L 5 R 4202/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2480/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 4202/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.08.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Altersrente wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze und gegen die Nacherhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Beklagte.

Die 1942 geborene Klägerin beantragte am 04.09.2002 eine Altersrente für Frauen, die als Vollrente gezahlt werden sollte. Im Rentenantrag gab sie an, dass sie eine geringfügige Beschäftigung ausübe.

Mit Rentenbescheid vom 10.09.2002 wurde der Klägerin mit Wirkung ab dem 01.07.2002 eine monatliche Altersrente für Frauen ab dem 01.11.2002 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 324,56 EUR bewilligt. Der Bescheid enthielt folgenden Hinweis:

"Die Altersrente kann sich bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres mindern oder wegfallen, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbständiger Tätigkeit) die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Diese beträgt monatlich 325,00 EUR. Daher besteht bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche Verpflichtung, die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen."

Durch eine von der Beklagten angeforderte Hinzuverdienstbescheinigung des Arbeitgebers der Klägerin wurde der Beklagten am 27.02.2008 bekannt, dass die Klägerin ab April 2003 statt ursprünglich 325,00 EUR einen Betrag von 400,00 EUR hinzuverdiente.

Mit Schreiben vom 05.03.2008 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Teilaufhebung des Bescheids vom 10.09.2002 mit Wirkung ab dem 01.06.2003 und zur beabsichtigten Rückforderung eines überzahlten Betrags für den Zeitraum von Juni 2003 bis Juni 2007 in Höhe von 5.286,74 EUR angehört. Ab Juni 2003 habe die Klägerin die jeweils zulässige Hinzuverdienstgrenze für eine Vollrente überschritten. Die Beklagte beabsichtige daher, den Bescheid vom 10.09.2002 ab Änderung der Verhältnisse, also mit Wirkung ab dem 01.06.2003, nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben und die Überzahlung nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern, Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X seien erfüllt, da die Klägerin den Wegfall, das Ruhen bzw. die Kürzung des Rentenanspruchs gekannt habe bzw. hätte erkennen müssen.

Mit Schreiben vom 17.03.2008 führte die Klägerin aus, ihr Hinzuverdienst habe sich etwa ein Jahr nach der Rentenbewilligung erhöht. Über die Folgen dieser geringfügigen Mehrarbeit sei sie damals in Unkenntnis gewesen. Sie habe 3.600,00 EUR an Mehrverdienst erzielt. Die Nachforderung von 5.286,74 EUR erscheine ihr demgegenüber als unverhältnismäßig und unbillige Härte. Dies gelte auch für die Nachforderung erst nach fünf Jahren. Ihre Handlungen seien nicht vorsätzlich, sondern irrtümlich gewesen. Der Mehrverdienst sei verbraucht. Sie bitte um Überprüfung des "ganz besonderen Sachverhalts" und um eine positive Ermessensentscheidung.

Mit Bescheid vom 03.04.2008 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 01.06.2003 neu und bewilligte der Klägerin eine Altersrente als Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente. Für den Zeitraum vom 01.06.2003 bis 30.06.2007 sei eine Überzahlung in Höhe von 5.355,54 EUR erfolgt, die nach § 50 SGB X zu erstatten sei. Der Rentenbescheid vom 10.09.2002 wurde hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.06.2003 nach § 48 SGB X aufgehoben. Auf die Möglichkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung wurde hingewiesen.

Mit Bescheid vom 16.04.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Altersrente als Vollrente. Rente werde ab dem 01.06.2003 als Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente und ab dem 01.07.2007 in Höhe der Vollrente geleistet. Für die Zeit ab 01.06.2008 würden laufend monatlich 303,44 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 01.07.2002 bis 31.05.2008 ergebe sich aufgrund einer Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses eine Überzahlung von 1.557,12 EUR. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten. Es sei vorgesehen, die Überzahlung aufgrund der rückständigen Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Diese Einbehaltung sei nach § 255 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 60 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB Xl) i.V.m. § 51 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB 1) bis, zur Hälfte der laufenden Rente zulässig, es sei denn, es trete Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) ein. Dies sei von der Klägerin nachzuweisen.

