L 12 AL 450/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 12 AL 7/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 450/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Frage, wann wegen einer unternehmerischen Entscheidung eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein kann.

2. Der Befreiungstatbestand einer sozial gerechtfertigten Kündigung gem. § 147a Abs 1 S 2 Nr 4 SGB 3 ist auch dann erfüllt, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung gekündigt wurde, die den tariflichen Kündigungsschutz bei betriebsbedingten Kündigungen einschränkt, soweit "sozialverträgliche Instrumente" zu den "notwendigen Personalanpassungsmaßnahmen" zur Anwendung kommen - wie zB Vorruhestandsregelungen. Diese tarifvertragliche Regelung verstößt nicht gegen höheerrangiges Recht insbesondere nicht gegen gesetzliches Kündigungsschutzrecht.
Der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 28. August 2007 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattungspflicht der Klägerin von Arbeitslosengeld sowie Beiträgen zur Kranken-, Pflege und Rentenversicherung nach § 147a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von insgesamt 5.098,98 EUR für den Zeitraum vom 16. März 2007 bis zum 30. Mai 2007.

Die Klägerin ist als ein führendes Unternehmen im Bereich der Energieversorgung tätig. Von ihr wird insbesondere ein Pumpspeicherwerk (PSW) M betrieben. In diesem PSW wurden ausweislich des Stellenplanentwurfes für die Geschäftsjahre 2004, 2005 insgesamt 70 Arbeitnehmer/-innen beschäftigt, u. a. als "Handwerker für spezielle Instandh./ Elt" in Vollzeit die am 1950 geborene EK (im Folgenden: Arbeitnehmerin). Diese Arbeitnehmerin war nach eigenen Angaben seit 1968 bis 1972 als Maschinistin beim Kraftwerk T, von 1973 bis 1977 als Lagerfacharbeiterin beim Kraftwerk H und vom 2. Januar 1978 bis 31. März 2005 als Stauwärterin beim PSW M tätig. Die Klägerin erklärte in der Arbeitsbescheinigung vom 14. März 2005 eine Beschäftigung der Arbeitnehmerin vom 01. Juni 1969 bis 31. März 2005 als Sachbearbeiterin "Anlagen und Betriebsst. im Kraftwerk (PSW) M". Für sie galt eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Vierteljahres.

Am 24. Juni 2002 schlossen insbesondere diverse Arbeitgeberverbände/-vereinigungen, Energieversorgungsunternehmen und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie – IG BCE- einen "Tarifvertrag zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V" ab.

Dieser Tarifvertrag enthielt u. a. folgende Regelungen:

"§ 1 Präambel Die vertragsschließenden Parteien wollen mit den nachstehenden Regelungen die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V sowie der Umstrukturierung in einzelnen Konzernunternehmen bei Wahrung der berechtigten Arbeitnehmerinteressen mit tarifpolitischen Instrumenten sozialverträglich begleiten und den Arbeitnehmern Sicherheit hinsichtlich der Gesamtheit der materiellen Bedingungen ihrer Arbeit, einschließlich betrieblicher Sozialleistungen, geben. § 2 Geltungsbereich Der Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages in einem Arbeitsverhältnis mit einem der genannten Unternehmen stehen und unter den Manteltarifvertrag des jeweiligen Unternehmens fallen. Dieser Tarifvertrag gilt auch für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ruht.

§ 3 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen 1. Im Rahmen aller Maßnahmen zur Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V durch die Zusammenführung und/oder Umstrukturierung der Unternehmen B AG, H AG, L AG und V AG werden betriebsbedingte Kündigungen mit einem Beendigungsdatum vor dem 31. Dezember 2007 ausgeschlossen. 2. 3. Lehnt ein Arbeitnehmer ein zumutbares Angebot eines anderen oder geänderten Arbeitsplatzes – auch in einem anderen Unternehmen oder Tochterunternehmen – ab, sind abweichend von Nr. 1 betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die Zumutbarkeit ist durch betrieblich zu vereinbarende Regelungen zu konkretisieren 4. Die im Rahmen der Strukturierung des Energiekonzerns V bzw. der Umstrukturierung in den Unternehmen notwendigen Personalanpassungsmaßnahmen werden unter Nutzung bewährter sozialverträglicher Instrumente bewältigt. Näheres wird in gesonderten Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen geregelt. Im Rahmen der Anwendung der sozialverträglichen Instrumente im Sinne von Satz 1 können abweichend von Nr. 1 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden."

Ausweislich einer "Protokollnotiz zum Tarifvertrag zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V ebenfalls vom 24. Juni 2002" wurde zudem Folgendes vereinbart:

"1. Sozialverträgliche Instrumente im Sinne von § 3 Nr. 4 sind die bisher in den einzelnen Unternehmen angewandten Instrumente: z.B. Teilzeit, Altersteilzeit, Vorruhestand und strukturelle Kurzarbeit mit Qualifizierungsmaßnahmen."

Schließlich vereinbarten am 24. April 2003 die Klägerin und der Gesamtbetriebsrat der V AG & Co. KG sowie der Betriebsrat VAG GmbH (K) einen "Rahmeninteressenausgleich", in dem es unter anderem hieß: "§ 1 Geltungsbereich (1) Diese Vereinbarung gilt für alle Mitarbeiter der V-G und der K, die am 1. Januar 2003 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, sowie für diejenigen Mitarbeiter, die zukünftig einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der V- G oder der K abschließen.

§ 4 Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen (1) Betriebsbedingte Kündigungen mit einem Beendigungsdatum vor dem 31. Dezember 2007 sind nach Maßgabe von § 3 des Tarifvertrages zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V ausgeschlossen.

(2) Sie werden durch die in § 6 genannten Gestaltungsinstrumente vermieden, vorrangig durch den Einsatz von Vorruhestandsregelungen und unternehmensweiter Mobilität, indem altersbedingt ausscheidende Mitarbeiter durch jüngere des gleichen oder anderer Standorte ersetzt werden.

§ 6 Gestaltungsinstrumente Die erforderliche Personalanpassung wird sozialverträglich gestaltet. V wird sich für den Umstrukturierungsprozess folgender Instrumente bedienen:

(a) Beschäftigungserhaltende Maßnahmen: - Vermeidung von geplanter, bezahlter Mehrarbeit - Altersteilzeit - Versetzung -. Telearbeit - Förderung der Elternzeit - Einsatz in Tochtergesellschaften - Beschäftigung durch notwendig werdende Rückbau- und Abrissmaßnahmen - Qualifizierung und Vermittlung von Mitarbeitern - konzerninterne Zeitarbeit - Vermittlung von Mitarbeitern

(b) Beschäftigungsfördernde Maßnahmen: - Angebot der Teilzeitarbeit - Insourcing bei gegebener Wirtschaftlichkeit

(c) Sozial flankiertes Ausscheiden: - Vorruhestand für alle Jahrgänge bis einschließlich 1951 - betriebliche Kurzarbeit - Unterstützung von Existenzgründungen - Aufhebungsverträge mit Abfindungen

Am 24. April 2003 wurde zwischen den Arbeitsvertragsparteien zudem ein "Rahmensozialplan" vereinbart der unter anderem folgende Regelungen enthielt:

" 3. Abschnitt: Leistungen bei Ausscheiden § 11 Altersregelung (1) Für Mitarbeiter der Jahrgänge 1950/51 gilt die Vorruhestandsregelung, die auf folgenden Grundsätzen beruht:. (2) Die näheren Einzelheiten regelt die als Anlage 1 beigefügte Vereinbarung, die Gegenstand dieses Sozialplanes ist.

