Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 3949/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 2179/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, betreffend die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Dezember 2007 und vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008, mit denen der Beklagte von ihr Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von insgesamt 2.189,16 EUR zurückfordert.
Die am 1991 geborene Klägerin lebte in der hier streitigen Zeit (1. August 2007 bis einschließlich 30. Juni 2008) mit ihrer Mutter und ihrer ein Jahr jüngeren Schwester in einer Bedarfsgemeinschaft und bezog Leistungen nach dem SGB II.
Am 24. Mai 2007 stellte die Mutter der Klägerin für sich und ihre Töchter beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Frage, ob einer der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Erwerbseinkommen beziehe, verneinte die Mutter. Die Mutter unterzeichnete den Antrag untermittelbar unter der fettgedruckten Erklärung, dass sie künftige Änderungen (insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse) unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde. Am 1. August 2007 nahm die Klägerin ein (geringfügiges) Beschäftigungsverhältnis bei der Firma D., Bäckerei in K. auf. Mit Weiterbewilligungsbescheid vom 23. August 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin, ihrer Schwester und ihrer Mutter Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007. Ausweislich des beiliegenden Berechnungsbogens rechnete sie auf den Leistungsanspruch der Klägerin deren Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR an. Eine weitere Einkommensanrechnung erfolgte nicht.
Im Weiterbewilligungsantrag vom 19. November 2007, den wiederum die Mutter der Klägerin ausfüllte, verneinte diese die Frage, ob Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft bestünden. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte sodann weiterhin allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2008 und berücksichtigte auch in diesem Zeitraum bei der Klägerin lediglich als anrechenbares Einkommen das Kindergeld.
Nachdem der Beklagte im Juni 2008 Kenntnis von dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma D. im Rahmen eines Datenabgleiches erlangt hatte, hörte er sie mit Schreiben vom 9. Oktober 2008, das er an die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin richtete, zu diesem Sachverhalt an. Auf dem Antwortbogen, der am 10. November 2008 beim Beklagten einging und der mit dem Namenszug der Mutter (H. V.) unterzeichnet wurde, heißt es wörtlich: Ich A.-K. H. ich arbeite nur als Aushilfe. Das Geld was ich bekomme brauche ich für mich.". In einem weiteren handgeschriebenen Schreiben vom 25. November 2008, das in der gleichen Handschrift wie der gesamte Text den Namen A. H.und in einer anderen Handschrift die daruntergesetzte Unterschrift der Mutter, H. V., trägt, wurde diese Aussage nochmals wiederholt und ausgeführt, dass sie dieses Geld, das sie dort erziele, für Kleider zum Anziehen benötige, da sie ja auch noch zur Schule gehe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 hob der Beklagte daraufhin den Bewilligungsbescheid vom 23. August 2002 teilweise auf und forderte Leistungen in Höhe von 801,76 EUR zurück. Der Bescheid war an die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin adressiert. Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 hob der Beklagte auch - ebenfalls an die gesetzliche Vertreterin adressiert - den Bescheid vom 11. Dezember 2007 teilweise auf und forderte Leistungen in Höhe von insgesamt 1.387,40 EUR ebenfalls zurück. Zur Begründung führte der Beklagte jeweils an, die Klägerin sei aufgrund ihres Erwerbseinkommens aus der Beschäftigung bei der Firma Ditsch nicht in dem bei Antragstellung angegebenen Umfang hilfebedürftig gewesen. Eine Reaktion von Seiten der Klägerin bzw. ihrer Mutter erfolgte hierauf nicht.
Am 10. Dezember 2009 zog die zwischenzeitlich volljährige Klägerin aus der Familienwohnung aus. Am 1. Juni 2010 erhielt sie vom Hauptzollamt L. eine Vollstreckungsankündigung hinsichtlich der weiterhin offenen Rückforderungen aus den Bescheiden vom 21. April 2009. Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 2010 einen an das Hauptzollamt L. gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den dieses an den Beklagten weiterleitete. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, sie habe keine Kenntnis von der Rückforderung gehabt, da der Brief an ihre Mutter gerichtet gewesen sei. Auch habe sie keine Kenntnis davon gehabt, dass ihre Mutter zu Unrecht Leistungen für sie beantragt habe.
Im Weiteren erhob die Klägerin am 16. Juli 2010 sodann Widerspruch gegen die Bescheide vom 21. April 2009 und beantragte erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück, da die Widerspruchsfrist abgelaufen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. September 2010 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.