Gegen die Bescheide vom 03.04.2008 und vom 16.04.2008 legte die Klägerin am 28.04.2008 Widerspruch ein. Soweit eine Erstattung auch für die Zeit vor dem 01.01.2004 erfolgen solle, werde die Einrede der Verjährung erhoben. Der Erstattungsbetrag müsse sich auf 1.174,00 EUR verringern. Im Übrigen sei die Rückforderung in Höhe von insgesamt rund 7.000 EUR in Anbetracht des Mehrverdienstes in Höhe von 3.600 EUR unverhältnismäßig. Der Klägerin stehe lediglich eine Altersrente in Höhe von rund 300 EUR zu. Sie sei auf einen Hinzuverdienst angewiesen. Ein Vermögen habe sie bei diesen geringen Beträgen nicht ansparen können. Dies sei bei der Prüfung eines atypischen Sonderfalls zu berücksichtigen gewesen.

Mit Bescheid vom 15.08.2008 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin im Hinblick auf die geltend gemachte Verjährungseinrede teilweise ab und stellte die Altersrente der Klägerin neu fest. Die Rente werde ab 01.01.2004 als Teilrente in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente und ab 01.07.2007 in Höhe einer Vollrente bewilligt. Die Rente beginne am 01.01.2004 und ende am 31.05.2008. Für diesen Zeitraum ergebe sich eine Überzahlung von 1.147,22 EUR. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten.

Im Übrigen wurden die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 03.04.2008 und vom 16.04.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rückforderung wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze sei zu Recht erfolgt. Ab dem 01.06.2003 sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, da von diesem Zeitpunkt an die bezogenen Einkünfte im Rahmen der Hinzuverdienstregelung hätten berücksichtigt werden müssen. Die Klägerin habe bereits im Rentenantrag angegeben, eine geringfügige Beschäftigung auszuüben. Sie habe somit gewusst, dass eine Veränderung des Entgelts aus dieser Beschäftigung Einfluss auf die Rentenhöhe haben könne. Ihr seien auch die gesetzlichen Änderungen über die Hinzuverdienstgrenzen bekannt gewesen. Die Klägerin habe jedoch keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen, um eine konkrete Information für sich selbst zu erhalten. Der Beklagten obliege es nicht, ohne konkreten Anlass jeden Rentner persönlich über etwaige Rechtsänderungen zu informieren. Dazu sei eine Kommunikation in den Medien ausreichend, damit dies von dem Betroffenen zum Anlass genommen werde, entsprechende Informationen einzuholen. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SGB X für die Aufhebung des Bescheids vom 19.02.2002 seien gegeben und die Frist des § 48 Abs. 4 SGB X sei gewahrt. Ein Ausnahmefall, der eine Ermessensentscheidung der Beklagten erfordere, liege nicht vor. Hinsichtlich der Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Hinzuverdienst, dem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze und der Rückforderungssumme sei der Beklagten kein Ermessensspielraum eingeräumt. Sobald die Hinzuverdienstgrenze überschritten werde, sei der bestehende Rentenanspruch zu mindern und seien überzahlte Beträge zurückzufordern. Hinsichtlich der Nachforderung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde ausgeführt, dass eine solche Nachforderung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht den Einschränkungen des SGB X für die Rücknahme oder Änderung von Rentenbescheiden unterliege, da es sich hierbei nicht um eine Herabsetzung der früher - ohne Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - ausgezahlten Rente handele. Es liege vielmehr eine nachträgliche Erhebung der Beiträge vor. Die Rente selbst sowie ihre Berechnungselemente seien insoweit nicht berührt. Dies habe zur Folge, dass die in den § 45 ff. SGB X enthaltenen Grundsätze zum Vertrauensschutz des Rentenempfängers keine Anwendung fänden. Selbst wenn die Beklagte die Beitragsabführung zunächst "schuldhaft", d.h. aus Gründen unterlassen habe, die in ihrem Verantwortungsbereich gelegen hätten, berühre dies ihre grundsätzliche Verpflichtung zur Nachforderung der Beiträge nicht. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beitragsforderung gegen Treu und Glauben verstoße. Auch sei keine Verwirkung gegeben.