§ 12 Einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (1) Mitarbeiter, die mit V einen Aufhebungsvertrag schließen, erhalten eine Abfindung. (2) Mitarbeiter, deren Arbeitsplatz wegfällt oder denen eine Versetzung im Sinne des § 3 Absatz 2 unzumutbar ist, haben Anspruch auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages. (3) V kann im übrigen den Abschluss eines Aufhebungsvertrages verweigern, wenn dies aus betrieblichen Gründen geboten ist. Die betrieblichen Gründe sind dem Mitarbeiter und dem zuständigen Betriebsrat zu erläutern. (6) Der Aufhebungsvertrag ist unter Beachtung der Kündigungsfrist zu schließen. Auf Wunsch des Mitarbeiters kann der Beendigungszeitpunkt vorgezogen werden."

In der als Anlage 1 diesem Rahmensozialplan beigefügten "Vereinbarung zum betrieblichen Vorruhestand für die Mitarbeiter der Jahrgänge 1950/51" wurden folgende Vereinbarungen getroffen:

"Präambel Vorstand und Gesamtbetriebsrat sind sich darin einig, dass nach wie vor ein erheblicher Personalanpassungsbedarf (besteht). Um diesen möglichst ausgewogen gestalten zu können, soll auch den Mitarbeitern der Jahrgänge 1950-1951 ein sozial abgesicherter Übergang zur vorgezogenen gesetzlichen Altersrente mit Vollendung des 60. Lebensjahres ermöglicht werden.

§ 2 Ausscheiden in den betrieblichen Vorruhestand (1) Das Ausscheiden in den betrieblichen Vorruhestand nach dieser Vereinbarung und damit das Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsverhältnis erfolgt frühestens mit Erreichen des 55. Lebensjahres. Die Mitarbeiter müssen spätestens mit 55 Jahren und elf Monaten aus dem V ausscheiden."

Mit Änderungsvertrag vom 1. Juli 2003 vereinbarten daraufhin die Klägerin und die Arbeitnehmerin die Änderung der Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2004 auf 30 Stunden pro Woche, eine Versetzung in die "betriebliche Organisationseinheit in Hohenwarte" sowie eine Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge mit einer entsprechenden Arbeitsentgeltreduzierung.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 kündigte schließlich die Klägerin das Arbeitsverhältnis "fristgerecht zum 31. März 2005" und führte zur Begründung aus: "Wie wir Ihnen bereits persönlich näher erläutert haben, ist aufgrund des immer noch notwendigen Personalanpassungsprozesses eine Weiterbeschäftigung in unserem Unternehmen nicht möglich. aufgrund der betrieblichen Notwendigkeit (bestünde) keine andere Alternative."

Am 24. Februar 2005 meldete sich daraufhin die Arbeitnehmerin bei der Beklagten mit Wirkung zum 01. April 2005 arbeitslos (Steuerklasse III/kein Kindermerkmal) und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte gewährte der Arbeitnehmerin ab dem 01. April 2005 Arbeitslosengeld nach einem täglichen Bemessungsentgelt von 92,89 EUR mit einem täglichen Leistungssatz von 39,67 EUR. Im Zeitraum vom 16. März 2007 bis 30. Mai 2007 zahlte sie der Arbeitnehmerin Arbeitslosengeld i.H.v. 3.014,92 EUR und für diese Beiträge zur Krankenversicherung i.H.v. 864,10 EUR, Beiträge zur Pflegeversicherung i.H.v. 96,01 EUR sowie Beiträge zur Rentenversicherung i.H.v. 1.135,95 EUR, insgesamt mithin Leistungen/Beiträge in Höhe von 5.098,98 EUR.

Mit Schreiben vom 08. April 2005 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Erstattungspflicht gemäß § 147a SGB III an.

Diese erklärte daraufhin mit Schreiben vom 25. April 2005, ihr sei "die Thematik der Erstattungspflicht" bekannt und sie könne insbesondere wegen der Abstimmungen zwischen der Hauptverwaltung in C und den Landesagenturen derzeit noch nicht Stellung nehmen.

Nach einer Erinnerung an die Stellungnahme (Schreiben vom 13. September 2005) stellte die Beklagte schließlich mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 die Erstattungspflicht nach § 147a SGB III (dem Grunde nach) fest, machte für die Zeit vom 1. April 2005 bis zum 15. März 2007 keine Erstattungsbeträge geltend und kündigte an, nach Vollendung des 57. Lebensjahres der Arbeitnehmerin die Höhe des Forderungsbetrages mitzuteilen, welcher durch die Klägerin ihr (der Beklagten) vierteljährlich zu erstatten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. Januar 2006 Widerspruch unter Bezugnahme auf ein beim Sozialgericht Cottbus anhängiges Klageverfahren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei eine Erstattungspflicht nach § 147a SGB III entstanden.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 23. November 2006 Klage bei dem Sozialgericht Cottbus erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei am 1. Dezember 2003 ordentlich betriebsbedingt zum 31. März 2005 nach Vollendung des 55. Lebensjahres der Arbeitnehmerin gekündigt worden. Die Arbeitnehmerin sei auch innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit länger als 24 Monate im Unternehmen (der Klägerin) versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und sie habe nicht die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 S. 1 Nr. 2-4 SGB III genannten Sozialleistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Gleichwohl trete eine Erstattungspflicht nicht ein, da der Ausnahmetatbestand des §147a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III erfüllt sei; die Arbeitslosigkeit sei durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung herbeigeführt worden. Die betriebsbedingte Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Sie sei durch den Tarifvertrag vom 24. Juni 2002 nicht ausgeschlossen gewesen. Zwar statuiere dieser Tarifvertrag in § 3 Abs. 1 einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis zum 31. Dezember 2007. Hiervon würden jedoch Ausnahmen in § 3 Abs. 4 zugelassen; insbesondere eine Vorruhestandsregelung für alle Jahrgänge bis einschließlich 1951. Die Kündigung der Arbeitnehmerin sei unter Anwendung der betrieblichen Vorruhestandsregelung erfolgt und sie sei damit gerade nicht dem tariflichen Kündigungsschutz unterfallen. Die betriebsbedingte Kündigung sei auch nach § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sozial gerechtfertigt, da sie durch dringende betriebliche Gründe bedingt gewesen sei. Ausgangspunkt sei die unternehmerische Entscheidung gewesen, dass im Rahmen der Strukturierung des Konzerns Personalanpassungsmaßnahmen hätten erfolgen müssen. In die nach § 1 Abs. 3 KSchG notwendige Sozialauswahl seien die tariflich unkündbaren Mitarbeiter nicht einzubeziehen gewesen. Damit sei aber die Zahl der kündbaren Mitarbeiter kleiner als die Zahl der einzusparenden Stellen gewesen und eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24. Oktober 2006 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, die Rechtsansicht der Klägerin führe dazu, dass die besonders schutzbedürftigen älteren Mitarbeiter sozial gerechtfertigt und damit erstattungsfrei entlassen werden könnten. Dies stünde jedoch nicht nur der Zielsetzung der Erstattungsregelung entgegen, sondern auch der Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes, dessen Schutz nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht durch tarifvertragliche Regelungen entzogen werden könnten (BAG - Urteil vom 27. Februar 2002, 9 AZR 562/00). Im Übrigen sei der kündbare Personenkreis durch die Tarifvertragsparteien nicht von Anfang an bestimmt worden; die sozialverträglichen Gestaltungsinstrumente seien im Einzelnen erst am 24. April 2003 bestimmt worden.

