Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 3378/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4989/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.10.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats sich verpflichtet hat, der Klägerin eine operative Verkleinerung des Stimmknorpels mit Stimmangleichung zu gewähren, war zwischen den Beteiligten allein noch streitig, ob die Klägerin die Kostenübernahme für eine Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich beanspruchen kann.
Die im Jahr 1988 anatomisch männlichen Geschlechts geborene Klägerin ist im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert. Sie gehört nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) dem weiblichen Geschlecht an. Im Jahr 2007 unterzog sich die Klägerin einem operativen Eingriff zur Geschlechtsumwandlung. Im Nachgang hierzu fanden bei der Klägerin zahlreiche Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung statt, darunter auch eine Epilationsbehandlung im Gesicht-, Hals-, Nabel- und Brustbereich sowie im Oberschenkelbereich (Rechnung Dr. P. vom 14.11.2007). Die Kosten in Höhe von 1.474,92 EUR wurden von der Beklagten übernommen.
Mit Schreiben vom 10.03.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine weitergehende Epilationsbehandlung an den Oberschenkeln und am Gesäß. Sie habe hier eine so starke Behaarung, wie es bei einer "normalen" Frau nicht vorkomme. Darunter leide sie sehr stark. Die Klägerin legte Bilder der betroffenen Körperbereiche vor. Ferner reichte sie ein Attest der Frauenärztin Dr. H. vom 23.09.2008 ein, die eine deutliche Hypertrichose im Oberschenkelbereich beschreibt und eine Laserbehandlung für medizinisch notwendig erachtet, sowie eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. N. vom 09.06.2008, der einen besonderen Leidensdruck der Klägerin durch die starke Behaarung im Bereich beider Oberschenkel und im Pobereich beschreibt. Zur Minderung des erheblichen psychischen Leidensdrucks werde die Kostenübernahme einer Epilationsbehandlung in diesem Bereich erbeten.
Die Beklagte holte hierzu eine ärztliche Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser teilte am 11.03.2009 mit, dass die beantragte Epilationsbehandlung im Bereich der Oberschenkel kosmetisch indiziert sei. Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 13.03.2009 mitgeteilt. Eine Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung wurde abgelehnt.
Mit Schreiben vom 16.03.2009 wies die Klägerin auf die aus ihrer Sicht erforderliche Notwendigkeit der Epilationsbehandlung hin. Es handele sich um keinen kosmetischen Eingriff, sondern vielmehr um eine notwendige Maßnahme zur Besserung ihrer psychischen Verfassung. Eine Frau mit derartiger Behaarung würde als missgebildet betrachtet werden. Die Klägerin legte erneute Bilder der betreffenden Körperstellen vor.
Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme beim MDK ein. Dieser gelangte am 25.03.2009 zu der Auffassung, dass die vorliegende Fotodokumentation eine gewisse Behaarung im Genital- und Oberschenkelbereich zeige, die kosmetisch einen allenfalls nicht völlig befriedigenden Status darstelle. Die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme der Epilation seien nicht erfüllt.
Mit Bescheid vom 26.03.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab. Grundsätzlich komme eine Epilationsbehandlung als geschlechtsangleichende Maßnahme wegen der besonderen Exponiertheit des Gesichtes und der Bedeutung für die soziale Akzeptanz nur für den Bereich der Barthaare in Betracht. Die vorgelegten Bilder zeigten zwar einen starken Haarwuchs in den betreffenden Körperbereichen, nach der Beurteilung durch den MDK sei die Epilationsbehandlung aber ein kosmetischer Eingriff.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2009 Widerspruch. Bei einer geschlechtsangleichenden Behandlung sei der gesamte Körper dem weiblichen Erscheinungsbild anzugleichen. Ihr sei es durch den Haarwuchs verwehrt, öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder aufzusuchen. Sie könne einen so starken Haarwuchs auch vor keinem Mann rechtfertigen, insoweit bleibe ihr die soziale Akzeptanz verwehrt. Die Klägerin legte ein Attest des Hautarztes Dr. B. vom 03.07.2009 vor, der angibt, bei der Klägerin sei von zurückwachsenden Haaren bei Hypertrichose im Bereich der unteren Extremitäten auszugehen. Es komme zu sekundären bakteriellen Begleitreaktionen sowie chronischen Entzündungsreaktionen. Eine dauerhafte Haarentfernung könne durch eine Laserepilation erzielt werden. Die Kosten hierfür würden sich auf ca. 3.000,- EUR belaufen. Die Internistin und Endokrinolgin Dr. P. teilte mit Schreiben vom 14.09.2009 mit, dass es zur Angleichung an das weibliche Geschlecht notwendig sei, eine Haarentfernung im Bereich der Ober- und Unterschenkel sowie des Gesäßes durchzuführen. Eine herkömmliche Haarrasur sei nicht möglich, da es dann zu intrakutanen Haarwucherungen komme. Nach dem Transsexuellengesetz stehe der Klägerin die Behandlung als geschlechtsangleichende Maßnahme zu. Die Klägerin legte weitere Bilder ihrer Ober- und Unterschenkel vor, die sie einige Stunden nach einer durchgeführten Rasur gefertigt habe. Es bildeten sich juckende und brennende rote Pusten, die sich auch entzünden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2009 wurde der Widerspruch bezüglich der Epilationsbehandlung durch die Beklagte unter Verweis auf die Begutachtungsanleitung für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen zurückgewiesen. Im Nachgang zur operativen Geschlechtsumwandlung habe die Beklagte die weiteren Behandlungskosten zur Epilation der Behaarung im Gesicht, am Hals, im Brustbereich sowie an den Oberschenkeln übernommen. Das Behandlungskonzept zur Geschlechtsumwandlung sehe Enthaarungsmaßnahmen zur Änderung der Behaarung im Gesichtsbereich, nicht aber im Gesäß- und Genitalbereich vor. Nach den gutachtlichen Feststellungen des MDK sei bei der Klägerin keine Behandlung erforderlich, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen wäre.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.10.2009 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen, mit der sie ihr Kostenübernahmebegehren auch in Bezug auf die beantragte Epilationsbehandlung weiterverfolgte. Diesbezüglich führte die Klägerin aus, dass es sich nicht nur um eine kosmetisch indizierte Maßnahme handele, sondern das starke Haarwachstum auch ihre psychische Gesundheit beeinträchtige. Da die Beine und das Gesäß immer noch eine männliche Behaarung aufweisen würden, habe sie ein Recht auf Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung. Auch nach dem Transsexuellengesetz stehe ihr eine Angleichung an das weibliche Geschlecht zu. Diese beschränke sich nicht auf die Veränderung der Genitalien. Selbst diese Kosten seien nicht vollständig getragen worden, da ihr nur die Krankenhauskosten erstattet worden seien, während sie die Operationskosten selbst habe tragen müssen. Sie sei auch mit einer Nadelepilationsbehandlung einverstanden und bestehe nicht auf einer Laserepilation.
Das Sozialgericht regte eine persönliche Begutachtung der Klägerin durch den MDK an. Der auf den 01.06.2010 bestimmte Termin wurde von der Klägerin nicht wahrgenommen. Sie nahm in einem Schreiben an die Beklagte vom 21.05.2010 dazu in der Weise Stellung, dass sie sich nach den bisher durchgeführten Begutachtungen nicht in der Lage sehe, eine weitere Begutachtung durchzustehen. Hierzu habe sie aufgrund des psychischen Leidensdruckes keine Kraft mehr. Sie könne allenfalls Bilder der betroffenen Körperregionen vorlegen.
Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. H. teilte mit Stellungnahme vom 14.06.2010 mit, dass sich die Klägerin zuletzt am 13.10.2009 in ihrer Behandlung befunden habe. Die Enthaarung des Brustkorbes sowie der Beine sei nicht adäquat möglich. Dr. N. teilte am 16.06.2010 mit, dass sich die Klägerin seit 2004 in seiner psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung befinde. Im Laufe der Behandlung sei es durch den Rollenwechsel, den Alltagstest, die Vornamensänderung, die genitalangleichenden Eingriffe sowie die durchgeführten Epilationen zu einer deutlichen psychischen Entlastung der Klägerin gekommen. Mittlerweile sei durch die noch ausstehenden geschlechtsangleichenden Maßnahmen vermehrt eine spürbar depressive und dysphorische Verstimmung zu verzeichnen. Eine Begutachtung durch einen mit der Thematik vertrauten Gutachter werde dringend empfohlen. Mit Schreiben vom 09.07.2010 gab der Hautarzt Dr. B. drei Behandlungstermine der Klägerin im Jahr 2009 und einen Termin aus dem Jahr 2010 an. An einem der Termine (22.06.2009) sei eine Hypertrichose, besonders an den Beinen, diagnostiziert worden. Eine Behandlung sei nicht erfolgt. In einer Stellungnahme vom 13.07.2010 gab die Internistin Dr. P. an, dass sich die Klägerin seit dem 09.01.2009 in ihrer Behandlung befinde. Neben Epilationen im Gesichts-, Hals- und Schambereich mit Lichttherapie sei eine Gesprächstherapie erfolgt. Bei der Klägerin bestehe eine depressive Reaktion, da sie von Kommilitonen immer wieder auf ihren Schildknorpel angesprochen werde. Außerdem habe sie eine sehr starke Behaarung an den Oberschenkeln und am Gesäß. Zur Angleichung an das endgültige Geschlecht sei eine Korrektur des Schildknorpels sowie eine dauerhafte Epilation mit Lichttherapie von Gesäß und Oberschenkeln angezeigt.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage durch den MDK. Dr. M.-W. gelangte in seinem Gutachten vom 30.07.2010 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin einen eher männlichen Behaarungstyp an beiden Beinen und am Gesäß aufweise. Bei der beantragten Epilationsbehandlung stehe aber der kosmetische Aspekt einer Optimierung des weiblichen Idealbildes im Vordergrund. Grundsätzlich sei bei behandlungsbedürftiger Transsexualität auch die Entfernung der männlichen Behaarung eine kurative Behandlung krankhaften Haarwuchses. Allerdings sei nicht jegliche mögliche Form der Geschlechtsangleichung an das weibliche Idealbild auch sinnvoll. Beispielsweise würde auch viele Frauen einen männlichen Behaarungstyp aufweisen und einen erheblichen Aufwand betreiben, sich an das weibliche Idealbild anzupassen. Die Haarentfernung an Beinen und Gesäß gelte grundsätzlich bei allen Frauen als kosmetische Anpassung an ein weibliches Idealbild, wobei auch das Problem der zurückwachsenden Haare und dadurch bedingter Entzündungen in diesen Fällen auftrete und alle Frauen damit umzugehen hätten. Das Gesicht und der Hals als Präsentationsflächen der Persönlichkeit seien bei der Klägerin bereits erfolgreich auf Kosten der Beklagten behandelt worden.
Das Sozialgericht regte nochmals eine persönliche Begutachtung der Klägerin durch den MDK an, da sich der Gutachter ein umfassendes Bild über die Körperbehaarung, die Ausbildung des Stimmknorpels im Hinblick auf die Beurteilung eines deutlich entstellenden Erscheinungsbildes sowie über die Stimmhöhe machen solle. Ein auf den 11.01.2011 bestimmter Termin wurde von der Klägerin erneut nicht wahrgenommen. Ausweislich der Stellungnahme des MDK vom 11.01.2011 sei die Mutter der Klägerin zu diesem Termin erschienen und habe die Problematik aus ihrer Sicht geschildert.
In einem sozialmedizinischen Gutachten vom 09.03.2011 nach Aktenlage unter Berücksichtigung weiteren von der Klägerin vorgelegten Bildmaterials kam Dr. M.-W. erneut zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein männlicher Behaarungstyp vorliege. Ungeachtet dessen sei die Anpassung an ein weibliches Idealbild nicht als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne anzusehen.
Die Klägerin legte ein weiteres Attest von Dr. N. vom 05.10.2011 vor, der angab, die Klägerin fühle sich nicht dazu in der Lage, an dem für sie als demütigend und konfrontativ erlebten Gerichtstermin teilzunehmen. Er halte es für nachvollziehbar, dass sich die Klägerin die Teilnahme an der Verhandlung mit der aversiv und feindselig besetzten gegnerischen Partei gegenwärtig nicht zutraue.
Mit Urteil vom 13.10.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab.
Die Klägerin habe weder für die Epilationsbehandlung noch die operative Verkleinerung des Stimmknorpels zur Stimmangleichung einen Anspruch auf Kostenübernahme. Nach § 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sei ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe. Regelwidrig sei ein Zustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweiche. Eine Krankenbehandlung sei hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden könnten (BSGE 35, 10; 39, 167; BSGE 26, 40). Das Sozialgericht nahm auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug und führte ergänzend aus, ein Anspruch auf die beantragte Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich sei von den entsprechenden Begutachtungsrichtlinien für geschlechtsangleichende Maßnahmen nicht vorgesehen. Grundsätzlich gehöre die Epilation der Barthaare wegen der besonderen Exponiertheit des Gesichts und der Bedeutung für die soziale Akzeptanz zu den geschlechtsangleichenden Maßnahmen. Ein männlicher Bartwuchs sei bei Mann zu Frau Transsexualität mit dem Erscheinungsbild wie auch der Geschlechterrolle nicht vereinbar und begründe daher die Indikation für eine entsprechende Epilationsbehandlung. Bei der Klägerin sei eine Epilation der Behaarung im Gesicht, am Hals, im Brustbereich sowie an den Oberschenkeln zu Lasten der Beklagten inzwischen erfolgt. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine Epilation im Gesäß und Oberschenkelbereich sei hingegen nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten Versicherte Krankenbehandlung wegen - der hier in Frage kommenden Annahme einer - Entstellung nur beanspruchen, wenn sie objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden würden, dass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet sei (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R). Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Die maßgeblichen körperlichen Präsentationsflächen in der Öffentlichkeit seien mittlerweile erfolgreich auf Kosten der Beklagten behandelt worden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung sei auch nicht wegen des bei der Klägerin vorliegenden psychischen Leidens sowie den damit einhergehenden körperlichen Begleiterkrankungen begründet. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dienten nicht der Verwirklichung eines als "ideal" oder als "angemessen" empfundenen äußeren Erscheinungsbildes. Das Gutachten vom 09.03.2011 weise zutreffend darauf hin, dass eine über das übliche Maß hinausgehende Behaarung bzw. Haardichte auch bei Frauen mit biologisch weiblichem Geschlecht vorliegen könne, die einen erheblichen kosmetischen und finanziellen Aufwand betreiben würden, um diesen Behaarungstyp an die weibliche Idealvorstellung anzupassen. Geschlechtsangleichende Operationen müssten einer transsexuellen Versicherten nicht generell, sondern nur bei entsprechend massiven Krankheitserscheinungen gewährt werden. Ihr stehe demnach nicht jegliche Art von geschlechtsangleichenden Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild zu. Maßgebend sei vielmehr, ob aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eingetreten sei. Soweit die äußeren Präsentationsflächen einer Frau betroffen seien, sei dieser Erfolg durch die auf Kosten der Beklagten durchgeführten Epilationsbehandlungen eingetreten.