Am 09.04.2009 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung ließ sie vortragen, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht in erforderlicher Weise ausgeübt, obwohl sie nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X hierzu verpflichtet gewesen sei. Es liege ein atypischer Fall vor, weshalb die Beklagte Ermessen hätte ausüben müssen. Ob ein atypischer Fall vorliege, sei nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Die Klägerin habe bereits im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass sie für den gesamten Rückforderungszeitraum lediglich 75 EUR monatlich und damit insgesamt 3.600,00 EUR zu viel verdient habe. Ihr erscheine demgegenüber die Rückforderung der reinen Rentenüberzahlung in Höhe von 5.286,74 EUR als unverhältnismäßig und unbillig. Die Anhebung der Einkünfte und die vertragliche Anpassung ihres Arbeitsverhältnisses auf den Geringfügigkeitsbetrag von 400 EUR sei damals aufgrund eines Irrtums und einer fehlerhaften Auskunft erfolgt. Auch im Widerspruchsverfahren sei nochmals auf diesen Aspekt hingewiesen worden. Auch aus der mit 300 EUR vergleichsweisen geringen Rente ergebe sich ein atypischer Sachverhalt. Demgegenüber habe die Beklagte keinen zur Ermessensbetätigung verpflichtenden Sonderfall anerkannt. Es sei kein Ermessen ausgeübt worden. Da die Rückforderung bereits rechtswidrig sei, gelte entsprechendes erst recht für die Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Mit Urteil vom 17.08.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Bescheid von 03.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2009 über die Aufhebung des Bescheids vom 10.09.2002 mit Wirkung ab dem 01.06.2003 und die Rückforderung eines Betrags in Höhe von 5.355, 54 EUR für die Zeit vom 01.06.2003 bis 30.06.2007 sei rechtmäßig. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintrete. Nach Satz 2 solle der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Nach Satz 3 gelte als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen sei, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X seien erfüllt. Eine rechtserhebliche Änderung liege insbesondere dann vor, wenn ein Anspruch nach dem für eine Leistung maßgebenden materiellen Recht entfallen sei. Wesentlich sei jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf die Höhe der bewilligten Leistungen auswirke (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21.03.1996 - 11 Rar 101/94). Vorliegend sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten. Die Klägerin habe nach Erlass des Bescheids vom 10.09.2002 Einkommen erzielt, das nach § 34 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zum teilweisen Wegfall der Rente geführt habe. Nach § 34 Abs. 2 SGB VI bestehe ein Anspruch auf Rente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten werde. Sie werde nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbaren Einkommen im Monat die in Abs. 3 der Vorschrift genannten Beträge nicht übersteige. Dabei bleibe ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 3 der Vorschrift im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht, § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Die Hinzuverdienstgrenze betrage nach § 34 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.04.2003 maßgebenden Fassung 1. bei einer Rente wegen Alters als Vollrente ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße, 2. bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von a) einem Drittel der Vollrente das 23,3 -fache, b) der Hälfte der Vollrente das 17,5-fache, c) zwei Drittel der Vollrente das 11,7-fache des aktuellen Rentenwertes nach § 68 SGB VI, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten. Die Hinzuverdienstgrenze habe, ausgehend von einer monatlichen Bezugsgröße im Sinne des § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) im Jahr 2003 von 2.380,00 EUR‚ in den Jahren 2004 und 2005 von 2.415,00 EUR sowie in den Jahren 2006 und 2007 von 2.450,00 EUR, für eine Vollrente für das Jahr 2003 340,00 EUR‚ für die Jahre 2004 und 2005 345,00 EUR und für die Jahre 2006 und 2007 350,00 EUR monatlich betragen. Das von der Klägerin erzielte Einkommen in Höhe von 400,00 EUR habe die jeweils maßgebliche Hinzuverdienstgrenze überschritten. Die zugunsten der Klägerin erfolgte Nichtberücksichtigung des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze in den Monaten April und Mai 2005 beschwere die Klägerin nicht, sondern sei zu ihren Gunsten erfolgt und sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Klägerin habe damit in der Zeit vom 01.06.2003 bis zum 30.06.2007 nur noch einen Anspruch auf Altersrente jeweils in Höhe von zwei Dritteln der Vollrente gehabt, d.h. in Höhe von 216,38 EUR ab 01.06.2003 sowie in Höhe von 218,63 EUR ab 01.07.2003 monatlich. Die Klägerin habe für den genannten Zeitraum die ihr mit Bescheid vom 10.09.2002 bekannt gemachte Pflicht zur Mitteilung ihres Einkommens grob fahrlässig im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle hätte einleuchten müssen (Wiesener in: Wuiffen, SGB X, Kommentar, 5. Aufl., § 45, Rn. 24). Aus dem Rentenbescheid vom 10.09.2002 sei eindeutig und unmissverständlich ersichtlich, dass die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze für die Zeit ab Juli 2002 325,00 EUR monatlich betragen habe. Die Klägerin sei im Rentenbescheid vom 10.09.2002 unter dem Punkt "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" in unmissverständlicher und eindeutiger Weise darauf hingewiesen worden, dass die Altersrente sich bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres mindern oder wegfallen könne, sofern durch das erzielte Einkommen (Bruttoverdienst aus Beschäftigung bzw. Gewinn aus selbständiger Tätigkeit) die Hinzuverdienstgrenze von monatlich 325,00 EUR überschritten werde und daher bis zum Ablauf des Monats der Vollendung des 65. Lebensjahres die gesetzliche Verpflichtung bestehe, die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Das Außerachtlassen von gesetzlichen Vorschriften, auf die vom Versicherungsträger gesondert hingewiesen wurde, sei im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift nicht verstanden habe (BSG, Urteil vom 20.09.1977 - 8/12 RKg 8/76). Anhaltspunkte dafür, dass der Rentenbescheid vom 10.09.2002 für die Klägerin unverständlich gewesen sei, seien nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der Hinzuverdienst der Klägerin sich ungefähr erst ein Jahr nach Rentenbewilligung geändert habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Da die Klägerin bereits zu Beginn der Rentenbewilligung einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen sei und dies auch im Rentenantrag angegeben habe, habe ihr bewusst sein müssen, dass eine Änderung des Hinzuverdienstes Auswirkungen auf die Rentenbewilligung haben könne. Aus dem Umstand, dass die Hinzuverdienstgrenze von 325,00 EUR anfangs der Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze entsprochen habe, habe die Klägerin nicht darauf schließen dürfen, dass sich mit Erhöhung der Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze auch die Hinzuverdienstgrenze entsprechend erhöhen werde. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin dies erkennen können und müssen. Ein atypischer Fall, der die Beklagte verpflichtet hätte, im Ermessenswege zu prüfen, ob nicht von der für die Klägerin ungünstigen Rückforderung abgesehen werden kann, sei nicht gegeben. Die für das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge der Reduzierung des Rentenanspruchs auf eine Teil- statt Vollrente stelle keine unverhältnismäßige Härte dar und bedinge damit keine atypische Fallgestaltung. Die teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung auch für die Vergangenheit wegen schuldhafter Verletzung der Mitwirkungspflichten und Rückforderung der überzahlten Rentenbeträge stelle vielmehr den Regelfall dar (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.06.2011 - L 3 R 434/10). Ein atypischer Fall könne auch nicht deswegen angenommen werden, weil die Beklagte aufgrund des Rentenantrags Kenntnis davon gehabt habe, dass die Klägerin einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen sei. Auch aus der mit der rückwirkenden Abänderung des Rentenbescheids verbundenen Rückzahlungspflicht lasse sich keine atypische Fallgestaltung herleiten, da dies die zwangsläufige Folge der rückwirkenden Aufhebung einer Leistungsbewilligung sei. Schließlich stehe der rückwirkenden Aufhebung insoweit auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihren eigenen Angaben nach den überzahlten Rentenbetrag verbraucht habe (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.2009 - L 10 R 1916/09 -). Die Rücknahme des Bescheids vom 10.09.2002 sei auch gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, der nach § 48 Abs. 4 SGB X entsprechend gelte, innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, erfolgt. Die Beklagte habe erstmals im Februar 2008 vom Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze durch die Klägerin Kenntnis erlangt und bereits Anfang April 2008 die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Die Rückforderung des Gesamtbetrages von 5.355,54 EUR sei rechtmäßig. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X seien nach Aufhebung eines Verwaltungsaktes bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Die Höhe der Rückforderung sei von der Klägerin nicht gerügt worden und auch sonst nicht zu beanstanden. Anders als bei der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei bei Nr. 2 die Aufhebung und Rückforderung nicht nur in Höhe des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts möglich. Mit der gesetzlichen Formulierung, wonach "Anspruch" auf eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres "nur besteht", wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten werde, sei klar zum Ausdruck gebracht, dass die Einhaltung der Verdienstgrenze unmittelbar den Rentenanspruch berühre und nicht nur die Höhe der Rentenzahlung bestimme (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2008 - B 13 R 119/07 R -‚ LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.2009 - L 10 R 1916/09).