Das Sozialgericht Cottbus hat mit Urteil vom 4. Juli 2007 den Bescheid vom 27. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006 aufgehoben und den Streitwert auf 3.354,82 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei begründet, weil eine Erstattungspflicht der Klägerin nach § 147a Abs.1 S. 2 Nr. 4 SGB III nicht eingetreten sei. Das Arbeitsverhältnis sei durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden. Eine Sozialauswahl habe nicht durchgeführt werden müssen, weil die Klägerin allen kündbaren Arbeitnehmern gekündigt habe. Tarifvertraglich ordentlich unkündbare Arbeitnehmer seien nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen gewesen. Nach dem Tarifvertrag seien aber betriebsbedingte ordentliche Kündigungen für den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer ausgeschlossen gewesen. Von dem tariflichen Kündigungsschutz sei die Arbeitnehmerin jedoch nach § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages ausgeschlossen gewesen. Dieser Tarifvertrag vom 24. Juni 2002 sei wirksam, es sei dem Arbeitgeber unbenommen gewesen, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl herauszunehmen. Schließlich würden die Bestimmungen des Tarifvertrages nicht zwingendes Kündigungsschutzrecht umgehen. Zum einen seien die Regelungen des Tarifvertrages weitgehend einer gerichtlichen Inhaltskontrolle in Bezug auf inhaltliche Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit entzogen. Zum anderen seien die Regelungen des Tarifvertrages vom "22." (richtig: 24.) Juni 2002 sinnvoll und sozial ausgewogen, weil Arbeitnehmern, denen der Schutz entzogen worden ist, eine soziale Absicherung wie beispielsweise der Vorruhestand zugestanden worden sei. Arbeitnehmer, die in den Vorruhestand gehen können, seien weniger schutzbedürftig als die Arbeitnehmer, die eine solche Möglichkeit nicht haben.

Gegen dieses der Beklagten am 17. Juli 2007 zugestellte Urteil hat sie am 14. August 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts könne durch einen Tarifvertrag nicht der Zweck des § 147a SGB III vereitelt werden. Wenn, wie vorliegend geschehen, alle Arbeitnehmer, die eine Vorruhestandsregelung in Anspruch nehmen können, vom Kündigungsschutz ausgenommen und gekündigt werden, so werde nicht nur die Regelung des § 1 KSchG ausgehöhlt, sondern auch die Erstattungsregelung des § 147a SGB III.

Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin einen Stellenplanentwurf des PSW M vorgelegt, aus dem insgesamt 70 Mitarbeiter ersichtlich sind, von diesen Stellen sind neun Stellen zum 1. Januar 2004 mit dem Vermerk "Wegfall Stelle" versehen, wobei zwei Mitarbeiter den Hinweis "Umsetzung" und sieben Mitarbeiter, darunter die Arbeitnehmerin, den Hinweis "VR" (Vorruhestand) enthielten. Mit Bescheid vom 28. August 2007 hat die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum vom 16. März 2007 bis 30. Mai 2007 (Ende des Alg-Anspruchs) die Erstattung des an die Arbeitnehmerin gezahlten Arbeitslosengeldes (3.014,92 EUR) sowie der Beiträge zur Krankenversicherung (864,10 EUR), Pflegeversicherung (96,01 EUR) und zur Rentenversicherung (1.123,95 EUR) mithin insgesamt 5.098,98 EUR verlangt. In diesem Bescheid wird ferner wiederholend festgestellt, dass für die Zeit vom 1. April 2005 bis zum 15. März 2007 keine Erstattungsbeträge geltend gemacht werden, weil die Erstattungspflicht erst nach Vollendung des 57. Lebensjahres des Arbeitnehmers eintrete.

Die Klägerin hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Im Übrigen ist sie der Ansicht, dass selbst wenn der Tarifvertrag einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten sollte, ihr dies nicht vorgehalten werden könne. Sie genieße als Anwenderin der Vereinbarung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18. Dezember 2003, B 11 AL 35/03 R) insoweit Vertrauensschutz und könne auf die Gültigkeit des Tarifvertrages vertrauen. Ergänzend führt sie aus, der Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin, die als Handwerkerin für spezielle Instandhaltungsaufgaben im Betrieb Wasserkraftwerke, Werksbereich M tätig gewesen sei, sei aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung weggefallen. Zum einen sei zentral am Standort G eine Zentralwarte errichtet und in Betrieb genommen worden, die die Steuerung der einzelnen Standorte und somit auch den Standort M nach und nach übernommen habe und zum anderen seien dort Instandhaltungsaufgaben durch den Einsatz neuer Technik entfallen. Das Kraftwerk M sei technisch überholt gewesen und nachgerüstet worden. Durch diese Maßnahmen hätten sich die Liegezeiten von Verschleißteilen erheblich erhöht. Ein Teil der Aufgaben, die bis dahin von der Instandhaltung vor Ort übernommen worden seien, sei von der zentralen Instandhaltung "Technischer Service Süd" übernommen worden. Im Einzelnen habe dies dazu geführt, dass zwei Stellen für "Handwerker spezielle Instandhaltung (Schlosser)" von sechs, zwei Stellen "Sachbearbeiter 3 Anlagen- und Betriebsmittelstatistik" von vier, eine Stelle "Handwerker spezielle Instandhaltung (Bau)" von drei, eine Stelle "Handwerker spezielle Instandhaltung (Elektrik)" von zwei, eine weitere Vorhandwerker-Stelle spezielle Instandhaltung von zwei und eine Stelle "Handwerker spezielle Instandsetzung (Mess- und Regeltechnik) von drei entfallen seien. Abhängig, in welcher Berufgruppe welche Anzahl von Stellen weggefallen sei, seien die wegfallenden Stellen dann innerhalb der Vergleichsgruppe den kündbaren Arbeitnehmern zugeordnet worden. Auf diese Weise sei im Stellenplan Mitarbeitern, die den Vorruhestand in Anspruch hätten nehmen können, eine wegfallende Stelle zugeordnet worden. In Übereinstimmung mit den geltenden tariflichen und gesetzlichen Regelungen seien bei Wegfall von neun Stellen lediglich sieben Kündigungen ausgesprochen worden. Die Kündigung der Arbeitnehmerin sei sozial gerechtfertigt gewesen. Der Erstattungsbescheid vom 28. August 2007 sei mangels Anhörung rechtswidrig. Schließlich verweise sie auf ein Urteil des 16. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2009 im Parallelverfahren L 16 AL 432/07.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2012 hat die Beklagte den Grundlagenbescheid vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006 zurückgenommen. Der Senat hat den Rechtsstreit vertagt und die Klägerin hat ergänzend u.a. vorgetragen: Nach dem Stellenplan 2003 habe es die Stellenbezeichnung "Stauwärter" nicht mehr gegeben. Die Arbeitnehmerin sei im gesamten Bereich Pumpspeicherwerke mit drei Mitarbeitern vergleichbar gewesen. Eine Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz habe nicht stattfinden können, weil weniger Arbeitsplätze als unkündbare Arbeitnehmer vorhanden gewesen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 28. August 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, einen Befreiungstatbestand nach § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Nach dem Tarifvertrag vom 24. Juni 2002 seien betriebsbedingte Kündigungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des Konzerns bis zum 31. Dezember 2007 ausgeschlossen gewesen. Notwendige Personalanpassungen ("Verbesserungen der Alterstruktur") seien unter Nutzung bewährter sozialverträglicher Instrumente bewältigt worden. In diesem Rahmen seien betriebsbedingte Kündigungen möglich gewesen. Auf dieser Grundlage seien im Jahr 2003 betriebsbedingte Vorruhestandsvereinbarungen abgeschlossen worden, die das Ausscheiden von Arbeitnehmern aufgrund betriebsbedingter Kündigungen nach Vollendung des 55. Lebensjahres vorgesehen hätten (Vorruhestand für alle Jahrgänge bis einschließlich 1951). Alle Arbeitnehmer, die nicht unter diese Regelung fielen (bzw. nicht in Anspruch genommen hätten), seien somit unkündbar und daher aus der Sozialauswahl auszunehmen. Allen älteren Arbeitnehmern, für die die sozialverträglichen Instrumente genutzt worden seien, sei auch gekündigt worden. Daher habe sich eine Sozialauswahl erübrigt. Dieser Betrachtungsweise der Klägerin trete sie entgegen; sie widerspreche der Regelung von § 147a SGB III. Sie habe ihr bereits mit Schreiben vom 31. März 2005 dargelegt, dass die tarifliche Regelung auf Bedenken stoße, da z. B. der kündbare Personenkreis nicht festgelegt worden sei. Die sozialversicherungsverträglichen Anpassungsinstrumente und somit die kündbaren Arbeitnehmer hätten je nach Bedarf ausgewählt werden können. D.h. alle Arbeitnehmer, die die Vorruhestandsregelung in Anspruch hätten nehmen (können oder müssen), seien dadurch zu kündbaren Arbeitnehmern geworden. Die Anhörung zum Erstattungsbescheid vom 28. August 2007 sei nachgeholt worden.

