Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 KA 132/07
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 7 KA 31/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 26/12 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. April 2012 wird verworfen. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahren, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 46 875 Euro.
Gründe:
I
1
Umstritten ist eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise. Dabei ist vorrangig über das Gesuch um Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist zu entscheiden.
2
Die Klägerin ist als Augenärztin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen. Sie hat einen Praxisschwerpunkt bei der innovativen medikamentösen Glaukomtherapie, die nach ihrer Darstellung eine wesentliche Ursache für ihren weit über den Fachgruppendurchschnitt hinausgehenden Arzneiverordnungsaufwand in den Quartalen I/1999 bis III/2000 war. Gegen die vom Prüfungsausschuss festgesetzten Arzneiverordnungsregresse (Bescheide vom 21.2.2002 und vom 8.4.2004) erhoben sowohl die Klägerin als auch die beigeladenen Krankenkassen Widerspruch. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Klägerin zurück; auf die Widersprüche der Krankenkassen hin erhöhte er den Regress auf ca 46 875 Euro (Bescheid vom 19.3.2007).
3
Die Klägerin hat mit ihrer Klage insoweit Erfolg gehabt, als das SG den Regress teilweise aufgehoben hat (Urteil vom 24.2.2010). Das LSG hingegen hat unter Änderung des Urteils des SG die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 19.4.2012): Weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen könnten anerkannt werden. Die Annahme einer Unwirtschaftlichkeit ab einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 30 % sei nicht zu beanstanden.
4
Die Klägerin hat fristgerecht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Die Begründungsschrift, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist indessen erst mehr als zwei Monate nach der Zustellung des LSG-Urteils eingegangen (Zustellung des LSG-Urteils am 9.5.2012, Eingang der Beschwerde am 11.6.2012 (Montag), Eingang der Beschwerdebegründung am 11.7.2012 (Mittwoch)).
5
Die Klägerin führt für ihr Begehren nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, am Tag vor dem Fristablauf, an dem 8.7.2012 (Sonntag), sei bei ihrem Prozessbevollmächtigten plötzlich eine Gastroenteritis aufgetreten, die sich unter anderem mit Brechdurchfall manifestiert habe. Er habe bis einschließlich den 10.7.2012 (Dienstag) an dieser Erkrankung gelitten und sei in dieser Zeit bettlägerig und unfähig gewesen, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen aufzusuchen.
II
6
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 169 Satz 2 und 3 SGG - ohne mündliche Verhandlung und ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter - als unzulässig zu verwerfen; denn sie ist nicht, wie gemäß § 160a Abs 2 Satz 1 SGG erforderlich, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Berufungsurteils begründet worden. Diese Frist ist - nach der Zustellung des LSG-Urteils am 9.5.2012 - am 9.7.2012 abgelaufen (eine Verlängerung gemäß § 160a Abs 2 Satz 2 SGG ist nicht beantragt worden). Die Beschwerdebegründung ist indessen erst am 11.7.2012 beim BSG eingegangen.
7
Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung einzuhalten. Es liegt ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten vor, der für sie gehandelt hat und dessen Verschulden ihr zuzurechnen ist (§ 73 Abs 4 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).
8
Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten selbst - sowie der von ihm beschäftigten, zur Rechtsvertretung im Prozess befugten Personen (s § 73 SGG und dazu Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 67 RdNr 9e (Keller) und § 73 RdNr 49 - 54 (Leitherer), jeweils mwN) - ist der Prozesspartei stets zuzurechnen. Ein Verschulden der - von dem Prozessbevollmächtigten oder anderen postulationsfähigen Bediensteten herangezogenen - weiteren Bediensteten ist der Prozesspartei indessen dann nicht zuzurechnen, wenn deren Fehlverhalten Aufgaben betrifft, die auf sie delegiert werden durften und wenn sie sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht wurden (vgl § 831 Abs 1 Satz 2 BGB). Eine solche Möglichkeit der Exkulpation besteht hingegen nicht, soweit Handlungen in Frage stehen, die dem Prozessbevollmächtigten selbst zugewiesen bzw von ihm übernommen worden sind.