Auch der Bescheid vom 16.04.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 15.08.2008 in der Gestalt. des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2009 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte sei nach § 255 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 60 SGB XI berechtigt, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.05.2008 in Höhe von 1.147,22 EUR nach zu erheben. Nach diesen Vorschriften seien Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen hätten, von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit dem Beitragsanteil des Rentenversicherungsträgers abzuführen. Sei bei Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen unterblieben, so seien die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten, § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Der vorgenannte Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen von § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V seien gegeben, insbesondere seien für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Beitragsanteile einbehalten oder bezahlt worden. § 255 Abs. 2 Satz 1 SGB V enthalt keinen Ermessensspielraum des Trägers der Rentenversicherung und keine Vertrauensschutzregelung. Der Rentenversicherungsträger müsse bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente abziehen (BSG, Urteil vom 15.06.2000 - B 12 RJ 5/99 R). Die Nacherhebung unterliege nicht - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe - den Einschränkungen der § 44 ff. SGB X, da es sich nicht um eine rückwirkende Herabsetzung der ohne Abzug der Beiträge ausgezahlten Rente handele, sondern um eine nachträgliche Erhebung der Beiträge durch Einbehaltung von derzeit laufender Rente (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.1989 - 12 RK 66/87), Die von der Beklagten geltend gemachten Beiträge würden auch nicht der Verjährung des § 25 Abs. 1 SGB IV unterliegen. Danach verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Die ältesten nach der erfolgten Abhilfeentscheidung noch von der Beklagten geltend gemachten Beiträge beträfen den Monat Januar 2004. Die Verjährungsfrist sei hierfür zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 15.08.2008 noch nicht abgelaufen. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben seien nicht ersichtlich. Insbesondere sei keine Verwirkung eingetreten. Das Rechtsinstitut der Verwirkung sei zwar als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für zurückliegende Zeiten anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30.11.1978 - 12 RK 6/76 - m.w.N.). Die Verwirkung setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aber voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzuträten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen ließen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Über den bloßen Zeitablauf hinaus seien keine sonstigen Verhaltensweisen der Beklagten erkennbar, die die Klägerin zu der Annahme hätten veranlassen können, dass die Beklagte die fragliche Beitragsforderung nicht mehr geltend machen werde. Hierzu habe die Klägerin auch nichts vorgetragen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 02.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.09.2011 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausführen lassen, das Sozialgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sie jedenfalls ab 01.06.2003 geringfügiges Erwerbseinkommen erzielt habe, welches mit 400,00 EUR Höhe über der zulässigen Hinzuverdienstgrenze von 325,00 EUR monatlich gelegen habe. Allerdings habe das Sozialgericht zu Unrecht keinen atypischen Fall im Sinne der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X angenommen. Die Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliege, falle selbst nicht in den Ermessenbereich der Verwaltung, sondern sei als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Bei der Aufhebung für die Vergangenheit dürfe die Behörde in besonderen Ausnahmefällen, die insbesondere im Hinblick auf die sich aus § 50 Abs. 1 SGB X ergebende Erstattungspflicht als unbillige Härte empfunden werden müssten, von einer rückwirkenden Aufhebung absehen (vgl. BayLSG im Urteil vom 13.12.2001, L 14 KG 30/95). Eine unbillige Härte sei im Sinne eines atypischen Falles gegeben. Im Falle der Klägerin wirke sich nämlich die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze um zunächst 75,00 EUR und die Rentenkürzung um ein Drittel deshalb wirtschaftlich besonders dramatisch aus, weil die jeweils bezogene volle Rente der Klägerin mit ursprünglich 324,56 EUR von vorneherein bereits sehr gering gewesen sei, so dass sich die Reduzierung der Rentenhöhe umso gravierender auswirke, als sich diese unter Berücksichtigung des parallel erzielten Erwerbseinkommens nur knapp über den sozialhilferechtlichen Mindestbedarfssätzen bewege, wobei fiktive Kaltmiet- und Heizkosten noch gar nicht berücksichtigt seien. Zu beachten im Sinne eines atypischen Sonderfalles sei auch, dass die Klägerin sich mit dem ursprünglich erzielten Hinzuverdienst genau an die Grenzen gehalten hat, wie sie im Rentenbescheid vom 10.09.2002 damals zutreffend mit 325,00 EUR angegeben waren. Darüber hinaus habe sich im ursprünglichen Rentenbewilligungsbescheid vom 10.09.2002 zwar der Hinweis befunden, dass die Klägerin verpflichtet sei, über die Hinzuverdienstgrenze hinausgehende (künftige) Einkünfte unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin sei in der Folge dann allerdings davon ausgegangen, dass mit Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze auf 400 EUR parallel auch die Berechtigung bestanden habe, bis zu diesem monatlichen Grenzbetrag ohne Gefährdung des vollen Rentenanspruches geringfügige Nebenverdiensteinnahmen