Mit Schreiben vom 23. November 2010 hat die Beklagte die Klägerin zu einer Erstattung i.H.v. 5.098,98 EUR angehört.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin EK zum Beweisthema "Beschäftigungsverhältnis beim Energiekonzern V". Wegen der Bekundungen der Zeugin wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 6. November 2012 (Bl. 208 - 209 der Gerichtsakte) verwiesen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Kunden Nr. ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt.

Vorliegend ist ein Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 5.098,98 EUR aus dem Bescheid vom 28. August 2007 für den Zeitraum vom 16. März 2007 bis zum 30. Mai 2007 im Streit. Der Bescheid vom 28. August 2007 wurde nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens, weil er den Grundlagenbescheid vom 27. Dezember 2005 konkretisiert und damit ändert bzw. ersetzt. Dieser Erstattungsbescheid führt zur Erledigung des Grundlagenbescheides vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006. Eine grundsätzliche Entscheidung zur Erstattungspflicht wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) durch hierzu ergangene Erstattungsbescheide gegenstandslos, weil in einem Abrechnungs- bzw. Erstattungsbescheid zumindest konkludent auch eine Entscheidung über einen Ausschlusstatbestand enthalten ist, so dass ein Grundlagenbescheid nach Erlass eines Erstattungsbescheides gemäß § 39 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) keine Wirkung mehr entfaltet (u.a. BSG, Urteil vom 29. Januar 2008, B 7/7a AL 6/06 R, u.a. in SozR 4-4100 § 128 Nr.8 m.w.N.). Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der im Grundlagenbescheid aufgeführte Erstattungszeitraum sich nicht erschöpfend im Erstattungsbescheid wiederfindet (BSG, Urteil vom 11. Mai 1999, B 11 AL 73/98 R, u.a. in BSGE 84,75 bis 80), weil dann der Grundlagenbescheid insofern eine selbständige Beschwer enthält (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1997, 11 RAr 103/96, u.a. in SozR 3- 4100 § 128 Nr. 4). Vorliegend bedarf die Frage der Rechtmäßigkeit des Grundlagenbescheides vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006 keiner Entscheidung mehr, weil die Beklagte durch den Erstattungsbescheid vom 28. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2007 umfassend und abschließend eine Entscheidung zur Erstattungspflicht nach § 147a SGB III getroffen hat.

Hierüber hat der Senat nicht im Rahmen der Entscheidung über die Berufung, sondern der Klage zu entscheiden (vgl. a. BSG – B 11a AL 7/06 R - Urteil vom 17. Oktober 2007 – u.a. in SozR 3-4100 § 128 Nr. 9 sowie juris, dort insbesondere Rz. 12).

Auch wenn, wie bereits dargestellt, nach Erlass des Erstattungsbescheides der Grundlagenbescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006 als erledigt anzusehen ist und es somit einer Entscheidung des Senats bezüglich des Grundlagenbescheides vom 27. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2006 nicht mehr bedarf, verweist der Senat gleichwohl auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG. Danach existiert für einen solchen Grundlagenbescheid insgesamt keine Rechtsgrundlage im Gesetz. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 17. Dezember 1997 (11 RAr 103/96, u.a. in SozR 3-4100 § 128 Nr. 4) zu der Vorgängerregelung des § 147a SGB III, nämlich des § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes – AFG ausgeführt, dass über einen Erstattungsanspruch nach dieser Regelung nicht nur dem Grunde nach und damit nicht nur über Teilaspekte entschieden werden kann, sondern insgesamt zu entscheiden ist. Mithin ist in der Entscheidung auch ein Zahlbetrag festzustellen. Dieser Rechtsprechung ist der 7. Senat des BSG gefolgt (Urteil vom 29. Januar 2008, B 7/7a AL 6/06 R, u.a. in SozR 4-4100 § 128 Nr.8 m.w.N.). Im Grundlagenbescheid wurde jedoch gerade nicht über den Erstattungsbetrag entschieden. Dies war zum Zeitpunkt des Grundlagenbescheides auch noch gar nicht möglich, weil über den im Streit befindlichen Zeitraum (16. März 2007 bis 30. Mai 2007) im Dezember 2005 zumindest mangels Leistungserbringung für diesen Zeitraum noch gar nicht entschieden werden konnte.

Die sonach zulässige Klage ist begründet. Der Erstattungsbescheid vom 28. August 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 147a SGB III in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I S. 2848), in Kraft ab dem 1. Januar 2004, hat der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 57. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 32 Monate, zu erstatten. Die Erstattungspflicht tritt nach § 147a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III insbesondere dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes findet keine Anwendung; die Agentur für Arbeit ist an eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gebunden. Die Verpflichtung zur Erstattung des Arbeitslosengeldes schließt die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung ein (§ 147a Abs. 4 SGB III).

Nach diesen Regelungen ist die Klägerin nicht verpflichtet, für den hier streitigen Zeitraum das gezahlte Arbeitslosengeld nebst Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu erstatten.

Es kann dahinstehen, ob der Erstattungsbescheid wegen der vor Erlass des Bescheides unterlassenen Anhörung bereits aus formalen Gründen rechtswidrig ist (vgl. insoweit BSG B 11 RAr 103/96, a.a.O.). Eine Anhörung ist erst im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 23. November 2010 erfolgt. Der Beklagten ist insofern allerdings grundsätzlich zuzugeben, dass nach der Regelung des § 41 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der hier anzuwendenden ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung insbesondere eine Anhörung noch bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann.

Der Erstattungsbescheid ist mangels entstandener Erstattungspflicht rechtswidrig.

Zwar stand die Arbeitnehmerin bei der Klägerin in den letzten vier Jahren vor dem Tag der Arbeitslosigkeit mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Durchgängig seit zumindest 1969 (nach der Arbeitsbescheinigung der Klägerin vom 14. März 2005 bis zum 31. März 2005) bestand ein Arbeitsverhältnis.

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Ende der Vierjahresfrist des § 147a Abs. 1 S. 1 SGB III ist der Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 SGB III die Rahmenfrist bestimmt wird. Das ist der Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Vorliegend ist dies der 31. März 2005, weil sich die Arbeitnehmerin am 24. Februar 2005 zum 1. April 2005 arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte (vgl. §§ 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 SGB III jeweils in den hier anzuwendenden ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassungen des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 - BGBl I S. 2848).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Vorliegens eines solchen wichtigen Grundes ist der Zeitpunkt der Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, wenn dieser nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übereinstimmt (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, B 11a AL 7/06 R). Denn der Eintritt der Erstattungspflicht tritt unabhängig davon ein, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird. Die Erstattungspflicht hängt vielmehr maßgeblich von dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ab, die im Sozialrecht bereits vorliegt, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, a.a.O., m.w.N.). Das Arbeitsverhältnis endete nicht bereits mit dem Änderungsvertrag vom 1. Juli 2003, da diese Vereinbarung nicht das Arbeitsverhältnis beendete. Die Klägerin und die Arbeitnehmerin hatten zwar die Änderung der Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2004 auf 30 Stunden pro Woche, eine Versetzung in die "betriebliche Organisationseinheit in Hohenwarte" sowie eine Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge mit einer entsprechenden Arbeitsentgeltreduzierung vereinbart. Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht aufgrund der Vernehmung der Zeugin K am 6. November 2012. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung glaubhaft und glaubwürdig ausgeführt, dass sie zum Zeitpunkt der Änderungskündigung davon ausgegangen sei, dass das Arbeitsverhältnis bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres fortbestehen werde. Bis zur Kündigung habe sie auf Abruf Arbeiten verrichtet. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob dies nun in M oder in H gewesen ist. Die Vierjahresfrist des § 147a Abs.1 S. 1 SGB III erstreckt sich somit vorliegend auf den Zeitraum vom 1. April 2001 bis zum 31. März 2005. Innerhalb dieses Zeitraumes bestand über 24 Monate Versicherungspflicht; es lag durchgehend ein Versicherungspflichtverhältnis bei der Klägerin nach § 24 Abs. 1 S. 1 SGB III vor, weil die Arbeitnehmerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war.