Mit Urteil vom 17. April 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen habe und damit die Bescheide vom 21. April 2009 bestandskräftig seien. Die Klägerin habe den nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendigen Widerspruch nicht fristgerecht erhoben. Gemäß § 84 Abs.1 Satz 1 SGG sei dieser binnen eines Monats, nachdem er dem Beschwerten bekanntgegeben worden sei, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Widerspruch erlassen habe. Diese Frist habe die Klägerin versäumt. Darüber hinaus würden auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) nicht vorliegen. Danach werde demjenigen, der ohne Verschulden verhindert sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. § 27 Abs.1 Satz 2 SGB X stelle dabei ausdrücklich klar, dass das Verschulden des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen sei. Zum einen liege bereits keine schuldlose Fristversäumnis vor. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 21. April 2009 minderjährig gewesen sei, komme es maßgeblich darauf an, ob ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis treffe. Insoweit sei das SG davon überzeugt, dass diese die Widerspruchsfrist schuldhaft versäumt habe. Außerdem habe die Klägerin auch keine Gründe geltend gemacht, die gegen eine schuldhafte Fristversäumnis ihrer Mutter sprechen würden. Dieses Verschulden müsse sich aber die Klägerin nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X zurechnen lassen. Außerdem sei eine Wiedereinsetzung auch deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin den Wiedereinsetzungsantrag über ein Jahr nach Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt habe (mit Hinweis auf § 27 Abs. 3 SGB X) und insbesondere nicht aufgrund höherer Gewalt an der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags gehindert worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei höhere Gewalt ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit üblichen Mitteln abzuwenden sei; schon das geringste Verschulden schließe höhere Gewalt aus (Hinweis auf BSG Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 85/98 R - Juris). Auch unter Berücksichtigung des hier anzulegenden subjektiven Maßstabes bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aufgrund höherer Gewalt an der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages binnen Jahresfrist gehindert gewesen sei. Insbesondere ergebe sich dies nicht aus dem Vortrag, sie habe keine Kenntnis von der Rückforderung gehabt. Ob allein die fehlende Kenntnis überhaupt geeignet sei, einen Fall höherer Gewalt darzustellen, erscheine schon äußerst zweifelhaft. Darüber hinaus sei das SG aber auch davon überzeugt, dass die Klägerin bereits vor der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes L. von der Rückforderung Kenntnis gehabt habe. Denn ausweislich eines an den Beklagten gerichteten Anwaltsschreibens vom 22. Juli 2009 habe die Klägerin schon einmal einen anderen Rechtsanwalt als ihren jetzigen Bevollmächtigten in der hiesigen Angelegenheit beauftragt, was ohne Kenntnis von der Rückforderung nicht möglich gewesen wäre.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 24. April 2012 zugestellte Urteil am 24. Mai 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, die Klägerin habe erst aufgrund der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes L. vom 12. Mai 2010 Kenntnis von der behaupteten Forderung des Beklagten gegen sie erhalten. Daraufhin habe sie unverzüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diese Wiedereinsetzung hätte ihr auch gewährt werden müssen. Außerdem sei in diesem Fall ein etwaiges Verschulden der Mutter der Klägerin nicht zuzurechnen. Sie habe keinerlei Kenntnis von der Rückforderung gehabt. Auch bei äußerster Sorgfalt hätte sie deshalb nicht fristgerecht Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegen können. Soweit das SG auf ein Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2009 abhebe, sei auszuführen, dass die Klägerin auch von der Beauftragung dieses Rechtsanwalts keine Kenntnis gehabt habe. Das Mandat sei offensichtlich von der Mutter der Klägerin erteilt worden und zwar ohne Wissen der Klägerin. Die entsprechende Vollmacht für den Rechtsanwalt sei dementsprechend auch nicht von der Klägerin unterzeichnet, sondern offensichtlich von deren Mutter. Auch von den in der Akte befindlichen handschriftlichen Aufzeichnungen im Antwortbogen, der am 10. November 2008 beim Beklagten eingegangen sei und in einem Schreiben vom 25. November 2008, habe die Klägerin erst mit Akteneinsicht durch den Unterzeichner hiervon Kenntnis erlangt. Diese Ausführungen seien dementsprechend nicht von der Klägerin gemacht worden, sondern von ihrer Mutter oder ihrem Vater. Bei der Handschrift in beiden Schreiben habe es sich nicht um die Handschrift der Klägerin gehandelt. Im Übrigen sei auch in dem Antwortbogen vom 10. November 2008 der zweite Vorname der Klägerin mit dem Anfangsbuchstaben "K" geschrieben worden, statt "C". Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin letztlich bis zum Schreiben des Hauptzollamtes völlig ahnungslos gewesen sei. Daher sei der Klägerin auch ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren. Jedenfalls habe eine Zurechnung des Verschuldens der Mutter zu unterbleiben. Dies auch im Hinblick auf den Minderjährigenschutz und den Umstand, dass nicht die Klägerin, sondern deren Mutter "Empfängerin" der Leistungen und Adressatin des ursprünglichen Bewilligungsbescheides gewesen sei. Die hier vom Beklagten wie auch vom SG vertretene Auffassung würde letztlich darauf hinauslaufen, dass "Kinder für ihre Eltern haften" würden. Dies widerspreche wesentlichen Grundsätzen unserer Rechtsordnung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. April 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, es sei nochmal daran erinnert, dass im Rückforderungszeitraum die Klägerin noch minderjährig gewesen sei. Das seinerzeitige gesetzliche Vertretungsverhältnis (Mutter/Tochter) gehe sowohl mit einer Verhaltens- bzw. Unterlassungszurechnung (§278 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), wie auch mit einer Wissenszurechnung (§ 166 BGB) einher. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 21. April 2009 sei die Klägerin ebenfalls noch minderjährig gewesen, sodass die Bekanntgabe zwingend gegenüber der Mutter der Klägerin zu erfolgen gehabt habe. Die Minderjährigkeit der Klägerin habe auch noch im Zeitpunkt der Bevollmächtigung der Anwaltskanzlei Kuhn und Kollegen bestanden. Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 2. Januar 2013 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter hingewiesen. Es war ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG und weist die Berufung durch Beschluss zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 17. April 2012 die Klage abgewiesen, da die Rückforderungsbescheide vom 21. April 2009 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist bestandskräftig sind und der dagegen erhobene Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden ist.
Das SG hat zutreffend gestützt auf die hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§§ 78, 84 SGG, 27 SGB X) festgestellt, dass der Widerspruch der Klägerin vom 14. Juli 2010 gegen die Bescheide des Beklagten vom 21. April 2009 verfristet war und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben waren. Hierauf nimmt der Senat ausdrücklich in den Entscheidungsgründen des Urteils des SG Bezug und sieht von weiteren Ausführungen insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Hinsichtlich der Ausführungen im Berufungsverfahren ist ergänzend noch auf Folgendes hinzuweisen: Wie bereits vom SG ausgeführt, muss sich die Klägerin ein mögliches Verschulden ihrer Mutter, die zu der hier streitigen Zeit nach wie vor gesetzliche Vertreterin der Klägerin war, zurechnen lassen (§ 278 BGB). Es ist in dem Zusammenhang auch ohne Belang, ob die handschriftlichen Auskünfte im Antwortbogen vom 10. November 2008 oder die handschriftlichen Ausführungen im Schreiben vom 25. November 2008 von der Klägerin selbst verfasst wurden oder von ihrer gesetzlichen Vertreterin, ihrer Mutter oder auf deren Bitten durch eine dritte Person. Denn jedenfalls sind beide Erklärungen jeweils von der Mutter der Klägerin als deren gesetzlichen Vertreterin unterschrieben und muss sich damit die Klägerin auch das Wissen ihrer Mutter zurechnen lassen (§ 166 BGB). Auch bestätigen die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Juli 2009 durch die Mutter der (damals noch minderjährigen) Klägerin und das Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2009, dass deren Mutter also Kenntnis von den Rückforderungsbescheiden und der Rückforderung von Leistungen hatte, die sich die Klägerin (ebenfalls) zurechnen lassen muss. Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf abstellt, dass hier die Mutter der Klägerin die Leistungen jeweils beantragt und letztlich auch vereinnahmt und verwaltet habe, sei ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des auf ihre Person bezogenen Regelsatzes sowie die auf ihre Person bezogenen anteiligen Kosten der Unterkunft die Klägerin Leistungsberechtigte und auch Leistungsempfängerin war und nicht etwa ihre Mutter. Damit trifft umgekehrt der Rückforderungsanspruch bezüglich der für die Klägerin erbrachten Leistungen, da auch diese und nicht etwa ihre Mutter Einkommen erzielt hatte, die Klägerin, die im damaligen streitigen Zeitraum durch ihre Mutter gesetzlich vertreten wurde.