erzielen zu können. Aufgrund des Umstands, dass die beiden maßgeblichen Grenzbeträge seit 01.04.2003 auseinander gelaufen seien, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die spezifisch betroffenen Versicherten auf diesen Umstand ausdrücklich - beispielsweise bei der jährlichen Rentenanpassungsmitteilung - hinzuweisen. Anlass für eine solche Verpflichtung habe insbesondere auch in den Fällen bestanden, bei denen die Versicherten selbst bei Rentenantragstellung (wie die Klägerin) auf entsprechende Hinzuverdienste hingewiesen hätten und die Beklagte also positive Kenntnis von tatsächlich Hinzuverdienst gehabt habe. Der Umstand, dass dies nicht erfolgt sei, weshalb die Klägerin bis zuletzt im guten Glauben geblieben sei, sich absolut korrekt zu verhalten und im Vollbesitz des uneingeschränkten Rentenanspruches geblieben zu sein, gebe ebenfalls Anlass, vorliegend einen atypischen Fall anzunehmen, der die Beklagte zur Ermessenbetätigung verpflichtet hätte.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.08.2011 und die Bescheide der Beklagten vom 03.04.2008, vom 16.04.2008 in der Gestalt des Bescheids vom 15.08.2008, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2009, insoweit aufzuheben, als darin für die Zeit vom 01.06.2003 bis 30.06.2007 zu viel gezahlte Rentenleistungen zurückgefordert sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.05.2008 nachgefordert und die zugrunde liegenden Bescheide aufgehoben wurden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und führt aus, das angefochtene Urteil gehe zutreffend davon aus, dass die Klägerin grob fahrlässig ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe. Sie sei im Rentenbescheid ausdrücklich auf die Hinzuverdienstgrenze von 325,- EUR hingewiesen worden und auf die gesetzliche Verpflichtung, die Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen. Eine atypische Fallgestaltung liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor, da lediglich die durch die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflichten entstandene Überzahlung zurückgefordert werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist mit den streitigen Erstattungsbeträgen von 5.355,54 EUR und von 1.147.22 EUR weit überschritten. Die Berufung ist auch sonst gem. § 151 SGG zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat den Rentenbescheid vom 10.09.2002 mit Bescheid vom 03.04.2008 rechtsfehlerfrei teilweise zurückgenommen und der Klägerin zu Recht die Erstattung in der Zeit vom 01.06.2003 bis 30.06.2007 zu viel gezahlter Rente in Höhe von 5.355,54 EUR aufgegeben. Sie hat ferner die zunächst nicht abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu Recht mit Bescheid vom 16.04.2008, geändert durch Bescheid vom 15.08.2008 für die Zeit vom 01.01.2004 bis zum 31.05.2008 nacherhoben und eine Nachzahlung in Höhe von 1.147.22 EUR von der Klägerin verlangt.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Es hat in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt, auf welchen Rechtsgrundlagen (§§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, 34 Abs. 2 SGB VI und §§ 255 Abs. 2 SGB V, 60 SGB XI) die Entscheidungen der Beklagten beruhen und umfassend dargelegt, inwieweit die Voraussetzungen dieser Normen erfüllt sind. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass auch der Senat in Bezug auf die Rückforderung der überzahlten Rente keinen atypischen Fall zu erkennen vermag, der die Beklagte zu einem völligen oder auch nur teilweisen Absehen von der Rückforderung veranlassen müsste.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufgrund der Verwendung des Begriffes "soll" dahingehend zu verstehen, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann (st.Rspr, vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2010 - B 13 R 77/09 R - Juris, Urteil vom 05.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - BSGE 97, 144 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 8, RdNr. 18). Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden (ebenfalls st.Rspr., vgl. BSG Urteile vom 05.10.2006 a.a.O.; vom 12.12.1995 - 10 RKg 9/95 - SozR 3-1300 § 48 Nr. 42 S 93; vom 18.09.1991 - 10 RKg 5/91 - BSGE 69, 233, 237 = SozR 3-5870 § 20 Nr. 3 S 8, jeweils m.w.N.). Bei der Prüfung, ob eine zur Ermessensausübung zwingende Atypik des Geschehensablaufs vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (BSG, Urteile vom 26.10.1998 - B 2 U 35/97 R - Juris RdNr 26, vom 29.06.1994 - 1 RK 45/93 - BSGE 74, 287, 294 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 72; vom 25.04.1990 - 7 RAr 20/89 - Juris RdNr. 43, jeweils m.w.N.). Diese müssen Merkmale aufweisen, die signifikant vom typischen Regelfall abweichen, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts ebenfalls durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Hierbei ist zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) nach Lage des Falls eine Härte bedeuten, die den Leistungsbezieher in atypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen (BSG, Urteile vom 26.10.1998 a.a.O.; vom 29.06.1994 a.a.O.; vom 25.04.1990 a.a.O.). Ebenso ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einzubeziehen. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falls i.S. einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu werten ist, kann im Einzelfall die Atypik des verwirklichten Tatbestands nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergeben (BSG, Urteile vom 29.06.1994 a.a.O. = SozR 3-1300 § 48 Nr. 33 S. 72 f; vom 25.4.1990 a.a.O., jeweils m.w.N.). Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Aufhebungstatbestände erfüllt ist (BSG Urteil vom 05.10.2006 - B 10 EG 6/04 R - BSGE 97, 144 = SozR 4-1300 § 48 Nr. 8, RdNr. 18 m.w.N.).

