L 5 KR 4567/12 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3439/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4567/12 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.09.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Antragstellerin wehrt sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.

Die 1954 geborene Antragstellerin ist seit dem 01.10.2004 Mitglied der Antragsgegnerin. Nachdem die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zur Herstellung der Elektronischen Gesundheitskarte aufgefordert wurde, ein Lichtbild einzureichen, teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.12.2011 mit, dass sie die elektronische Gesundheitskarte ablehne und keine Versorgung mit der neuen Karte wünsche. Sie beantrage die unbefristete Nutzung der bisherigen Versichertenkarte. Nach einem erfolgten Aufklärungsschreiben sandte die Antragsgegnerin der Antragstellerin im Mai 2012 die elektronische Gesundheitskarte zu. Dieses Schreiben schickte die Antragstellerin zusammen mit der elektronischen Gesundheitskarte zurück und führte hierzu aus, dass sie die Gesundheitskarte und die dahinterstehende Telematik-Infrastruktur weiterhin ablehne.

Mit Bescheid vom 19.07.2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die Ärzte nach der flächendeckenden Versorgung mit der elektronischen Gesundheitskarte die bisherigen Krankenversicherungskarten nicht mehr akzeptieren würden. Ab diesem Zeitpunkt werde sie dann als Privatpatientin behandelt.

Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und machte geltend, die elektronische Gesundheitskarte und die Telematik-Infrastruktur verletze ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Sie halte die gesetzlichen Bestimmungen für verfassungswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2012 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte mit Lichtbild und Unterschrift des Versicherten sei zweck- und rechtmäßig. Um der Missbrauchsgefahr von Versicherungskarten vorbeugen zu können, sei der Aufdruck eines Lichtbildes sowie die Unterschrift am besten geeignet. Sensible Gesundheitsdaten seien auf der elektronischen Gesundheitskarte derzeit noch nicht gespeichert. Diese könnten im Übrigen nur mit Zustimmung des Versicherten gespeichert und genutzt werden. Der Versicherte habe jederzeit die Kontrolle darüber, wer welche medizinischen Daten speichern oder einsehen dürfe. Die Daten könnten nur vom Patienten zugänglich gemacht werden mittels PIN. Die gesamten Funktionalitäten der Speicherung von Daten auf dem Chip ständen zudem erst nach einem gründlichen Praxistest zur Verfügung und seien derzeit noch nicht verfügbar. Die technische Sicherheit der elektronischen Gesundheitskarte sei ausreichend geprüft worden, um eine umfassende Datensicherheit gewährleisten zu können. Die bisherigen Krankenversicherungskarten würden voraussichtlich Ende 2012 nicht mehr nutzbar sein.

Am 20.09.2012 hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, aufgrund fehlender gesetzlicher Detailregelungen zum Datenschutz werde sie durch ihre Verpflichtung zur Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte in ihren Grundrechten verletzt. Insbesondere verstießen die in den einfachgesetzlichen Regelungen der § 291a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 6, Abs. 7 und 291b SGB V erlaubten Möglichkeiten, Patienten- und Versichertendaten zu verarbeiten wegen Intransparenz und fehlender Normklarheit, unzureichenden oder nicht vorgesehenen Begrenzungen, fehlenden technischen und institutionellen Sicherungsmaßnahmen gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 GG. Auch Art. 2 Abs. 2 GG sei verletzt. Zum Schutzbereich dieses Grundrechts gehöre auch der Schutz der vertraulichen Kommunikationsbeziehung zwischen Patient und Arzt. Dagegen verstoße § 291a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V schon dadurch, dass er für Behandlungsberichte u.ä. den elektronischen Arztbriefe d.h. eine "maschinell verwertbare Form" vorschreibe. Damit könne ein erheblicher Verlust an Komplexität einhergehen. Im Übrigen verstoße die eingerichtete Telematik-Infrastruktur gegen §§ 291 a und 291b SGB V. Die dort vorgesehene Frist zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bis spätestens 1. Januar 2006 sei längst abgelaufen.