Der streitige Erstattungszeitraum (16. März 2007 bis 30. Mai 2007), in dem die Arbeitnehmerin Arbeitslosengeld erhalten hat, liegt auch nach Vollendung des 57. Lebensjahres (16. März 2007) der am 16. März 1950 geborenen Arbeitnehmerin. Zudem bewegt sich die Erstattungsforderung innerhalb des 32-Monats-Zeitraums des § 147a Abs.1 S. 1 SGB III, es sind lediglich rund 2,5 Monate im Streit.

Gleichwohl ist die Klägerin zur Erstattung nicht verpflichtet, weil zumindest die Regelung des § 147a Abs.1 S. 2 Nr. 4 SGB III das Entstehen der Erstattungspflicht ausschließt.

Danach tritt die Erstattungspflicht nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat, wobei § 7 KSchG keine Anwendung findet und eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts über die soziale Rechtfertigung einer Kündigung für die Beklagte verbindlich ist.

Dabei verkennt auch der hier erkennende Senat nicht das Spannungsverhältnis (vgl. hiesiges LSG, Urteil vom 18. Mai 2011 – L 29 AL 449/07 – in juris), welches aus der Darlegungs- und Nachweispflicht des § 147a Abs.1 S. 2 SGB III einerseits und dem in § 103 SGG normierten Amtsermittlungsgrundsatz andererseits herrührt.

Der 11. Senat des BSG hat hierzu grundlegend in seinem Urteil vom 21. September 2000 (B 11 AL 7/00 R - u.a. in BSGE 87, 132 sowie SozR 3-4100 § 128 Nr. 10) zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 147a SGB III, des § 128 (Arbeitsförderungsgesetz - AFG), ausgeführt, es gelte nicht der Untersuchungs-, sondern der Beibringungsgrundsatz. Zwar habe der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 15. Juni 2000 (B 7 AL 78/99 R, veröffentlicht in SozR 3- 4100 § 128 Nr. 8) die mögliche Rechtsansicht geäußert, das Merkmal "darlegt und nachweist" mache nicht hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber den Amtsermittlungsgrundsatz zu Gunsten des Beibringungsgrundsatzes durchbrechen wolle, so dass die Vorschrift als bloße Modifizierung des Amtsermittlungsgrundsatzes aufzufassen sei. Der 7. Senat habe in seiner Entscheidung diese Frage jedoch ausdrücklich offen gelassen. Der vom 7. Senat geäußerten Ansicht ist der 11. Senat des BSG nicht gefolgt. Er geht vielmehr in ständiger Rechtsprechung (zuletzt mit Urteil vom 17. Oktober 2007, B 11a AL 7/06 R, zitiert nach juris, dort insbesondere Rnr. 18 m.w.N.) von einem gesetzlich normierten Beibringungsgrundsatz aus.

Dieser Ansicht des 11. Senates des BSG schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung als ihn überzeugend an und hält sie auch für den im Wesentlichen inhaltsgleichen § 147a SGB III für anwendbar. Der 7. Senat des BSG hat die geäußerten Bedenken im Wesentlichen damit begründet, gegen eine völlige Durchbrechung des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes spreche, dass die materiellrechtliche Regelung des § 128 AFG, ohne dies hinreichend zu verdeutlichen, eine Grundnorm des sozialgerichtlichen Prozessrechts außer Kraft setzen würde. Die Regelung des § 128 AFG über die Darlegungs- und Nachweispflicht des Arbeitgebers dürfte nach dieser Auffassung des 7. Senates des BSG daher als Modifizierung des verfahrensrechtlichen und prozessualen Amtsermittlungsgrundsatzes zu verstehen sein (BSG a.a.O.). Diese Bedenken vermögen bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil sie dem eindeutigen Wortlaut der Regelung entgegenstehen. Wie der 11. Senat des BSG in seinem bereits erwähnten Urteil vom 21. September 2000 zur Überzeugung des erkennenden Senats zutreffend ausführt, hat der Gesetzgeber mit den prozesstechnischen Begriffen "darlegt und nachweist" mit aller Deutlichkeit die Durchbrechung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu Gunsten des Beibringungsgrundsatzes zum Ausdruck gebracht (BSG a.a.O.). Dies hat auch einen Grund in der Sache, denn es handelt sich bei den Tatbeständen des § 128 AFG um solche, die sich auf betriebsinterne Vorgänge beziehen, zu denen der Arbeitgeber allein Zugang hat. Im Einvernehmen mit dem 11. Senat BSG sieht der erkennende Senat kein Bedürfnis, die prozessuale Last des Arbeitgebers zur Darlegung und zum Nachweis durch amtliche Sachaufklärung zu ergänzen. Denn insoweit besteht zwischen Verfahren, die dem Untersuchungsgrundsatz und solchen, die dem Beibringungsgrundsatz folgen, kein Unterschied, wie § 139 der Zivilprozessordnung (ZPO) zeigt. Für über die Beratungs- und Hinweispflicht hinausgehende Initiativen zur Sachaufklärung besteht im Rahmen des § 128 AFG weder ein Anlass noch eine hinreichende Rechtsgrundlage (BSG a.a.O.). Wie bereits erwähnt, hält der erkennende Senat diese Rechtsprechung ohne weiteres auf den hier streitentscheidenden § 147a SGB III für übertragbar, weil § 147a SGB III insoweit mit § 128 AFG inhaltsgleich ist (vgl. hierzu auch das Urteil des BSG vom 16. Oktober 2003, B 11 AL 1/03 R, in SozR 4-4300 § 147a Nr. 1 sowie NZS 2004, 495 bis 497).

Unter Beachtung dieses Beibringungsgrundsatzes ist der Klägerin der Nachweis gelungen, dass der Tatbestand des § 147a Abs.1 S. 2 Nr. 4 SGB III erfüllt ist.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Vorliegens eines solchen wichtigen Grundes ist der Zeitpunkt der Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses, wenn dieser nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übereinstimmt (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007, a.a.O.). Denn der Eintritt der Erstattungspflicht tritt unabhängig davon ein, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird. Die Erstattungspflicht hängt vielmehr maßgeblich von dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit ab, die im Sozialrecht bereits vorliegt, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend ist auf den 1. April 2005 abzustellen, weil, wie bereits dargestellt, ab diesem Tag leistungsrechtlich Beschäftigungslosigkeit vorlag.

Zu diesem Zeitpunkt ist von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung auszugehen.

Nach § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitgebers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist insbesondere auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 S. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 b) KSchG).

Gleiches gilt nach § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

Vorliegend ist die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 KSchG gerechtfertigt.

Mit dem BSG (vgl. Urteil vom 21. September 2000, B 11 AL 5/00 R, zitiert nach juris) geht der hier erkennende Senat ebenfalls davon aus, dass die Frage, ob ein Recht zur Kündigung gegeben ist, insbesondere unter Berücksichtigung der ergangenen Rechtsprechung des BAG zu entscheiden ist.