9
1. Im vorliegenden Fall liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der Wahrnehmung der ihm selbst obliegenden Aufgaben vor, das der Klägerin zuzurechnen ist. Er hat angegeben, dass an dem Tag vor dem Fristablauf, dem 8.7.2012 (Sonntag), plötzlich eine Gastroenteritis aufgetreten sei, die sich unter anderem mit Brechdurchfall manifestiert habe. Er habe bis einschließlich den 10.7.2012 (Dienstag) an dieser Erkrankung gelitten und sei in dieser Zeit bettlägerig und unfähig gewesen, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen aufzusuchen. Dieses Vorbringen reicht nicht aus, um von einer unverschuldeten Fristversäumung ausgehen zu können. Seinen Angaben lässt sich weder entnehmen, dass er für den Fall unvorgesehener Erkrankung Vorsorge für die Bearbeitung von Fristsachen getroffen hätte, noch, dass er auch sonst alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Fristwahrung unternommen hätte.
10
a) Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass jeder Prozessbevollmächtigte für den Fall Vorsorge treffen muss, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere der Wahrung von Fristen, gehindert ist (vgl zB BSG vom 16.2.2010 - B 2 U 318/09 B - Juris RdNr 7 und vom 14.7.2004 - B 11 AL 91/04 B - Juris RdNr 3, jeweils mwN; BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 10, vom 11.8.2005 - VII B 319/04 - Juris RdNr 6 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 9). Die Vorsorge für die Bearbeitung der Fristsachen kann zB in der Weise sichergestellt werden, dass in einem solchen unvorhergesehenen Verhinderungsfall ein Mitarbeiter der Kanzlei die Fristsachen dem Erkrankten zur Bearbeitung nach Hause bringt oder - wenn dies nicht möglich ist oder dieser auch zu Hause nicht zur Bearbeitung imstande ist - sie einem vertretungsbereiten Kollegen übergibt oder dieser in die Kanzlei gerufen wird (zu solchen Beispielen vgl zB BFH vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 9). Der Vertreter müsste dann in einer Verfahrenskonstellation, wie sie hier vorliegt, nicht unbedingt seinerseits die Beschwerdebegründung fertigen und dem Gericht einreichen, sondern es würde ausreichen, per Fax die Verlängerung der Frist für die Beschwerdebegründung bei Gericht zu beantragen (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG). Dies alles muss so organisiert sein, dass der verhinderte Bevollmächtigte die Auffangmaßnahmen durch einen Telefonanruf in seiner Kanzlei oder eine anderweitige Unterrichtung seiner Kanzlei auslösen kann.
11
Solche organisatorische Vorsorge hätte zur Folge, dass eine Fristversäumung nur noch dann vorstellbar - und dann unvermeidbar sowie unverschuldet - wäre, wenn die Erkrankung so unversehens eintritt und so schwer ist, dass der Prozessbevollmächtigte nicht einmal mehr einen Telefonanruf tätigen kann (vgl dazu BGH vom 14.2.2012 - VIII ZB 3/12 - Juris RdNr 7, vom 5.4.2011 - VIII ZB 81/10 - NJW 2011, 1601 RdNr 18 f, vom 3.12.1998 - X ZR 181/98 - NJW-RR 1999, 938 f, und vom 6.3.1990 - VI ZB 4/90 - Juris RdNr 7; BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 13, vom 11.8.2005 - VII B 319/04 - Juris RdNr 6 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 10; vgl auch BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5).
