Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 8 R 892/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 632/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. März 2009 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1960 geborene Kläger besuchte bis zur 10. Klasse die Polytechnische Oberschule. Von 1976 bis 1979 machte er eine Lehre zum Uhrmacher. Nach deren Abschluss war er bis 1981 in diesem Beruf tätig. Anschließend wurde er Berufssoldat bei der NVA, schied jedoch nach der Übernahme in die Bundeswehr 1990 aus. Eine Ausbildung zum Restaurantfachmann schloss er 1992 ab und übte in der Folgezeit – unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit – den Beruf des Kellners aus. Im Juni 1999 nahm er die Tätigkeit als Servicekraft bei der M AG auf. Nach einer Einarbeitungszeit von sechs Monaten war er dort ab Mai 2000 als Teamleiter beschäftigt. Zum 11. März 2001 wurde das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt. Anschließend war der Kläger arbeitslos. Eine im März begonnene Umschulung zum Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft brach er im Mai 2005 krankheitsbedingt ab.
Der schwerbehinderte Kläger leidet u.a. an einem Asthma bronchiale, einer arteriellen Hypertonie, einem chronifizierten Cervicobrachialsyndrom nach mehrmals operierten Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule und an einer Schmerzsymptomatik beider Ellenbogengelenke. Ferner entwickelte sich bei ihm eine psychische Symptomatik und eine somatoforme Schmerzstörung, die von Mitte 2005 bis Mitte 2006 zu einer Opiatabhängigkeit führte. Ende 2005 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Brandenburg-Klinik teil. Am 19. Dezember 2005 wurde er dort als arbeitsunfähig entlassen.
Am 21. Dezember 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der auf der Grundlage der eingeholten medizinischen Unterlagen erstellten gutachterlichen Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin K vom 22. Februar 2006 folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2006 den Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab: Der Kläger sei fähig, eine Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes auszuüben. Auch liege keine Berufsunfähigkeit vor, da der Kläger zwar nicht in der Lage sei, als Kellner tätig zu sein, aber für fähig erachtet werde, mindestens sechs Stunden täglich zumutbare Tätigkeiten als Bürohelfer, Restaurantkassierer, Bürohilfskraft, Laborhilfskraft oder Pförtner mit telefonischer Vermittlung auszuüben. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte diverse Entlassungs- und Befundberichte ein, aus denen die Allgemeinmedizinerin K in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 16. August 2006 kein aufgehobenes Leistungsvermögen auf Dauer ableiten konnte. Daraufhin wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2006 zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Die während des Klageverfahrens im Juni 2007 aufgenommene Tätigkeit in einem Callcenter hat der Kläger nach drei Wochen aufgegeben. Vom 31. März 2008 an hat er bei dem Berufsförderungswerk B an einer Maßnahme der erweiterten Berufsfindung und Arbeitserprobung teilgenommen, diese jedoch am 18. April 2008 aus medizinischen Gründen abbrechen müssen.
Das Sozialgericht hat neben Befund- und Entlassungsberichten der den Kläger behandelnden Ärzte und medizinischen Einrichtungen das Gutachten des Psychiaters Dr. U vom 14. Januar 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 28. Oktober 2008 eingeholt. Die Beklagte hat die im Rahmen der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme bei dem Berufsförderungswerk Brandenburg erstellte fachärztliche Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 bei Gericht eingereicht. Ferner hat sie das von ihr eingeholte Gutachten des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H vom 26. Juni 2008 mit Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin K vom 4. Juli 2008 vorgelegt. Das Sozialgericht hat das im Rentenrechtsstreit S 8 RJ 352/04 eingeholte Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen L vom 18. August 2005 über die Tätigkeiten eines Wächters, Aufsehers oder Pförtners beigezogen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger – ausgehend von einem Leistungsfall im Mai 2008 – eine Rente erst ab 1. Dezember 2008 begehrt und die Klage hinsichtlich des Zeitraums davor zurückgenommen.
Mit Urteil vom 27. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 zu gewähren.
Der Anspruch richte sich nach § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung. Denn nach Überzeugung der Kammer sei der Kläger lediglich in der Lage, eine Tätigkeit von mehr als drei und weniger sechs Stunden täglich zu verrichten. Gegenüber den Einschätzungen des Psychiaters Dr. U in dem Sachverständigengutachten vom 14. Januar 2008 und des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H in dem seitens der Beklagten eingeholten Gutachten vom 26. Juni 2008, die den Kläger jeweils nur an einem Tag untersucht hätten, sei der fachärztlichen Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 ein höheres Gewicht einzuräumen, da sie den Kläger im Rahmen der Maßnahme der Berufsförderung über einen längeren Zeitraum gesehen habe und auch die Veränderungen im Rahmen einer Vollzeittätigkeit habe beurteilen können.
Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI liege eine volle Erwerbsminderung allerdings nicht erst dann vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken sei, sondern bereits dann, wenn es unter sechs Stunden liege und der Teilarbeitsmarkt verschlossen sei. Das sei vorliegend der Fall, da bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage im Regelfall ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden könne, dass eine Vermittlung innerhalb Jahresfrist nicht möglich sei. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung sei gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI zwingend zu befristen und gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten. Da sich aus der fachärztlichen Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 ergebe, dass die Erwerbsminderung im Mai 2008 vorgelegen habe, sei die Rente ab dem 1. Dezember 2008 zu gewähren. Entsprechend den Empfehlungen des Psychiaters Dr. U und des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H sei eine langzeitige stationäre psychotherapeutische/psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme angezeigt, weshalb die Kammer die Befristung auf ein Jahr festgelegt habe.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie insbesondere vorbringt, der Psychiater Dr. U und der Nervenarzt Dr. Dipl.-Psych. H hätten in ihren Gutachten festgestellt, dass der Kläger in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig auszuführen. Auch aus der Beschreibung des Tagesablaufs des Klägers werde deutlich, dass dieser 15 Stunden am Tag ohne notwendige Schlafpausen aktiv verbringe: Er versorge den Haushalt, den Hund und die Pflanzen und sitze mehrere Stunden am Computer. Eine weitaus größere Beanspruchung stellten die genannten Verweisungstätigkeiten nicht dar.
Das Landessozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, eine Rentenauskunft des Beklagten und eine Arbeitgeberauskunft der M AG eingeholt. Daraufhin hat die Beklagte vorgebracht, dass dem Kläger die Verweisungstätigkeiten Pförtner und Poststellenmitarbeiter sozial zumutbar seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 zu gewähren. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils vom 27. März 2009 und sieht nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der Senat folgt der Einschätzung der von der Beklagten angeführten Gutachter, dass der Kläger vollschichtig arbeitsfähig sei, nicht.
Der Psychiater Dr. U hat in seinem Gutachten vom 14. Januar 2008 nach Untersuchung des Klägers bei diesem auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet eine mittelgradige depressive Episode und psychische Fehlverarbeitung der Beschwerden an der Halswirbelsäule nach zweimaliger Operation diagnostiziert sowie den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert. Der Gutachter hat ausgeführt, dass die Störungen grundsätzlich vorübergehender Natur seien; sowohl die Depression als auch die psychische Fehlverarbeitung seien behandelbare Erkrankungen; es lägen jedoch Chronifizierungstendenzen vor. Es sei wahrscheinlich, dass die vorliegenden Leistungseinbußen durch medizinische Behandlungen und Maßnahmen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation in einem Zeitraum von einem Jahr wesentlich gebessert werden könnten. Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil hat die Psychiaterin R vom Berufsförderungswerk B , bei welchem der Kläger am 31. März 2008 eine Maßnahme der erweiterten Berufsfindung und Arbeitserprobung begonnen und am 18. April 2008 aus medizinischen Gründen abgebrochen hatte, im Abschlussbericht vom 14. Mai 2008 ausgeführt, dass der Kläger eine ängstlich getönte depressive Verstimmung mit innerer Anspannung und zunehmenden, ganztägig bestehenden schmerzhaften muskulären Dysbalancen im Sinne einer Somatisierung bei defizitären Verarbeitungsstrategien entwickelt habe. Nach der Überzeugung des Senats aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, § 128 SGG, ist der Kläger angesichts der von der Psychiaterin R beschriebenen reduzierten körperlichen und psychischen Belastbarkeit und konzentrativen Leistungsfähigkeit ab Mai 2008 nicht in der Lage gewesen, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem von dem Beklagten vorgelegten Gutachten des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H vom 26. Juni 2008. Nach Untersuchung des Klägers hat der Gutachter eine zwischenzeitlich chronifizierte Anpassungsstörung in der Krankheitsverarbeitung festgestellt, in deren Folge eine mittelgradige depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung hervorzuheben seien. Zu der Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne der Einschätzung eines Ist-Zustandes hat der Nervenarzt Dr. Dipl.-Psych. H keine eindeutige Aussage getroffen. Er hat vielmehr ausgeführt, dass die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers "gefährdet" erscheine, und hierzu in therapeutischer Hinsicht dargelegt, dass die Erkrankung eine langzeitige, stationäre psychotherapeutische/psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme notwendig mache.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am 1960 geborene Kläger besuchte bis zur 10. Klasse die Polytechnische Oberschule. Von 1976 bis 1979 machte er eine Lehre zum Uhrmacher. Nach deren Abschluss war er bis 1981 in diesem Beruf tätig. Anschließend wurde er Berufssoldat bei der NVA, schied jedoch nach der Übernahme in die Bundeswehr 1990 aus. Eine Ausbildung zum Restaurantfachmann schloss er 1992 ab und übte in der Folgezeit – unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit – den Beruf des Kellners aus. Im Juni 1999 nahm er die Tätigkeit als Servicekraft bei der M AG auf. Nach einer Einarbeitungszeit von sechs Monaten war er dort ab Mai 2000 als Teamleiter beschäftigt. Zum 11. März 2001 wurde das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt. Anschließend war der Kläger arbeitslos. Eine im März begonnene Umschulung zum Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft brach er im Mai 2005 krankheitsbedingt ab.