Zu der entscheidungserheblichen Frage, wann wegen einer unternehmerischen Entscheidung eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein kann, hat das BAG unter anderem mit Urteil vom 7. Juli 2005 (2 AZR 399/04, veröffentlicht u.a. in Der Betrieb 2006, 341 bis 342 sowie juris m.w.N.) Folgendes ausgeführt:

" Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, geht es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (vgl. u.a. BAG 7. Dezember 1978 - 2 AZR 155/77 - BAGE 31, 157; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61). Von den Arbeitsgerichten voll nachzuprüfen ist, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist. Dagegen ist die unternehmerische Entscheidung nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (Senat 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - BAGE 92, 61).

Dabei unterliegt auch die Gestaltung des Anforderungsprofils der jeweiligen Arbeitsplätze der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers. Soweit für die sachgerechte Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmte persönliche oder sachliche Voraussetzungen erforderlich sind, kann die unternehmerische Entscheidung, welche Anforderungen an den Stelleninhaber zu stellen sind, nur auf offenbare Unsachlichkeit gerichtlich überprüft werden. Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten grundsätzlich jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation der auszuführenden Arbeiten haben (zuletzt BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Auch die Organisationsentscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebs oder einzelner Arbeitsplätze, von der das Anforderungsprofil der im Betrieb nach Umstrukturierung verbleibenden Beschäftigungsmöglichkeiten erfasst wird, unterliegt damit nur einer Missbrauchskontrolle.

Wenn allerdings die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so kann die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht in jedem Fall von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht (BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - BAGE 92, 71). Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers sind insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Sonst hätte der Arbeitgeber die naheliegende Möglichkeit, unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung eine missbräuchliche Umgehung des Kündigungsschutzes des betreffenden Arbeitnehmers dadurch zu erzielen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Vorbildung des betreffenden Arbeitsplatzinhabers verschärft (z.B. perfekte französische Sprachkenntnisse, um mit ein oder zwei Kunden fremdsprachlich zu korrespondieren). Der Arbeitgeber hat insoweit darzulegen, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine "wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine Stellenprofilierung handelt (vgl. hierzu BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 326/03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132). Außerdem hat der Arbeitgeber bei einer betrieblich erforderlichen Anhebung des Stellenprofils konkret darzulegen, dass die Kündigung nicht durch mildere Mittel, insbesondere Umschulung und Fortbildung des Arbeitnehmers zu vermeiden war. Welche zeitliche Dauer für eine Fortbildung des bisherigen Arbeitsplatzinhabers im Hinblick auf nunmehr gesteigerte Arbeitsplatzanforderungen dem Arbeitgeber zumutbar ist, wird dabei vom Einzelfall abhängen und für Führungspositionen und mehr oder weniger untergeordnete Tätigkeiten ggf. unterschiedlich zu bewerten sein."

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat davon überzeugt, dass der Arbeitnehmerin zu Recht aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden durfte. Zutreffend hat schon das Sozialgericht in seiner Entscheidung die Anwendung des KSchG bejaht, da das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestand (§ 1 Abs. 1 KSchG) und im Übrigen die Anwendung dieses Gesetzes auch nicht ausgeschlossen ist, da mehr als zehn Arbeitnehmer im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin arbeiteten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG). Dass dringende betriebliche Gründe die Kündigung der Arbeitnehmerin berechtigten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), folgt aus der unternehmerischen Entscheidung. Diese Entscheidung ist auch nicht offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen, sondern entsprach nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung des Prozessvertreters der Klägerin vom 24. Januar 2012 der Umstrukturierung des Unternehmens.

Dass die Arbeitnehmerin nach § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V vom 24. Juni 2002 kündbar gewesen ist, während andere Arbeitnehmer der Klägerin hiervon ausgenommen waren, ist zwischen den Beteiligten unstreitig, und es ergibt sich für den Senat nichts anderes. Die Arbeitnehmerin konnte die von der Klägerin weitergehenden Vorruhestandsregelungen (s. Protokollnotiz zum vorgenannten Tarifvertrag vom 24. Juni 2002 sowie im Zuge dessen weiter im Unternehmen der Klägerin vorhandene Betriebsvereinbarungen bzw. Ergänzung zur sozialen Flankierung der Belegschaftsanpassungen in den Jahren 1999 bis 2001 vom 30. Juni 1999 bzw. 27. Juni 2000) für sich in Anspruch nehmen, was zwischen den Beteiligten auch außer Streit steht.

Der Kündigung der Arbeitnehmerin stand auch nicht entgegen, dass diese sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam gewesen ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 b KSchG). Das ist danach der Fall, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Die Ermittlungen des Senats haben hierzu keine Erkenntnisse verschafft, dies annehmen zu können.

Die Kündigung der Arbeitnehmerin ist auch nicht nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt gewesen. Eine weitergehende Sozialauswahl hatte die Klägerin nicht vorzunehmen, denn sie hatte allen kündbaren Arbeitnehmern gekündigt. Die Einbeziehung von tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern ist nicht in eine Sozialauswahl aufzunehmen, worauf schon das Sozialgericht in seiner Entscheidung hingewiesen hatte.

Die Sozialauswahl dient dem gesetzgeberischen Ziel, unter mehreren in der Erfüllung einer Arbeitsaufgabe funktionell vergleichbaren Arbeitnehmern denjenigen zur Kündigung auszuwählen, den der Verlust des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte am wenigsten belastet (in diesem Sinne BAG Urteil vom 24. März 1983, Az. 2 AZR 21/82, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). § 1 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 KSchG ordnet zu diesem Zweck eine betriebsübergreifende Auswahl an (vgl. BAG Urteil vom 26. Februar 1987, Az. 2 AZR 177/86, AP Nr. 15 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl), die eine Einschränkung auf bestimmte Abteilungen oder diejenigen Betriebsteile, in denen der Arbeitskräftebedarf entfallen ist, nicht zulässt (vgl. BAG Urteil vom 15. Juni 1989, Az. 2 AZR 580/88, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer ist in der Regel nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen (vgl. BAG Urteil vom 16. September 1982, Az. 2 AZR 271/80, AP Nr. 4 zu § 22 KO) im Hinblick auf die bisherige Tätigkeit (vgl. BAG Urteil vom 7. Februar 1985, Az. 2 AZR 91/84, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl) und die berufliche Qualifikation (vgl. BAG Urteil vom 29. März 1990, Az. 2 AZR 369/89, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) zu bestimmen. Die Frage, ob der Arbeitgeber Arbeitnehmer, die einem tarifvertraglichen Kündigungsverbot unterfallen, im Rahmen seiner sozialen Auswahlentscheidung zu berücksichtigen hat, ist – soweit ersichtlich – insbesondere vom Bundesarbeitsgericht (BAG) bislang noch nicht entschieden worden, wobei sich aus dem Urteil des BAG vom 17. Mai 1984 (Az. 2 AZR 161/83 juris Rnr. 56) andeutet, dass den tarifvertraglich (ordentlich) unkündbaren Arbeitnehmern der Vorzug vor den Interessen der anderen Arbeitnehmern gebührt, wobei dies letztlich offen bleiben konnte.

Der Streit wird im Wesentlichen um die Frage geführt, ob eine derartige tarifvertragliche Regelung im Rahmen der Anwendung von § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III vorrangige Bedeutung vor § 1 Abs. 3 KSchG erlangen kann.

Der Senat gelangt nicht zu der Auffassung, dass der Tarifvertrag vom 24. Juni 2002 gemessen an einem Rangverhältnis der Normen unwirksam ist. Zur Begründung macht sich der Senat die Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung zu Eigen, die er nach eigener Prüfung für zutreffend und überzeugend hält und deswegen hierauf verweist; § 153 Abs. 2 SGG.

Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass vergleichbar, wie im vom 29. Senat des Hauses entschiedenen Fall – Urteil vom 18. Mai 2011 (a.a.O.) – aufgrund der tariflichen Regelung und sich daran anschließenden Vorruhestandsregelungen gerade nur ältere Arbeitnehmer, wie auch hier die 1950 geborene Arbeitnehmerin, vom Kündigungsschutz ausgeschlossen waren.

Gleichwohl ist diese tarifvertragliche Regelung auch nach Ansicht des hier erkennenden Senats unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG zulässig, wirksam und damit anwendbar, wie bereits der 29. Senat (a.aO.) ausgeführt hat. Diesen Erwägungen schließt sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung an. Der 29. Senat hat hierzu ausgeführt hat:

"Insbesondere verstößt die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages nicht gegen höherrangiges Recht.

Das BAG lässt in seiner ständigen Rechtsprechung den Tarifvertragsparteien grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, der gegebenenfalls auch zu Auswirkungen im Kündigungsschutz führen kann. So hat beispielsweise der 9. Senat des BAG zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien in seinem Urteil vom 27. Februar 2002 (9 AZR 562/00, u.a. in BAGE 100, 339 sowie NZA 2002, 1099 bis 1105) folgendes ausgeführt:

.Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Diese bezieht sich sowohl auf die Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung als auch auf den Willen des Arbeitnehmers, diese beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht verleiht zwar keine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz. Dem Staat obliegt aber eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht. Diese hat der Gesetzgeber mit dem geltenden Kündigungsschutzrecht erfüllt (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133). Ein gesetzlicher Mindeststandard ist danach grundgesetzlich gewährleistet. Ihn dürfen auch die Tarifvertragsparteien bei der Schaffung von Rechtsnormen nach § 1 TVG nicht unterschreiten. Regelungen, die den Kündigungsschutz beschränken, müssen deshalb die ihm zugrunde liegenden Wertentscheidungen respektieren und sachlich begründet sein. Dieser erfasst nach Maßgabe von § 2 KSchG auch den Schutz vor einseitig vom Arbeitgeber verfügten inhaltlichen Änderungen. Verboten sind Regelungen, die mit dem durch das KSchG gewährleisteten Schutz nicht mehr vereinbar sind. Die Kontrolle, ob der Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG durch die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihres kollektiven Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt ist, obliegt den Gerichten für Arbeitssachen (vgl. zu tarifvertraglichen Altersgrenzen BAG 25. Februar 1998 - 7 AZR 641/96 - BAGE 88, 118 und 11. März 1998 - 7 AZR 700/96 - BAGE 88, 162).

c) Ob die Tarifvertragsparteien wegen des in dem Verbandsbeitritt oder wegen des in der einzelvertraglichen Übernahme des Tarifvertrags liegenden Grundrechtsverzichts bis zur Grenze des "Unerträglichen" (Erfk/Dieterich 2. Aufl. Einl. GG Rn. 47, 64, 67) in die Berufsfreiheit eingreifen dürfen oder ob die Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfolgen muss und es dann ausreicht, wenn die Tarifvertragsparteien einem Grundrechtseingriff eine "Gegenleistung" des hierdurch Begünstigten gegenüber gestellt haben (so BAG 25. Oktober 2000 - 4 AZR 438/99 - BAGE 96, 168) ist nicht abschließend zu entscheiden (vgl. auch BAG 28. Juni 2001 - 6 AZR 114/00- aaO). Die Regelung erweist sich unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Kündigungsschutzes als rechtswirksam.

aa) Der in § 8 a Abs. 7 TV Vorruhestand verlangte Wegfall des Arbeitsplatzes ist ein Grund, der regelmäßig zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung oder einer Änderungskündigung nach § 1 und § 2 KSchG berechtigt. Die soziale Rechtfertigung hängt nicht davon ab, ob der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses durch eine vom Arbeitgeber getroffene Rationalisierung veranlasst ist. Ihm steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bis zur Willkürgrenze frei, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die den Bedarf an Beschäftigung entfallen lassen (vgl. nur BAG 7. Dezember 2000 - 2 AZR 391/99 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 113). Auch lange Betriebszugehörigkeit oder fortgeschrittenes Alter allein schützen entgegen der Auffassung des Klägers regelmäßig nicht vor einem Verlust des Arbeitsplatzes auf Grund betriebsbedingter Kündigung.

bb) Die Tarifvertragsparteien können bestehende tarifliche Regelungen auch zum Nachteil der Arbeitnehmer verändern oder - wie hier - für einen bestimmten Zeitraum modifizieren. Das vom Kläger in diesem Zusammenhang bemühte Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG greift nicht.

cc) Die Tarifvertragsparteien haben durch die Bindung der Freistellungsbefugnis des Beklagten an billiges Ermessen auch den nach § 1 Abs. 3 KSchG zu berücksichtigenden sozialen Gesichtspunkten ausreichend Rechnung getragen. Der Beklagte ist zwar bei seiner Entscheidung, ob er bei Wegfall von Arbeitsplätzen und gleichzeitiger Neueinrichtung in ihrer tariflichen Wertigkeit vergleichbarer Arbeitsplätze und deren Besetzung in seiner Auswahlentscheidung nicht an den dort bestimmten Katalog gebunden. Er darf aber soziale Gesichtspunkte nicht gänzlich unberücksichtigt lassen

Nach dieser Rechtsprechung ist die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nicht zu beanstanden. Sie verstößt insbesondere nicht gegen zwingendes gesetzliches Kündigungsschutzrecht.

Zwar verbieten die §§ 1 und 2 KSchG, durch Tarifvertrag dem Arbeitgeber Rechte einzuräumen, die mit dem Schutz des Arbeitnehmers vor einseitiger Änderung des Arbeitsvertrags, wie er durch das KSchG gewährleistet wird, nicht mehr vereinbar sind (BAG, Urteil vom 28. Juni 2001,6 AZR 114/00, u.a. in BAGE 98, 175 sowie NZA 2002, 331 bis 336). So wurden beispielsweise tarifvertragliche Regelungen als unwirksam angesehen, die die Einführung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber für zulässig erklärt hatten, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen im Tarifvertrag zu regeln (BAG, a.a.O, m.w.N.). Auch hat das BAG entschieden, dass eine tarifvertragliche Regelung zu Ergebnissen führen kann, "die die gesetzliche Wertung des §§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG auf den Kopf stellen, so etwa wenn ein 53-jähriger seit drei Jahren beschäftigter Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten aufgrund der tarifvertraglichen Regelung aus der Sozialauswahl ausscheiden soll, während ein 52-jähriger seit 35 Jahren im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer mit mehrfachen Unterhaltspflichten zur Kündigung ansteht" (BAG, Urteil vom 5. Juni 2006, 2 AZR 907/06, u.a. in NZA 2008,1120 bis 1124). Letztlich hat das BAG so genannte Unkündbarkeitsvereinbarungen jedoch grundsätzlich als zulässig angesehen und die gebotene Grenze dort gezogen, wo die Fehlgewichtung durch den durch die ordentliche Unkündbarkeit eingeschränkten Auswahlpool zu einer grob fehlerhaften Auswahl führen würde (BAG, a. a. O., m.w.N.).

Diese Grenze ist durch die tarifvertraglichen Regelungen nach Ansicht des Senats vorliegend nicht überschritten.

Mit § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages wurde ein befristeter Kündigungsschutz gegen betriebsbedingte Kündigungen geschaffen, der schon deshalb im Hinblick auf das KSchG keinen rechtlichen Bedenken begegnet, weil er den gesetzlich vorgesehenen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer nicht einschränkt, sondern sogar noch ausweitet.

Auch die Einschränkung dieses Kündigungsschutzes aus § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages im § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages führt nicht zur unzulässigen Aushöhlung der Wertentscheidungen des KSchG.

