L 3 U 205/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 165/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 205/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen der bei ihr anerkannten Berufskrankheit gemäß Nr. 3101 (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war - BK 3101) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Die 1957 geborene Klägerin arbeitete seit Oktober 1980 als Stationshilfe bzw. klinisches Hauspersonal in der C. Die Beklagte erkannte nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Innere Medizin Prof. Dr. H vom 01. März 2004 mit Widerspruchsbescheid vom 03. Juni 2004 eine bei der Klägerin festgestellte Hepatitis B als BK 3101 an und lehnte eine Verletztenrente mangels einer rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab.

Prof. Dr. H von der Medizinischen Klinik und Poliklinik für Hepatologie und Gastroenterologie des CKlinikums führte in seinem von der Beklagten in Auftrag gegebenen, aufgrund einer ambulanten Untersuchung und Leberpunktion der Klägerin am 22. bzw. 24. Mai 2006 erstellten Gutachten vom 04. Juni 2006 aus, es bestehe bei der Klägerin als BK-Folge eine chronische Hepatitis B mit minimaler entzündlicher Aktivität und minimaler Fibrose. Als berufskrankheitenunabhängige Erkrankungen bestünden bei der Klägerin eine Fettleber bei massivem Übergewicht und Verstimmungszustände. Die berufskrankheitenbedingte MdE werde auf 10 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 2006 mit, dass die durchgeführte Nachuntersuchung ergeben habe, dass gegenüber den Bedingungen, die für die letzte Feststellung maßgebend gewesen seien, keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2006 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 22. Januar 2007 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat zur Untermauerung ihres Vorbringens auf die ihr ärztlich verordnete Medikation verwiesen und behauptet, infolge der Infektion an Depressionen erkrankt zu sein und auch berufskrankheitsbedingt an Ermüdungszuständen zu leiden. Ferner bestehe bei ihr ein akutes Krebsrisiko. Die MdE sei mit mindestens 20 v.H. zu bemessen. Prof. Dr. Hs Gutachten sei nur bedingt aussagekräftig, weil es nur nach Aktenlage erstellt worden sei.

Das SG hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin, ferner das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin Dr. S vom 10. März 2008 eingeholt. Dieser hat aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 30. November 2007 als Gesundheitsstörungen eine geringe Viruslast bei Infektion der Leber mit einem Hepatitis-B-Virus ohne Nachweis einer funktionellen und/ oder morphologischen Gesundheitsstörung der Leber, Zustand nach Masern-, Mumps-, Röteln- und Hepatitis-A-Virus-Infektion, metabolisches Syndrom mit Adipositas, positiver Familienanamnese, schädlichem Gebrauch von Tabak und Bewegungsmangel, degeneratives Wirbelsäulensyndrom (HWS, LWS) und depressive Reaktionslage festgestellt. Die Hepatitis-B-Virus-Infektion sei eine Infektion i.S.d. BK 3101. Die Klägerin sei eine so genannte gesunde HbsAg-Trägerin, auch wenn eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus im Serum sicher nachweisbar sei. Eine aktive hepatische Entzündungsreaktion mit permanent und/ oder zeitweise erhöhten Lebertransaminasen im Blut der Klägerin sei nicht nachzuweisen. Eine Einbuße der Leberfunktion sei laborchemisch bislang nicht zu belegen. Die von der Klägerin beklagten Beschwerden – allgemeine Kraftlosigkeit, herabgesetztes Leistungsvermögen, Lebensunlustgefühle aufgrund psychischer Strukturverluste, nächtliche Schlafstörungen wegen Schmerzen in der gesamten linken Körperhälfte, Taubheitsgefühle mit eingeschränkten Handfunktionen auf der linken Seite, Knieschmerzen beim Treppensteigen – seien als unspezifische Symptome zu werten, die nahezu bei allen möglichen Gesundheitsstörungen – mit individuellen Unterschieden – vorliegen könnten. Die festgestellten Veränderungen in der Leberhistologie seien sehr gering und mit einer Fettleber vereinbar. Die berufskrankheitenbedingte MdE betrage höchstens 10 v.H.