12
b) Soweit die Gerichtsentscheidungen zugrunde gelegt werden, die eine detaillierte Vorsorge der geschilderten Art nur von einem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten zu fordern scheinen (in diese Richtung deutend BGH vom 14.2.2012 - VIII ZB 3/12 - Juris RdNr 7, vom 5.4.2011 - VIII ZB 81/10 - NJW 2011, 1601 RdNr 14, vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5 und vom 18.9.2008 - V ZB 32/08 - NJW 2008, 3571 RdNr 9; vgl auch BGH vom 6.7.2009 - II ZB 1/09 - NJW 2009, 3037 RdNr 10; ebenso BVerwG vom 28.8.2008 - 6 B 22/08 - Juris RdNr 15), gilt für den Prozessbevollmächtigten, der mit einem Sozius oder mit einem angestellten Rechtsanwalt zusammen arbeitet, aber jedenfalls die allgemeine Forderung, bei unvorhergesehener Erkrankung alles zu unternehmen, was ihm noch möglich und zumutbar ist (vgl zB BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5 am Ende; BGH vom 18.9.2008 - V ZB 32/08 - NJW 2008, 3571 RdNr 9 am Ende mwN; BVerwG vom 28.8.2008 - 6 B 22/08 - Juris RdNr 13). Das bedeutet, dass er im Fall plötzlicher Erkrankung jedenfalls in seiner Kanzlei anrufen - oder dies wenigsten versuchen - muss, um diese zu veranlassen, sich seiner Fristsachen anzunehmen. Nur wenn die Erkrankung unversehens eintritt und so schwer ist, dass er nicht einmal mehr einen Telefonanruf oder Ähnliches tätigen kann, könnte in Betracht kommen, die Fristversäumung als unverschuldet anzusehen.
13
c) Unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seiner Kanzlei als Einzelanwalt tätig ist bzw gewesen ist oder ob mehrere Rechtsanwälte die Kanzlei zusammen führen bzw geführt haben (vgl hierzu die Ausführungen der Beigeladenen zu 1. und des Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 27. und vom 28.8.2012), reicht das, was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Entschuldigung der Fristversäumung geltend gemacht hat, nicht aus. Aus seinen Ausführungen ergibt sich nur, dass er bettlägerig und unfähig gewesen sei, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen "aufzusuchen".
14
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat indessen weder vorgetragen, dass er in der unter a) genannten Weise Vorsorge gegen eine unvorhergesehene Verhinderung getroffen habe, noch, dass er wenigstens gemäß oben b) in seiner Kanzlei angerufen - oder dies wenigsten versucht - habe, um diese zu veranlassen, sich seiner Fristsachen anzunehmen, damit zB in einer Verfahrenskonstellation der vorliegenden Art per Fax die Verlängerung der Frist für die Beschwerdebegründung beantragt wird. Er hat andererseits auch nicht vorgetragen, so schwer erkrankt gewesen zu sein, dass er zu einer telefonischen Aktion nicht in der Lage gewesen sei.
15
Somit ist weder dargetan, dass er zu keinerlei Maßnahmen mehr imstande gewesen wäre, noch, dass er die von ihm gemäß oben a) oder b) gebotenen Maßnahmen ergriffen hätte.
16
Solche Darlegungen des Prozessbevollmächtigten sind indessen zur Glaubhaftmachung der hindernden Tatsachen im Sinne des § 67 Abs 2 Satz 2 SGG erforderlich. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Prozesspartei bzw ihr Prozessbevollmächtigter von sich aus im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuchs die zur Fristwahrung getätigten Maßnahmen bzw die Hinderungsgründe darlegen muss (vgl BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 12 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 11 f; BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 6 am Ende).
17
Zu den Darlegungsobliegenheiten im Sinne des § 67 Abs 2 Satz 2 SGG hätte es auch gehört, eine eindeutige und aussagekräftige ärztliche Stellungnahme zu den Auswirkungen der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten auf dessen Leistungsvermögen - zB Fähigkeit zu einem Telefonanruf in der Kanzlei - vorzulegen. Der Hinweis auf eine etwa vom Gericht einzuholende eidesstattliche Versicherung eines nicht mit voller Anschrift benannten Arztes reicht insoweit nicht aus. Im Übrigen hätte es nahegelegen, dass der Bevollmächtigte des Klägers den Hinweis auf seine Erkrankung unmittelbar mit der - verspäteten - Beschwerdebegründung verbunden hätte.
18
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihm geführten erfolglosen Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst; keiner der Beigeladenen hat im Beschwerdeverfahren einen Sachantrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
19
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 GKG. Die Bemessung des Streitwerts erfolgt entsprechend dem streitigen Regressbetrag von 46 874,62 Euro.
Gründe:
I
1
Umstritten ist eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise. Dabei ist vorrangig über das Gesuch um Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist zu entscheiden.