Mit Beschluss vom 28.09.2012 hat das SG den Antrag abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei abzulehnen, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht habe. Die Antragsgegnerin habe es zu Recht abgelehnt, die Antragstellerin von der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zu befreien und ihr die (weitere) Nutzung einer Krankenversichertenkarte in der jetzigen Form zu ermöglichen. Sie habe keinen Anspruch hierauf. Das erkennende Gericht schließe sich nach eigener Prüfung der Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.06.2012 (Az.: S 9 KR 111/09; zitiert nach juris) an, wonach sich ein Anspruch auf Befreiung von der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) weder aus einfachem Gesetz noch aus dem Verfassungsrecht ergebe. Das SG Düsseldorf führe hierzu aus: Die bisher gültige Krankenversicherungskarte, die in 291 SGB V geregelt ist, wird gemäß § 291 Abs. 2a SGB V zur eGK gemäß § 291a SGB V erweitert. Gemäß § 291a Abs. 2 Satz 1 SGB V hat die eGK die Angaben nach § 291 Abs. 2 SGB V zu enthalten. Aus der Formulierung "hat zu enthalten" ergibt sich, dass es sich um Informationen handelt, die für die eGK benötigt werden und die vom Kläger anzugeben sind. Zu diesen Angaben zählen das Lichtbild, die Unterschrift des Klägers und die in § 291 Abs. 2 SGB V Nr. 1 bis 10 genannten Informationen. Indem § 291a Abs. 2 SGB V für die Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur eGK den Bezug zum Wortlaut von § 291 Abs. 2 SGB V herstellt, wird deutlich, dass sich die eGK hinsichtlich der Angaben, die auf der eGK enthalten sein müssen, nicht von der bisher gültigen Krankenversicherungskarte unterscheidet. Dies gilt auch für die Erweiterung der eGK um das Lichtbild, welches in § 291 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich erwähnt wird. Das Lichtbild ist notwendig, damit sichergestellt werden kann, dass der Inhaber der Karte auch mit dem Versicherten, der auf der Karte genannt ist, identisch ist. Sofern § 291a Abs. 3 SGB V die Möglichkeit eröffnet, dass weitere Daten auf der eGK gespeichert werden können (z. B. Notfalldaten, elektronischer Arztbrief elektronische Patientenakte etc.), ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte, in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 gemäß § 291a Abs. 5 Satz 1 SGB V nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig. Diese gesetzliche Regelung beschwert den Kläger nicht. Indem das Gesetz darauf abstellt, dass der Versicherte mit der Verwendung der freiwilligen Daten einverstanden sein muss, hat der Kläger es in der Hand, bereits das Erheben seiner Daten zu verhindern. Sofern der Kläger darauf abstellt, dass die gematik die eGK nicht in der in § 291a Abs. 3 Satz 4 SGB V vorgesehenen Form einführe, weil es technisch noch nicht möglich sei, dass die Einwilligung bei der 1. Verwendung der Karte auf der Karte dokumentiert werden könne, ergibt sich hieraus kein Ablehnungsrecht. Denn nach dem Vortrag der Beklagten spielten die freiwilligen Daten derzeit keine Rolle, da es in 2013 zunächst erste Testregionen geben solle, in denen im Rahmen der freiwilligen Daten die Möglichkeit eingeräumt werde, von den freiwilligen Daten die Notfalldaten zu erheben. Entscheidend ist, dass mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten, die in § 291a Abs. 3 SGB V genannt werden, auch die im Gesetz vorgesehenen technischen Möglichkeiten der eGK gegeben sein müssen. Ein Anspruch auf die Befreiung von der eGK ergibt sich auch nicht aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Die den Versicherten betreffenden Informationen, die in § 291a Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 291 Abs. 2 SGB V genannt sind, sind Sozialdaten, die dem Schutz des Sozialgeheimnisses (vgl. hierzu § 35 Abs. 1 Erstes Buch des Sozialgesetzbuches, § 67 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuches) und damit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterliegen. Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht umfasst das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, welches darauf abstellt, dass sich aus dem Gedanken der Selbstbestimmung die Befugnis des Einzelnen ableitet, grundsätzlich selbst zu bestimmen, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Denn wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden (BVerfGE 65,1,42). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65,1, 41; 84, 192, 194). Hinsichtlich der Daten, die gemäß § 291a Abs. 2 Satz 1 SGB V auf der eGK gespeichert werden müssen, muss der Kläger die damit verbundenen Einschränkungen seines informationellen Selbstbestimmungsrechts hinnehmen, da jeder Einzelne als eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit ist, die diese Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen muss (vgl. hierzu BVerfG vom 13.2.2006 Az.: 1 BvR 1184/04 Rn. 65, juris). Vorliegend kommt es auf das überwiegende Allgemeininteresse an, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung, Sachleistungen in Anspruch zu nehmen, nur funktionieren kann, wenn die in § 15 Abs. 2 SGB V vorgesehene Verfahrensweise auch von allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen wird. Über die in § 291 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit § 291a Abs. 2 Satz 1 SGB V genannten Daten hinaus wird das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Klägers durch die Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur eGK nicht eingeschränkt, Sofern der Kläger mit seiner Klage eine umfassende verfassungsrechtliche Überprüfung der gesetzlichen Rechtsgrundlagen der eGK fordert, ist es nicht die Aufgabe der Kammer, eine solche Prüfung durchzuführen. Denn für die Prüfung kommt es darauf an, ob der Kläger unmittelbar beschwert ist. Eine unmittelbare Beschwer liegt vor, wenn das angegriffene Gesetz durch einen vermittelnden Akt in den Rechtskreis des Klägers einwirkt (vgl. hierzu BVerfG aaO, Rn. 63, BVerfG 72,39, 43 m.w.N.). Kann der Kläger sich - wie dargelegt- mit der Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur eGK auf die in § 291a Abs. 2 Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 291 Abs. 2 SGB V normierten Angaben beschränken, wird er durch die zusätzliche Möglichkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung freiwilliger Daten — wie § 291a Abs. 3 SGB V diese vorsieht - hinsichtlich seines informationellen Selbstbestimmungsrechts nicht unmittelbar beschwert, da der Kläger die Angabe freiwilliger Daten generell ablehnt, so dass es einer umfassenden Überprüfung der Vorschriften, die sich mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der freiwilligen Daten beschäftigen, durch die Kammer im konkreten Fall des Klägers nicht bedarf Ergebe sich nach alledem kein Anspruch auf Befreiung von der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte, sei die Antragsgegnerin auch nicht zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB V unter Nutzung einer Krankenversichertenkarte in der jetzigen Form und ohne elektronische Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen.