Die Klägerin ist der Einschätzung von Dr. S u.a. mit einem Attest der sie behandelnden Internistin Dr. H vom 21. Januar 2009 und weiteren medizinischen Unterlagen entgegen getreten, zu welchen Dr. S unter dem 18. Februar 2009 ergänzend Stellung genommen hat.

Das SG hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 28. Mai 2009 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Folgen der als BK 3101 anerkannten Hepatitis B bedingten bei der Klägerin keine Einschränkungen, welche die Annahme einer MdE von wenigstens 20 v.H. rechtfertigten. Dies ergebe sich aus den überzeugenden Ausführungen im schriftlichen Sachverständigengutachten von Dr. S, welcher in Übereinstimmung mit dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum ausgeführt habe, dass bei einer Infektion mit Hepatitis B die MdE-Bewertung vor allem anhand des Ausmaßes der entzündlichen Aktivität und der morphologischen Veränderungen vorzunehmen sei.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 08. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 30. Juni 2009 Berufung eingelegt. Sie hält im Wesentlichen an ihrem bisherigen Vorbringen fest.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen ihrer Berufskrankheit gemäß Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin das schriftliche Sachverständigengutachten der Internistin Dr. H vom 21. November 2010 eingeholt. Die Sachverständige hat aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 26. August 2010 ausgeführt, die Klägerin leide neben der Hepatitis B an arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipoproteinämie, Hypothyreose, degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie depressiven Verstimmungszuständen. Farbdopplersonografisch seien eine ausgeprägte Steatosis hepatis und Zeichen der Leberfibrose ohne sicher beurteilbaren Leberumbau festzustellen; der elastografisch ermittelte Elastizitätsgrad liege nach aktueller Studienlage im Bereich einer höhergradigen Fibrose, wobei die Methode der Elastografie bei Fettleber und Adipositas noch nicht optimal validiert sei. Den jetzigen Zustand der Leber bedingten im Sinne einer Komorbidität Adipositas und Diabetes mellitus mit. Durch diese beiden Erkrankungen komme es zu einer zusätzlichen Verfettung der Leber. Diese führe zusammen mit der Hepatitis-B-Infektion zu einer Potenzierung der Schädigung der Leber. Prozentuale Anteile der einzelnen Komponenten an der Gesamtschädigung der Leber könnten nicht angegeben werden, auf die Virusvermehrung als wesentliche Ursache der chronisch aktiven Entzündung hätten Adipositas und Diabestes mellitus keinen Einfluss. Bei der Klägerin bestehe aus heutiger Sicht keine inaktive Hepatitis B mehr, sondern eine chronisch aktive Hepatitis-B-Infektion mit bereits fortgeschrittener Fibrose mit zwingender Indikation für eine lebenslange antivirale Therapie. Die Klägerin habe ein erhöhtes Risiko, an Leberkrebs zu erkranken und müsse dauernd fachärztlich untersucht werden. Ab dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns am 04. Januar 2007 bestehe eine MdE von 30 v.H. Dr. H hat ihren Standpunkt in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28. Februar 2011 bekräftigt.

Der Senat hat im Folgenden von Dr. S die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 18. Juli 2007 eingeholt, in welcher er der von Dr. H vorgenommenen Elastografiemessung die nötige Aussagekraft abgesprochen hat; die Klägerin habe ein deutliches Übergewicht, was die Durchführung der Elastografiemessung behindern und beeinflussen könne. Eine vermeintliche Zunahme der Fibrose aufgrund der HBV-Infektion solle durch eine erneute Leberbiopsie bestätigt werden. Angesichts der von Dr. H erhobenen Befunde sei eine Anpassung der MdE bislang nicht erforderlich.