Im Hinblick auf das Haftungsprivileg von Minderjährigen nach § 1629a BGB, wonach die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit beschränkt ist und diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend gilt, könnte in diesem Falle allerdings ein Anspruch auf Aufhebung der Erstattungsbescheide nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X bestehen (siehe hierzu BSG Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R-), sofern die Klägerin diese Haftungsbeschränkung noch einredeweise geltend machen sollte (§ 1629a Abs. 1 Satz 2 BGB). Ob diese Einrede schon mit dem Vortrag des Bevollmächtigten, es könne nicht sein, dass "Kinder für ihre Eltern haften", erhoben worden ist, kann hier dahingestellt bleiben. Da die Erstattungsbescheide hier jedoch – anders als im vom BSG entschiedenen Fall (B 14 AS 151/10 R) – bestandskräftig sind (siehe oben Ausführungen zur Versäumung der Widerspruchsfrist und den fehlenden Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung), wird hierüber nicht in dem Verfahren hier, sondern der Beklagte gegebenenfalls in einem noch durchzuführenden Verwaltungsverfahren zu entscheiden haben. Sollte danach eine Haftung der Klägerin ausscheiden, bestünde für den Beklagten ggfls. noch die Möglichkeit eines Ersatzanspruches gemäß § 34a Abs. 1 SGB II gegen die Mutter der Klägerin. Hierbei wäre allerdings die Verjährungsregelung (§ 34a Abs. 2 SGB II) zu beachten.
Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs.2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, betreffend die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Dezember 2007 und vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008, mit denen der Beklagte von ihr Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von insgesamt 2.189,16 EUR zurückfordert.
Die am 1991 geborene Klägerin lebte in der hier streitigen Zeit (1. August 2007 bis einschließlich 30. Juni 2008) mit ihrer Mutter und ihrer ein Jahr jüngeren Schwester in einer Bedarfsgemeinschaft und bezog Leistungen nach dem SGB II.
Am 24. Mai 2007 stellte die Mutter der Klägerin für sich und ihre Töchter beim Beklagten einen Antrag auf Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Die Frage, ob einer der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Erwerbseinkommen beziehe, verneinte die Mutter. Die Mutter unterzeichnete den Antrag untermittelbar unter der fettgedruckten Erklärung, dass sie künftige Änderungen (insbesondere der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse) unaufgefordert und unverzüglich mitteilen werde. Am 1. August 2007 nahm die Klägerin ein (geringfügiges) Beschäftigungsverhältnis bei der Firma D., Bäckerei in K. auf. Mit Weiterbewilligungsbescheid vom 23. August 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin, ihrer Schwester und ihrer Mutter Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007. Ausweislich des beiliegenden Berechnungsbogens rechnete sie auf den Leistungsanspruch der Klägerin deren Einkommen aus Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR an. Eine weitere Einkommensanrechnung erfolgte nicht.
Im Weiterbewilligungsantrag vom 19. November 2007, den wiederum die Mutter der Klägerin ausfüllte, verneinte diese die Frage, ob Änderungen in den Einkommensverhältnissen der Bedarfsgemeinschaft bestünden. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 bewilligte der Beklagte sodann weiterhin allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2008 und berücksichtigte auch in diesem Zeitraum bei der Klägerin lediglich als anrechenbares Einkommen das Kindergeld.