2
Die Klägerin ist als Augenärztin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen. Sie hat einen Praxisschwerpunkt bei der innovativen medikamentösen Glaukomtherapie, die nach ihrer Darstellung eine wesentliche Ursache für ihren weit über den Fachgruppendurchschnitt hinausgehenden Arzneiverordnungsaufwand in den Quartalen I/1999 bis III/2000 war. Gegen die vom Prüfungsausschuss festgesetzten Arzneiverordnungsregresse (Bescheide vom 21.2.2002 und vom 8.4.2004) erhoben sowohl die Klägerin als auch die beigeladenen Krankenkassen Widerspruch. Der beklagte Beschwerdeausschuss wies den Widerspruch der Klägerin zurück; auf die Widersprüche der Krankenkassen hin erhöhte er den Regress auf ca 46 875 Euro (Bescheid vom 19.3.2007).
3
Die Klägerin hat mit ihrer Klage insoweit Erfolg gehabt, als das SG den Regress teilweise aufgehoben hat (Urteil vom 24.2.2010). Das LSG hingegen hat unter Änderung des Urteils des SG die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 19.4.2012): Weder Praxisbesonderheiten noch kompensierende Einsparungen könnten anerkannt werden. Die Annahme einer Unwirtschaftlichkeit ab einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 30 % sei nicht zu beanstanden.
4
Die Klägerin hat fristgerecht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Die Begründungsschrift, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist indessen erst mehr als zwei Monate nach der Zustellung des LSG-Urteils eingegangen (Zustellung des LSG-Urteils am 9.5.2012, Eingang der Beschwerde am 11.6.2012 (Montag), Eingang der Beschwerdebegründung am 11.7.2012 (Mittwoch)).
5
Die Klägerin führt für ihr Begehren nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, am Tag vor dem Fristablauf, an dem 8.7.2012 (Sonntag), sei bei ihrem Prozessbevollmächtigten plötzlich eine Gastroenteritis aufgetreten, die sich unter anderem mit Brechdurchfall manifestiert habe. Er habe bis einschließlich den 10.7.2012 (Dienstag) an dieser Erkrankung gelitten und sei in dieser Zeit bettlägerig und unfähig gewesen, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen aufzusuchen.
II
6
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 169 Satz 2 und 3 SGG - ohne mündliche Verhandlung und ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter - als unzulässig zu verwerfen; denn sie ist nicht, wie gemäß § 160a Abs 2 Satz 1 SGG erforderlich, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Berufungsurteils begründet worden. Diese Frist ist - nach der Zustellung des LSG-Urteils am 9.5.2012 - am 9.7.2012 abgelaufen (eine Verlängerung gemäß § 160a Abs 2 Satz 2 SGG ist nicht beantragt worden). Die Beschwerdebegründung ist indessen erst am 11.7.2012 beim BSG eingegangen.
7
Der Klägerin kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 SGG) gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung einzuhalten. Es liegt ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten vor, der für sie gehandelt hat und dessen Verschulden ihr zuzurechnen ist (§ 73 Abs 4 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO).
8
Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten selbst - sowie der von ihm beschäftigten, zur Rechtsvertretung im Prozess befugten Personen (s § 73 SGG und dazu Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 67 RdNr 9e (Keller) und § 73 RdNr 49 - 54 (Leitherer), jeweils mwN) - ist der Prozesspartei stets zuzurechnen. Ein Verschulden der - von dem Prozessbevollmächtigten oder anderen postulationsfähigen Bediensteten herangezogenen - weiteren Bediensteten ist der Prozesspartei indessen dann nicht zuzurechnen, wenn deren Fehlverhalten Aufgaben betrifft, die auf sie delegiert werden durften und wenn sie sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht wurden (vgl § 831 Abs 1 Satz 2 BGB). Eine solche Möglichkeit der Exkulpation besteht hingegen nicht, soweit Handlungen in Frage stehen, die dem Prozessbevollmächtigten selbst zugewiesen bzw von ihm übernommen worden sind.