Der schwerbehinderte Kläger leidet u.a. an einem Asthma bronchiale, einer arteriellen Hypertonie, einem chronifizierten Cervicobrachialsyndrom nach mehrmals operierten Bandscheibenvorfällen der Halswirbelsäule und an einer Schmerzsymptomatik beider Ellenbogengelenke. Ferner entwickelte sich bei ihm eine psychische Symptomatik und eine somatoforme Schmerzstörung, die von Mitte 2005 bis Mitte 2006 zu einer Opiatabhängigkeit führte. Ende 2005 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Brandenburg-Klinik teil. Am 19. Dezember 2005 wurde er dort als arbeitsunfähig entlassen.
Am 21. Dezember 2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der auf der Grundlage der eingeholten medizinischen Unterlagen erstellten gutachterlichen Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin K vom 22. Februar 2006 folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. März 2006 den Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab: Der Kläger sei fähig, eine Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes auszuüben. Auch liege keine Berufsunfähigkeit vor, da der Kläger zwar nicht in der Lage sei, als Kellner tätig zu sein, aber für fähig erachtet werde, mindestens sechs Stunden täglich zumutbare Tätigkeiten als Bürohelfer, Restaurantkassierer, Bürohilfskraft, Laborhilfskraft oder Pförtner mit telefonischer Vermittlung auszuüben. Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte diverse Entlassungs- und Befundberichte ein, aus denen die Allgemeinmedizinerin K in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 16. August 2006 kein aufgehobenes Leistungsvermögen auf Dauer ableiten konnte. Daraufhin wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2006 zurück.
Mit der bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Die während des Klageverfahrens im Juni 2007 aufgenommene Tätigkeit in einem Callcenter hat der Kläger nach drei Wochen aufgegeben. Vom 31. März 2008 an hat er bei dem Berufsförderungswerk B an einer Maßnahme der erweiterten Berufsfindung und Arbeitserprobung teilgenommen, diese jedoch am 18. April 2008 aus medizinischen Gründen abbrechen müssen.
Das Sozialgericht hat neben Befund- und Entlassungsberichten der den Kläger behandelnden Ärzte und medizinischen Einrichtungen das Gutachten des Psychiaters Dr. U vom 14. Januar 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 28. Oktober 2008 eingeholt. Die Beklagte hat die im Rahmen der Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme bei dem Berufsförderungswerk Brandenburg erstellte fachärztliche Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 bei Gericht eingereicht. Ferner hat sie das von ihr eingeholte Gutachten des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H vom 26. Juni 2008 mit Stellungnahme der Allgemeinmedizinerin K vom 4. Juli 2008 vorgelegt. Das Sozialgericht hat das im Rentenrechtsstreit S 8 RJ 352/04 eingeholte Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen L vom 18. August 2005 über die Tätigkeiten eines Wächters, Aufsehers oder Pförtners beigezogen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger – ausgehend von einem Leistungsfall im Mai 2008 – eine Rente erst ab 1. Dezember 2008 begehrt und die Klage hinsichtlich des Zeitraums davor zurückgenommen.
Mit Urteil vom 27. März 2009 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 zu gewähren.
Der Anspruch richte sich nach § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung. Denn nach Überzeugung der Kammer sei der Kläger lediglich in der Lage, eine Tätigkeit von mehr als drei und weniger sechs Stunden täglich zu verrichten. Gegenüber den Einschätzungen des Psychiaters Dr. U in dem Sachverständigengutachten vom 14. Januar 2008 und des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H in dem seitens der Beklagten eingeholten Gutachten vom 26. Juni 2008, die den Kläger jeweils nur an einem Tag untersucht hätten, sei der fachärztlichen Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 ein höheres Gewicht einzuräumen, da sie den Kläger im Rahmen der Maßnahme der Berufsförderung über einen längeren Zeitraum gesehen habe und auch die Veränderungen im Rahmen einer Vollzeittätigkeit habe beurteilen können.
Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI liege eine volle Erwerbsminderung allerdings nicht erst dann vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken sei, sondern bereits dann, wenn es unter sechs Stunden liege und der Teilarbeitsmarkt verschlossen sei. Das sei vorliegend der Fall, da bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage im Regelfall ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden könne, dass eine Vermittlung innerhalb Jahresfrist nicht möglich sei. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung sei gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI zwingend zu befristen und gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten. Da sich aus der fachärztlichen Stellungnahme der Psychiaterin R vom 14. Mai 2008 ergebe, dass die Erwerbsminderung im Mai 2008 vorgelegen habe, sei die Rente ab dem 1. Dezember 2008 zu gewähren. Entsprechend den Empfehlungen des Psychiaters Dr. U und des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H sei eine langzeitige stationäre psychotherapeutische/psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme angezeigt, weshalb die Kammer die Befristung auf ein Jahr festgelegt habe.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie insbesondere vorbringt, der Psychiater Dr. U und der Nervenarzt Dr. Dipl.-Psych. H hätten in ihren Gutachten festgestellt, dass der Kläger in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig auszuführen. Auch aus der Beschreibung des Tagesablaufs des Klägers werde deutlich, dass dieser 15 Stunden am Tag ohne notwendige Schlafpausen aktiv verbringe: Er versorge den Haushalt, den Hund und die Pflanzen und sitze mehrere Stunden am Computer. Eine weitaus größere Beanspruchung stellten die genannten Verweisungstätigkeiten nicht dar.
Das Landessozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, eine Rentenauskunft des Beklagten und eine Arbeitgeberauskunft der M AG eingeholt. Daraufhin hat die Beklagte vorgebracht, dass dem Kläger die Verweisungstätigkeiten Pförtner und Poststellenmitarbeiter sozial zumutbar seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 zu gewähren. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils vom 27. März 2009 und sieht nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Der Senat folgt der Einschätzung der von der Beklagten angeführten Gutachter, dass der Kläger vollschichtig arbeitsfähig sei, nicht.
Der Psychiater Dr. U hat in seinem Gutachten vom 14. Januar 2008 nach Untersuchung des Klägers bei diesem auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet eine mittelgradige depressive Episode und psychische Fehlverarbeitung der Beschwerden an der Halswirbelsäule nach zweimaliger Operation diagnostiziert sowie den Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung geäußert. Der Gutachter hat ausgeführt, dass die Störungen grundsätzlich vorübergehender Natur seien; sowohl die Depression als auch die psychische Fehlverarbeitung seien behandelbare Erkrankungen; es lägen jedoch Chronifizierungstendenzen vor. Es sei wahrscheinlich, dass die vorliegenden Leistungseinbußen durch medizinische Behandlungen und Maßnahmen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation in einem Zeitraum von einem Jahr wesentlich gebessert werden könnten. Diese Prognose hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil hat die Psychiaterin R vom Berufsförderungswerk B , bei welchem der Kläger am 31. März 2008 eine Maßnahme der erweiterten Berufsfindung und Arbeitserprobung begonnen und am 18. April 2008 aus medizinischen Gründen abgebrochen hatte, im Abschlussbericht vom 14. Mai 2008 ausgeführt, dass der Kläger eine ängstlich getönte depressive Verstimmung mit innerer Anspannung und zunehmenden, ganztägig bestehenden schmerzhaften muskulären Dysbalancen im Sinne einer Somatisierung bei defizitären Verarbeitungsstrategien entwickelt habe. Nach der Überzeugung des Senats aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, § 128 SGG, ist der Kläger angesichts der von der Psychiaterin R beschriebenen reduzierten körperlichen und psychischen Belastbarkeit und konzentrativen Leistungsfähigkeit ab Mai 2008 nicht in der Lage gewesen, eine vollschichtige Tätigkeit auszuüben.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem von dem Beklagten vorgelegten Gutachten des Nervenarztes Dr. Dipl.-Psych. H vom 26. Juni 2008. Nach Untersuchung des Klägers hat der Gutachter eine zwischenzeitlich chronifizierte Anpassungsstörung in der Krankheitsverarbeitung festgestellt, in deren Folge eine mittelgradige depressive Störung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung hervorzuheben seien. Zu der Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers im Sinne der Einschätzung eines Ist-Zustandes hat der Nervenarzt Dr. Dipl.-Psych. H keine eindeutige Aussage getroffen. Er hat vielmehr ausgeführt, dass die vollschichtige Leistungsfähigkeit des Klägers "gefährdet" erscheine, und hierzu in therapeutischer Hinsicht dargelegt, dass die Erkrankung eine langzeitige, stationäre psychotherapeutische/psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme notwendig mache.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
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