlücken zulasten der Arbeitnehmerinnen führen (ausführlich Schlachter, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 73 Rn. 32, mit dem Hinweis, dass diese Konsequenz in einer solchen Strenge allerdings nirgends vertreten werde), ist dies für das vorliegende Erstattungsbegehren nicht maßgeblich. Auch ein Leerlaufen der privilegierenden Regelung in den §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 MuSchG droht nicht. Dass sie möglicherweise einen erheblich engeren Anwendungsbereich hat als § 3 Abs. 1 EFZG, liegt in der Natur dieser der Gefahrenvorsorge dienenden Sondervorschrift. Überdies verbleibt dem Mutterschutzgesetz auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Kumulation von Gefährdung und Arbeitsunfähigkeit ein nicht unerheblicher Anwendungsbereich. Bewirkt eine bestehende Krankheit bei Fortführung der Beschäftigung eine weitere Verschlechterung der Gesundheit und erst dadurch die Unfähigkeit zur Arbeitsleistung, so sind die §§ 3 Abs. 1, 11 MuSchG einschlägig, wenn die Ursache für diese entscheidende Verschlechterung der Gesundheit ausschließlich in der Schwangerschaft begründet ist (auch hierzu BAG, Urteil vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738).
Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzungskriterien hat das Sozialgericht einen Anspruch der Arbeitnehmerin nach § 11 Abs. 1 MuSchG und somit einen Erstattungsanspruch der Klägerin zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Dass die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig (und nicht "lediglich" gefährdet i.S.d. § 3 Abs. 1 MuSchG) war, folgt aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht, das auch die Klägerin nicht angezweifelt hat. In diesem Zusammenhang dringt die Klägerin auch nicht mit ihrem Argument durch, weder die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin noch die bestehende Cervixschwäche seien als Krankheit im Rechtssinne zu werten. Zwar ist richtig, dass eine regulär verlaufende Schwangerschaft keinen regelwidrigen körperlichen Zustand und somit keine Krankheit darstellt (vgl. etwa Dörner/Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 3 EFZG Rn. 5 m.w.N.). Allerdings stellt eine Schwäche der Cervix für sich betrachtet einen regelwidrigen – d.h. vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden – Zustand dar. Das dem Begriff der Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung und auch im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes inhärente funktionelle Defizit als Folge dieser Regelabweichung (hierzu etwa Höfler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 75. EL 2012, § 27 SGB V Rn. 12a) tritt jedenfalls dann hinzu, wenn eine Schwangerschaft aufgrund der Cervixschwäche einen anderen als regulären Verlauf nimmt.
Es lag auch nicht etwa ein Fall vor, in dem die Arbeitsunfähigkeit – bei der vom Bundesarbeitsgericht geforderten Prognose – erst durch eine Fortführung der Beschäftigung eingetreten wäre (vgl. BAG, Urteil vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738). Wie sich dem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht der behandelnden Gynäkologin und ihrer Zeugenaussage entnehmen lässt, war die Arbeitnehmerin bereits vor Beginn des streitigen Zeitraums nicht zur Arbeitsleistung in der Lage. Bereits im April 2007 hatte eine vorzeitige Wehentätigkeit bei Insuffizienz der Cervix bestanden, die zur Arbeitsunfähigkeit führte.
