S 26 R 156/13 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 156/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 27.12.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.12. 2012 wird angeordnet. 2. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers und die gerichtlichen Kosten für das Antragsverfahren. 3. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 31.115,84 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin führte im Jahr 2012 bei dem Antragsteller eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV durch. Die Antragstellerin ist eine juristische Person in der Rechtsform eines eingetragenen Vereines. Er beschäftigt sich gemäß seiner Satzung (Blatt 41 ff der Verwaltungsakte) mit der Unterstützung hilfsbedürftiger Personen. Praktisch ist der Antragsteller insbesondere bemüht, junge Menschen aus einem von Kriminalität und Drogenmissbrauch geprägten Umfeld in einen nicht-kriminogen Gemeinschafts- und Berufsbereich integrieren. Der Vereinszweck wird insbesondere durch die Einrichtung und Unterhaltung von Wohn- bzw. Lebensgemeinschaften verwirklicht, in denen die auf Hilfe angewiesenen Personen aufgenommen, seelsorgerlich betreut und zur selbständigen Bewältigung der Aufgaben des täglichen Lebens angeleitet werden. Satzungsgemäß nimmt der Verein damit Aufgaben der E als Wesens- und Lebensäußerung christlicher Gemeinschaften im Sinne der evangelischen Allianz wahr. Mitglied des Vereins kann werden, wer christlichen Bekenntnisses ist. Nach § 3 der Satzung ist der Verein selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wobei Mittel des Vereins nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden dürfen. Der in X tätige Antragsteller verfügt über ein Vereinsvermögen, das im wesentlichen aus nachbarschaftlich gelegenen Grundstücken und Häusern besteht, die von Bewohnern oder ehemaligen Bewohnern der Wohngemeinschaft oder Mitarbeitern des Antragstellers bewohnt werden; in den Räumen befindet sich auch eine Zentrale, eine Holzwerkstatt und Büroräumlichkeiten. Die Mitarbeiter I und C, deren Tätigkeitsbewertung die Antragsgegnerin beanstandet, sind ein ehemaliger Diplom-Ingenieur und ein Maschinenbautechniker, die inzwischen auf der Grundlage ihres christlichen Glaubens nach ihrer Überzeugung diakonische Aufgaben wahrnehmen, die der Antragsteller als missionarische Tätigkeit bezeichnet. Die genannten beiden Mitarbeiter wohnen jeweils mit ihrer Familie (Ehefrau und Kinder) in den Räumen des Antragstellers in Wohngemeinschaften mit den zu betreuenden Personen; insoweit besteht zwischen dem Antragsteller und diesen Personen jeweils ein Vertrag über freie Mitarbeit (Blatt 4 ff der Verwaltungsakte), wonach der Aufgabenkreis der Mitarbeiter benannt wird und ein Honorar bezahlt wird, das sich "nach den finanziellen Möglichkeiten des Vereins" richtet. Es soll aber monatlich nicht 1000,00 Euro unterschreiten und regelmäßig angepasst werden (§ 2 des Vertrages über die freie Mitarbeit). Spenden, Kollekten und Einnahmen, die aufgrund der Tätigkeit des Diakons dem Verein zu Gute komme, können an diesen in angemessener Höhe weitergeleitet werden, wobei die Beteiligten ferner davon ausgegangen sind, dass der Diakon Steuern und Beiträge zur Kranken- und Altersvorsorge selber zu entrichten hat. Die Aufgaben der Diakone bzw. Missionare werden in einem Fragebogen zur versicherungsrechtlichen Prüfung von den Steuerberatern der Antragstellerin näher beschrieben (Blatt 14 – 21 der Verwaltungsakte). Danach "lebt der Missionar mit seiner Familie rund um die Uhr mit jungen Männern zusammen, die aufgrund von sozialen Problemen, Drogenproblemen oder anderen Suchtproblemen Hilfe suchen, und ist innerhalb der Wohngemeinschaft Ansprechpartner, Berater und Hausvater und leitet innerhalb der Wohngemeinschaft weitere ehrenamtliche Mitarbeiter oder Zivildienstleistende an. Dazu gehört ferner Einkauf, Kochen, Wäsche, Reinigung des Hauses und der Außenanlagen, zum Teil gemeinsam mit den Bewohnern" zum Zweck der "Anleitung der hilfesuchenden Menschen im vereinseigenen Zweckbetrieb". Ziel ist nach 2.2 des Fragebogens "jeder soll nach einem ca. einjährigen Arbeitstraining in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt eine Arbeit finden oder eine Ausbildung machen". Die Steuerberater gehen davon aus, dass die Diakone als selbständig tätige freiberufliche Missionare einzustufen seien (Blatt 21 der Verwaltungsakte).