Zum einen ergibt sich dies daraus, dass durch die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages nicht direkt, sondern allenfalls indirekt in die Regelungen des KSchG eingegriffen werden. Direkt schränkt die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages lediglich den erweiterten Kündigungsschutz nach § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages ein. Auch wenn faktisch dadurch, wie oben bereits dargestellt, die grundsätzlich nach § 1 Abs. 3 KSchG gebotene Sozialauswahl letztlich vereitelt wird, so stellt sich dies nur als mittelbare Folge der tarifvertraglichen Regelungen dar.

Zum anderen haben die Tarifvertragsparteien entsprechend der Rechtsprechung des B die Zulässigkeit dieses mittelbaren Eingriffes durch eine entsprechende Definition der erforderlichen Voraussetzungen selbst geregelt. Denn in der Protokollnotiz zum Tarifvertrag wurde durch die Tarifvertragsparteien ausdrücklich klargestellt, dass als sozialverträgliches Instrument im Sinne von § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages insbesondere der Vorruhestand anzusehen ist. Dies genügt nach Ansicht des Senats auch, um die Regelungen des Tarifvertrages als bestimmt genug erscheinen zu lassen. Wie ein Gesetz kann auch eine kollektivrechtliche Tarifvertragsregelung als abstrakt generelle Vorschrift kaum im Einzelnen regeln, welche Arbeitsplätze konkret von ihr betroffen sind.

Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien den der Wertung des § 1 Abs. 3 KSchG zu Grunde liegenden sozialen Gesichtspunkten nicht ausreichend Rechnung getragen haben.

Zwar sieht das KSchG insbesondere das Lebensalter als Indiz für einen Schutz aus sozialen Gesichtspunkten an (vergleiche § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG). Diese Wertung wurde auch letztlich mittelbar durch § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages relativiert. Zur Kompensation dieses teilweisen Verlustes des Kündigungsschutzes haben die Tarifvertragsparteien jedoch eine Kündigung von der Gewährung "sozialverträglicher Instrumente" und der Gewährung entsprechender Leistungen abhängig gemacht. Das Sozialgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelung des Tarifvertrages danach insgesamt als sinnvoll und ausgewogen erscheint.

Insofern ist zudem anzumerken, dass die nach § 1 Abs. 3 KSchG notwendige Sozialauswahl dazu führen soll, dass allgemein die Arbeitnehmer, die von einem Verlust des Arbeitsplatzes am härtesten betroffen wären, grundsätzlich den größten Schutz genießen sollen. Die Beachtung dieses Zieles ist den Tarifvertragsparteien auch im Hinblick auf die Besonderheiten der Umstände der zu treffenden Regelungen nicht abzusprechen. So liegt beispielsweise der Betrieb des hier betroffenen Arbeitnehmers in einer Region, in der zum damaligen Zeitpunkt gerichtsbekannt eine sehr hohe Arbeitslosigkeit herrschte. Der dem § 1 KSchG erkennbar innewohnende Gedanke, dass ein jüngerer Arbeitnehmer nach einer Kündigung regelmäßig schneller wieder in Arbeit ist, galt in dieser Region deshalb nur bedingt. Eine andere Wertung der sozialen Schutzbedürftigkeit durch die Tarifvertragsparteien ist daher durchaus nachvollziehbar.

Sowohl die tarifvertraglichen Regelungen als auch die Kündigung vom 1. Dezember 2003 verstoßen auch nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), weil dieses Gesetz erst nach der erfolgten Kündigung am 18. August 2006 in Kraft trat. Es kann daher dahinstehen, ob in den Regelungen und/oder der Kündigung eine (mittelbare) Diskriminierung wegen Alters zu sehen wäre. Insoweit ist allerdings anzumerken, dass von der Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages nicht nur ältere Arbeitnehmer betroffen waren, weil die "sozialverträglichen Instrumente" (z.B. die strukturelle Kurzarbeit mit Qualifizierungsmaßnahmen) nicht nur für ältere Arbeitnehmer galten.

Die hier maßgeblichen Regelungen des Tarifvertrages zur sozialpolitischen Begleitung unternehmerischer Entscheidungen im Rahmen der Bildung/Strukturierung des Energiekonzerns V E verstoßen auch nicht gegen § 147a SGB III.

Zwar führen die tarifvertraglichen Regelungen letztlich auch hier zu einer erheblichen Einschränkung des Anwendungsbereiches. Dies stellt sich jedoch lediglich als Reflex der Auswirkungen auf das KSchG dar. Wie bereits dargestellt, wirkt sich die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages direkt lediglich auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 3 Nr. 1 des Tarifvertrages aus; die Auswirkung auf das KSchG ist nur mittelbar. Weil § 147a Abs. 1 Nr. 4 SGB III letztlich auf § 1 KSchG abstellt, kann sich deshalb auch hier die Regelung des § 3 Nr. 4 des Tarifvertrages allenfalls noch mittelbar auswirken. In den Regelungsbereich des § 147a Abs. 1 Nr. 4 SGB III wird nicht direkt eingegriffen. Stellt sich aber, wie vorliegend der Fall, die tarifvertragliche Regelung arbeitsrechtlich als zulässig heraus und führt sie zu einer sozial gerechtfertigten Kündigung im Sinne des Arbeitsrechts, so liegt die Voraussetzung des § 147a Abs. 1 Nr. 4 SGB III vor; die Erstattungspflicht tritt nicht ein. Anders ausgedrückt, hängt das Schicksal der sozialrechtlichen Erstattungsforderung an dem Schicksal der arbeitsrechtlich zu prüfenden sozialen Rechtfertigung der Kündigung.

Zu einer anderen Wertung führt auch nicht die unterschiedliche gesetzliche Zielsetzung. Während durch das KSchG den Interessen der geschützten Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll, soll durch die Regelung des § 147a SGB III daneben auch der Übung von Unternehmen entgegengewirkt werden, Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung zur Verbesserung der betrieblichen Personalstruktur zu nutzen (Brand in Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 147a Rn. 3 m.w.N.). Dieser Zweck der Regelung wird jedoch nicht vereitelt, wenn eine der vom Gesetzgeber selbst normierten Ausnahmeregelungen für die Erstattungspflicht (hier § 147a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III) eingreift. Denn in einem solchen Fall hat der Gesetzgeber selbst die Wertung getroffen, dass eine Erstattungspflicht nicht eintreten soll. Dementsprechend sieht sich der Senat auch an einer einschränkenden Auslegung des Ausnahmetatbestandes des § 147a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III gehindert.

Schließlich ist auch hier festzustellen, dass von den tarifvertraglichen Regelungen nicht nur ältere Arbeitnehmer betroffen worden sind, sondern alle, die "sozialverträgliche Instrumente" in Anspruch genommen haben. Ein Abstellen auf die Regelung des § 147a SGB III, der nur Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr betrifft, liegt deshalb auch aus diesem Grund nicht auf der Hand."

Insgesamt bleibt damit auch in diesem Rechtsstreit festzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin durch eine sozial gerechtfertigte Kündigung beendet worden ist und damit der Ausnahmetatbestand des § 147a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III vorliegt. Der Berufung der Beklagten bleibt der Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt dem Ergebnis zur Hauptsache.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat weiterhin grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist § 147a SGB III zum 31. März 2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. 2011 S. 2854) außer Kraft getreten. Die hier zu entscheidende Rechtsfrage der Berücksichtigung von tarifvertraglichem Kündigungsschutz einerseits und der nach § 1 Abs. 3 KSchG vorzunehmenden Sozialauswahl im Rahmen einer Entscheidung nach § 147a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III andererseits ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt und hat darüber hinaus Bedeutung, weil weitere 50 bis 60 Verfahren beim Sozialgericht Cottbus anhängig sind.
Rechtskraft
Aus
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