Eine andere Abgrenzung zwischen § 11 MuSchG und § 3 EFZG ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht aus teleologischen oder verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Soweit die Klägerin auf – wie sie es selbst nennt – politische Gründe für eine extensive Auslegung von der §§ 3 Abs. 1, 11 MuSchG anführt, ist dem entgegenzuhalten, dass derartige Gründe erst im Wege der historischen und vor allem der teleologischen Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen wären, wenn sie ihren eindeutigen Niederschlag im Willen des Gesetzgebers gefunden hätten. Es genügt nicht, dass die von der Klägerin für richtig gehaltene Auslegung der genannten Vorschriften möglicherweise der demographischen Entwicklung besser Rechnung trüge als das vom Gesetzgeber geschaffene Recht. Zu einer solchen Auslegung, die den Willen des Gesetzgebers nicht umsetzte, sondern ihn gleichsam korrigierte, sind die Gerichte nicht befugt. Dem Zweck der bestehenden gesetzlichen Regelungen tragen die vom Bundessozialgericht erst jüngst wieder bestätigten Abgrenzungskriterien (hierzu BSG, Urteil vom 22.2.2012, B 11 AL 26/10 R, juris) jedoch in voller Hinsicht Rechnung. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AAG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 MuSchG den einzelnen Arbeitgeber von dem Risiko entlastet, seinen Anspruch auf die Arbeitsleistung einer schwangeren Arbeitnehmerin nur wegen der (regulär verlaufenden) Schwangerschaft zu verlieren. Dieses Risiko trägt nunmehr die Gemeinschaft der Arbeitgeber (unter Einschluss sogar derjenigen Arbeitgeber, die überhaupt keine Frauen beschäftigen, hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08, juris). Grund hierfür ist, dass sich dieses Risiko, die Arbeitskraft allein aufgrund der Schwangerschaft zu verlieren und zugleich zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet zu sein, besonders nachteilig auf die Beschäftigungschancen von Frauen im gebärfähigen Alter auswirkt. Das Risiko, den Anspruch auf die Arbeitsleistung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit (gleich aufgrund welcher Ursache) zu verlieren, ist demgegenüber – hierauf weist die Beklagte zu Recht hin – allgemeiner Natur und entfaltet keine derartige mittelbar benachteiligende Wirkung zulasten von Frauen im gebärfähigen Alter. &8195; Auch Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, zwingt nicht zu einer anderen Abgrenzung zwischen dem Mutterschutzrecht und dem Recht der Entgeltfortzahlung (a.A. Schlachter, a.a.O., Rn. 34). Hierbei stellt sich die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung zwischen den genannten Vorschriften hinter dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zurückbleibt, im vorliegenden Fall allein im Rahmen einer möglichen faktischen, mittelbaren Diskriminierung: Die Nachteile, die der Arbeitnehmerin dadurch gedroht hätten, dass sich ihre soziale Absicherung nicht nach den Regelungen des Mutterschutzgesetzes, sondern nach dem allgemeinen Regime des Entgeltfortzahlungsgesetzes gerichtet hat, sind im vorliegenden Fall mangels des Ablaufs der sechswöchigen Frist aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht zum Tragen gekommen. Im Übrigen ist Art. 6 Abs. 4 GG nicht schon dann verletzt ist, wenn eine andere als die vorhandene Regelung einen noch weiterreichenden Schutz zur Folge hätte (vgl. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 60 m.w.N.: geringfügige Einkommensunterschiede aufgrund von Schwangerschaft sind nicht kraft Art. 6 Abs. 4 GG auszugleichen). Erst recht lässt sich aus Art. 6 Abs. 4 GG nicht herleiten, dass schwangere Frauen in jeder Lebenssituation (hier: bei Arbeitsunfähigkeit) besser zu stellen wären als ein im Übrigen vergleichbarer Personenkreis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.3.1993, 1 BvR 1927/92, NJW 1994, 786).