Die Klägerin hat am 07.11.2011 gegen das ihr am 27.10.2011 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie halte es nicht für zutreffend, ihre Situation mit der einer gesunden Frau zu vergleichen. Ihr immenser Leidensdruck sei vom Sozialgericht nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie fühle sich diskriminiert und sei sozial isoliert, da ihr Aussehen nicht dem einer Frau entspreche. In der Öffentlichkeit leide sie unter Angstattacken. Sie habe ein Studium begonnen, dieses wegen der psychischen Belastungen aber nicht erfolgreich durchführen können und schließlich beendet, weil sie in den Kursen mehrfach "erkannt" worden sei. Wenn ihr vorgehalten werde, sie habe sich in den letzten zwei Jahren nur sieben Mal in psychotherapeutische Behandlung begeben, so müsse sie dem erneut entgegen halten, dass ihr keine Tabletten oder Gespräche helfen könnten, sondern nur Verbesserungen an ihrem Äußeren durch die notwendigen Behandlungsmaßnahmen, die man ihr zu Unrecht verweigere. Es bedürfe dazu auch keiner persönlichen Begutachtung, sie habe ihr Leiden bereits wiederholt ausführlich dargestellt.
Die Klägerin beantragt zuletzt noch,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.10.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2009 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr die Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und auf das Urteil des Sozialgerichts.
Am 25.09.2012 ging beim Senat ein nervenärztliches Attest von Dr. N. vom 17.09.2012 ein, demzufolge sich die psychische Situation der Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens verschlechtert habe. Ausschlaggebend sei der erhebliche subjektive Leidensdruck, der durch ein noch nicht optimal angepasstes äußeres Erscheinungsbild als Frau entstehe. Dieser werde auch dadurch sichtbar, dass die Klägerin sich nicht mehr dazu in der Lage sehe, ihr Studium fortzusetzen oder einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet.
Nachdem die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung des Senats bereit erklärt hat, der Klägerin eine operative Verkleinerung des Stimmknorpels mit Stimmangleichung zu gewähren, war Gegenstand des Berufungsverfahrens allein noch die Frage, ob die Beklagte der Klägerin eine Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich als weitergehende geschlechtsangleichende Maßnahme zu gewähren hat. Die Beklagte hat dies zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
1.) Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, einem behandlungsbedürftigen Transsexualismus.
2.) Das Bundessozialgericht - BSG - hat in seinen zuletzt zur Krankenbehandlung bei Mann-zu-Frau Transsexualität ergangenen Urteilen vom 11.09.2010 (B 1 KR 3/12 R, B 1 KR 9/12 R und B 1 KR 11/12 R, jeweils in Juris) Transsexualismus als eine seltene, behandlungsbedürftige psychische Erkrankung beschrieben, für die sich aus der Schaffung des Transsexuellengesetzes ergibt, dass dieser Befund eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung erfordert. Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung bei Transsexualismus ist weit gefächert und reicht von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung.
Die Transsexualität hat als psychische Störung in der Rechtsordnung durch das "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG)" vom 10.09.1980 eine Sonderstellung erhalten. Unter den Vo-raussetzungen des § 1 TSG wird einem Transsexuellen die Möglichkeit gegeben, seinen Vornamen in einen solchen ändern zu lassen, der dem seiner transsexuellen Prägung entspricht (sogenannte "kleine Lösung”). Demgegenüber sieht die sogenannte "große Lösung” unter den Voraussetzungen des § 8 TSG eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit vor. Hierzu wurden gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG u. a. eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit sowie ein, die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff vorausgesetzt, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht wurde. Mit diesen Regelungen wurde namens- und personenstandsrechtlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1978 (- 1 BvR 16/72 -, veröffentlicht in Juris) reagiert (vgl. BT-Drucks. 8/2927), der der damalige medizinische Erkenntnisstand zugrundelag. Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in den 1960er Jahren war die Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert worden. Daraus wurde die Auffassung abgeleitet, alle Transsexuellen würden nach einer geschlechtsanpassenden Operation streben, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris).
Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, der Transsexuelle begnüge sich nicht wie der Transvestit mit dem Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts; er fühle sich dem anderen Geschlecht ganz und gar zugehörig. Seine Geschlechtsorgane und -merkmale, die nicht zu dem erfühlten Geschlecht passten, empfinde er - im Gegensatz zum Homosexuellen, Transvestiten und Fetischisten - als Irrtum der Natur. Er sei daher mit allen Mitteln bestrebt, diesen Irrtum zu korrigieren, und versuche mit größter Zielstrebigkeit, seinen Wunsch nach vollkommener Geschlechtsumwandlung durchzusetzen und schrecke dabei nicht vor den gefährlichsten und schmerzhaftesten Selbstverstümmelungen zurück, wenn er auf andere Weise mit seinen Bestrebungen nicht durchdringe (unter Berufung auf: Nevinny-Stickel und Hammerstein, NJW 1967, S. 663 [665]). Das BVerfG, das damals auch noch davon ausging, dass der männliche Transsexuelle den homosexuellen Mann ablehne und ausdrücklich den heterosexuell orientierten Partner suche, legte in dieser Entscheidung weiter dar, dass nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen Versuche, Transsexuelle in ihrer psychosexuellen Grundstruktur durch Psychotherapie oder Hormonbehandlung umzustimmen, bisher gescheitert seien. Die einzig sinnvolle und hilfreiche therapeutische Maßnahme bestehe nach Ansicht der Wissenschaftler darin, den Körper des Transsexuellen der erlebten Geschlechtsidentität soweit wie möglich anzupassen. Nur so könne die Gefahr von Selbstverstümmelung und Selbstmord, die bei Transsexuellen immer gegeben sei, abgewehrt werden.
Die Sonderstellung des Transsexualismus ist auch nach dem Beschluss des BVerfG (a.a.O.) weiterhin gerechtfertigt. In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, dass zwischen 20 % und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf Vornamensänderung stellten, in Deutschland dauerhaft in der "kleinen Lösung" ohne Operation verblieben und dementsprechend individuelle therapeutische Lösungen als erforderlich erachtet würden, die von einem Leben im anderen Geschlecht ganz ohne somatische Maßnahmen, über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen könnten. Auf der Grundlage dieses geänderten Erkenntnisstandes hat es festgestellt, dass es gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstößt, dass ein homosexueller Transsexueller nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen kann, wenn sein empfundenes und nicht sein anatomisches Geschlecht Personenstandsmerkmal ist, was gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG einen seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff sowie dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit voraussetzt. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sind § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG unanwendbar und damit keine operativen Angleichungen für die Änderung des Personenstands mehr erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2011 - 1 BvR 2027/11 -, veröffentlicht in Juris).
Die Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG aus den dargestellten Gründen berührt nach Ansicht des Senats aber nicht die grundsätzliche Sonderstellung Transsexueller. Sie beruht insbesondere nicht auf der Annahme, dass die Erfolgsaussichten geschlechtsangleichender Operationen aufgrund der der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2011 zugrunde liegenden neueren medizinischen Erkenntnissen ebenso ungewiss sind, wie dies bei körperlichen Anpassungen aufgrund anderer psychischer Leiden angenommen wird. Vielmehr geht auch das BVerfG weiterhin davon aus, dass vielen Transsexuellen eine geschlechtsanpassende Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks verschafft (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011. a.a.O. m.w.N.).