Nach einer Anhörung vom 04.10.2012 erließ die Antragsgegnerin den angefochtenen Bescheid vom 10.12.2012; mit diesem fordert sie von dem Antragsteller für den Prüfzeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2011 Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung in Höhe von 124.473,37 Euro nach. Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, sie halte die genannten Diakone für abhängig Beschäftigte und damit sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer. Wegen der Begründung wird Bezug genommen auf die Ausführung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 10.12.2012, insbesondere ab Seite 3 dort.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller fristgerecht unter dem 27.12.2012 Widerspruch eingelegt, mit dem er der Bewertung der Antragsgegnerin widerspricht. Die Antragsgegnerin verkenne die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung, die das Bundesarbeitsgericht aufgestellt habe; im Übrigen sei auch die Forderung schon der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin siehe zwar einerseits weitergeleitete Spenden nicht als regelmäßiges Arbeitsentgelt an, scheine aber die Entgelte der diakonischen Mitarbeiter aus dem finanziellen Gesamtaufkommen zu berechnen.

Die Antragsgegnerin hat es abgelehnt, die Vollziehung des Widerspruchs auszusetzen (Blatt 164 der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 30.01.2013 hat die Antragsgegnerin den Bevollmächtigten des Antragstellers um weitere Informationen zu den diakonischen Mitarbeitern gebeten, zu vom Verein erstellten Rechnungen und zu den Grundbuch-Eintragungen des Vereins bzgl. seiner Grundstücke, ferner noch angefragt, ob die Betreuten gegen Entgelt tätig sind und mit Arbeitsvertrag oder Ausbildungsvertrag arbeiten.

Zuvor hat der Antragsteller bereits mit Schriftsatz vom 22.01.2013 Einstweiligen Rechtsschutz dahingehend beantragt, aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Der Antragsteller nimmt sinngemäß Bezug auf sein bisheriges Vorbringen auch im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und vertieft dieses mit dem Antragschriftsatz. Ergänzend hat er mitgeteilt, der Antragsteller habe auch beabsichtigt gehabt, bei der zuständigen Einzugsstelle eine Stundung der streitigen Forderung zu beantragen. Die Einzugsstelle hat u. a. einen Liquiditätsnachweis verlangt und verlangt ferner, dass Sicherheitsleistungen benannt werden, und eine Frist bis zum 31.01.2013 gesetzt. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat ferner mitgeteilt, zur Erbringung einer solchen Sicherheitsleistung sei der Antragsteller nicht in der Lage. Es bedeute vielmehr eine unbillige Härte, wenn er zeitnah die Beitragsnachforderung erbringen sollte. Wirtschaftlich sei er dazu nicht in der Lage, weil nach dem gelebten Satzungszweck durch die Tätigkeit des Vereins keine Gewinne erzielt würden. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage der diakonischen Mitarbeiter würde ohnehin nur im wesentlichen aus den geringen Erträgen der betriebenen Schreinerei bzw. Holzwerkstatt, aus Beiträgen der Vereinsmitglieder und letztlich aus selbstgewonnen Spenden sichergestellt. Rücklagen gebe es nicht. Bei Durchsetzung der Forderung wäre Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz des Antragstellers die zwingende Folge, somit auch die Gefährdung des Vereinszwecks.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 05.02.2013 mitgeteilt, sie habe weiterhin keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung sehe sie keine Erfolgsaussicht für den Antrag. Das bloße Vorliegen einer wirtschaftlichen Härte sei nicht ausreichender Grund für eine Aussetzung der Vollziehung. Schließlich bestehe dem Grunde nach auch die Möglichkeit einer Stundung durch die Einzugsstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Dem Antrag des Antragstellers war stattzugeben.