Nachdem der Beklagte im Juni 2008 Kenntnis von dem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma D. im Rahmen eines Datenabgleiches erlangt hatte, hörte er sie mit Schreiben vom 9. Oktober 2008, das er an die Klägerin, vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin richtete, zu diesem Sachverhalt an. Auf dem Antwortbogen, der am 10. November 2008 beim Beklagten einging und der mit dem Namenszug der Mutter (H. V.) unterzeichnet wurde, heißt es wörtlich: Ich A.-K. H. ich arbeite nur als Aushilfe. Das Geld was ich bekomme brauche ich für mich.". In einem weiteren handgeschriebenen Schreiben vom 25. November 2008, das in der gleichen Handschrift wie der gesamte Text den Namen A. H.und in einer anderen Handschrift die daruntergesetzte Unterschrift der Mutter, H. V., trägt, wurde diese Aussage nochmals wiederholt und ausgeführt, dass sie dieses Geld, das sie dort erziele, für Kleider zum Anziehen benötige, da sie ja auch noch zur Schule gehe.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 hob der Beklagte daraufhin den Bewilligungsbescheid vom 23. August 2002 teilweise auf und forderte Leistungen in Höhe von 801,76 EUR zurück. Der Bescheid war an die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin adressiert. Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. April 2009 hob der Beklagte auch - ebenfalls an die gesetzliche Vertreterin adressiert - den Bescheid vom 11. Dezember 2007 teilweise auf und forderte Leistungen in Höhe von insgesamt 1.387,40 EUR ebenfalls zurück. Zur Begründung führte der Beklagte jeweils an, die Klägerin sei aufgrund ihres Erwerbseinkommens aus der Beschäftigung bei der Firma Ditsch nicht in dem bei Antragstellung angegebenen Umfang hilfebedürftig gewesen. Eine Reaktion von Seiten der Klägerin bzw. ihrer Mutter erfolgte hierauf nicht.
Am 10. Dezember 2009 zog die zwischenzeitlich volljährige Klägerin aus der Familienwohnung aus. Am 1. Juni 2010 erhielt sie vom Hauptzollamt L. eine Vollstreckungsankündigung hinsichtlich der weiterhin offenen Rückforderungen aus den Bescheiden vom 21. April 2009. Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 2010 einen an das Hauptzollamt L. gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den dieses an den Beklagten weiterleitete. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, sie habe keine Kenntnis von der Rückforderung gehabt, da der Brief an ihre Mutter gerichtet gewesen sei. Auch habe sie keine Kenntnis davon gehabt, dass ihre Mutter zu Unrecht Leistungen für sie beantragt habe.
Im Weiteren erhob die Klägerin am 16. Juli 2010 sodann Widerspruch gegen die Bescheide vom 21. April 2009 und beantragte erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück, da die Widerspruchsfrist abgelaufen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 21. September 2010 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.
Mit Urteil vom 17. April 2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen habe und damit die Bescheide vom 21. April 2009 bestandskräftig seien. Die Klägerin habe den nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendigen Widerspruch nicht fristgerecht erhoben. Gemäß § 84 Abs.1 Satz 1 SGG sei dieser binnen eines Monats, nachdem er dem Beschwerten bekanntgegeben worden sei, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Widerspruch erlassen habe. Diese Frist habe die Klägerin versäumt. Darüber hinaus würden auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) nicht vorliegen. Danach werde demjenigen, der ohne Verschulden verhindert sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. § 27 Abs.1 Satz 2 SGB X stelle dabei ausdrücklich klar, dass das Verschulden des Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen sei. Zum einen liege bereits keine schuldlose Fristversäumnis vor. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 21. April 2009 minderjährig gewesen sei, komme es maßgeblich darauf an, ob ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis treffe. Insoweit sei das SG davon überzeugt, dass diese die Widerspruchsfrist schuldhaft versäumt habe. Außerdem habe die Klägerin auch keine Gründe geltend gemacht, die gegen eine schuldhafte Fristversäumnis ihrer Mutter sprechen würden. Dieses Verschulden müsse sich aber die Klägerin nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X zurechnen lassen. Außerdem sei eine Wiedereinsetzung auch deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin den Wiedereinsetzungsantrag über ein Jahr nach Ablauf der Widerspruchsfrist gestellt habe (mit Hinweis auf § 27 Abs. 3 SGB X) und insbesondere nicht aufgrund höherer Gewalt an der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags gehindert worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei höhere Gewalt ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit üblichen Mitteln abzuwenden sei; schon das geringste Verschulden schließe höhere Gewalt aus (Hinweis auf BSG Urteil vom 11. Mai 2000 - B 13 RJ 85/98 R - Juris). Auch unter Berücksichtigung des hier anzulegenden subjektiven Maßstabes bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aufgrund höherer Gewalt an der Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages binnen Jahresfrist gehindert gewesen sei. Insbesondere ergebe sich dies nicht aus dem Vortrag, sie habe keine Kenntnis von der Rückforderung gehabt. Ob allein die fehlende Kenntnis überhaupt geeignet sei, einen Fall höherer Gewalt darzustellen, erscheine schon äußerst zweifelhaft. Darüber hinaus sei das SG aber auch davon überzeugt, dass die Klägerin bereits vor der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes L. von der Rückforderung Kenntnis gehabt habe. Denn ausweislich eines an den Beklagten gerichteten Anwaltsschreibens vom 22. Juli 2009 habe die Klägerin schon einmal einen anderen Rechtsanwalt als ihren jetzigen Bevollmächtigten in der hiesigen Angelegenheit beauftragt, was ohne Kenntnis von der Rückforderung nicht möglich gewesen wäre.