Das BSG hält es in Anknüpfung an die Entscheidung des BVerfG zwar für unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derart risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BSG, Urteile vom 11.09.2012, a.a.O.). Es sieht die entsprechenden operativen Eingriffe dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen nicht als Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz an und hält bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts als eine gebotene medizinische Maßnahme nach wie vor für möglich.
3.) Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung zwar dem Grunde nach zu. Bei ihr wurden in den Jahren 2007 bis 2008 bereits drei geschlechtsangleichende Operationen zur Anpassung der biologisch männlichen an die weiblichen Genitalien durchgeführt. Eine hormonelle Behandlung schloss sich ebenso wie eine erste Epilationsbehandlung an. Streitentscheidend ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob sich der Anspruch der Klägerin auf geschlechtsangleichende Behandlung auch auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte weitergehende Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich sowie auf die operative Verkleinerung des Stimmknorpels zur Stimmangleichung erstreckt. Dies ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.
Das BSG hat hierzu in seinen jüngsten Entscheidungen vom 11.09.2012 (a.a.O.) ausgeführt, dass die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG eingegrenzt werden kann. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs. 1 S 2 Nr. 2 Buchst i SGB V i.d.F. des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen. Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (BSG, Urteile vom 11.09.2012, a.a.O., anknüpfend an BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 RdNr. 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, RdNr. 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.09.2012, a.a.O.) schließt es dieser Ausgangspunkt aber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt. Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Das BSG hat in den jüngst entschiedenen Fällen betreffend operative Maßnahmen zur Brustvergrößerung eine solche Grenze bei Erreichen der Größe A nach DIN EN 13402 für die konfektionierte Damenoberbekleidung angenommen, da das so erreichte körperliche Erscheinungsbild sich in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich bewegt. Die Grenze trägt, so das BSG, auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (Urteile vom 11.09.2012, a.a.O. unter Verweis auf BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).
4.) Der Anspruch der Klägerin auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen umfasst danach nicht die begehrte weitere Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich.
Der Senat ist - wie bereits zuvor das Sozialgericht - der Überzeugung, dass die begehrte weitergehende Epilationsbehandlung keine Krankenbehandlung zur Angleichung an das weibliche Erscheinungsbild darstellt, sondern in den Bereich ästhetisch-kosmetischer Korrektur fällt, für den die Versichertengemeinschaft nicht aufkommen muss. Anders als bei der Ausbildung einer Brust, die bei dem vom BSG zugrunde gelegten Umfang (Größe A nach DIN EN 13402 für die konfektionierte Damenoberbekleidung) eine eindeutige geschlechtliche Zuordnung ermöglicht, tritt bei der großen Vielzahl der Phänotypen bei Männern und Frauen Behaarung in unterschiedlichsten Ausprägungsformen auf. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des MDK in dem im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten vom 09.03.2011, dass zwar bei der Klägerin eine Beinbehaarung in Form einer Hypertrichose (familiär oder ethnisch bedingte verstärkte Körperbehaarung bei Frauen) an der Grenze zum Hirsutismus (überwiegend männlicher Behaarungstyp) vorliegt, der aber auch bei Frauen mit biologisch weiblichem Geschlecht in gleicher Weise auftritt. Eine ebenso eindeutige geschlechtliche Zuordnung wie anhand des Geschlechtsmerkmals der Brustgröße ist aufgrund der Behaarung nicht möglich. Dementsprechend gehört nach der "Begutachtungsanleitung Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität" vom 19.05.2009 des MDS vom GKV-Spitzenverband in Ziff. 2.4.2 nur für die Epilationsbehandlung zur Änderung der Gesichtsbehaarung zu den operativen geschlechtsangleichenden Maßnahmen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen unterliegen. Die Epilation von nicht zu den Präsentationsflächen der Persönlichkeit gehörenden weiteren Körperbereichen ist deshalb ausgenommen. Diese Differenzierung beruht nicht primär auf der Annahme einer Entstellung durch verstärkte Behaarung, sondern vielmehr auf der Annahme, dass die Beseitigung von als störend empfundener Behaarung außerhalb der Präsentationsflächen des Körpers generell dem Bereich der kosmetischen Körperpflege zugeordnet ist. Hierfür hat die transsexuelle Versicherte wie jede andere biologisch als Frau geborene Versicherte sowie jeder männliche Versicherte selbst zu sorgen und die nach dem jeweils angestrebten Idealbild erforderlichen Maßnahmen, die sich in ihrem Umfang erheblich unterscheiden dürften, auf eigene Kosten durchzuführen. Das BSG hat auch in seinen neueren Entscheidung zur Krankenbehandlung des Transsexualismus ausdrücklich festgehalten, dass diese Krankenbehandlung aus Gründen der Gleichbehandlung einer Grenzziehung bedarf, um den transsexuellen Versicherten nicht einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugangs zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vorneherein versperrt ist (Urteile vom 11.09.2012 a.a.O.).
Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, die Geschlechtsangleichung erfordere die Epilation auch des Gesäß- und Oberschenkelbereichs deshalb, weil ansonsten beim Entkleiden in der Öffentlichkeit, etwa im Schwimmbad, die Körperbehaarung zum Vorschein komme und sie deshalb nicht als Frau wahrgenommen werde, so greift dieser Einwand nicht durch. Auch das Vorliegen einer Krankheit verpflichtet die Krankenkasse nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB V lediglich zur "notwendigen" Behandlung und nicht dazu, jede vom Versicherten gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustands zu gewähren (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 28/02 R - in Juris). Wie etwa auch beim Behinderungsausgleich bestimmt sich die Notwendigkeit einer Leistung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten nach ihrem Zweck auf den Ausgleich von Funktionsausfällen oder von Auswirkungen im Rahmen eines elementaren Lebensbedürfnisses. Allgemeine gesellschaftliche, berufliche oder private Nachteile werden nicht erfasst (Höfler in Kassler Kommentar, § 12 SGB V, RdNr. 39 m.w.N.). Nach Auffassung des Senates zählt es nicht zu den elementaren Lebensbedürfnissen, in der Öffentlichkeit einen als makellos empfundenen Körper zu präsentieren. Vielmehr ist es jedem Versicherten, der seinen Körper außerhalb der Präsentationsflächen - aus welchen Gründen auch immer - als nicht vorzeigbar empfindet, zumutbar, dem durch entsprechende Bekleidung in der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, ohne dass dadurch die Teilhabe an der Gesellschaft in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt wäre. Der Senat sieht insoweit keine Veranlassung, im Hinblick auf die Bedürfnisse transsexueller Versicherter einen anderen Maßstab anzulegen. Auch sie haben keinen Anspruch auf einen optimalen Ausgleich des äußeren Erscheinungsbildes, sondern sind bei verbleibenden Unzulänglichkeiten der körperlichen Angleichung an das andere Geschlecht, die sich auf den kosmetisch-ästhetischen Bereich beschränken, auf die Eigenvorsorge zu verweisen.
Aus diesem Grund war die Berufung hinsichtlich der beanspruchten Epilationsbehandlung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie betrifft allein die Kosten des geltend gemachten Anspruchs auf Epilationsbehandlung. Die Kosten der Stimmknorpeloperation hat die Beklagte im gerichtlichen Vergleich vom 23.01.2013 übernommen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Senats sich verpflichtet hat, der Klägerin eine operative Verkleinerung des Stimmknorpels mit Stimmangleichung zu gewähren, war zwischen den Beteiligten allein noch streitig, ob die Klägerin die Kostenübernahme für eine Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich beanspruchen kann.