Der Antrag des Antragstellers ist zulässig. Denn der – fristgerechte – Widerspruch des Antragstellers gegen den angefochtenen Beitragsbescheid hat keine aufschiebende Wirkung, § 86a Abs. 1 Nr. 1 SGG. In diesem Fall kann – wie hier – einstweiliger Rechtsschutz nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beantragt werden dahingehend, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs des Widerspruchs anzuordnen.

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung – ausnahmsweise – durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt nun aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragsteller einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, und ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene, Härte zur Folge hätte. Danach ist der Antrag des Antragstellers begründet. Die summarische Prüfung des Vorbringens der Beteiligten wie auch die summarische Prüfung der bisherigen rechtlichen Bewertung ergibt, dass ganz erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erhobenen Beitragsforderung bestehen, und angesichts der Höhe der geltend gemachten – die Tätigkeit des Antragstellers potenziell gefährdenden – Beitragsforderung von ca. 124.000,00 Euro, wie auch angesichts des Umstandes, dass inzwischen selbst die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.01.2013 nun jetzt noch weitere Tatsachenfeststellung für nötig hält, spricht insgesamt hier wesentlich mehr als dafür als dagegen, dass der Bescheid vom 10.12.2012 ganz oder in ganz erheblichem Umfang unrechtmäßig und deshalb aufzuheben ist. Die Berücksichtigung a) der Interessen des Antragstellers einerseits sowie b) der öffentlichen Interessen oder Interessen anderer Personen andererseits sowie c) der potenziellen Erfolgsaussichten des Widerspruchs ergibt, dass es nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung – also das Ergebnis des Widerspruchsverfahrens - abzuwarten, dessen Dauer im Wesentlichen die Antragsgegnerin selbst in der Hand hat (vgl. Beschluss des bayrischen Landessozialgerichts vom 04.10.2005 – L 10 B 472/05 AS ER allgemein zur Abwägung). Die Antragsgegnerin hat auch nichts dargetan, was dafür spräche, schon jetzt die erhobene Forderung zu vollstrecken, mit der Gefahr der Zerschlagung der karitativen Tätigkeit der Antragstellerin, statt das Ergebnis – zumindest des Widerspruchsverfahrens - abzuwarten.

Maßgeblich für diese Abwägung sind im Einzelnen folgende Gesichtspunkte:

