L 9 R 2702/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3750/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2702/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1955 geborene Klägerin kam im März 1973 aus Mazedonien in die Bundes¬republik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt halbtags als Raumpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 08.06.2009 war sie arbeitsunfähig und bezog neben einer Witwenrente von ca. 550 EUR Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld (ALG) I bzw. ALG II.

Vom 21.10. bis 02.12.2008 befand sich die Klägerin, die seit dem 25.04.2008 arbeitsunfähig war, zu einem Heilverfahren in der Klinik G ... Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 10.12.2008 bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, zuletzt mittelgradige Episode, eine chronische Schmerzstörung bei akuter Lumboischialgie und degenerativem Wirbelsäulenleiden, eine Adipositas Grad II sowie eine primäre arterielle Hypertonie und äußerten den Verdacht auf ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, wobei damals die rezidivierende depressive Störung im Vordergrund stand. Am Ende des Rehabilitationsverfahrens hatte sich die depressive Symptomatik deutlich gebessert. Auf Grund einer akuten Lumboischialgie wurde die Klägerin arbeitsunfähig als Raumpflegerin entlassen. Außerdem führten die Ärzte aus, ihre letzte Tätigkeit als Putzfrau, die sie bis zu ihrer Arbeitslosigkeit ab März 2008 ausgeübt habe, könne sie allenfalls noch drei bis unter sechs Stunden leisten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Nachtschichtarbeiten, Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Umsetzungs-, Anpassungs- und Konzentrationsvermögen, Überkopfarbeiten, Arbeiten in gebückter oder sonstiger Zwangshaltung sowie auf Gerüsten oder Leitern. Auf Grund des dringenden Rentenwunsches sei die Klägerin für Angebote im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zugänglich gewesen. Bereits im Jahr 2007 habe sie einen Rentenantrag gestellt, der abgelehnt worden sei. Auch während des jetzigen Rehabilitationsverfahrens habe sich ein ausgeprägter Renten- und Entschädigungswunsch gezeigt, weswegen sie unmittelbar nach Rückkehr nach Hause einen erneuten Rentenantrag stellen wolle.

Vom 25.09. bis 15.10.2009 absolvierte die Klägerin ein Heilverfahren in der S.-Klinik Z. Die dortigen Ärzte diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 21.10.2009 bei ihr eine chronisch rezidivierende Cervikobrachialgie beidseits, einen Zustand nach Nukleotomie C4/C5/C6 (OP vom 25.06.2009), eine lumbale Spinalkanalstenose L2 bis L4 sowie eine Adipositas. Sie entließen die Klägerin als arbeitsunfähig und führten aus, nach einer Rekonvaleszenz von etwa einem Monat nach Entlassung sei die Klägerin wieder in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zu verrichten. Vermieden werden sollten schwere Hebetätigkeiten, insbesondere Wirbelsäulenzwangshaltungen und Erschütterungen, sowie Vibrationen der Wirbelsäule und Tätigkeiten, die mit Gang- und Standunsicherheiten verbunden seien. Die Klägerin selbst könne sich allerdings eine Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit nicht vorstellen.

Am 03.02.2010 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ die Klägerin begutachten. Der Arzt für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. P. stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 29.03.2010 folgende Diagnosen: 1. Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule (HWS), Verblockungsoperation C4/5/6 am 25.06.2009, mäßige Bewegungseinschränkung 2. Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule (LWS) mit Bandscheibenvorfall L5/S1 und Neuroforamenstenose 3. Medikamentös behandelter Bluthochdruck bei Übergewicht (gute Herzmuskelfunktion, keine Zeichen der Herzminderdurchblutung bis 75 Watt) 4. Wiederkehrende Reizerscheinungen des Muskelsehnenmantels nach OP 5/01 wegen Sehnenrissen, keine Bewegungseinschränkung 5. Verschleißerscheinungen des linken Kniegelenks mit Meniskusteilentfernung ohne Bewegungseinschränkung 6. Wiederkehrende depressive Störung mit Neigung zur Somatisierung. Er gelangte zum Ergebnis, als Reinemachefrau sei die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte Tätigkeiten könne sie dagegen noch sechs Stunden und mehr verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufigem Bücken, erheblichem Zeitdruck, häufigem Knien und Hocken sowie mit Exposition gegen Nässe, Kälte und Zugluft sowie Nachtschichtarbeiten.

Mit Bescheid vom 12.04.2010 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht vorlägen. Nach ihrer medizinischen Beurteilung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein.

Hiergegen legte die Klägerin am 12.05.2010 Widerspruch ein und einen ärztlichen Befundbericht von Dr. K. vom 15.08.2010 nebst Arztbriefen vor. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. M. vom 04.08.2010 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2010 den Widerspruch zurück.

Mit der am 24.11.2010 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen Klage hat die Klägerin die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter verfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre Erwerbsminderung ergebe sich aus Erkrankungen aus dem Bereich des Bewegungsapparates. So leide sie an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom im Bereich der HWS und LWS. Eine Erwerbstätigkeit von mindestens drei Stunden könne sie nicht verrichten.

Trotz mehrmaliger Erinnerungen hat die Klägerin die Erklärung über die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht dem SG nicht vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne - ausgehend von den vorliegenden Unterlagen - leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen im Hinblick auf den Bewegungs- und Haltungsapparat mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Dieses Leistungsbild ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen im Gutachten des Dr. P. Weitergehende Ermittlungen von Amts wegen seien nicht geboten gewesen. Trotz mehrmaliger Aufforderungen sei die Klage nicht weiter begründet worden und habe die Klägerin die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht nicht entbunden.

Gegen den am 19.05.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.06.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, seit 2008 sei sie arbeitsunfähig. Zu den Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates komme noch ein depressives Symptom hinzu. Ferner liege bei ihr ein metabolisches Syndrom und eine arterielle Hypertonie vor. Sie sei nicht in der Lage, Tätigkeiten mindestens drei Stunden täglich zu verrichten. Die Klägerin hat ein Attest des Hausarztes und Internisten Dr. K. vom 24.06.2010, das sie schon im Widerspruchsverfahren vorgelegt hatte, nochmals vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Mai 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagte, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat ein Absinken der beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, was zu einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes führen würde, nicht festzustellen vermag. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der ärztlichen Unterlagen, nämlich der Entlassungsberichte der Klinik G. vom 10.12.2008 und der S.-Klinik Z. vom 21.10.2009, wo der Gesundheitszustand der Klägerin über einen längeren Zeitraum von mehreren Wochen beobachtet werden konnte, sowie des Gutachtens von Dr. P. vom 29.3.2010.

Neue Gesichtspunkte haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben. Die ärztliche Bescheinigung von Dr. K. vom 24.6.2010 hat die Klägerin schon im Widerspruchsverfahren vorgelegt und ist von Dr. M. in der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 4.8.2010 gewürdigt worden, ohne dass eine Abweichung vom Gutachten von Dr. P. festgestellt werden konnte.

Nach alledem waren der angefochtene Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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