Eine andere Abgrenzung zwischen den konkurrierenden Regelungssystemen ist aber auch nicht von Verfassungs wegen zur Vermeidung einer faktischen Diskriminierung geboten. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Erfüllung des Schutzauftrages aus Art. 6 Abs. 4 GG auch mögliche faktische Diskriminierungen zu berücksichtigen sind, die von Schutzgesetzen zugunsten von Frauen ausgehen können (hierzu BVerfG, Beschluss vom 18.11.2003, 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64; BVerfG, Urteil vom 28.1.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, BVerfGE 85, 191; Hervorhebung hinzugefügt), liegt eine solche Situation gerade nicht vor, denn die im vorliegenden Fall einschlägige Vorschrift des § 3 Abs. 1 EFZG behandelt schwangere Frauen nicht anders als andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und wirkt sich somit gerade nicht als Schutzgesetz zugunsten von Frauen aus. Aber auch aus anderen Gründen lässt sich eine Unterschreitung des von Art. 6 Abs. 4 GG vorgegebenen Schutzniveaus nicht feststellen. Art. 6 Abs. 4 GG hat das Ziel, wirtschaftliche Belastungen der Mutter auszugleichen, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft stehen. Die jeder Mutter geschuldete Fürsorge umfasst die Verpflichtung des Staates, Nachteile, die einer Frau aus der Schwangerschaft erwachsen können, im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen und Verantwortbaren auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.4.1996, 2 BvR 169/93, NVwZ 1997, 54). Dies erfasst jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung (st. Rspr. seit BVerfG, Beschluss vom 10.2.1982, 1 BvL 116/78, BVerfGE 60, 68). Speziell für die Frage nach einer an Art. 6 Abs. 4 GG zu messenden faktischen Diskriminierung bedeutet dies, dass sich eine negative Steuerungswirkung der Belastung mit den Kosten des Schutzes arbeitsunfähiger schwangerer Frauen feststellen lassen müsste, die im Ergebnis zu Beschäftigungshemmnissen führt (vgl. auch hierzu BVerfG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.). Anhaltspunkte hierfür sind indes weder dargetan noch dem Senat ersichtlich. Während sich das Risiko, im Falle einer Schwangerschaft zur Entgeltzahlung nach § 11 MuSchG verpflichtet zu sein, nur bei Frauen im gebärfähigen Alter realisieren kann (und diese Gruppe somit von anderen Gruppen Beschäftigter abhebt, vgl. auch hierzu BVerfG, a.a.O.), ist das Risiko, im Fall einer mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehenden Arbeitsunfähigkeit zur Entgeltzahlung nach § 3 EFZG verpflichtet zu sein, vom allgemeinen Entgeltfortzahlungsrisiko des Arbeitgebers (wiederum nach dem EFZG) praktisch kaum zu unterscheiden. Als wesentliches Beschäftigungshemmnis wirkt sich dieses Entgeltfortzahlungsrisiko schon deswegen nicht aus, weil die Ursachen einer zukünftigen, mit einer Schwangerschaft in Zusammenhang stehenden Arbeitsunfähigkeit in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers über die Einstellung der Frau noch nicht bekannt sind. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass das Risiko einer Arbeitsunfähigkeit bei Frauen im gebärfähigen Alter gegenüber allen übrigen Beschäftigten derart erhöht wäre, dass dies – über § 3 Abs. 1 EFZG – eine negative Steuerungswirkung nach sich zöge.
Die Kostenentscheidung beruht – wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat – auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen insbesondere angesichts des Urteils des Bundessozialgerichts vom 22. Februar 2012 (Aktenzeichen B 11 AL 26/10 R, juris) nicht vor.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Arbeitsentgelt und Arbeitgeber-Beitragsanteil, die sie für die Zeit vom 21. Mai 2007 bis zum 26. Juni 2007 an bzw. für die Versicherte einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten gezahlt hat, nach dem Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz, AAG).
Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum Arbeitgeberin der 1975 geborenen Frau B. (i.F.: Arbeitnehmerin), die bei der BKK, einer Mitgliedskrankenkasse des Beklagten, versichert war. Die behandelnde Gynäkologin bescheinigte der Arbeitnehmerin am 21. Mai 2007 und am 29. Mai 2007 Arbeitsunfähigkeit vom 21. Mai 2007 bis zum 29. Juni 2007. Die Klägerin zahlte während dieser Zeit weiter Arbeitsentgelt an die Arbeitnehmerin und führte auch Beiträge zur Sozialversicherung ab.
Einen Erstattungsantrag der Klägerin, den diese mit dem Vorliegen eines ärztlich festgestellten Beschäftigungsverbots begründet hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.11.2007 mit der Begründung ab, die Klägerin habe Entgeltfortzahlung gemäß § 3 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz, EFZG) geleistet, das nicht unter § 1 Abs. 2 AAG falle. Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies die Klägerin auf ein Attest der behandelnden Gynäkologin, wonach die Arbeitnehmerin vom 21. Mai 2007 bis zum Entbindungstermin auf Grund einer Risikoschwangerschaft einem kompletten individuellen Beschäftigungsverbots nach dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz, MuSchG) unterlegen habe. Nachdem die behandelnde Gynäkologin auf Nachfrage der Beklagten dabei geblieben war, dass Arbeitsunfähigkeit bestanden habe, wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Juni 2008 zurück.