Weder die Umstände des vorliegenden Sachverhaltes noch das Vorbringen der Klägerin rechtfertigen die Annahme eines atypischen Falls. Ein Fehlverhalten der Beklagten liegt nicht vor. Sie hat im Rentenbescheid vom 10.09.2002 ordnungsgemäß auf die Hinzuverdienstgrenze und auf die möglichen Auswirkungen eines übersteigenden Hinzuverdienstes auf die Rente sowie auf die daraus resultierende Mitteilungspflicht der Klägerin hingewiesen. Dass die Klägerin nicht dazu in der Lage gewesen wäre, diesen Hinweis richtig zu erfassen, ist angesichts des Umstands, dass die Klägerin ausgebildete Apothekenhelferin ist und über Jahre hinweg im Betrieb ihres Ehemannes mit Büroarbeiten befasst war, eher fernliegend. Der Beklagten hat auch es weder oblegen, einen etwaigen Hinzuverdienst bei der Klägerin von sich aus zu erfragen, noch - wie der Beklagten-Vertreter meint - diese darauf hinzuweisen, dass die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze die Hinzuverdienstgrenze unberührt lässt. Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht darauf verwiesen, dass die Klägerin sich hierüber durch Bekanntmachungen in den Medien hätte informieren können und müssen. Auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bei ihrer Rentenantragstellung im Jahr 2002 angegeben hatte, einer geringfügigen Beschäftigung nachzugehen, war die Beklagte nicht verpflichtet, in diesem individuellen Fall einen diesbezüglichen Hinweis zu geben. Dies würde die Möglichkeiten der Beklagten im Rahmen der Massenverwaltung bei weitem übersteigen, da sie hierzu nicht nur die Angabe zur geringfügigen Beschäftigung aus dem ursprünglichen Rentenantrag, sondern auch in allen dies betreffenden Rentenverfahren fortlaufend das Fortbestehen einer solchen Beschäftigung hätte erfassen müssen. Letztlich räumt die Klägerin selbst ein, dass sie sich über die Höhe der Hinzuverdienstgrenze in einem Irrtum befunden hat. Dieser fällt aber allein in ihre Sphäre, so dass sie die Folgen eines solchen Rechtsirrtums selbst zu tragen hat und nicht auf die Beklagte oder die Versichertengemeinschaft abwälzen kann. Ein atypischer Fall im oben dargestellten Sinn lässt sich damit nicht begründen.