Die Antragsgegnerin verkennt bei ihrer Betriebsprüfung schon, dass sie hier nicht einen auf Gewinnerzielung ausgerichteten privaten potenziellen Arbeitgeber geprüft hat, sondern einen der Diakonie verpflichteten Verein, der keine Gewinne machen will, sondern dessen Ziel es ist, in ihrer Lebensführung bisher gescheiterten jungen Männern zu helfen, deren Vorgeschichte von sozialen, kriminellen und Drogenproblemen gekennzeichnet ist. Zur Förderung dieser Hilfe, um den jungen Männern wieder in ein normales Leben zu verhelfen, leben hier die von der Antragsgegnerin geprüften Diakone mit ihren Familien und den bisher gescheiterten jungen Männern in Wohngemeinschaften und Arbeitsgemeinschaften zusammen, was auch alles im Einzelnen näher durch die Satzung, den Fragebogen zur Prüfung der Versicherungspflicht wie auch die Mitarbeiterverträge bestätigt wird. Die – früher in anderen Berufen tätigen – Diakone I und N üben also in ihrer Tätigkeit für den Antragsteller, im Übrigen auch als Vorstände, als Missionare aber Tätigkeit nicht im typischen Sinne "im Dienst eines Anderen" (eines Arbeitgebers) aus, sondern weil es ihrer persönlichen religiösen moralischen Vorstellung entspricht, Dienst auszuüben nicht für einen einzelnen Arbeitgeber und für die persönliche Gewinnerzielung, sondern um Beispiel und Diener zu sein wie einst Jesus an den Armen und Kranken, an den übersehenen und ausgestoßenen Menschen seinerzeit. Das Wort "Diakon" leitet sich ab von dem griechischen Wort diakonia und bedeutet in diesem christlich geprägten Sinne Dienst vor allem für andere – bedürftige - Menschen. Dies kommt auch hinreichend in den Mitarbeiterverträgen zum Ausdruck, auch und gerade durch die Einschränkung "das Honorar richtet sich nach den finanziellen Möglichkeiten des Vereins". Die für die Diakone vorgesehenen Einkünfte sollten zwar schon im Jahr 2000 nicht unter 1000,00 Euro liegen, doch hieß es damals schon nicht "es darf monatlich nicht 1000,00 Euro unterschreiten" sondern " es soll monatlich nicht 1000,00 Euro unterschreiten". Soweit für Herrn I und Herrn C die Antragsgegnerin von – bisher so auch nicht nachvollziehbaren – Einkünften von z.B. Herrn I von Januar bis Juni 2008 von ca. 19.971,00 Euro ausgibt, wäre dieses "Gehalt" von monatlich ca. 3.228,00 Euro brutto für einen Familienvater mit vier Kindern, der aus persönlicher und religiöser Überzeugung mit bisher gestrauchelten Menschen und seiner Familie in Wohngemeinschaften und Arbeitsgemeinschaften zusammenlebt, vom frühsten Morgen bis in den späten Abend, auch ersichtlich kein persönlicher Gewinnerzielung dienendes Gehalt, sondern allenfalls Entschädigung, um unter den von den Diakonen selbst gewählten Umständen leben zu können, zumal – nach den bisherigen Vertragsvorstellungen der Diakone und des Antragstellers – die Diakone sich gegen Krankheit und für ihre Altersversorgung auch noch privat abzusichern haben. Dass die Diakone in den Räumlichkeiten des Antragstellers mietfrei wohnen, ist keine arbeitsrechtliche Vergünstigung, sondern dem besonderen Vereinszweck geschuldet und untrennbarer Bestandteil der diakonischen Tätigkeit der Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin verkennt, dass ein Verein wie der Antragsteller mit seinen begrenzten Mitteln ohne Absicht der Gewinnerzielung so dem Vereinszweck dienend praktisch nur wirtschaften kann, wenn die Unterhaltung (die wirtschaftliche Unterhaltung) der Vorstände und sonstigen Mitarbeiter möglichst frei von Zusatzkosten gehalten wird (wie z. B. Sozialversicherung). Es ist zur Überzeugung der Kammer auch keine unzulässige Umgehung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, wenn eine von der Kirche bzw. der Freikirche geförderte Einrichtung sich freier Mitarbeiter bedient, die diese Vertragsgestaltung selbst so auch aus religiösen Motiven heraus gewollt haben. Mithin dürfte – wofür bisher alles spricht – die missionarische bzw. diakonische Tätigkeit der Herren I und C nicht den Arbeitnehmerbegriff erfüllen, also "fremdbestimmte Tätigkeit im Dienst (allein) eines potenziellen Arbeitgebers". zumal diese als Vorstände auch keinen Weisungen des Vereins im Einzelfall unterliegen und sich nur im Rahmen des Vereinszwecks zu halten haben. Sonstige Gesichtspunkte, die doch für eine Arbeitnehmer-Tätigkeit und damit Sozialversicherungspflicht sprächen, hat die Antragsgegnerin bisher nicht dargetan, zumal sie es im Widerspruchsverfahren und Verwaltungsverfahren bisher unterlassen hat, die zu beteiligenden angeblichen "Arbeitnehmer" I und C gehört zu haben. Diese bisher unzureichende Vorgehensweise der Antragsgegnerin offenbart sich auch darin, dass die Antragsgegnerin es erst mit Schriftsatz vom 30.01.2013 – nach Einleitung des Rechtsschutzverfahrens – unternimmt, weitere Ermittlungen durchzuführen. Damit spricht bisher alles für ganz erhebliche Zweifel an der von der Antragsgegnerin erhobenen Beitragsforderung; im Übrigen auch die Höhe der geltend gemachten Beitragsforderungen. Denn woraus die Beklagte die von ihr veranschlagten Entgelte ableitet, ist bisher so nicht nachvollziehbar. Insoweit ist den Ausführungen im Widerspruchsschriftsatz vom 27.12.2012 zu 3. zuzustimmen.

