L 23 SO 36/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 90 SO 1139/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 36/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des So-zialgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 21. April 2009 aufgehoben. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das Auskunftsverlangen des Beklagten nach § 117 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im Hinblick auf seiner Schwiegermutter geleistete Sozialhilfe.

Die Mutter der Ehefrau des Klägers, Frau G S, bezog von dem Beklagten seit Februar 2008 bis zu ihrem Tod am 2010 Sozialhilfeleistungen. Der Kläger lebt von seiner Ehefrau nicht ge-trennt und mit ihr im Güterstand der Gütertrennung.

Die Beklagte hatte zunächst die Tochter der Hilfeempfängerin, die Ehefrau des Klägers, um Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse gebeten. Diese machte in dem von ihr ausgefüllt zurückgesandten Fragebogen keine Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers, ihres Ehemannes. Mit Bescheid vom 18. Februar 2009 forderte der Beklagte direkt vom Kläger Auskunft über seine Einkommens- und Vermögens-verhältnisse. Dem Schreiben legte er einen entsprechenden Fragebogen bei.

Hiergegen erhob der Kläger am 03. März 2009 Widerspruch mit der Begründung, er werde dem Auskunftsersuchen nicht nachkommen, da § 117 SGB XII für ihn nicht zutreffend sei, eine Auskunftspflicht treffe ihn nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Seine Schwiegermutter beziehe Leistungen nach dem SGB XII. Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII seien Unterhaltspflichtige und deren nicht getrennt lebende Ehegatten verpflichtet, über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben. Diese Norm begründe eine öffentlich- rechtliche Pflicht des Klägers zur Auskunftserteilung. Diese Auskunft solle dem Sozialleistungsträger die Prüfung ermöglichen, ob eine - der Sozialhilfe vorrangige - Unterhaltsverpflichtung bestehe. Mit dem Auskunftsersuchen solle festgestellt werden, ob seine Ehefrau einen Unterhaltsanspruch gegen ihn habe mit der Folge, dass sie höhere Beträge zum Unterhalt ihrer Mutter leisten müsse. Seine Auskunft sei also erforderlich, um die Unterhaltspflicht seiner Ehefrau gegenüber ihrer Mutter feststellen zu können.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Mai 2009 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er die Aufhebung des Auskunftsbescheides verlangt hat. Er trug vor, er habe keine Unterhaltspflicht gegenüber Frau S und nicht zuletzt wegen der vereinbarten Gütertrennung auch keine anderweitige Verpflichtung. Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse spielten keine Rolle. Eine Unterhaltsverpflichtung seiner Ehefrau für ihn oder umgekehrt bestehe nicht, so dass eine Ausforschung seiner Verhältnisse nicht statthaft sei.

Mit bei dem Beklagten ebenfalls am 18. Mai 2009 eingegangenem "zu Händen" der Bezirksstadträtin gerichteten Schreiben vom 14. Mai 2009 teilte der Kläger u.a. wörtlich mit "Gehen Sie bitte davon aus, dass ich über ausreichendes Einkommen verfüge und meine Frau mir gegenüber nicht unterhaltsverpflichtet ist, sodaß meines Erachtens eine Berechnung ohne Probleme erfolgen kann".

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten (gerichtliches Schreiben vom 20. November 2009) mit Gerichtsbescheid vom 13. Januar 2010 abgewiesen.

Im Einzelnen hat das Sozialgericht unter anderem ausgeführt:

Soweit der Kläger rüge, das Auskunftsverlangen dürfe sich nicht gegen ihn richten, weil er als Schwiegersohn der Frau S nicht unterhaltsverpflichtet sei, sei dem nicht zu folgen. Die Auskunftspflicht des Klägers nach § 117 Abs. 1 SGB XII beruhe nicht auf der eigenen Unterhaltsverpflichtung, sondern sei angeordnet, weil sein Einkommen und Vermögen für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit seiner unterhaltsverpflichteten Ehefrau ausschlaggebend sein könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass wegen der familienrechtlichen Unterhaltsregelungen die Ehefrau des Klägers gegen ihn hinreichende Ansprüche habe, um ihrerseits aus eigenem Einkommen ihrer Mutter gegenüber leistungsfähig zu sein. Die bürgerlich-rechtliche Unterhalts-pflicht des Klägers gegenüber seiner Ehefrau bestehe gemäß § 1360 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch bei wirksamer Gütertrennung.