Der Senat schließt sich im Übrigen den Ausführungen des Bayerischen LSG (Urteil vom 11.03.2010 - L 14 R 190/09 - veröffentlicht in Juris ) in einem weitgehend vergleichbaren Fall an. Dieses hat u.a. ausgeführt: "Der Einwand der Klägerin, sie habe die Hinzuverdienstgrenze mit der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 8 SGB IV verwechselt, kann den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entkräften. Wie die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen hat, sind in den verwendeten Antragsformularen sowie im Rentenbescheid vom 30. August 2002 keinerlei Hinweise auf eine Geringfügigkeitsgrenze enthalten. Stets ist nur von einer Hinzuverdienstgrenze die Rede. Einen Ansatzpunkt für eine derartige Verwechslung gibt es also nicht. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass das Sozialrecht kompliziert und nur schwer überschaubar ist. Gerade diese Erkenntnis hätte aber Anlass für die Klägerin sein müssen, sich möglichst vor Erhöhung ihres Einkommens auf 400 Euro mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, um sich über die daraus resultierenden rentenrechtlichen Konsequenzen zu informieren. Wer sich in der komplizierten Materie des Sozialrechts auf Vermutungen verlässt, anstelle den klaren und unmissverständlichen Hinweisen der Beklagten zu folgen und eine schlichte Meldung über die Veränderung in den Verhältnissen an den Rentenversicherungsträger zu erstatten, handelt nach Auffassung des Senats grob fahrlässig. Insoweit entlastet die Klägerin auch nicht, dass sie nach ihren eigenen Angaben immer ihre Unterlagen ihrem Steuerberater überlassen hat und sich - ausweislich ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung - auf dessen Aussage, die Hinzuverdienstgrenze sei auf 400 Euro gestiegen, verlassen habe. Steuerberater sind zur Beratung in Rentenangelegenheiten, die keinerlei Bezug zu steuerrechtlichen Fragen aufweisen, ersichtlich nicht berufen.