Die im Jahr 1988 anatomisch männlichen Geschlechts geborene Klägerin ist im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert. Sie gehört nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) dem weiblichen Geschlecht an. Im Jahr 2007 unterzog sich die Klägerin einem operativen Eingriff zur Geschlechtsumwandlung. Im Nachgang hierzu fanden bei der Klägerin zahlreiche Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung statt, darunter auch eine Epilationsbehandlung im Gesicht-, Hals-, Nabel- und Brustbereich sowie im Oberschenkelbereich (Rechnung Dr. P. vom 14.11.2007). Die Kosten in Höhe von 1.474,92 EUR wurden von der Beklagten übernommen.
Mit Schreiben vom 10.03.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine weitergehende Epilationsbehandlung an den Oberschenkeln und am Gesäß. Sie habe hier eine so starke Behaarung, wie es bei einer "normalen" Frau nicht vorkomme. Darunter leide sie sehr stark. Die Klägerin legte Bilder der betroffenen Körperbereiche vor. Ferner reichte sie ein Attest der Frauenärztin Dr. H. vom 23.09.2008 ein, die eine deutliche Hypertrichose im Oberschenkelbereich beschreibt und eine Laserbehandlung für medizinisch notwendig erachtet, sowie eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. N. vom 09.06.2008, der einen besonderen Leidensdruck der Klägerin durch die starke Behaarung im Bereich beider Oberschenkel und im Pobereich beschreibt. Zur Minderung des erheblichen psychischen Leidensdrucks werde die Kostenübernahme einer Epilationsbehandlung in diesem Bereich erbeten.
Die Beklagte holte hierzu eine ärztliche Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser teilte am 11.03.2009 mit, dass die beantragte Epilationsbehandlung im Bereich der Oberschenkel kosmetisch indiziert sei. Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 13.03.2009 mitgeteilt. Eine Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung wurde abgelehnt.
Mit Schreiben vom 16.03.2009 wies die Klägerin auf die aus ihrer Sicht erforderliche Notwendigkeit der Epilationsbehandlung hin. Es handele sich um keinen kosmetischen Eingriff, sondern vielmehr um eine notwendige Maßnahme zur Besserung ihrer psychischen Verfassung. Eine Frau mit derartiger Behaarung würde als missgebildet betrachtet werden. Die Klägerin legte erneute Bilder der betreffenden Körperstellen vor.
Die Beklagte holte eine erneute Stellungnahme beim MDK ein. Dieser gelangte am 25.03.2009 zu der Auffassung, dass die vorliegende Fotodokumentation eine gewisse Behaarung im Genital- und Oberschenkelbereich zeige, die kosmetisch einen allenfalls nicht völlig befriedigenden Status darstelle. Die sozialmedizinischen Voraussetzungen für die Kostenübernahme der Epilation seien nicht erfüllt.
Mit Bescheid vom 26.03.2009 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab. Grundsätzlich komme eine Epilationsbehandlung als geschlechtsangleichende Maßnahme wegen der besonderen Exponiertheit des Gesichtes und der Bedeutung für die soziale Akzeptanz nur für den Bereich der Barthaare in Betracht. Die vorgelegten Bilder zeigten zwar einen starken Haarwuchs in den betreffenden Körperbereichen, nach der Beurteilung durch den MDK sei die Epilationsbehandlung aber ein kosmetischer Eingriff.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 30.03.2009 Widerspruch. Bei einer geschlechtsangleichenden Behandlung sei der gesamte Körper dem weiblichen Erscheinungsbild anzugleichen. Ihr sei es durch den Haarwuchs verwehrt, öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder aufzusuchen. Sie könne einen so starken Haarwuchs auch vor keinem Mann rechtfertigen, insoweit bleibe ihr die soziale Akzeptanz verwehrt. Die Klägerin legte ein Attest des Hautarztes Dr. B. vom 03.07.2009 vor, der angibt, bei der Klägerin sei von zurückwachsenden Haaren bei Hypertrichose im Bereich der unteren Extremitäten auszugehen. Es komme zu sekundären bakteriellen Begleitreaktionen sowie chronischen Entzündungsreaktionen. Eine dauerhafte Haarentfernung könne durch eine Laserepilation erzielt werden. Die Kosten hierfür würden sich auf ca. 3.000,- EUR belaufen. Die Internistin und Endokrinolgin Dr. P. teilte mit Schreiben vom 14.09.2009 mit, dass es zur Angleichung an das weibliche Geschlecht notwendig sei, eine Haarentfernung im Bereich der Ober- und Unterschenkel sowie des Gesäßes durchzuführen. Eine herkömmliche Haarrasur sei nicht möglich, da es dann zu intrakutanen Haarwucherungen komme. Nach dem Transsexuellengesetz stehe der Klägerin die Behandlung als geschlechtsangleichende Maßnahme zu. Die Klägerin legte weitere Bilder ihrer Ober- und Unterschenkel vor, die sie einige Stunden nach einer durchgeführten Rasur gefertigt habe. Es bildeten sich juckende und brennende rote Pusten, die sich auch entzünden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2009 wurde der Widerspruch bezüglich der Epilationsbehandlung durch die Beklagte unter Verweis auf die Begutachtungsanleitung für geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Krankenkassen zurückgewiesen. Im Nachgang zur operativen Geschlechtsumwandlung habe die Beklagte die weiteren Behandlungskosten zur Epilation der Behaarung im Gesicht, am Hals, im Brustbereich sowie an den Oberschenkeln übernommen. Das Behandlungskonzept zur Geschlechtsumwandlung sehe Enthaarungsmaßnahmen zur Änderung der Behaarung im Gesichtsbereich, nicht aber im Gesäß- und Genitalbereich vor. Nach den gutachtlichen Feststellungen des MDK sei bei der Klägerin keine Behandlung erforderlich, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen wäre.
Dagegen erhob die Klägerin am 16.10.2009 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen, mit der sie ihr Kostenübernahmebegehren auch in Bezug auf die beantragte Epilationsbehandlung weiterverfolgte. Diesbezüglich führte die Klägerin aus, dass es sich nicht nur um eine kosmetisch indizierte Maßnahme handele, sondern das starke Haarwachstum auch ihre psychische Gesundheit beeinträchtige. Da die Beine und das Gesäß immer noch eine männliche Behaarung aufweisen würden, habe sie ein Recht auf Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung. Auch nach dem Transsexuellengesetz stehe ihr eine Angleichung an das weibliche Geschlecht zu. Diese beschränke sich nicht auf die Veränderung der Genitalien. Selbst diese Kosten seien nicht vollständig getragen worden, da ihr nur die Krankenhauskosten erstattet worden seien, während sie die Operationskosten selbst habe tragen müssen. Sie sei auch mit einer Nadelepilationsbehandlung einverstanden und bestehe nicht auf einer Laserepilation.
Das Sozialgericht regte eine persönliche Begutachtung der Klägerin durch den MDK an. Der auf den 01.06.2010 bestimmte Termin wurde von der Klägerin nicht wahrgenommen. Sie nahm in einem Schreiben an die Beklagte vom 21.05.2010 dazu in der Weise Stellung, dass sie sich nach den bisher durchgeführten Begutachtungen nicht in der Lage sehe, eine weitere Begutachtung durchzustehen. Hierzu habe sie aufgrund des psychischen Leidensdruckes keine Kraft mehr. Sie könne allenfalls Bilder der betroffenen Körperregionen vorlegen.
Das Sozialgericht befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.
Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. H. teilte mit Stellungnahme vom 14.06.2010 mit, dass sich die Klägerin zuletzt am 13.10.2009 in ihrer Behandlung befunden habe. Die Enthaarung des Brustkorbes sowie der Beine sei nicht adäquat möglich. Dr. N. teilte am 16.06.2010 mit, dass sich die Klägerin seit 2004 in seiner psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung befinde. Im Laufe der Behandlung sei es durch den Rollenwechsel, den Alltagstest, die Vornamensänderung, die genitalangleichenden Eingriffe sowie die durchgeführten Epilationen zu einer deutlichen psychischen Entlastung der Klägerin gekommen. Mittlerweile sei durch die noch ausstehenden geschlechtsangleichenden Maßnahmen vermehrt eine spürbar depressive und dysphorische Verstimmung zu verzeichnen. Eine Begutachtung durch einen mit der Thematik vertrauten Gutachter werde dringend empfohlen. Mit Schreiben vom 09.07.2010 gab der Hautarzt Dr. B. drei Behandlungstermine der Klägerin im Jahr 2009 und einen Termin aus dem Jahr 2010 an. An einem der Termine (22.06.2009) sei eine Hypertrichose, besonders an den Beinen, diagnostiziert worden. Eine Behandlung sei nicht erfolgt. In einer Stellungnahme vom 13.07.2010 gab die Internistin Dr. P. an, dass sich die Klägerin seit dem 09.01.2009 in ihrer Behandlung befinde. Neben Epilationen im Gesichts-, Hals- und Schambereich mit Lichttherapie sei eine Gesprächstherapie erfolgt. Bei der Klägerin bestehe eine depressive Reaktion, da sie von Kommilitonen immer wieder auf ihren Schildknorpel angesprochen werde. Außerdem habe sie eine sehr starke Behaarung an den Oberschenkeln und am Gesäß. Zur Angleichung an das endgültige Geschlecht sei eine Korrektur des Schildknorpels sowie eine dauerhafte Epilation mit Lichttherapie von Gesäß und Oberschenkeln angezeigt.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage durch den MDK. Dr. M.-W. gelangte in seinem Gutachten vom 30.07.2010 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin einen eher männlichen Behaarungstyp an beiden Beinen und am Gesäß aufweise. Bei der beantragten Epilationsbehandlung stehe aber der kosmetische Aspekt einer Optimierung des weiblichen Idealbildes im Vordergrund. Grundsätzlich sei bei behandlungsbedürftiger Transsexualität auch die Entfernung der männlichen Behaarung eine kurative Behandlung krankhaften Haarwuchses. Allerdings sei nicht jegliche mögliche Form der Geschlechtsangleichung an das weibliche Idealbild auch sinnvoll. Beispielsweise würde auch viele Frauen einen männlichen Behaarungstyp aufweisen und einen erheblichen Aufwand betreiben, sich an das weibliche Idealbild anzupassen. Die Haarentfernung an Beinen und Gesäß gelte grundsätzlich bei allen Frauen als kosmetische Anpassung an ein weibliches Idealbild, wobei auch das Problem der zurückwachsenden Haare und dadurch bedingter Entzündungen in diesen Fällen auftrete und alle Frauen damit umzugehen hätten. Das Gesicht und der Hals als Präsentationsflächen der Persönlichkeit seien bei der Klägerin bereits erfolgreich auf Kosten der Beklagten behandelt worden.
Das Sozialgericht regte nochmals eine persönliche Begutachtung der Klägerin durch den MDK an, da sich der Gutachter ein umfassendes Bild über die Körperbehaarung, die Ausbildung des Stimmknorpels im Hinblick auf die Beurteilung eines deutlich entstellenden Erscheinungsbildes sowie über die Stimmhöhe machen solle. Ein auf den 11.01.2011 bestimmter Termin wurde von der Klägerin erneut nicht wahrgenommen. Ausweislich der Stellungnahme des MDK vom 11.01.2011 sei die Mutter der Klägerin zu diesem Termin erschienen und habe die Problematik aus ihrer Sicht geschildert.
In einem sozialmedizinischen Gutachten vom 09.03.2011 nach Aktenlage unter Berücksichtigung weiteren von der Klägerin vorgelegten Bildmaterials kam Dr. M.-W. erneut zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein männlicher Behaarungstyp vorliege. Ungeachtet dessen sei die Anpassung an ein weibliches Idealbild nicht als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne anzusehen.
Die Klägerin legte ein weiteres Attest von Dr. N. vom 05.10.2011 vor, der angab, die Klägerin fühle sich nicht dazu in der Lage, an dem für sie als demütigend und konfrontativ erlebten Gerichtstermin teilzunehmen. Er halte es für nachvollziehbar, dass sich die Klägerin die Teilnahme an der Verhandlung mit der aversiv und feindselig besetzten gegnerischen Partei gegenwärtig nicht zutraue.
Mit Urteil vom 13.10.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab.
Die Klägerin habe weder für die Epilationsbehandlung noch die operative Verkleinerung des Stimmknorpels zur Stimmangleichung einen Anspruch auf Kostenübernahme. Nach § 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sei ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge habe. Regelwidrig sei ein Zustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweiche. Eine Krankenbehandlung sei hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden könnten (BSGE 35, 10; 39, 167; BSGE 26, 40). Das Sozialgericht nahm auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug und führte ergänzend aus, ein Anspruch auf die beantragte Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich sei von den entsprechenden Begutachtungsrichtlinien für geschlechtsangleichende Maßnahmen nicht vorgesehen. Grundsätzlich gehöre die Epilation der Barthaare wegen der besonderen Exponiertheit des Gesichts und der Bedeutung für die soziale Akzeptanz zu den geschlechtsangleichenden Maßnahmen. Ein männlicher Bartwuchs sei bei Mann zu Frau Transsexualität mit dem Erscheinungsbild wie auch der Geschlechterrolle nicht vereinbar und begründe daher die Indikation für eine entsprechende Epilationsbehandlung. Bei der Klägerin sei eine Epilation der Behaarung im Gesicht, am Hals, im Brustbereich sowie an den Oberschenkeln zu Lasten der Beklagten inzwischen erfolgt. Ein Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine Epilation im Gesäß und Oberschenkelbereich sei hingegen nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten Versicherte Krankenbehandlung wegen - der hier in Frage kommenden Annahme einer - Entstellung nur beanspruchen, wenn sie objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden würden, dass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet sei (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R). Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Die maßgeblichen körperlichen Präsentationsflächen in der Öffentlichkeit seien mittlerweile erfolgreich auf Kosten der Beklagten behandelt worden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme für die Epilationsbehandlung sei auch nicht wegen des bei der Klägerin vorliegenden psychischen Leidens sowie den damit einhergehenden körperlichen Begleiterkrankungen begründet. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dienten nicht der Verwirklichung eines als "ideal" oder als "angemessen" empfundenen äußeren Erscheinungsbildes. Das Gutachten vom 09.03.2011 weise zutreffend darauf hin, dass eine über das übliche Maß hinausgehende Behaarung bzw. Haardichte auch bei Frauen mit biologisch weiblichem Geschlecht vorliegen könne, die einen erheblichen kosmetischen und finanziellen Aufwand betreiben würden, um diesen Behaarungstyp an die weibliche Idealvorstellung anzupassen. Geschlechtsangleichende Operationen müssten einer transsexuellen Versicherten nicht generell, sondern nur bei entsprechend massiven Krankheitserscheinungen gewährt werden. Ihr stehe demnach nicht jegliche Art von geschlechtsangleichenden Maßnahmen im Sinne einer möglichst großen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild zu. Maßgebend sei vielmehr, ob aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eingetreten sei. Soweit die äußeren Präsentationsflächen einer Frau betroffen seien, sei dieser Erfolg durch die auf Kosten der Beklagten durchgeführten Epilationsbehandlungen eingetreten.