Im Übrigen gibt es auch keine sonstigen Gesichtspunkte, die bereits jetzt trotz erheblicher Zweifel an der Beitragsforderung für eine vorläufige Vollstreckung – also zum jetzigen Zeitpunkt schon – sprächen. Denn nach dem glaubhaften Vorbringen des Antragstellers verfügt der Antragsteller immerhin über Eigentumsvermögen an den Grundstücken, auf denen sich die Arbeit des Antragstellers vollzieht. Es gibt also durchaus eine gewisse Sicherheit für die Antragsgegnerin, falls sie doch mit ihrer Forderung durchdringen sollte. Andererseits würde eine Vollstreckung bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglicherweise dazu führen, dass das Vermögen des Antragstellers veräußert werden müsste, mit der Folge dass die in den Einrichtungen des Antragstellers untergebrachten hilfebedürftigen Personen praktisch wieder sofort auf der Straße stünden. Es kann aber nicht Sinn und Zweck einer Betriebsprüfung sein, bei durchaus noch vorhandenem Vermögen des geprüften "Arbeitgebers" diesen schon vor rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens in die Insolvenz zu führen bzw. seine Tätigkeit an bedürftigen Personen – die auch im öffentlichen Interesse liegt – zu zerstören. Dabei kann der Antragsteller auch nicht darauf verwiesen werden, dass er angeblich die Einzugsstelle um Stundung (§ 76 SGB IV) bitten könne. Denn eine solche Stundung wäre nach dem Vorbringen im Antragsverfahren allenfalls gegen Sicherheitsleistung möglich, zu der der Antragsteller glaubhaft nicht möglich wäre. Würde jetzt das Gericht noch die Gewährung aufhebender Wirkung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, so würde dem Antragsteller einstweiliger effektiver Rechtsschutz faktisch verwehrt.

Die Antragsgegnerin wird daher, sofern sie dem Widerspruch nicht abhelfen sollte, noch die Herren I und C zu hören und das Ergebnis ihrer mit Schriftsatz vom 30.01.2013 eingeleiteten Ermittlungen abzuwarten haben und ihren Rechtsstandpunkt zu überprüfen haben, ob die von ihr geprüften Diakone überhaupt "Arbeitnehmer" im Sinne der Rechtsvorschriften sein können.

Die Kostenentscheidung für das Antragsverfahren folgt aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 197a SGG.

Der Streitwert war nach § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 GKG nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, nachdem sich das erstinstanzliche Verfahren mit diesem Beschluss über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erledigt hat. Hier war für den Rechtsstreit betreffend Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge ein Streitwert von 25% der streitigen Gesamtforderung (124.463,37 Euro) festzusetzen, also ein Betrag von 31.115,84 Euro. Die Bewertung des Streitwerts für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit 25% der streitigen Gesamtnachforderung entspricht allgemein der Rechtsprechung (u. a. LSG NRW Beschluss vom 02.09.2009 – L 8 B 15/09 R).
Rechtskraft
Aus
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