Der Senat hat nach Beiziehung eines Biopsiebefunds vom 15. Dezember 2011 des Instituts für Pathologie des Krankenhauses (chronische Hepatitis B mit mäßiger entzündlicher Infiltration der Portalfelder und geringer periportaler sowie noch milder intralabulärer entzündlicher Aktivität bei schwerer Leberzellverfettung mit leichter Steatohepaititis, geringer Fibrose der Portalfelder mit überwiedend kurzen und schmalen Bindegewebssepten) eine weitere gutachterliche Stellungnahme von Dr. S vom 02. Juli 2012 eingeholt, wonach dem aktuellen Gewebeschnitt ein wesentlich neuer pathologischer Aspekt im Sine einer relevanten Verschlimmerung nicht zu entnehmen sei.

Dr. H hat sich in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18. August 2012 unter Bezugnahme auf unfallmedizinisches Fachschrifttum dahin gehend geäußert, dass unter Würdigung des neuen Biopsie-Befunds die MdE nun mit 20 v.H. zu bewerten sei, wobei unmöglich sei festzustellen, ob die Fettsucht oder die Hepatitis die Veränderungen ursächlich hervorgebracht hätten.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04. September 2012 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter darf aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Senats vom 04. September 2012 über die Berufung der Klägerin als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden, § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht. Sie hat wegen der Folgen der bei ihr als BK 3101 anerkannten Hepatitis B keinen Anspruch auf Verletztenrente. Die Voraussetzungen der hierfür einzig in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage aus § 56 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) liegen nicht vor.

Nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Nach § 56 Abs. 1 S. 2 SGB VII besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert ist und die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII sind die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die bei der Klägerin festgestellten Funktionseinbußen und krankhaften Veränderungen der Leber sind keine rentenberechtigenden Folgen der bei ihr als BK 3101 festgestellten Hepatitis B.

Der Gesetzgeber bringt mit der wiederholten Formulierung "infolge" – vgl. §§ 45 Abs. 1 Nr. 1, 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII - das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss eine kausale Verknüpfung des Versicherungsfalls bzw. seiner Folgen mit der betrieblichen Sphäre bestehen, mithin eine rechtliche Zurechnung für besonders bezeichnete Risiken der Arbeitswelt beziehungsweise gleichgestellter Tätigkeiten, für deren Entschädigung die gesetzliche Unfallversicherung als spezieller Zweig der Sozialversicherung einzustehen hat, und zwar nicht nur im Sinne einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (Zurechnungslehre der wesentlichen Bedingung, ständige Rechtsprechung, etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob der Versicherungsfall wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und den Krankheitsfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 20).

Erst dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, welche Gesundheitsschäden berufskrankheitenbedingt sind, stellt sich die Frage nach der Bemessung der MdE, die gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII grundsätzlich von zwei Faktoren abhängt: Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Nicht der Gesundheitsschaden als solcher ist entscheidend, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R -, zitiert nach juris Rn. 12). Hierbei kann zu beachten sein, dass zu Rezidiven neigende Erkrankungen zu Beeinträchtigungen führen, die über die reine Funktionseinschränkung des betroffenen Organs hinausgehen und sich auf das Erwerbsleben auswirken. Bei derartigen Erkrankungen sind bei der Schätzung der MdE entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalls gegebenenfalls bestehende besondere Aspekte der Genesungszeit wie das Vorliegen einer Dauertherapie, eines Schmerzsyndroms mit Schmerzmittelabhängigkeit, Anpassung und Gewöhnung an den gegebenenfalls reduzierten Allgemeinzustand, die notwendige Schonung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes, psychische Beeinträchtigungen (Antriebsarmut, Hoffnungslosigkeit), soziale Anpassungsprobleme etc., die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben, wie auch sonst bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen (BSG a.a.O., Rn. 17). Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die anderen genannten Aspekte und ist bei der MdE-Bewertung zu beachten. Ebenso wenig wie jedoch das allgemeine Rezidivrisiko eine pauschale MdE-Erhöhung zu begründen vermag, sondern nur besondere Aspekte der Genesungszeit, führt der bloße Ablauf einer bestimmten rezidivfreien Zeit in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht automatisch zu einer MdE-Herabsetzung. Es bedarf vielmehr einer Besserung der zuvor der MdE-Bemessung zugrunde gelegten Funktionsbeeinträchtigungen beziehungsweise besonderen Aspekte, die die Erwerbsfähigkeit beeinflussen (BSG a.a.O., Rn. 18).

Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße davon überzeugt, dass die von der Klägerin beklagten subjektiven Beschwerden und die bei ihr festgestellten krankhaften Veränderungen der Leber in einem rentenberechtigenden Maße auf die bei ihr anerkannte BK 3101 zurückzuführen sind. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird zunächst abgesehen, weil die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids als unbegründet zurückzuweisen ist, § 153 Abs. 2 SGG. Auch die weitergehenden Ermittlungen im Berufungsverfahren haben keine in eine andere Richtung weisenden Anhaltspunkte erbracht. Zwar hat Dr. H in ihrem auf Antrag der Klägerin erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 21. November 2010 zunächst eine MdE von 30 v.H. wegen der Folgen der Lebererkrankung angenommen, hierbei jedoch, wie sie dort selbst eingeräumt hat, auf einen nur bedingt aussagekräftigen, durch eine Elastografie erhobenen Befund einer höhergradigen Fibrose abgestellt und im Übrigen es nicht vermocht, die durch die Adipositas und Diabetes mellitus, mithin nicht durch die BK 3101 verursachte Leberschädigung vom berufsbedingten Anteil der Leberschädigung abzugrenzen. Darauf dass der elastografischen Befunderhebung letztlich jedenfalls im Fall der adipösen Klägerin nur geringe Aussagekraft beizumessen ist, hat auch Dr. S in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Juli 2011 hingewiesen. Dies ist nachvollziehbar, zumal auch das einschlägige unfallmedizinische Schrifttum eine bioptische Überprüfung des aktuellen Leberbefundes für unverzichtbar erachtet (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Kap. 9.2.6, S. 730). Soweit Dr. H nun unter Würdigung des neuen Biopsiebefunds vom 15. Dezember 2011 nur noch zu einer MdE von 20 v.H. gelangt ist, entspricht dies zwar angesichts der bioptisch festgestellten entzündlichen Aktivität und Fibrose zwar für sich betrachtet zunächst den Erfahrungswerten des einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttums (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, a.a.O., Kap. 9.2.6, S. 729). Dr. H bezieht jedoch in die für die Bemessung MdE maßgebliche klinischen Gesamtdiagnose nicht auch weitere Parameter wie klinisches Befinden und klinischen Untersuchungsbefund (vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, ebd.) nachvollziehbar unter Ausgrenzung des auf der Fettleibigkeit beruhenden Schädigungsanteils der Leber mit ein. Vielmehr hat sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18. August 2012 eine Abgrenzung der auf Fettsucht und Hepatitis B entfallenden Schädigungsanteile für unmöglich erachtet. So kann der der Klägerin obliegende Beweis, dass allein schon die bei ihr bestehenden BK-Folgen eine rentenberechtigende MdE von mindestens 20 v.H. begründen, von vornherein nicht erbracht werden. Dies gilt auch, soweit die Klägerin behauptet, die psychische Erkrankung sei im Wesentlichen auf die BK 3101 zurückzuführen. Diese Behauptung findet in den schriftlichen Sachverständigengutachten nicht einmal ansatzweise eine Stütze.

Die bei der Klägerin bestehende, jedenfalls die ihr von Dr. H bescheinigte Verschlimmerungsgefahr kann für sich betrachtet nicht in die MdE-Bewertung miteinbezogen werden, solange sie sich nicht erwiesenermaßen in aktuellen Funktionsbehinderungen äußert. Sollte in der Tat eine – nach den oben genannten Maßstäben auf die Berufskrankheit zurückzuführende, gegen die sonstigen leberschädigenden Faktoren abgrenzbare - Verschlimmerung eintreten, könnte erst eine solche für die MdE-Bewertung bedeutsam werden. Die von der Klägerin beklagten psychischen Beschwerden können vornherein nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die BK 3101 zurückgeführt und in die MdE-Bewertung miteinbezogen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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