Am 10. Juli 2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Gynäkologin eingeholt und diese schließlich als Zeugin vernommen. Die Zeugin hat ausgesagt, sie habe bei der Arbeitnehmerin im April 2007 eine vorzeitige Wehentätigkeit bei Insuffizienz der Cervix (d.h. des Gebärmutterhalses) festgestellt. Der Gesundheitszustand der Arbeitnehmerin, die unter unspezifischen Beschwerden mit Krämpfen und Schmerzen im Unterbach gelitten habe, sei in der Folge unverändert geblieben. Die Arbeitnehmerin habe sich körperlich nicht belasten dürfen und sei sowohl prognostisch als retrospektiv arbeitsunfähig gewesen.
Durch Urteil vom 22. November 2010 (der Klägerin zugegangen am 31.1.2011) hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Arbeitnehmerin habe auf § 3 EFZG und nicht auf § 11 MuSchG beruht. Die Annahme eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft schlössen einander nach ständiger und übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts aus. Der Anspruch nach § 11 MuSchG setze voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegenstehe. An dem insoweit erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen Beschäftigungsverbot und Unterbrechung der Beschäftigung fehle es hingegen, wenn die Schwangere wegen einer Krankheit arbeitsunfähig sei, auch wenn diese Krankheit in ursächlichem Zusammenhang mit der Schwangerschaft stehe. Zwar stelle die Rechtsauffassung der Klägerin sowohl die betroffenen Frauen als auch deren Arbeitgeber finanziell deutlich besser, jedoch bestehe die Funktion des § 11 MuSchG vorrangig darin, den Regelfall des § 3 EFZG für Schwangere dahingehend zu ergänzen, dass ausgehend von der konkreten Tätigkeit der Arbeitnehmerin ein vorbeugender Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Kindes möglich sei, indem bereits vor Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden könne. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Mutterschutzgesetzes lasse sich hingegen entnehmen, dass darüber hinaus auch eine Sonderregelung für Schwangere habe geschaffen werden sollen, die auf Grund einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung arbeitsunfähig sind. Außerdem sei Differenzierung danach, ob eine Schwangere auf Grund ihrer Schwangerschaft oder auf Grund einer anderen Erkrankung arbeitsunfähig ist, problematisch. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme – insbesondere ausweislich der Zeugenaussage der behandelnden Ärztin – sei die Arbeitnehmerin im Zeitraum vom 21. Mai 2007 bis zum 29. Juni 2007 arbeitsunfähig gewesen. Bereits im April 2007 seien Kontraktionen der Gebärmutter und eine vorzeitige Öffnung des Muttermunds aufgetreten; zeitweise habe die Arbeitnehmerin auch unter krampfartigen Schmerzen im Unterbauch gelitten. Dass die Zeugin im November 2007 ein komplettes Beschäftigungsverbot bestätigt habe, rechtfertige keine bereits deshalb keine andere Entscheidung, da nach den oben aufgezeigten Grundsätzen ein parallel zur Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenes Beschäftigungsverbot nicht zu einem Anspruch nach § 11 MuSchG führe.
Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe den Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt, auf der rechtlichen Seite jedoch die zahlreichen politischen Bestrebungen zugunsten werdender Mütter in den letzten Jahren nicht hinreichend berücksichtigt und bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Mutterschutzgesetz und dem Entgeltfortzahlungsgesetz auch die Vorgaben aus Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verkannt. Eine Gefährdung von Mutter und/oder Kind führe in den meisten Fällen auch zu Arbeitsunfähigkeit, so dass die Regelungen des Mutterschutzgesetzes leerzulaufen drohten. Daher sei davon auszugehen, dass bei Bestehen eines Beschäftigungsverbots aufgrund einer Gefährdung von Mutter oder Kind zumeist auch Arbeitsunfähigkeit vorliege. Dem demographisch motivierten Gesetzeszweck könne nur durch eine Auslegung des Rechts Rechnung getragen werden, die die finanzielle Situation werdender Mütter stärke und die Beschäftigungschancen von Frauen im gebärfähigen Alter erhöhe. Die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts sei angesichts eines entsprechenden politischen Willens des Gesetzgebers überholt. Im Ergebnis seien bei bestimmten Erscheinungsbildern, die einer Krankheit ähnelten und – obwohl keine Krankheit im eigentlichen Sinne vorliege – "über die GKV abgerechnet" würden, die Regelungen des Mutterschutzgesetzes vorrangig. Bei der Cervixinsuffizienz, unter der die Arbeitnehmerin gelitten habe, handele es sich um einen Zustand, der ausschließlich eine schwangere Frau treffen könne, und der für sich betrachtet keine Krankheit im Rechtssinne darstelle. Hieran ändere auch der kurzfristige Aufenthalt der Arbeitnehmerin im Krankenhaus nichts, der allein durch die Cervixinsuffizienz bedingt gewesen sei. Auch Gründe der Praktikabilität sprächen für eine solche Auslegung, da eine zuverlässige Abgrenzung zwischen den Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit einerseits und eines Beschäftigungsverbotes andererseits den behandelnden Ärzten – wie im vorliegenden Fall der vor dem Sozialgericht gehörten Zeugin – schwerfalle. Untragbar sei es, wenn Ärzte zur Vermeidung eines Haftungsrisikos und auf Anraten berufsständischer Organisationen kaum noch Beschäftigungsverbote aussprächen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. November 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2008 zu verurteilen, an sie 3.813,10 Euro nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und führt ergänzend aus, die Funktion des § 11 MuSchG liege in einer Ergänzung des Regelfalls von § 3 EFZG für den Fall, dass ausgehend von der konkreten Tätigkeit der Arbeitnehmerin ein vorbeugender Schutz der Schwangeren und des ungeborenen Kindes möglich und geboten sei. Die im Gesetz angelegte Lastenverteilung und die Angleichungen des Umlageverfahrens an die aktuellen Strukturen der Sozialversicherung würden durchbrochen, wenn die Gemeinschaft der Arbeitgeber im Wege der Erstattung auch die Aufwendungen für eine Entgeltfortzahlung über mehr als sechs Wochen zu tragen hätte. Auch sei die vom Sozialgericht zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung nicht etwa mit der Einführung des Aufwendungsausgleichsgesetzes als überholt anzusehen. Die mit der Neuregelung des Ausgleichsverfahrens bezweckte Stärkung von Beschäftigungschancen für Frauen im gebärfähigen Alter verlange nicht auch einen Ausgleich im Fall von Arbeitsunfähigkeit, die Frauen und Männer gleichermaßen treffe. Auch die Interessen schwangerer Arbeitnehmerinnen – die ohnehin nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien – hätten sich durch die Neuregelung nicht geändert.
Die Beteiligten haben sich im Dezember 2012 übereinstimmend mit einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Der Senat hat am 7. Februar 2013 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte, die vom Sozialgericht beigezogene Patientenakte des Marienkrankenhauses sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch den Einzelrichter entscheiden, § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung des an die Arbeitnehmerin gezahlten Arbeitsentgelts oder der Arbeitgeber-Beitragsanteile. Die Voraussetzungen für Erstattungsansprüche nach § 1 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AAG sind nicht erfüllt, da die Arbeitnehmerin kein nach § 11 MuSchG gezahltes Arbeitsentgelt bezogen hat.
Die Zahlungen der Klägerin an die Arbeitnehmer stellten sich rechtlich als Entgeltfortzahlung im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG dar. Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Nach § 11 Abs. 1 MuSchG ist Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten dreizehn Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, weiter zu gewähren, wenn sie wegen eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 1 MuSchG teilweise oder völlig mit der Arbeit aussetzen. Weiterhin bestimmt § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, dass eine Arbeitnehmerin, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass sie ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat. Die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Regelungen liegen – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – für die betroffene Arbeitnehmerin in der Anspruchsdauer und für den betroffenen Arbeitgeber im Erstattungsanspruch aus § 1 Abs. 2 AAG.