An dieser Einschätzung ändert sich auch dadurch nichts, dass - wie sich aus der vom SG in Bezug genommenen Begründung zum Gesetz vom 8. April 2008 (BGBl I S. 681), mit dem die Hinzuverdienstgrenze für eine Vollrente auf 400 Euro angehoben und damit eine Vereinheitlichung mit der Geringfügigkeitsgrenze herbeigeführt wurde, ergibt - eine nicht unerhebliche Zahl von Versicherten sich wie die Klägerin verhalten hat. Ein grob fahrlässiges Verhalten wird nicht durch den Umstand nur leicht fahrlässig, dass es von vielen Personen an den Tag gelegt wird. Insoweit gilt im Rentenversicherungsrecht nichts anderes als im Straßenverkehr.

Die Hinweise im Bescheid vom 30. August 2002 lagen zum Zeitpunkt der Erhöhung des Einkommens auf 400 Euro zum 1. März 2003 auch noch nicht so lange zurück, dass sich die Klägerin hieran nicht mehr hieran hätte erinnern können. Jedenfalls wäre die Klägerin gehalten gewesen, sich vor der Ausweitung ihrer beruflichen Tätigkeiten durch eine Lektüre dieses Bescheids ihre Mitwirkungspflichten wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Schließlich teilt der Senat die Auffassung des SG, dass ein atypischer Fall, der die Beklagte zur Ausübung von Ermessen zwingen würde, hier nicht gegeben ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin resultiert das Vorliegen eines atypischen Falles nicht aus dem Missverhältnis zwischen Mehrverdienst und Höhe der Rückzahlungsverpflichtung. Dieses Ergebnis kann vielmehr in zahlreichen Fällen auftreten, da der Gesetzgeber im Rahmen des § 34 Abs. 2, 3 SGB VI eine pauschalierende Regelung getroffen hat, die unabhängig von dem Ausmaß des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze eine Reduzierung auf eine Teilrente in Höhe von zwei Dritteln bzw. ein Drittel der Vollrente vorgesehen hat.

Auch ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch die Rückforderung im Nachhinein vermehrt sozialhilfebedürftig würde (vgl. insoweit BSG, a.a.O., m.w.N.)."

Die Nachforderung der nicht abgeführten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den nicht der Verjährung unterfallenden Zeitraum ab dem 01.01.2004 bis zum 31.05.2008 unterliegt nicht der Ermessensentscheidung der Beklagten. Diese Nachforderung steht auch in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Erstattung der Rentenüberzahlung aufgrund des die Hinzuverdienstgrenze überschreitenden Einkommens der Klägerin. Ihre Argumentation zur Atypik greift insoweit nicht. Rechtsfehler bei der Nacherhebung dieser Beiträge vermag der Senat nicht zu erkennen.

Die Berufung bleibt deshalb ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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