Gegen diesen ihr am 04.10.2012 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 02.11.2012 Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, sie lehne die elektronische Gesundheitskarte weiterhin ab wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, die sie ausführlich in ihrer Klageschrift aufgeführt und erklärt habe. Außerdem sehe sie sich in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet, weil es abzusehen sei, dass sie eines Tages gezwungen werde (z.B. durch eine Änderung des § 21 a SGB V), alle Funktionalitäten der eGK zu verwenden, da nur eine Erweiterung der Speicherung ihrer Daten das Objekt eGK rentabel mache. Sie habe größte Bedenken, was die zentrale Speicherung ihrer Behandlungsdaten auf Servern angehe, von denen nicht einmal garantiert sei, dass sie auf deutschem Boden stünden. Das Vertrauensverhältnis Arzt/Patient werde gestört sein, wenn sie der Nutzung der elektronischen Patientenakte nicht zustimme. Es gebe für sie im Hinblick auf unzählige Datenskandale in den letzten Jahren in der BRD (Krankenakten von Psychiatriepatienten stünden monatelang frei zugänglich im Internet, Personalakten deutscher Beschäftigter fänden sich auf Rechnern in Manila wieder, diverse Telekommunikationsskandale usw.) auch keinen Grund, auf die Sicherheit der elektronischen Speicherung ihrer Patientendaten zu vertrauen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.09.2012 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch unter Nutzung einer Krankenversichertenkarte in der bisherigen Form ohne elektronische Gesundheitskarte zur Verfügung zu stellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 24.08.2012 Bezug und verweist auf den angegriffenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig jedoch nicht begründet.

Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend gem. § 86b Abs. 2 SGG statthaft. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Mit der Sicherungsanordnung soll die Rechtsstellung des Antragstellers (vorläufig) gesichert, mit der Regelungsanordnung soll sie (vorläufig) erweitert werden. Voraussetzung ist jeweils die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds. Unter dem Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch zu verstehen, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht. Der Anordnungsgrund besteht in der Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt.

Bei Auslegung und Anwendung des § 86b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzen könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde. Schließlich kann im Wege einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine vorläufige Regelung getroffen und dem Antragsteller daher nicht schon in vollem Umfang, und sei es nur für eine vorübergehende Zeit, gewährt werden, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Auch in solchen Fällen ist der Erlass einer einstweiliger Anordnung freilich möglich, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 94 ff.; Kopp/Schenke, VwGO § 123 Rdnr.12 ff. m.N. zur Rechtsprechung).