Im Anwendungsbereich von § 11 MuSchG schließen sich die Annahme eines Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 1 MuSchG und die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit infolge Schwangerschaft gegenseitig aus (aus neuester Zeit BSG, Urteil vom 22.2.2012, B 11 AL 26/10 R, juris). Nach der im angefochtenen Urteil zitierten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts, die das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 2012 (a.a.O.) erneut bekräftigt hat, setzt der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch nach § 11 MuSchG voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht, was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung aus Gründen der Gefahrenvorsorge absichert (BSG, a.a.O.). Hierbei erfassen die §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 MuSchG auch die Fallkonstellationen, in denen die Gefahr im Sinne von § 3 Abs. 1 MuSchG einzig von der individuellen gesundheitlichen Konstitution der Frau (und nicht auch von den Verhältnissen am Arbeitsplatz) ausgeht (BSG, a.a.O.; BAG, Urteile vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738, und 5 AZR 753/00, juris). Allerdings setzt ein Anspruch nach § 11 Abs. 1 MuSchG voraus, dass das Beschäftigungsverbot die nicht wegzudenkende Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall sein muss (BAG, a.a.O.). An diesem ursächlichen Zusammenhang fehlt es, solange die werdende Mutter arbeitsunfähig krank ist, d.h. wenn und solange ein krankhafter Zustand, sei es im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, sei es unabhängig davon besteht, der zur Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren führt (auch hierzu BAG, a.a.O.).
Auch der Umstand, dass Gefährdungslagen nach § 3 Abs. 1 MuSchG und Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EFZG häufig kumuliert vorliegen dürften, zwingt zu keiner anderen Abgrenzung. Soweit gegen die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien vorgebracht wird, sie könnten – gerade bei strenger Prüfung der Monokausalität – zu erheblichen Schutzlücken zulasten der Arbeitnehmerinnen führen (ausführlich Schlachter, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 73 Rn. 32, mit dem Hinweis, dass diese Konsequenz in einer solchen Strenge allerdings nirgends vertreten werde), ist dies für das vorliegende Erstattungsbegehren nicht maßgeblich. Auch ein Leerlaufen der privilegierenden Regelung in den §§ 3 Abs. 1, 11 Abs. 1 MuSchG droht nicht. Dass sie möglicherweise einen erheblich engeren Anwendungsbereich hat als § 3 Abs. 1 EFZG, liegt in der Natur dieser der Gefahrenvorsorge dienenden Sondervorschrift. Überdies verbleibt dem Mutterschutzgesetz auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Kumulation von Gefährdung und Arbeitsunfähigkeit ein nicht unerheblicher Anwendungsbereich. Bewirkt eine bestehende Krankheit bei Fortführung der Beschäftigung eine weitere Verschlechterung der Gesundheit und erst dadurch die Unfähigkeit zur Arbeitsleistung, so sind die §§ 3 Abs. 1, 11 MuSchG einschlägig, wenn die Ursache für diese entscheidende Verschlechterung der Gesundheit ausschließlich in der Schwangerschaft begründet ist (auch hierzu BAG, Urteil vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738).
Unter Zugrundelegung dieser Abgrenzungskriterien hat das Sozialgericht einen Anspruch der Arbeitnehmerin nach § 11 Abs. 1 MuSchG und somit einen Erstattungsanspruch der Klägerin zu Recht und mit zutreffender Begründung verneint. Dass die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig (und nicht "lediglich" gefährdet i.S.d. § 3 Abs. 1 MuSchG) war, folgt aus dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht, das auch die Klägerin nicht angezweifelt hat. In diesem Zusammenhang dringt die Klägerin auch nicht mit ihrem Argument durch, weder die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin noch die bestehende Cervixschwäche seien als Krankheit im Rechtssinne zu werten. Zwar ist richtig, dass eine regulär verlaufende Schwangerschaft keinen regelwidrigen körperlichen Zustand und somit keine Krankheit darstellt (vgl. etwa Dörner/Reinhard, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 13. Aufl. 2013, § 3 EFZG Rn. 5 m.w.N.). Allerdings stellt eine Schwäche der Cervix für sich betrachtet einen regelwidrigen – d.h. vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden – Zustand dar. Das dem Begriff der Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung und auch im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes inhärente funktionelle Defizit als Folge dieser Regelabweichung (hierzu etwa Höfler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 75. EL 2012, § 27 SGB V Rn. 12a) tritt jedenfalls dann hinzu, wenn eine Schwangerschaft aufgrund der Cervixschwäche einen anderen als regulären Verlauf nimmt.