9
1. Im vorliegenden Fall liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten bei der Wahrnehmung der ihm selbst obliegenden Aufgaben vor, das der Klägerin zuzurechnen ist. Er hat angegeben, dass an dem Tag vor dem Fristablauf, dem 8.7.2012 (Sonntag), plötzlich eine Gastroenteritis aufgetreten sei, die sich unter anderem mit Brechdurchfall manifestiert habe. Er habe bis einschließlich den 10.7.2012 (Dienstag) an dieser Erkrankung gelitten und sei in dieser Zeit bettlägerig und unfähig gewesen, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen aufzusuchen. Dieses Vorbringen reicht nicht aus, um von einer unverschuldeten Fristversäumung ausgehen zu können. Seinen Angaben lässt sich weder entnehmen, dass er für den Fall unvorgesehener Erkrankung Vorsorge für die Bearbeitung von Fristsachen getroffen hätte, noch, dass er auch sonst alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Fristwahrung unternommen hätte.
10
a) Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass jeder Prozessbevollmächtigte für den Fall Vorsorge treffen muss, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere der Wahrung von Fristen, gehindert ist (vgl zB BSG vom 16.2.2010 - B 2 U 318/09 B - Juris RdNr 7 und vom 14.7.2004 - B 11 AL 91/04 B - Juris RdNr 3, jeweils mwN; BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 10, vom 11.8.2005 - VII B 319/04 - Juris RdNr 6 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 9). Die Vorsorge für die Bearbeitung der Fristsachen kann zB in der Weise sichergestellt werden, dass in einem solchen unvorhergesehenen Verhinderungsfall ein Mitarbeiter der Kanzlei die Fristsachen dem Erkrankten zur Bearbeitung nach Hause bringt oder - wenn dies nicht möglich ist oder dieser auch zu Hause nicht zur Bearbeitung imstande ist - sie einem vertretungsbereiten Kollegen übergibt oder dieser in die Kanzlei gerufen wird (zu solchen Beispielen vgl zB BFH vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 9). Der Vertreter müsste dann in einer Verfahrenskonstellation, wie sie hier vorliegt, nicht unbedingt seinerseits die Beschwerdebegründung fertigen und dem Gericht einreichen, sondern es würde ausreichen, per Fax die Verlängerung der Frist für die Beschwerdebegründung bei Gericht zu beantragen (§ 160a Abs 2 Satz 2 SGG). Dies alles muss so organisiert sein, dass der verhinderte Bevollmächtigte die Auffangmaßnahmen durch einen Telefonanruf in seiner Kanzlei oder eine anderweitige Unterrichtung seiner Kanzlei auslösen kann.
11
Solche organisatorische Vorsorge hätte zur Folge, dass eine Fristversäumung nur noch dann vorstellbar - und dann unvermeidbar sowie unverschuldet - wäre, wenn die Erkrankung so unversehens eintritt und so schwer ist, dass der Prozessbevollmächtigte nicht einmal mehr einen Telefonanruf tätigen kann (vgl dazu BGH vom 14.2.2012 - VIII ZB 3/12 - Juris RdNr 7, vom 5.4.2011 - VIII ZB 81/10 - NJW 2011, 1601 RdNr 18 f, vom 3.12.1998 - X ZR 181/98 - NJW-RR 1999, 938 f, und vom 6.3.1990 - VI ZB 4/90 - Juris RdNr 7; BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 13, vom 11.8.2005 - VII B 319/04 - Juris RdNr 6 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 10; vgl auch BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5).
12
b) Soweit die Gerichtsentscheidungen zugrunde gelegt werden, die eine detaillierte Vorsorge der geschilderten Art nur von einem als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten zu fordern scheinen (in diese Richtung deutend BGH vom 14.2.2012 - VIII ZB 3/12 - Juris RdNr 7, vom 5.4.2011 - VIII ZB 81/10 - NJW 2011, 1601 RdNr 14, vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5 und vom 18.9.2008 - V ZB 32/08 - NJW 2008, 3571 RdNr 9; vgl auch BGH vom 6.7.2009 - II ZB 1/09 - NJW 2009, 3037 RdNr 10; ebenso BVerwG vom 28.8.2008 - 6 B 22/08 - Juris RdNr 15), gilt für den Prozessbevollmächtigten, der mit einem Sozius oder mit einem angestellten Rechtsanwalt zusammen arbeitet, aber jedenfalls die allgemeine Forderung, bei unvorhergesehener Erkrankung alles zu unternehmen, was ihm noch möglich und zumutbar ist (vgl zB BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 5 am Ende; BGH vom 18.9.2008 - V ZB 32/08 - NJW 2008, 3571 RdNr 9 am Ende mwN; BVerwG vom 28.8.2008 - 6 B 22/08 - Juris RdNr 13). Das bedeutet, dass er im Fall plötzlicher Erkrankung jedenfalls in seiner Kanzlei anrufen - oder dies wenigsten versuchen - muss, um diese zu veranlassen, sich seiner Fristsachen anzunehmen. Nur wenn die Erkrankung unversehens eintritt und so schwer ist, dass er nicht einmal mehr einen Telefonanruf oder Ähnliches tätigen kann, könnte in Betracht kommen, die Fristversäumung als unverschuldet anzusehen.