Die Klägerin hat am 07.11.2011 gegen das ihr am 27.10.2011 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie halte es nicht für zutreffend, ihre Situation mit der einer gesunden Frau zu vergleichen. Ihr immenser Leidensdruck sei vom Sozialgericht nicht ausreichend gewürdigt worden. Sie fühle sich diskriminiert und sei sozial isoliert, da ihr Aussehen nicht dem einer Frau entspreche. In der Öffentlichkeit leide sie unter Angstattacken. Sie habe ein Studium begonnen, dieses wegen der psychischen Belastungen aber nicht erfolgreich durchführen können und schließlich beendet, weil sie in den Kursen mehrfach "erkannt" worden sei. Wenn ihr vorgehalten werde, sie habe sich in den letzten zwei Jahren nur sieben Mal in psychotherapeutische Behandlung begeben, so müsse sie dem erneut entgegen halten, dass ihr keine Tabletten oder Gespräche helfen könnten, sondern nur Verbesserungen an ihrem Äußeren durch die notwendigen Behandlungsmaßnahmen, die man ihr zu Unrecht verweigere. Es bedürfe dazu auch keiner persönlichen Begutachtung, sie habe ihr Leiden bereits wiederholt ausführlich dargestellt.
Die Klägerin beantragt zuletzt noch,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.10.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2009 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr die Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und auf das Urteil des Sozialgerichts.
Am 25.09.2012 ging beim Senat ein nervenärztliches Attest von Dr. N. vom 17.09.2012 ein, demzufolge sich die psychische Situation der Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens verschlechtert habe. Ausschlaggebend sei der erhebliche subjektive Leidensdruck, der durch ein noch nicht optimal angepasstes äußeres Erscheinungsbild als Frau entstehe. Dieser werde auch dadurch sichtbar, dass die Klägerin sich nicht mehr dazu in der Lage sehe, ihr Studium fortzusetzen oder einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet.
Nachdem die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung des Senats bereit erklärt hat, der Klägerin eine operative Verkleinerung des Stimmknorpels mit Stimmangleichung zu gewähren, war Gegenstand des Berufungsverfahrens allein noch die Frage, ob die Beklagte der Klägerin eine Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich als weitergehende geschlechtsangleichende Maßnahme zu gewähren hat. Die Beklagte hat dies zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
1.) Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, einem behandlungsbedürftigen Transsexualismus.
2.) Das Bundessozialgericht - BSG - hat in seinen zuletzt zur Krankenbehandlung bei Mann-zu-Frau Transsexualität ergangenen Urteilen vom 11.09.2010 (B 1 KR 3/12 R, B 1 KR 9/12 R und B 1 KR 11/12 R, jeweils in Juris) Transsexualismus als eine seltene, behandlungsbedürftige psychische Erkrankung beschrieben, für die sich aus der Schaffung des Transsexuellengesetzes ergibt, dass dieser Befund eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung erfordert. Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung bei Transsexualismus ist weit gefächert und reicht von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung.
Die Transsexualität hat als psychische Störung in der Rechtsordnung durch das "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz - TSG)" vom 10.09.1980 eine Sonderstellung erhalten. Unter den Vo-raussetzungen des § 1 TSG wird einem Transsexuellen die Möglichkeit gegeben, seinen Vornamen in einen solchen ändern zu lassen, der dem seiner transsexuellen Prägung entspricht (sogenannte "kleine Lösung”). Demgegenüber sieht die sogenannte "große Lösung” unter den Voraussetzungen des § 8 TSG eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit vor. Hierzu wurden gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG u. a. eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit sowie ein, die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff vorausgesetzt, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht wurde. Mit diesen Regelungen wurde namens- und personenstandsrechtlich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.10.1978 (- 1 BvR 16/72 -, veröffentlicht in Juris) reagiert (vgl. BT-Drucks. 8/2927), der der damalige medizinische Erkenntnisstand zugrundelag. Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in den 1960er Jahren war die Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert worden. Daraus wurde die Auffassung abgeleitet, alle Transsexuellen würden nach einer geschlechtsanpassenden Operation streben, (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011 - 1 BvR 3295/07 -, veröffentlicht in Juris).
Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, der Transsexuelle begnüge sich nicht wie der Transvestit mit dem Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts; er fühle sich dem anderen Geschlecht ganz und gar zugehörig. Seine Geschlechtsorgane und -merkmale, die nicht zu dem erfühlten Geschlecht passten, empfinde er - im Gegensatz zum Homosexuellen, Transvestiten und Fetischisten - als Irrtum der Natur. Er sei daher mit allen Mitteln bestrebt, diesen Irrtum zu korrigieren, und versuche mit größter Zielstrebigkeit, seinen Wunsch nach vollkommener Geschlechtsumwandlung durchzusetzen und schrecke dabei nicht vor den gefährlichsten und schmerzhaftesten Selbstverstümmelungen zurück, wenn er auf andere Weise mit seinen Bestrebungen nicht durchdringe (unter Berufung auf: Nevinny-Stickel und Hammerstein, NJW 1967, S. 663 [665]). Das BVerfG, das damals auch noch davon ausging, dass der männliche Transsexuelle den homosexuellen Mann ablehne und ausdrücklich den heterosexuell orientierten Partner suche, legte in dieser Entscheidung weiter dar, dass nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen Versuche, Transsexuelle in ihrer psychosexuellen Grundstruktur durch Psychotherapie oder Hormonbehandlung umzustimmen, bisher gescheitert seien. Die einzig sinnvolle und hilfreiche therapeutische Maßnahme bestehe nach Ansicht der Wissenschaftler darin, den Körper des Transsexuellen der erlebten Geschlechtsidentität soweit wie möglich anzupassen. Nur so könne die Gefahr von Selbstverstümmelung und Selbstmord, die bei Transsexuellen immer gegeben sei, abgewehrt werden.
Die Sonderstellung des Transsexualismus ist auch nach dem Beschluss des BVerfG (a.a.O.) weiterhin gerechtfertigt. In diesem Beschluss hat das BVerfG ausgeführt, dass zwischen 20 % und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf Vornamensänderung stellten, in Deutschland dauerhaft in der "kleinen Lösung" ohne Operation verblieben und dementsprechend individuelle therapeutische Lösungen als erforderlich erachtet würden, die von einem Leben im anderen Geschlecht ganz ohne somatische Maßnahmen, über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen könnten. Auf der Grundlage dieses geänderten Erkenntnisstandes hat es festgestellt, dass es gegen Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstößt, dass ein homosexueller Transsexueller nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen kann, wenn sein empfundenes und nicht sein anatomisches Geschlecht Personenstandsmerkmal ist, was gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG einen seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff sowie dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit voraussetzt. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sind § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG unanwendbar und damit keine operativen Angleichungen für die Änderung des Personenstands mehr erforderlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.2011 - 1 BvR 2027/11 -, veröffentlicht in Juris).
Die Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG aus den dargestellten Gründen berührt nach Ansicht des Senats aber nicht die grundsätzliche Sonderstellung Transsexueller. Sie beruht insbesondere nicht auf der Annahme, dass die Erfolgsaussichten geschlechtsangleichender Operationen aufgrund der der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2011 zugrunde liegenden neueren medizinischen Erkenntnissen ebenso ungewiss sind, wie dies bei körperlichen Anpassungen aufgrund anderer psychischer Leiden angenommen wird. Vielmehr geht auch das BVerfG weiterhin davon aus, dass vielen Transsexuellen eine geschlechtsanpassende Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks verschafft (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2011. a.a.O. m.w.N.).