Hinsichtlich des Umfangs der Ermittlungen sind - unbeschadet der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren - der Eilcharakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und das Risiko einer etwaigen Abweichung von der künftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Das gilt auch für die Prüfungsdichte des Gerichts. Regelmäßig genügt danach eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage auf der Grundlage unstreitiger oder glaubhaft gemachter Tatsachen bzw. auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten oder in angemessener Zeit erreichbaren Beweismittel. Drohen besonders schwerwiegende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Güter, die nur schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können, ist eine besonders eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage, wenn möglich eine Vollprüfung, geboten. Geht es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung ist eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ausgeschlossen und eine abschließende Prüfung notwendig. Kommt das in solchen Fällen aus Zeitgründen im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfahrens nicht in Betracht, ist eine Folgenbetrachtung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Güter des Antragstellers und der diesen drohenden Beeinträchtigungen ausschlaggebend. Das Gericht muss sich dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.2.2007, - 1 BvR 3101/06 -; auch Senatsbeschluss vom 09.08.2011, - L 5 KR 2470/11 –; vom 11.09.2012, - L 5 KR 2797/12 ER-B – und vom 18.02.2013 - L 5 KR 4568/12 ER-B -).

Davon ausgehend hat das Sozialgericht den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Es fehlt schon an einem Anordnungsgrund; der Senat (Beschluss des Senats vom 18.02.2013 - L 5 KR 4568/12 ER-B -) hat sich insoweit der Rechtsprechung des 11. Senats des LSG Baden-Württemberg (Beschl. v. 30.11.2012, - L 11 KR 4746/12 ER-B -) angeschlossen.

Der Antragstellerin drohen derzeit hinreichend gewichtige Rechtsbeeinträchtigungen, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigen würden, nicht. Die bisher gültige Krankenversichertenkarte wird gem. § 291 Abs. 2a Satz 1 SGB V zur eGK nach § 291a SGB V erweitert. Die Pflichtangaben für die eGK unterscheiden sich dabei nicht von den Angaben, die für die bisherige Krankenversichertenkarte erforderlich waren, wie sich aus dem Verweis in § 291a Abs. 2 Satz 1 auf § 291 Abs. 2 SGB V ergibt. Es handelt sich neben Unterschrift und Lichtbild des Versicherten um folgende Angaben: (1.) Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat, (2.) Familienname und Vorname des Versicherten, (3.) Geburtsdatum, (4.) Geschlecht, (5.) Anschrift, (6.) Krankenversicherungsnummer, (7.) Versichertenstatus, für Versicherungsgruppen nach § 267 Abs. 2 Satz 4 SGB V in einer verschlüsselten Form (8.) Zuzahlungsstatus, (9.) Tag des Beginns des Versicherungsschutzes, (10.) bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs (Beschluss des Senats vom 18.02.2013 - L 5 KR 4568/12 ER-B -).

Soweit die eGK nach § 291a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geeignet sein muss, Angaben aufzunehmen für die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form, ist das "elektronische Rezept" noch nicht eingeführt, so dass auch insoweit derzeit eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin nicht droht (Beschluss des Senats vom 18.02.2013 - L 5 KR 4568/12 ER-B -).

Im Wesentlichen wendet sich die Antragstellerin gegen die in § 291a Abs. 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK. Danach muss die eGK geeignet sein, folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von (1.) medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind, (2.) Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in elektronischer und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsübergreifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief), (3.) Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit, (4.) Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte), (5.) durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten, (6.) Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die Versicherten (§ 305 Abs. 2), (7.) Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende, (8.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende sowie (9.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen nach § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung dieser Daten ist aber nur zulässig, wenn der Versicherte einwilligt (§ 291a Abs. 3 Satz 4 SGB V), wobei die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (§ 291a Abs. 3 Satz 5 SGB V). Die Antragstellerin kann damit schon durch die Verweigerung seiner Einwilligung verhindern, dass entsprechende Daten überhaupt erst erhoben werden. Damit ist auch im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Antragstellerin eine unmittelbare Beschwer nicht gegeben (LSG Bad.-Württ., Beschl. v. 30.11.2012, a.a.O.; Beschluss des Senats vom 18.02.2013 - L 5 KR 4568/12 ER-B -).

Damit sind für den Senat keine Gründe ersichtlich, aus denen es der Antragstellerin nicht zumutbar sein sollte, die im Hauptsacheverfahren zu treffende Entscheidung abzuwarten; hinreichend gewichtige und ggf. nicht wieder gut zu machende Schäden an grundrechtlich geschützten Gütern drohen ihr nicht. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht der Ort, (Verfassungs-)Fragen im Zusammenhang mit der Einführung der eGK abschließend zu klären und insoweit die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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