Es lag auch nicht etwa ein Fall vor, in dem die Arbeitsunfähigkeit – bei der vom Bundesarbeitsgericht geforderten Prognose – erst durch eine Fortführung der Beschäftigung eingetreten wäre (vgl. BAG, Urteil vom 13.2.2002, 5 AZR 588/00, NZA 2002, 738). Wie sich dem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht der behandelnden Gynäkologin und ihrer Zeugenaussage entnehmen lässt, war die Arbeitnehmerin bereits vor Beginn des streitigen Zeitraums nicht zur Arbeitsleistung in der Lage. Bereits im April 2007 hatte eine vorzeitige Wehentätigkeit bei Insuffizienz der Cervix bestanden, die zur Arbeitsunfähigkeit führte.
Eine andere Abgrenzung zwischen § 11 MuSchG und § 3 EFZG ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch nicht aus teleologischen oder verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Soweit die Klägerin auf – wie sie es selbst nennt – politische Gründe für eine extensive Auslegung von der §§ 3 Abs. 1, 11 MuSchG anführt, ist dem entgegenzuhalten, dass derartige Gründe erst im Wege der historischen und vor allem der teleologischen Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen wären, wenn sie ihren eindeutigen Niederschlag im Willen des Gesetzgebers gefunden hätten. Es genügt nicht, dass die von der Klägerin für richtig gehaltene Auslegung der genannten Vorschriften möglicherweise der demographischen Entwicklung besser Rechnung trüge als das vom Gesetzgeber geschaffene Recht. Zu einer solchen Auslegung, die den Willen des Gesetzgebers nicht umsetzte, sondern ihn gleichsam korrigierte, sind die Gerichte nicht befugt. Dem Zweck der bestehenden gesetzlichen Regelungen tragen die vom Bundessozialgericht erst jüngst wieder bestätigten Abgrenzungskriterien (hierzu BSG, Urteil vom 22.2.2012, B 11 AL 26/10 R, juris) jedoch in voller Hinsicht Rechnung. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 AAG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 MuSchG den einzelnen Arbeitgeber von dem Risiko entlastet, seinen Anspruch auf die Arbeitsleistung einer schwangeren Arbeitnehmerin nur wegen der (regulär verlaufenden) Schwangerschaft zu verlieren. Dieses Risiko trägt nunmehr die Gemeinschaft der Arbeitgeber (unter Einschluss sogar derjenigen Arbeitgeber, die überhaupt keine Frauen beschäftigen, hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2009, L 16 (5) KR 211/08, juris). Grund hierfür ist, dass sich dieses Risiko, die Arbeitskraft allein aufgrund der Schwangerschaft zu verlieren und zugleich zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet zu sein, besonders nachteilig auf die Beschäftigungschancen von Frauen im gebärfähigen Alter auswirkt. Das Risiko, den Anspruch auf die Arbeitsleistung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit (gleich aufgrund welcher Ursache) zu verlieren, ist demgegenüber – hierauf weist die Beklagte zu Recht hin – allgemeiner Natur und entfaltet keine derartige mittelbar benachteiligende Wirkung zulasten von Frauen im gebärfähigen Alter. &8195; Auch Art. 6 Abs. 4 GG, wonach jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft hat, zwingt nicht zu einer anderen Abgrenzung zwischen dem Mutterschutzrecht und dem Recht der Entgeltfortzahlung (a.A. Schlachter, a.a.O., Rn. 34). Hierbei stellt sich die Frage, ob die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung zwischen den genannten Vorschriften hinter dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zurückbleibt, im vorliegenden Fall allein im Rahmen einer möglichen faktischen, mittelbaren Diskriminierung: Die Nachteile, die der Arbeitnehmerin dadurch gedroht hätten, dass sich ihre soziale Absicherung nicht nach den Regelungen des Mutterschutzgesetzes, sondern nach dem allgemeinen Regime des Entgeltfortzahlungsgesetzes gerichtet hat, sind im vorliegenden Fall mangels des Ablaufs der sechswöchigen Frist aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht zum Tragen gekommen. Im Übrigen ist Art. 6 Abs. 4 GG nicht schon dann verletzt ist, wenn eine andere als die vorhandene Regelung einen noch weiterreichenden Schutz zur Folge hätte (vgl. etwa Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 60 m.w.N.: geringfügige Einkommensunterschiede aufgrund von Schwangerschaft sind nicht kraft Art. 6 Abs. 4 GG auszugleichen). Erst recht lässt sich aus Art. 6 Abs. 4 GG nicht herleiten, dass schwangere Frauen in jeder Lebenssituation (hier: bei Arbeitsunfähigkeit) besser zu stellen wären als ein im Übrigen vergleichbarer Personenkreis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.3.1993, 1 BvR 1927/92, NJW 1994, 786).