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 24. April 2012 zugestellte Urteil am 24. Mai 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, die Klägerin habe erst aufgrund der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes L. vom 12. Mai 2010 Kenntnis von der behaupteten Forderung des Beklagten gegen sie erhalten. Daraufhin habe sie unverzüglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diese Wiedereinsetzung hätte ihr auch gewährt werden müssen. Außerdem sei in diesem Fall ein etwaiges Verschulden der Mutter der Klägerin nicht zuzurechnen. Sie habe keinerlei Kenntnis von der Rückforderung gehabt. Auch bei äußerster Sorgfalt hätte sie deshalb nicht fristgerecht Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegen können. Soweit das SG auf ein Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2009 abhebe, sei auszuführen, dass die Klägerin auch von der Beauftragung dieses Rechtsanwalts keine Kenntnis gehabt habe. Das Mandat sei offensichtlich von der Mutter der Klägerin erteilt worden und zwar ohne Wissen der Klägerin. Die entsprechende Vollmacht für den Rechtsanwalt sei dementsprechend auch nicht von der Klägerin unterzeichnet, sondern offensichtlich von deren Mutter. Auch von den in der Akte befindlichen handschriftlichen Aufzeichnungen im Antwortbogen, der am 10. November 2008 beim Beklagten eingegangen sei und in einem Schreiben vom 25. November 2008, habe die Klägerin erst mit Akteneinsicht durch den Unterzeichner hiervon Kenntnis erlangt. Diese Ausführungen seien dementsprechend nicht von der Klägerin gemacht worden, sondern von ihrer Mutter oder ihrem Vater. Bei der Handschrift in beiden Schreiben habe es sich nicht um die Handschrift der Klägerin gehandelt. Im Übrigen sei auch in dem Antwortbogen vom 10. November 2008 der zweite Vorname der Klägerin mit dem Anfangsbuchstaben "K" geschrieben worden, statt "C". Hieraus ergebe sich, dass die Klägerin letztlich bis zum Schreiben des Hauptzollamtes völlig ahnungslos gewesen sei. Daher sei der Klägerin auch ohne Weiteres Wiedereinsetzung zu gewähren. Jedenfalls habe eine Zurechnung des Verschuldens der Mutter zu unterbleiben. Dies auch im Hinblick auf den Minderjährigenschutz und den Umstand, dass nicht die Klägerin, sondern deren Mutter "Empfängerin" der Leistungen und Adressatin des ursprünglichen Bewilligungsbescheides gewesen sei. Die hier vom Beklagten wie auch vom SG vertretene Auffassung würde letztlich darauf hinauslaufen, dass "Kinder für ihre Eltern haften" würden. Dies widerspreche wesentlichen Grundsätzen unserer Rechtsordnung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. April 2012 sowie die Bescheide der Beklagten vom 21. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, es sei nochmal daran erinnert, dass im Rückforderungszeitraum die Klägerin noch minderjährig gewesen sei. Das seinerzeitige gesetzliche Vertretungsverhältnis (Mutter/Tochter) gehe sowohl mit einer Verhaltens- bzw. Unterlassungszurechnung (§278 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), wie auch mit einer Wissenszurechnung (§ 166 BGB) einher. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 21. April 2009 sei die Klägerin ebenfalls noch minderjährig gewesen, sodass die Bekanntgabe zwingend gegenüber der Mutter der Klägerin zu erfolgen gehabt habe. Die Minderjährigkeit der Klägerin habe auch noch im Zeitpunkt der Bevollmächtigung der Anwaltskanzlei Kuhn und Kollegen bestanden. Die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung sei daher nicht zu beanstanden.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 2. Januar 2013 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter hingewiesen. Es war ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (zwei Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG und weist die Berufung durch Beschluss zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört.
Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 17. April 2012 die Klage abgewiesen, da die Rückforderungsbescheide vom 21. April 2009 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist bestandskräftig sind und der dagegen erhobene Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden ist.
Das SG hat zutreffend gestützt auf die hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen (§§ 78, 84 SGG, 27 SGB X) festgestellt, dass der Widerspruch der Klägerin vom 14. Juli 2010 gegen die Bescheide des Beklagten vom 21. April 2009 verfristet war und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben waren. Hierauf nimmt der Senat ausdrücklich in den Entscheidungsgründen des Urteils des SG Bezug und sieht von weiteren Ausführungen insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Hinsichtlich der Ausführungen im Berufungsverfahren ist ergänzend noch auf Folgendes hinzuweisen: Wie bereits vom SG ausgeführt, muss sich die Klägerin ein mögliches Verschulden ihrer Mutter, die zu der hier streitigen Zeit nach wie vor gesetzliche Vertreterin der Klägerin war, zurechnen lassen (§ 278 BGB). Es ist in dem Zusammenhang auch ohne Belang, ob die handschriftlichen Auskünfte im Antwortbogen vom 10. November 2008 oder die handschriftlichen Ausführungen im Schreiben vom 25. November 2008 von der Klägerin selbst verfasst wurden oder von ihrer gesetzlichen Vertreterin, ihrer Mutter oder auf deren Bitten durch eine dritte Person. Denn jedenfalls sind beide Erklärungen jeweils von der Mutter der Klägerin als deren gesetzlichen Vertreterin unterschrieben und muss sich damit die Klägerin auch das Wissen ihrer Mutter zurechnen lassen (§ 166 BGB). Auch bestätigen die Beauftragung eines Rechtsanwalts im Juli 2009 durch die Mutter der (damals noch minderjährigen) Klägerin und das Anwaltsschreiben vom 22. Juli 2009, dass deren Mutter also Kenntnis von den Rückforderungsbescheiden und der Rückforderung von Leistungen hatte, die sich die Klägerin (ebenfalls) zurechnen lassen muss. Soweit der Klägerbevollmächtigte darauf abstellt, dass hier die Mutter der Klägerin die Leistungen jeweils beantragt und letztlich auch vereinnahmt und verwaltet habe, sei ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen, dass hinsichtlich des auf ihre Person bezogenen Regelsatzes sowie die auf ihre Person bezogenen anteiligen Kosten der Unterkunft die Klägerin Leistungsberechtigte und auch Leistungsempfängerin war und nicht etwa ihre Mutter. Damit trifft umgekehrt der Rückforderungsanspruch bezüglich der für die Klägerin erbrachten Leistungen, da auch diese und nicht etwa ihre Mutter Einkommen erzielt hatte, die Klägerin, die im damaligen streitigen Zeitraum durch ihre Mutter gesetzlich vertreten wurde.
Im Hinblick auf das Haftungsprivileg von Minderjährigen nach § 1629a BGB, wonach die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit beschränkt ist und diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend gilt, könnte in diesem Falle allerdings ein Anspruch auf Aufhebung der Erstattungsbescheide nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X bestehen (siehe hierzu BSG Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 153/10 R-), sofern die Klägerin diese Haftungsbeschränkung noch einredeweise geltend machen sollte (§ 1629a Abs. 1 Satz 2 BGB). Ob diese Einrede schon mit dem Vortrag des Bevollmächtigten, es könne nicht sein, dass "Kinder für ihre Eltern haften", erhoben worden ist, kann hier dahingestellt bleiben. Da die Erstattungsbescheide hier jedoch – anders als im vom BSG entschiedenen Fall (B 14 AS 151/10 R) – bestandskräftig sind (siehe oben Ausführungen zur Versäumung der Widerspruchsfrist und den fehlenden Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung), wird hierüber nicht in dem Verfahren hier, sondern der Beklagte gegebenenfalls in einem noch durchzuführenden Verwaltungsverfahren zu entscheiden haben. Sollte danach eine Haftung der Klägerin ausscheiden, bestünde für den Beklagten ggfls. noch die Möglichkeit eines Ersatzanspruches gemäß § 34a Abs. 1 SGB II gegen die Mutter der Klägerin. Hierbei wäre allerdings die Verjährungsregelung (§ 34a Abs. 2 SGB II) zu beachten.
Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§160 Abs.2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
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