Der Kläger hat gegen den ihm am 06. Februar 2010 zugestellten Gerichtsbescheid am 25. Februar 2010 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Er rügt zunächst, dass entgegen seiner Zustimmung mit Gerichtsbescheid entschieden worden sei, und macht mit bei Gericht am 25. Februar 2010 eingegangenem Schriftsatz seines Prozess-bevollmächtigten geltend, er habe "bereits außergerichtlich gegenüber dem Beklagten zu erkennen gegeben, dass er unabhängig von der Vereinbarung der Gütertrennung mit der hier Unterhaltsverpflichteten unbeschränkt leistungsfähig ist". Damit habe er seiner Auskunfts-pflicht Genüge getan. Anhand der von seiner Ehefrau erteilten Auskünfte sei es dem Sozialhilfeträger möglich, die Berechnung vorzunehmen, so dass der Auskunftsanspruch des Beklagten gegen ihn erloschen sei. Entsprechend der zu den zivilrechtlichen Vorschriften ergangenen Rechtsprechung sei die Mitteilung der unbegrenzten Leistungsfähigkeit geeignet, den Unterhaltsanspruch der Ehefrau zu berechnen, denn es obläge nach den familienrechtlichen Vorschriften nunmehr der Ehefrau, gegebenenfalls ihren Unterhaltsanspruch dem Unterhaltsverpflichteten gegenüber zu berechnen und zu belegen. Dies heiße selbstverständlich nicht, dass ein ausreichendes Einkommen der Unterhaltsberechtigten, seiner Ehefrau, bestehe. Aufgrund der eingereichten umfassenden Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der dem Kläger gegenüber unterhaltsberechtigten Tochter der zu unterstützenden Person, könne der Beklagte deren Unterhaltsverpflichtung ohne jegliche Offenlegung des Einkommens des Klägers errechnen. Unterhaltsansprüche gegenüber einem zur Unterhaltszahlung Verpflichteten, der unbeschränkt leistungsfähig sei, wie hier der Kläger, würden sich nach dem tatsächlichen Bedarf bemessen, das heißt die unterhaltsberechtigte Person müsse ihren Bedarf darlegen und beweisen, insofern bestehe unterhaltsrechtlich dann keine weitere Auskunftspflicht des Pflichtigen und kein Auskunftsanspruch des Berechtigten. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass auch der Beklagte keinen weitergehenden Auskunftsanspruch haben könne.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Januar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Auffassung, dass die Erklärung über das Bestehen einer unbeschränkten Leistungsfähigkeit gegenüber der Unterhaltsverpflichteten als Auskunft ausreiche, sei unzutreffend. Für die Berechnung der Unterhaltsverpflichtung seien die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Sozialhilfe- und Kosteneinziehungsakte) Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 ist rechtswidrig (geworden) und verletzt den Kläger in seinen Rechten, nachdem dieser mit Schriftsatz vom 25. Februar 2010 - erstmals – seine unbeschränkte Leistungsfähigkeit im Hinblick auf Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau erklärt hat. Der Auskunftsanspruch des Beklagten gegenüber dem Kläger war hier-durch erfüllt. Der Kläger ist dem Beklagten nicht zu einer weitergehenden Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet.

Die Pflicht zur Auskunft über Einkommens- und Vermögensverhältnisse ergibt sich grundsätzlich aus § 117 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift haben auch die nicht getrennt lebenden Ehegatten der Unterhaltspflichtigen dem Träger der Sozialhilfe über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu geben, soweit die Durchführung des zwölften Buches So-zialgesetzbuch dies erfordert. Hinsichtlich der Anwendung und der Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nimmt der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Auskunftsverlangen war zunächst auch erforderlich im Sinne des § 117 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Dieses Tatbestandsmerkmal betrifft den Umfang des Auskunftsanspruches. Der Auskunftspflichtige hat die Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ma-chen, die der Sozialhilfeträger benötigt, um auf der Grundlage des § 94 SGB XII rechts- und ermessensfehlerfrei über die Überleitung eines etwaigen Unterhaltsanspruchs auf sich entscheiden zu können (Bundesverwaltungsgericht, BVerwGE 91,375; Wahrendorf in Gru-be/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 117 Rn 16).

Die generelle Erforderlichkeit zur Durchführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch im Sinne des § 117 Absatz 1 SGB XII folgt grundsätzlich aus der Vorschrift des § 94 Absatz 1 SGB XII. Danach gehen Unterhaltsansprüche eines Hilfeberechtigten für die Zeit, für die Leistungen erbracht worden sind, kraft Gesetzes bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Die Durch- bzw. Umsetzung unterhaltsrechtlicher Ansprüche des Trägers der Sozialhilfe gegen Unterhaltspflichtige kann grundsätzlich erst erfolgen, wenn der Träger der Sozialhilfe die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dieses Personenkreises kennt.