Das BSG hält es in Anknüpfung an die Entscheidung des BVerfG zwar für unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derart risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BSG, Urteile vom 11.09.2012, a.a.O.). Es sieht die entsprechenden operativen Eingriffe dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen nicht als Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz an und hält bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts als eine gebotene medizinische Maßnahme nach wie vor für möglich.
3.) Davon ausgehend steht der Klägerin ein Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung zwar dem Grunde nach zu. Bei ihr wurden in den Jahren 2007 bis 2008 bereits drei geschlechtsangleichende Operationen zur Anpassung der biologisch männlichen an die weiblichen Genitalien durchgeführt. Eine hormonelle Behandlung schloss sich ebenso wie eine erste Epilationsbehandlung an. Streitentscheidend ist im vorliegenden Fall allein die Frage, ob sich der Anspruch der Klägerin auf geschlechtsangleichende Behandlung auch auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte weitergehende Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich sowie auf die operative Verkleinerung des Stimmknorpels zur Stimmangleichung erstreckt. Dies ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.
Das BSG hat hierzu in seinen jüngsten Entscheidungen vom 11.09.2012 (a.a.O.) ausgeführt, dass die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4 TSG eingegrenzt werden kann. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs. 1 S 2 Nr. 2 Buchst i SGB V i.d.F. des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen. Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (BSG, Urteile vom 11.09.2012, a.a.O., anknüpfend an BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 20 RdNr. 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, RdNr. 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 11.09.2012, a.a.O.) schließt es dieser Ausgangspunkt aber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt. Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Das BSG hat in den jüngst entschiedenen Fällen betreffend operative Maßnahmen zur Brustvergrößerung eine solche Grenze bei Erreichen der Größe A nach DIN EN 13402 für die konfektionierte Damenoberbekleidung angenommen, da das so erreichte körperliche Erscheinungsbild sich in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich bewegt. Die Grenze trägt, so das BSG, auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (Urteile vom 11.09.2012, a.a.O. unter Verweis auf BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).
4.) Der Anspruch der Klägerin auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen umfasst danach nicht die begehrte weitere Epilationsbehandlung im Gesäß- und Oberschenkelbereich.
Der Senat ist - wie bereits zuvor das Sozialgericht - der Überzeugung, dass die begehrte weitergehende Epilationsbehandlung keine Krankenbehandlung zur Angleichung an das weibliche Erscheinungsbild darstellt, sondern in den Bereich ästhetisch-kosmetischer Korrektur fällt, für den die Versichertengemeinschaft nicht aufkommen muss. Anders als bei der Ausbildung einer Brust, die bei dem vom BSG zugrunde gelegten Umfang (Größe A nach DIN EN 13402 für die konfektionierte Damenoberbekleidung) eine eindeutige geschlechtliche Zuordnung ermöglicht, tritt bei der großen Vielzahl der Phänotypen bei Männern und Frauen Behaarung in unterschiedlichsten Ausprägungsformen auf. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des MDK in dem im sozialgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten vom 09.03.2011, dass zwar bei der Klägerin eine Beinbehaarung in Form einer Hypertrichose (familiär oder ethnisch bedingte verstärkte Körperbehaarung bei Frauen) an der Grenze zum Hirsutismus (überwiegend männlicher Behaarungstyp) vorliegt, der aber auch bei Frauen mit biologisch weiblichem Geschlecht in gleicher Weise auftritt. Eine ebenso eindeutige geschlechtliche Zuordnung wie anhand des Geschlechtsmerkmals der Brustgröße ist aufgrund der Behaarung nicht möglich. Dementsprechend gehört nach der "Begutachtungsanleitung Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität" vom 19.05.2009 des MDS vom GKV-Spitzenverband in Ziff. 2.4.2 nur für die Epilationsbehandlung zur Änderung der Gesichtsbehaarung zu den operativen geschlechtsangleichenden Maßnahmen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen unterliegen. Die Epilation von nicht zu den Präsentationsflächen der Persönlichkeit gehörenden weiteren Körperbereichen ist deshalb ausgenommen. Diese Differenzierung beruht nicht primär auf der Annahme einer Entstellung durch verstärkte Behaarung, sondern vielmehr auf der Annahme, dass die Beseitigung von als störend empfundener Behaarung außerhalb der Präsentationsflächen des Körpers generell dem Bereich der kosmetischen Körperpflege zugeordnet ist. Hierfür hat die transsexuelle Versicherte wie jede andere biologisch als Frau geborene Versicherte sowie jeder männliche Versicherte selbst zu sorgen und die nach dem jeweils angestrebten Idealbild erforderlichen Maßnahmen, die sich in ihrem Umfang erheblich unterscheiden dürften, auf eigene Kosten durchzuführen. Das BSG hat auch in seinen neueren Entscheidung zur Krankenbehandlung des Transsexualismus ausdrücklich festgehalten, dass diese Krankenbehandlung aus Gründen der Gleichbehandlung einer Grenzziehung bedarf, um den transsexuellen Versicherten nicht einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugangs zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vorneherein versperrt ist (Urteile vom 11.09.2012 a.a.O.).
Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, die Geschlechtsangleichung erfordere die Epilation auch des Gesäß- und Oberschenkelbereichs deshalb, weil ansonsten beim Entkleiden in der Öffentlichkeit, etwa im Schwimmbad, die Körperbehaarung zum Vorschein komme und sie deshalb nicht als Frau wahrgenommen werde, so greift dieser Einwand nicht durch. Auch das Vorliegen einer Krankheit verpflichtet die Krankenkasse nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB V lediglich zur "notwendigen" Behandlung und nicht dazu, jede vom Versicherten gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Maßnahme zur Heilung oder Linderung des krankhaften Zustands zu gewähren (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 28/02 R - in Juris). Wie etwa auch beim Behinderungsausgleich bestimmt sich die Notwendigkeit einer Leistung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten nach ihrem Zweck auf den Ausgleich von Funktionsausfällen oder von Auswirkungen im Rahmen eines elementaren Lebensbedürfnisses. Allgemeine gesellschaftliche, berufliche oder private Nachteile werden nicht erfasst (Höfler in Kassler Kommentar, § 12 SGB V, RdNr. 39 m.w.N.). Nach Auffassung des Senates zählt es nicht zu den elementaren Lebensbedürfnissen, in der Öffentlichkeit einen als makellos empfundenen Körper zu präsentieren. Vielmehr ist es jedem Versicherten, der seinen Körper außerhalb der Präsentationsflächen - aus welchen Gründen auch immer - als nicht vorzeigbar empfindet, zumutbar, dem durch entsprechende Bekleidung in der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen, ohne dass dadurch die Teilhabe an der Gesellschaft in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt wäre. Der Senat sieht insoweit keine Veranlassung, im Hinblick auf die Bedürfnisse transsexueller Versicherter einen anderen Maßstab anzulegen. Auch sie haben keinen Anspruch auf einen optimalen Ausgleich des äußeren Erscheinungsbildes, sondern sind bei verbleibenden Unzulänglichkeiten der körperlichen Angleichung an das andere Geschlecht, die sich auf den kosmetisch-ästhetischen Bereich beschränken, auf die Eigenvorsorge zu verweisen.
Aus diesem Grund war die Berufung hinsichtlich der beanspruchten Epilationsbehandlung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie betrifft allein die Kosten des geltend gemachten Anspruchs auf Epilationsbehandlung. Die Kosten der Stimmknorpeloperation hat die Beklagte im gerichtlichen Vergleich vom 23.01.2013 übernommen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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