L 11 R 4092/12 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 6291/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4092/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.08.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens dem Grunde nach.

Die Beklagte gewährte der 1947 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 30.09.2010 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.02.2010 in Höhe von 1.217,43 EUR monatlich. Der Bescheid enthielt den Zusatz: "Die Rente ist unter Außerachtlassung der im Verfahren gegen den Bescheid vom 30.07.2010 geltend gemachten Ansprüche berechnet worden. Sie wird neu festgestellt, wenn und soweit dieses Verfahren zu Ihren Gunsten beendet wird. Der Zahlungsausschluss des § 44 Abs 4 SGB X findet dabei keine Anwendung. Wegen dieser Ansprüche ist ein Widerspruch gegen den Rentenbescheid ausgeschlossen". Insoweit war noch streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 01.04.1964 bis 30.11.1967 wegen Heirat damals erstattete Beiträge nachzahlen durfte (Ablehnung durch Bescheid vom 30.07.2010).

Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 30.09.2010 Widerspruch mit der Begründung, man wolle sich auf kein Risiko einlassen, die Frist des § 44 Abs 4 SGB X stehe nicht zur Disposition der Behörde. Mit Bescheid vom 03.12.2010 half die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.07.2010 ab und gewährte unter Berücksichtigung der nachgezahlten Beiträge mit Bescheid vom 18.07.2011 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.09.2011 in Höhe von monatlich 1.253,08 EUR sowie eine Nachzahlung für den Zeitraum 01.12.2010 bis 31.08.2011 in Höhe von 247,08 EUR. Auf Widerspruch der Klägerin, mit dem diese Berechnungsfehler rügte, gewährte die Beklagte schließlich ab 01.09.2011 Rente in Höhe von monatlich 1.364,98 EUR sowie eine Nachzahlung in Höhe von 999,71 EUR (Bescheid vom 23.08.2011); insoweit erfolgte eine Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Die Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 30.09.2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.09.2011 ab, da der Widerspruch unzulässig gewesen sei. Mit seinem Widerspruch machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, bereits aus haftungsrechtlichen Gründen habe Widerspruch erhoben werden müssen, denn der Bescheid hätte als vorläufiger Bescheid oder Vorschussbescheid deklariert werden müssen, damit keine Problematik mit § 44 Abs 4 SGB X entstehen könne, für den Fall, dass sich wegen der Frage der Nachentrichtung von Beiträgen ein fünf- oder sechsjähriger Rechtsstreit anschließe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 29.11.2011 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage. Eine Nichtanwendung des § 44 Abs 4 SGB X habe die Beklagte nicht zusichern können und da nicht klar gewesen sei, wie lange man über die freiwillige Beitragsentrichtung würde streiten müssen, sei der Widerspruch dringend geboten, zulässig und im Ergebnis auch erfolgreich gewesen.

Mit Urteil vom 21.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach § 63 Abs 1 SGB X habe der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, demjenigen, der Widerspruch erhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich sei. Die Erhebung des Widerspruchs stelle sich vorliegend nicht als zweckentsprechende Rechtsverfolgung dar, so dass keine Aufwendungen zu erstatten seien. Die Beklagte habe sich verbindlich verpflichtet, im Fall der Anerkennung freiwilliger Beitragszeiten eine Neuberechnung vorzunehmen und einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen. Durch Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 30.09.2010 habe daher kein Rechtsnachteil für die Klägerin gedroht.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 29.08.2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.09.2012 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die trotz mehrfacher Mahnung nicht begründet worden ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 145 Abs 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zwar zulässig (§ 145 Abs 1 SGG), jedoch in der Sache nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des SG oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts (LSG), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2 aaO). Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; weder stehen wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Streit, noch ist bei vernünftiger Auslegung des Begehrens die erforderliche Berufungssumme erreicht, da es lediglich um Gebühren des Rentenberaters für ein Widerspruchsverfahren geht. Das SG hat die Berufung im angefochtenen Urteil auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das LSG bedurft hätte. Eine solche Zulassung kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG), des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1.) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit 20.12.1955, 10 RV 225/54, BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl BSG 16.11.1987, 5b BJ 118/87, SozR 1500 § 160a Nr 60; BSG 16.12.1993, 7 BAr 126/93, SozR 3-1500 § 160a Nr 16; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 144 RdNrn 28 f; § 160 RdNrn 6 ff jeweils mwN). Von einer Klärung ist im Regelfall auszugehen, wenn die Frage höchstrichterlich entschieden ist (BSG 21.11.1983, 9a BVi 7/83, SozR 1500 § 160 Nr 51). Dem steht gleich, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichend Anhaltspunkte für die Beantwortung der konkreten Frage geben (BSG 31.03.1993, 13 BJ 215/92, SozR 3-1500 § 146 Nr 2) oder wenn die Beantwortung so gut wie unbestritten ist (BSG 02.03.1976, 12/11 BA 116/75, SozR 1500 § 160 Nr 17) oder von vornherein praktisch außer Zweifel steht (BSG 04.06.1975, 11 BA 4/75, BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG 30.03.2005, B 4 RA 257/04 B, SozR 4-1500 § 160a Nr 7). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG 26.06.1975, 12 BJ 12/75, SozR 1500 § 160a Nr 7).

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im oben dargestellten Sinn stellen sich hier nicht. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.

(2.) Eine Abweichung der Entscheidung des SG von einer Entscheidung eines der in § 144 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte (Divergenz) liegt nicht vor. Divergenz bedeutet einen Widerspruch im Rechtssatz oder das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt worden sind. Dies setzt begrifflich voraus, dass das SG einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz gebildet hat. Es muss die Rechtsfrage entschieden und nicht etwa übersehen haben. Eine Abweichung liegt daher nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung nicht den vom Obergericht aufgestellten Kriterien entspricht, sondern erst, wenn diesen Kriterien widersprochen wird, also andere Maßstäbe entwickelt werden. Nicht eine Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (BSG 29.11.1989, 7 BAr 130/98, SozR 1500 § 160a Nr 67; Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 144 RdNr 28). Ein derartiger Widerspruch wird von der Klägerin nicht aufgezeigt, er ist auch nicht ersichtlich.

(3.) Ein Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Verfahrensmangel liegt nur vor bei einem Verstoß des erstinstanzlichen Gerichts gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht insoweit nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 144 RdNr 32). Ein Verfahrensmangel verpflichtet nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn er gerügt ("geltend gemacht") wird. Dafür genügt es, wenn Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich der Mangel des Verfahrens ergibt.

Diese Voraussetzungen sind hier offensichtlich nicht erfüllt, da die Klägerin schon gar keinen Verfahrensmangel rügt ...

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil vom 21.08.2012 wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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