Mit der am 25. Februar 2010 bei Gericht eingegangenen und am 1. März 2010 an den Beklagten weitergeleiteten Erklärung des Klägers, gegenüber seiner Ehefrau unbeschränkt leistungsfähig zu sein, entfiel das Erfordernis der Auskunftserteilung gegenüber dem Beklagten zur Durchführung des SGB XII. Mit Erklärung der unbeschränkten Leistungsfähigkeit stand fest, dass die Ehefrau des Klägers und mögliche Unterhaltsverpflichtete gegenüber ihrer Mutter in der Lage sein würde, ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger zu berechnen und ihren eigenen Unterhalt durch die Geltendmachung dieses Anspruchs gegenüber ihrem Ehemann zu decken. Somit stand ab diesem Zeitpunkt fest, dass der Beklagte bei der Prüfung der unterhalts-rechtlichen Leistungsfähigkeit der als Unterhaltsverpflichteten in Betracht kommenden Tochter der Hilfeempfängerin das Einkommen der Tochter in vollem Umfang berücksichtigen konnte. Eine weitergehende Auskunftserteilung durch den Kläger war für die Durchführung des SGB XII ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Sinne des § 117 Abs. 1 SGB XII erforderlich. Das Aus-kunftsverlangen in den angefochtenen Bescheiden war ab diesem Zeitpunkt überflüssig, die Aufrechterhaltung des Bescheides vom 18. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 rechtswidrig geworden.

Der Senat weist nur der Klarstellung halber darauf hin, dass ein – erneutes – Auskunftsersuchen dann als erforderlich im Sinne von § 117 Abs. 1 SGB XII anzunehmen sein dürfte, wenn sich die Unterhaltsverpflichtete im weiteren Verfahren auf ein – auch teilweise – Nichtleistungsvermögen aufgrund mangelnden Ehegattenunterhalts berufen sollte.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 4 sowie § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen, was hier der Fall ist, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben (§ 197a SGG).

Nach § 155 Abs. 4, die als Sonderregelung allen anderen Kostenvorschriften vorgeht (Redeker/von Oertzen, VwGO, Komm., 15. Aufl., § 155 Rn. 5), können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Von dieser Vorschrift hat der Senat hinsichtlich etwaiger außergerichtlicher Kosten des Klägers im Verfahren vor dem Sozialgericht Gebrauch gemacht und hierbei berücksichtigt, dass der angefochtene Auskunftsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zunächst bis zum Eingang der Berufungsbegründung am 25. Februar 2010 aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen rechtmäßig war und erst dessen Aufrechterhaltung nach der Erfüllung des Auskunftsanspruchs mit der erstmals im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärung der unbeschränkten Leistungsfähigkeit rechtswidrig geworden war. Entgegen der mit dem Berufungsschriftsatz abgegebenen Begründung, hatte der Kläger nicht bereits außergerichtlich vor Erhebung der Klage seine unbeschränkte Leistungsfähigkeit gegenüber dem Beklagten erklärt. Vielmehr hat der Kläger sowohl im Verwaltungsverfahren als auch noch während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens seinen Rechtsstandpunkt ausschließlich damit begründet, dass er weder eine Unterhaltspflicht gegenüber der Hilfeempfängerin noch gegenüber seiner Ehefrau habe und deswegen seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Rolle spielten. Auch mit dem zeitgleich mit Erhebung der Klage an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 14. Mai 2009 hatte der Kläger keineswegs bereits seine unbeschränkte Leistungsfähigkeit erklärt, sondern lediglich mitgeteilt, dass er selbst über ausreichendes Einkommen verfüge und seine Frau ihm gegenüber deswegen nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sei. Erst mit der mit Eingang der Berufungsbegründung eingetretenen Erfüllung des Auskunftsanspruchs, aufgrund derer sich die Hauptsache erledigt hatte, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, den angefochtenen Be-scheid aufzuheben, so dass dem Beklagten ab diesem Zeitpunkt die außergerichtlichen Kosten des Klägers nach der Grundregel des § 154 Abs. 1 VwGO aufzuerlegen waren, wonach der unterliegende Teil - hier der Beklagte – die Kosten des Verfahrens trägt.

Die bei der Urteilsverkündung unterlassene Entscheidung über die Gerichtskosten wird gemäß § 140 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SGG durch gesonderten Beschluss ergänzt werden.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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