13
c) Unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seiner Kanzlei als Einzelanwalt tätig ist bzw gewesen ist oder ob mehrere Rechtsanwälte die Kanzlei zusammen führen bzw geführt haben (vgl hierzu die Ausführungen der Beigeladenen zu 1. und des Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 27. und vom 28.8.2012), reicht das, was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Entschuldigung der Fristversäumung geltend gemacht hat, nicht aus. Aus seinen Ausführungen ergibt sich nur, dass er bettlägerig und unfähig gewesen sei, die Kanzlei zur Kontrolle und Bearbeitung von Fristsachen "aufzusuchen".
14
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat indessen weder vorgetragen, dass er in der unter a) genannten Weise Vorsorge gegen eine unvorhergesehene Verhinderung getroffen habe, noch, dass er wenigstens gemäß oben b) in seiner Kanzlei angerufen - oder dies wenigsten versucht - habe, um diese zu veranlassen, sich seiner Fristsachen anzunehmen, damit zB in einer Verfahrenskonstellation der vorliegenden Art per Fax die Verlängerung der Frist für die Beschwerdebegründung beantragt wird. Er hat andererseits auch nicht vorgetragen, so schwer erkrankt gewesen zu sein, dass er zu einer telefonischen Aktion nicht in der Lage gewesen sei.
15
Somit ist weder dargetan, dass er zu keinerlei Maßnahmen mehr imstande gewesen wäre, noch, dass er die von ihm gemäß oben a) oder b) gebotenen Maßnahmen ergriffen hätte.
16
Solche Darlegungen des Prozessbevollmächtigten sind indessen zur Glaubhaftmachung der hindernden Tatsachen im Sinne des § 67 Abs 2 Satz 2 SGG erforderlich. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Prozesspartei bzw ihr Prozessbevollmächtigter von sich aus im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuchs die zur Fristwahrung getätigten Maßnahmen bzw die Hinderungsgründe darlegen muss (vgl BFH vom 30.8.2005 - III R 15/05 - Juris RdNr 12 und vom 13.6.2005 - III R 3/04 - Juris RdNr 11 f; BGH vom 19.3.2009 - IX ZB 198/08 - Juris RdNr 6 am Ende).
17
Zu den Darlegungsobliegenheiten im Sinne des § 67 Abs 2 Satz 2 SGG hätte es auch gehört, eine eindeutige und aussagekräftige ärztliche Stellungnahme zu den Auswirkungen der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten auf dessen Leistungsvermögen - zB Fähigkeit zu einem Telefonanruf in der Kanzlei - vorzulegen. Der Hinweis auf eine etwa vom Gericht einzuholende eidesstattliche Versicherung eines nicht mit voller Anschrift benannten Arztes reicht insoweit nicht aus. Im Übrigen hätte es nahegelegen, dass der Bevollmächtigte des Klägers den Hinweis auf seine Erkrankung unmittelbar mit der - verspäteten - Beschwerdebegründung verbunden hätte.
18
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihm geführten erfolglosen Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten Beigeladener ist nicht veranlasst; keiner der Beigeladenen hat im Beschwerdeverfahren einen Sachantrag gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).
19
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 GKG. Die Bemessung des Streitwerts erfolgt entsprechend dem streitigen Regressbetrag von 46 874,62 Euro.
Rechtskraft
Aus
Login
BRD
Saved