Eine andere Abgrenzung zwischen den konkurrierenden Regelungssystemen ist aber auch nicht von Verfassungs wegen zur Vermeidung einer faktischen Diskriminierung geboten. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Erfüllung des Schutzauftrages aus Art. 6 Abs. 4 GG auch mögliche faktische Diskriminierungen zu berücksichtigen sind, die von Schutzgesetzen zugunsten von Frauen ausgehen können (hierzu BVerfG, Beschluss vom 18.11.2003, 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64; BVerfG, Urteil vom 28.1.1992, 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91, BVerfGE 85, 191; Hervorhebung hinzugefügt), liegt eine solche Situation gerade nicht vor, denn die im vorliegenden Fall einschlägige Vorschrift des § 3 Abs. 1 EFZG behandelt schwangere Frauen nicht anders als andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und wirkt sich somit gerade nicht als Schutzgesetz zugunsten von Frauen aus. Aber auch aus anderen Gründen lässt sich eine Unterschreitung des von Art. 6 Abs. 4 GG vorgegebenen Schutzniveaus nicht feststellen. Art. 6 Abs. 4 GG hat das Ziel, wirtschaftliche Belastungen der Mutter auszugleichen, die im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft stehen. Die jeder Mutter geschuldete Fürsorge umfasst die Verpflichtung des Staates, Nachteile, die einer Frau aus der Schwangerschaft erwachsen können, im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen und Verantwortbaren auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.4.1996, 2 BvR 169/93, NVwZ 1997, 54). Dies erfasst jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung (st. Rspr. seit BVerfG, Beschluss vom 10.2.1982, 1 BvL 116/78, BVerfGE 60, 68). Speziell für die Frage nach einer an Art. 6 Abs. 4 GG zu messenden faktischen Diskriminierung bedeutet dies, dass sich eine negative Steuerungswirkung der Belastung mit den Kosten des Schutzes arbeitsunfähiger schwangerer Frauen feststellen lassen müsste, die im Ergebnis zu Beschäftigungshemmnissen führt (vgl. auch hierzu BVerfG, Beschluss vom 18.11.2003, a.a.O.). Anhaltspunkte hierfür sind indes weder dargetan noch dem Senat ersichtlich. Während sich das Risiko, im Falle einer Schwangerschaft zur Entgeltzahlung nach § 11 MuSchG verpflichtet zu sein, nur bei Frauen im gebärfähigen Alter realisieren kann (und diese Gruppe somit von anderen Gruppen Beschäftigter abhebt, vgl. auch hierzu BVerfG, a.a.O.), ist das Risiko, im Fall einer mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehenden Arbeitsunfähigkeit zur Entgeltzahlung nach § 3 EFZG verpflichtet zu sein, vom allgemeinen Entgeltfortzahlungsrisiko des Arbeitgebers (wiederum nach dem EFZG) praktisch kaum zu unterscheiden. Als wesentliches Beschäftigungshemmnis wirkt sich dieses Entgeltfortzahlungsrisiko schon deswegen nicht aus, weil die Ursachen einer zukünftigen, mit einer Schwangerschaft in Zusammenhang stehenden Arbeitsunfähigkeit in aller Regel zum Zeitpunkt der Entscheidung des Arbeitgebers über die Einstellung der Frau noch nicht bekannt sind. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass das Risiko einer Arbeitsunfähigkeit bei Frauen im gebärfähigen Alter gegenüber allen übrigen Beschäftigten derart erhöht wäre, dass dies – über § 3 Abs. 1 EFZG – eine negative Steuerungswirkung nach sich zöge.
Die Kostenentscheidung beruht – wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat – auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen insbesondere angesichts des Urteils des Bundessozialgerichts vom 22. Februar 2012 (Aktenzeichen B 11 AL 26/10 R, juris) nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved