L 5 R 3257/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 7157/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3257/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.06.2012 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Nr. 2 in der ab 1.1.2005 bis April 2009 bei der Klägerin Nr. 1 ausgeübten Tätigkeit als Diplombetriebswirtin/Buchhalterin der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen hat.

Die Klägerin Nr. 1 ist Steuerbevollmächtigte und betreibt als selbständig Erwerbstätige ein ihr gehörendes Steuerberatungsbüro. Die Büroräume befinden sich in einer Einliegerwohnung ihres Wohnhauses. Die Klägerin Nr. 2 ist Diplombetriebswirtin (FH). Sie hat am 2.2. 2006 ein Gewerbe angemeldet mit den Gegenständen (u.a.) kaufmännische Dienstleistungen ("Dienstleistungsbüro"), Housekeeping und Begleitservice (bspw. für ältere Menschen). Ihr Büro befindet sich in einer Ecke ihrer (Dachgeschoß-)Wohnung. Zum 1.1.2005 nahm die Klägerin Nr. 2 eine Tätigkeit als Diplombetriebswirtin für die Klägerin Nr. 1 auf.

Am 4.10.2007 stellten die Klägerinnen bei der Beklagten (C.-Stelle) einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin Nr. 2 gemäß § 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (SGB IV). Sie beantragten festzustellen, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliegt. Die Klägerinnen gaben an, die Klägerin Nr. 2 sei freiwillig krankenversichert. Sie arbeite am Betriebssitz der Klägerin Nr. 1. Regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten müsse sie nicht einhalten. Weisungen hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) ihrer Tätigkeit würden nicht erteilt. Die Klägerin Nr. 1 könne das Einsatzgebiet der Klägerin Nr. 2 ohne deren Zustimmung nicht verändern. Alle unternehmerischen Tätigkeiten im Sinne eigenen Kapitaleinsatzes, eigener Kalkulation, Preisgestaltung, Werbung und Ablehnung von Aufträgen würden von der Klägerin Nr. 2 als Inhaberin ihres Dienstleistungsbüros entschieden.

Ergänzend wurde angegeben, die Klägerin Nr. 2 erziele den Großteil ihrer Einnahmen aus der Tätigkeit für die Klägerin Nr. 1 (ca. 91 % 2005, 59 % 2006, 78 % 2007); die restlichen Einkünfte stammten aus Tätigkeiten für weitere Auftraggeber. Die Klägerinnen hätten eine mündliche Vereinbarung getroffen, wonach die Klägerin Nr. 2 auf Absprache tätig werde. Ihre Tätigkeit bestehe in Buchhaltungsaufgaben, der Verarbeitung von Jahresabschlussbuchungen, der Vorbereitung von Steuererklärungen, Schreibarbeiten, Erfolgs- und Rentabilitätsplanungen. Das hierfür eingesetzte Betriebskapital bestehe in ihrem Auto, einer Aktentasche und Kleinmaterial (Stifte und Hüllen). Die Vergütung rechne sie auf Stundenbasis ab und mache sie durch Rechnung geltend. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit für die Klägerin Nr. 1 hänge von der Auftragslage ab und falle ganz unterschiedlich aus.

Mit Anhörungsschreiben vom 30.11.2007 teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, es sei beabsichtigt, das Vorliegen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin Nr. 2 festzustellen.

Die Klägerin Nr. 1 trug daraufhin vor, die Klägerin Nr. 2 arbeite für sie ausschließlich als Diplombetriebswirtin und könne ihre Tätigkeit nach eigener Zeiteinteilung frei verrichten.

Die Klägerin Nr. 2 trug vor, sie habe für ihre freiberufliche Tätigkeit als Buchhalterin eine Vermögenshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Als Kapital setze sie ihren Pkw und Schreibzeug bzw. ihr Telefon ein. Sie habe zwischen vier und fünf Kunden (u.a. einen Konzertveranstalter, einen Stuckateur und eine Heilpraktikerin). Sie erbringe für die Klägerin Nr. 1 selbstständige Buchhaltungsleistungen, wie Pflegen der Anlagenbuchführung, Rückstellungen, Darlehen und Rechnungsabgrenzungsposten. Sie sortiere und kontiere Belege von Mandanten der Klägerin Nr. 1 und arbeite völlig selbstständig im Büro der Klägerin Nr. 1. Die Belege könne sie zu Hause in ihrer Büroecke (ausgerüstet u.a. mit PC, Laptop, Drucker und Scanner) bearbeiten. Sie habe zwar keinen Schlüssel zu den Büroräumen der Klägerin Nr. 1, jedoch seien immer Familienmitglieder da, die ihr öffneten. Nach außen trete sie mit ihrem Dienstleistungsbüro auf. Aufträge der Klägerin Nr. 1 dürfe sie ohne weiteres ablehnen. Gegenüber den Mandanten der Klägerin Nr. 1 trete sie nicht in Erscheinung. Für ihre Tätigkeit erhalte sie von der Klägerin Nr. 1 30 EUR pro Stunde. Es gebe Monate, in denen sie für die Klägerin Nr. 1 nicht tätig werde, und Monate in denen sie aus der Tätigkeit für die Klägerin Nr. 1 bis zu 1.800 EUR im Monat erziele.

Mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 8.4.2008 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin Nr. 2 die bei der Klägerin Nr. 1 verrichtete Tätigkeit als Diplombetriebswirtin im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Zur Begründung führte sie aus, die Befugnis zur Ablehnung von Aufträgen spreche nicht für eine selbstständige Erwerbstätigkeit, wenn nach Auftragsannahme bei der tatsächlichen Leistungserbringung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen. Wegen des Mandanten- und Datenschutzes müsse die Klägerin Nr. 2 überwiegend in den Büroräumen der Klägerin Nr. 1 unter Nutzung der dort eingerichteten EDV-Anlage arbeiten. Eigene Betriebsmittel in erheblichem Umfang setze die Klägerin Nr. 2 nicht ein. PC und (Steuerberater-)Software (DATEV-Software) stelle die Klägerin Nr. 1 zur Verfügung. Die Tätigkeit der Klägerin Nr. 2 werde nach Arbeitsstunden vergütet. Für die Statusbeurteilung seien Tätigkeiten der Klägerin Nr. 2 für andere Auftraggeber nicht von Belang. Aus all dem ergebe sich das Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung.

Zur Begründung des dagegen von beiden Klägerinnen eingelegten Widerspruchs wurde vorgetragen, man habe mündliche Vereinbarungen getroffen und dabei unter anderem die Abrechnung auf Stundenbasis, freie Zeiteinteilung und freie Wahl des Arbeitsortes für die Klägerin Nr. 2 festgelegt. Die Datenerfassung müsse aus Datenschutzgründen in den Büroräumen der Klägerin Nr. 1 durchgeführt werden. Vorbereitungsarbeiten (Sortieren, Katalogisieren und Bearbeiten von Belegen) könne die Klägerin Nr. 2 aber zu Hause erledigen. Man habe weder einen Mindestumfang für die Tätigkeit der Klägerin Nr. 2 noch eine Pflicht zur Annahme von Aufträgen vereinbart. Gegenüber den Mandanten der Klägerin Nr. 1 trete die Klägerin Nr. 2 nicht in Erscheinung. Das Unternehmerrisiko der Klägerin Nr. 2 bestehe im Einsatz ihrer Betriebsmittel (Büro und Pkw) sowie in der Notwendigkeit, Kunden zu akquirieren und zu halten. Die Klägerin Nr. 2 sei im sozialen und kirchlichen Bereich sehr engagiert, verfüge deswegen über viele Kontakte und betreibe dadurch Werbung für ihre Dienstleistungen durch "Mundpropaganda". Anzeigen schalte sie aus grundsätzlichen Erwägungen nicht. In den Betrieb der Klägerin Nr. 1 sei sie nicht eingegliedert. Ein Wettbewerbsverbot habe man nicht vereinbart.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 8.10.2008 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, den Typus eines universell selbstständig Erwerbstätigen kenne das deutsche Recht nicht; jede Tätigkeit sei in statusrechtlicher Hinsicht gesondert zu beurteilen. Die Datenerfassung könne die Klägerin Nr. 2 nur in den Büroräumen der Klägerin Nr. 1 vornehmen; lediglich Vorbereitungsarbeiten dürfe sie zu Hause im eigenen Büro erledigen. Flexible Arbeitszeiten seien auch für Beschäftigte typisch. Im Hinblick auf die Aktenführung und die Nutzung der DATEV-Software sei die Klägerin Nr. 2 an den Betrieb der Klägerin Nr. 1 eingebunden. Sie leiste im Wesentlichen fremdbestimmte Arbeit. Ein Unternehmerrisiko trage sie nicht und trete gegenüber den Mandanten der Klägerin Nr. 1 auch nicht in Erscheinung. Die Widerspruchsbescheide wurden den Klägerinnen mit am 14.10.2008 zur Post gegebenen Einschreiben zugestellt.

Am 24.10.2008 bzw. am 10.11.2008 erhoben die Klägerinnen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (Verfahren S 15 R 7157/08 und S 15 R 7541/08). Mit Beschluss vom 21.6.2012 verband das Sozialgericht beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 15 R 7157/08.

Die Klägerin Nr. 1 trug ergänzend vor, wegen der Nutzung der DATEV-Software könne die Dateneingabe nur in ihren Büroräumen stattfinden. Alle anderen Arbeiten (etwa an Belegen) dürfe die Klägerin in ihrem eigenen Büro erledigen. Diese Tätigkeiten stellten die Hauptarbeit dar. Feste Arbeits- oder Anwesenheitszeiten seien nicht festgelegt worden. Ihrem (der Klägerin Nr. 1) Direktionsrecht unterliege die Klägerin Nr. 2 nicht. Diese trage insoweit ein erhebliches Unternehmerrisiko, als ihre Umsätze jederzeit zurückgehen könnten.

Die Klägerin Nr. 2 trug ergänzend vor, sie habe in den Jahren 2005 bis 2008 zwischen fünf und sieben Kunden gehabt. Es sei nicht zulässig, die Statusprüfung auf die Tätigkeit für die Klägerin Nr. 1 zu beschränken. Vielmehr müssten auch die anderen Tätigkeiten berücksichtigt werden. Sie erbringe freiberufliche Leistungen im Rahmen eines mobilen Buchhaltungsservice und leiste insoweit Dienste höherer Art (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.9.2008, - L 11 R 853/08 - und - L 11 R 1074/08). Bei der Tätigkeit für die Klägerin Nr. 1 könne sie Buchhaltung und Kontierung von Belegen zu Hause durchführen. Darauf liege das Schwergewicht ihrer Arbeit. Unerheblich sei, dass sie gegenüber den Mandanten der Klägerin Nr. 1 nicht in Erscheinung trete. Das sei für freie Mitarbeiter typisch. Sie trage auch ein Unternehmerrisiko, wobei sie Kapital wegen der Eigenart ihrer Tätigkeit nicht in nennenswertem Umfang einsetzen müsse. Ergänzend sei auf die Regelungen über die Versicherungspflicht von Selbständigen mit im Wesentlichen einem Auftraggeber in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI und die Befreiungsmöglichkeit für die Anfangsphase der Tätigkeit nach § 6 Abs. 1a SGB VI hingewiesen. Anders als abhängig beschäftigte Arbeitnehmer hafte sie für Schäden auch bei leichter Fahrlässigkeit.

Die Beklagte trug vor, die Tätigkeit der Klägerin Nr. 2 unterscheide sich nicht von derjenigen einer fest angestellten Diplombetriebswirtin. Bei Auftragsannahme seien der Zeitrahmen, die Dauer, der Ort und zum Teil auch die Art und Weise der Tätigkeit vorgegeben. Die Klägerin Nr. 1 stelle die DATEV-Software zur Verfügung und trete im Außenverhältnis gegenüber ihren Mandanten als Vertragspartner auf; sie hafte auch allein für Mängel der Leistungserbringung.

Mit an die Klägerinnen gerichteten (Ergänzungs-) Bescheiden vom 23.5.2012 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin Nr. 2 in der bei der Klägerin Nr. 1 seit 1.1.2005 (bis April 2009) ausgeübten Beschäftigung der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen hat.

Am 26.6.2012 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht statt. Die Klägerin Nr. 1 gab an, sie habe die Klägerin Nr. 2 angerufen, wenn viel zu tun gewesen sei. Diese habe dann den Buchhaltungsordner ihrer (der Klägerin Nr. 1) Mandanten erhalten. Die Kontierung der Belege habe die Klägerin Nr. 2 zu Hause vornehmen können. Kontakt mit ihren Mandanten habe die Klägerin Nr. 2 nicht gehabt. Unterschrieben habe sie nichts, sie habe auch kein Unterschriftsrecht gehabt. Über die DATEV-Software hätte die Klägerin Nr. 2 nicht verfügen können. DATEV sei eine Genossenschaft, der im Wesentlichen nur Steuerberater angehören könnten. Seit April 2009 sei die Klägerin Nr. 2 nicht mehr für sie tätig.

Mit Urteil vom 26.6.2012 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Zur Begründung führte es aus, die für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin Nr. 2 bei der Klägerin Nr. 1 sprechenden Umstände überwögen und prägten das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Die Klägerin Nr. 2 sei in die Büroorganisation der Klägerin Nr. 1 eingegliedert gewesen, wobei das Weisungsrecht der Klägerin Nr. 1 angesichts der Art der Tätigkeit naturgemäß verfeinert bzw. eingeschränkt gewesen sei. Die Klägerin Nr. 2 habe keinen eigenen Schlüssel zu den Büroräumen der Klägerin Nr. 1 gehabt und habe ihre Arbeitszeit deswegen an die Bürozeiten der Klägerin Nr. 1 anpassen müssen. Mandanten habe nur die Klägerin Nr. 1 akquiriert und sie habe der Klägerin Nr. 2 die zu bearbeitenden Mandate zugeteilt. Mandantenkontakt habe die Klägerin Nr. 2 nicht gehabt und auch keine Mandantengespräche geführt. Die nach außen gehenden Schriftsätze habe die Klägerin Nr. 2 nicht unterschrieben. Sie habe der Klägerin Nr. 1 letztendlich nur zugearbeitet und Teilaufgaben der Mandate erledigt. Ein eigenes Unternehmerrisiko habe die Klägerin Nr. 2 nicht getragen. Die vereinbarte Stundenvergütung habe keine Elemente einer Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung enthalten. Die Klägerin Nr. 2 habe deswegen auch keine unternehmerischen Gewinnaussichten gehabt, hätte ihren Verdienst vielmehr, wie abhängig Beschäftigte, nur durch entsprechende Mehrarbeit steigern können. Das Risiko von Auftragsausfällen und damit nicht durchgehender Arbeitsleistung treffe Arbeitnehmer mit Zeitverträgen oder unständig bzw. auf Abruf Beschäftigte in gleicher Weise. Die Nutzung des eigenen Pkw sowie eines PC oder Telefons begründe kein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko. Die Klägerin Nr. 2 verfüge nicht über eigene, angemietete Büroräume, sondern habe in ihrer Wohnung nur eine Büroecke eingerichtet. Dass ihr ein Urlaubsanspruch sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorenthalten worden seien, mache sie nicht zur selbstständig tätigen Unternehmerin.

Auf das ihnen am 9.7.2012 bzw. 20.7.2012 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 30.7.2012 bzw. 1.8.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigen und wiederholen sie ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor, die Klägerin Nr. 2 sei in den Betrieb der Klägerin Nr. 1 nicht eingegliedert gewesen. Dafür genüge es nicht, dass sie einen Teil ihrer Tätigkeit (Dateneingabe) in den Büroräumen der Klägerin Nr. 1 verrichtet habe. Die Kontierung von Belegen und anderes habe sie zu Hause in ihrer Büroecke erledigt. Dabei habe es sich um den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit gehandelt. Die Klägerin Nr. 2 habe das Büro der Klägerin Nr. 1 auch ohne Schlüssel jederzeit aufsuchen können. Unerheblich sei, dass die Klägerin Nr. 2 Mandate nicht akquiriert habe. Das stehe dem Status einer freien Mitarbeiterin nicht entgegen; freie Mitarbeiter müssten auch nicht gegenüber den Mandanten ihres Auftraggebers in Erscheinung treten. Die Klägerin Nr. 2 übe eine freiberufliche Tätigkeit aus, für die Kapital in größerem Umfang nicht eingesetzt werden müsse.

Hinsichtlich der (zulässigen bzw. unzulässigen) Gestaltung der freien Mitarbeit von selbständigen Buchhaltern bei Steuerberatern hat die Klägerin Nr. 1 ein Merkblatt des Bundesverbandes selbständiger Buchhalter und Bilanzbuchhalter vorgelegt. Wegen Einzelheiten wird auf Bl. 55/56 Senatsakte Bezug genommen.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.6.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 8.4.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 8.10.2008 und der Ergänzungsbescheide vom 23.5.2012 zu verurteilen festzustellen, dass die Klägerin Nr. 2 die bei der Klägerin Nr. 1 vom 1.1.2005 bis April 2009 ausgeübte Tätigkeit als Diplombetriebswirtin/Buchhalterin nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verrichtet hat und deswegen nicht versicherungspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung der Klägerinnen ist gem. §§ 143, 144, 152 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind formell und materiell rechtmäßig. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

I. Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gem. § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig und die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die D. R. B. (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Klägerin und Beigeladene Nr. 1 haben sich für das (fakultative) Anfrageverfahren bei der Beklagten (C.-Stelle) nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV entschieden; ein vorrangiges Verfahren bei der Einzugs- oder der Prüfstelle war nicht eingeleitet worden (zur Verfahrenskonkurrenz etwa Senatsurteile vom 8.6.2011, - L 5 KR 4009/10 - und - L 5 R 4078/10 -).

Gem. § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen muss im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände zu erschließen sein, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sich die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beziehen soll. Notwendig ist regelmäßig die Angabe einer bestimmbaren Arbeit und die gerade hiermit in Zusammenhang stehende Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urt. v. 11.3.2009, - B 12 R 11/07 R -; Urt. v. 4.6.2009, - B 12 R 6/08 R -). Außerdem darf sich weder die im Anfrageverfahren (§ 7a SGB IV) noch die im Einzugsstellenverfahren (§ 28h SGB IV) ergehende Entscheidung auf das isolierte Feststellen des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung beschränken. Eine Elementenfeststellung dieser Art ist nicht zulässig (BSG, Urt. v. 11.3.2009, - B 12 R 11/07 R -). Ein ggf. rechtswidriger Elementenfeststellungsbescheid kann jedoch auch noch im Klageverfahren durch einen den Anforderungen an eine rechtmäßige Statusfeststellung genügenden Bescheid nach § 96 SGG ergänzt bzw. ersetzt werden (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2011, - L 5 KR 4078/10 - und v. 24.11.2010, - L 5 KR 357/10 -).

Die Beklagte ist diesen Anforderungen gerecht geworden. Sie hat die von der Klägerin Nr. 2 im Betrieb der Klägerin Nr. 1 ausgeübte Tätigkeit mit Arbeit als "Diplombetriebswirtin" hinreichend bestimmt bezeichnet. Davon abgesehen konnten die Klägerinnen als Adressaten der (nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 BGB auszulegenden) Bescheide vom 8.4.2008 (Ergänzungsbescheide vom 23.5.2012 bzw. Widerspruchsbescheide vom 8.10.2008) diesem im Hinblick auf den ihm als antragsabhängigem Verwaltungsakt zugrunde liegenden (Statusfeststellungs-)Antrag und der darin enthaltenen Tätigkeitsbeschreibung auch ohne weitere Klarstellung entnehmen, welche Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich beurteilt worden ist. Die Beklagte hat sich schließlich auch nicht auf die isolierte Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses beschränkt. Vielmehr ist in den Ergänzungsbescheiden vom 23.5.2012 ausdrücklich festgestellt worden, dass für die in abhängiger Beschäftigung verrichtete Tätigkeit der Klägerin Nr. 2 Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung besteht bzw. bestanden hat.

II. Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Die Klägerin Nr. 2 hat bei der Klägerin Nr. 1 während der streitigen Zeit eine zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Eine selbständige Erwerbstätigkeit hat entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht vorgelegen.

1.) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung, wobei hier nur die Renten- und Arbeitslosenversicherung von Belang ist, jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19.6.2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschl. v. 16.8.2010, - B 12 KR 100/09 B -). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urt. v. 25.4.2012 - B 12 KR 24/10 R -).

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 29.8.2012, - B 12 KR 25/10 R -).

2.) Davon ausgehend ist die Tätigkeit, die die Klägerin Nr. 2 bei der Klägerin Nr. 1 als Diplombetriebswirtin/Buchhalterin in der Zeit vom 1.1.2005 bis April 2009 ausgeübt hat, als eine versicherungspflichtige bzw. beitragspflichtige Beschäftigungen (§ 7 Abs. 1 SGB IV) einzustufen.

Auch für den Senat ergibt sich das Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung der Klägerin Nr. 2 im Unternehmen (Steuerberatungsbüro) der Klägerin Nr. 1. Der Senat teilt die Einschätzung der Beklagten und des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Die Klägerin Nr. 2 verkennt im Ansatz offenbar, dass der sozialversicherungsrechtliche Status nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen zu beurteilen ist. Bei einer Mehrheit von Tätigkeiten ist jede Tätigkeit in statusrechtlicher Hinsicht gesondert zu würdigen (allgemeines Gebot isolierter sozialversicherungsrechtlicher Betrachtung - vgl. BSG, Urt. v. 4.11.2009, - B 12 R 7/08 R; auch Senatsurteil vom 28.9.2011, - L 5 R 2153/10 -). Auf die Tätigkeiten der Klägerin Nr. 2 im Bereich des Housekeeping und des Begleitservice kommt es für die statusrechtliche Beurteilung der für die Klägerin Nr. 1 ausgeübten Tätigkeit als Diplombetriebswirtin/Buchhalterin daher nicht an.

Die Klägerin Nr. 2 hat ihre Arbeitsleistung für die Klägerin Nr. 1 nicht als selbständige Werkunternehmerin oder selbständige Dienstnehmerin (Subunternehmerin), sondern als bei der Klägerin Nr. 1 abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin erbracht. Dass man ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht hat begründen wollen, ist unerheblich. Die sozialversicherungsrechtlichen Rechtsfolgen einer Beschäftigung ergeben sich aus dem Gesetz und sind nicht abdingbar. Die Vorenthaltung der (gesetzlichen) Arbeitnehmerrechte (wie Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Kündigungsschutz) macht den Beschäftigten nicht zum Unternehmer. Die Klägerin Nr. 1 hat mit der von der Klägerin Nr. 2 als Beschäftigter erbrachten Arbeitsleistung, die in Zu- und Vorbereitungsarbeiten bei der Bearbeitung von Steuerangelegenheiten bestanden hat, die Steuerbratungsmandate ihrer Mandanten erfüllt. Diesen gegenüber ist die Klägerin Nr. 2 nicht in Erscheinung getreten. Sie hat auch kein Zeichnungsrecht gehabt und lediglich Rechtshandlungen oder Erklärungen und Schriftsätze der Klägerin Nr. 1 intern vorbereitet.

Die Klägerin Nr. 2 hat ein das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägendes Unternehmerrisiko nicht getragen. Für die Arbeitsleistung hat sie eine eigene Betriebsstätte bzw. eigene Geschäftsräume nicht unterhalten - die Büroecke in ihrer Dachgeschosswohnung genügt dafür nicht - und auch im Übrigen eigene sächliche Betriebsmittel in nennenswertem Umfang nicht eingesetzt. Die auch in Arbeitsverhältnissen stattfindende Nutzung eines eigenen PKW kann nicht als Kapitaleinsatz zu unternehmerischer Wertschöpfung eingestuft werden. Die Klägerin hat ihre Arbeit vielmehr wesentlich allein mit den Betriebsmitteln der Klägerin, nämlich deren EDV-Anlage und der DATEV-Steuerberatersoftware erbracht. Bei Tätigkeiten der vorliegenden Art, die (auch) die Nutzung von Datenverarbeitungsanlagen und von speziellen Datenverarbeitungsprogrammen und/oder Datenbanken umfassen, steht regelmäßig nicht die Nutzung der mittlerweile auch von vielen Privathaushalten zu privaten Zwecken vorgehaltenen Hardware (Computer, Scanner, Drucker, Internetanschluss), sondern die Nutzung der speziellen (Unternehmens-)Software im Vordergrund, über die Privathaushalte regelmäßig nicht verfügen können. So verhält es sich hier. Für die Tätigkeit der Klägerin Nr. 2 ist nicht die Verfügbarkeit einer PC-Anlage am häuslichen Arbeitsplatz (in einer Büroecke), sondern der Zugriff auf eine spezielle Datenverarbeitungssoftware (DATEV-Software) von Belang; über diese Software hat allein die Klägerin Nr. 1 verfügen können.

Die Klägerin Nr. 2 hat daher vor allem persönliche Mittel, nämlich die eigene Arbeitskraft und dabei ihre Fachkenntnisse (als Diplombetriebswirtin) eingesetzt. Nach dem Gesagten kann auch die Arbeitskraft (ohne wesentliche sächliche Betriebsmittel oder sonstigen Kapitaleinsatz) unternehmerisch genutzt werden. Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist dann aber, ob die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Mittel also ungewiss ist. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 25.4.2012, - B 12 KR 24/10 R -) ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Das ist hier nicht im erforderlichen Maß der Fall gewesen. Die Klägerin Nr. 2 hat nicht wie eine freie Werkunternehmerin oder Dienstleisterin über Art und Umfang ihrer Tätigkeit disponieren können. Sie hat vielmehr auf Abruf für die Klägerin Nr. 1 Zu- und Vorbereitungsarbeiten erledigt, wofür ihr nach erfolgtem Abruf bzw. Annahme des "Auftrags" der Klägerin Nr. 1 kein wesentlicher unternehmerischer Handlungsspielraum mehr verblieben ist. Die Arbeit mit der DATEV-Steuerberatersoftware hat die Klägerin Nr. 2 am Betriebssitz der Klägerin Nr. 1 in deren Steuerberaterbüro erledigen müssen. Dass sie die Akten (Belege), soweit möglich, zu Hause (in ihrer "Büroecke") hat bearbeiten dürfen, ist nicht Kennzeichen unternehmerischer Freiheit, sondern der Flexibisierung der Arbeitsleistung, die in der Arbeitswelt zunehmend auch für abhängige Beschäftigungsverhältnisse typisch ist. Insgesamt hat die Klägerin Nr. 2 ihre Arbeitskraft arbeitnehmertypisch - als auf Abruf tätige Arbeitnehmerin - und nicht mit den Verlustrisiken und den Gewinnaussichten des selbständig Erwerbstätigen genutzt.

Auf dem (Dienst-)Leistungsmarkt ist die Klägerin Nr. 2 mit der hier in Rede stehenden Arbeitsleistung (Zuarbeit für Steuerberaterbüros) nicht als Unternehmerin aufgetreten und hat für ihre Leistung auch hinreichend ins Gewicht fallende Werbung nicht betrieben; die hierfür behauptete "Mundpropaganda" genügt insoweit nicht. Haftungsfragen sind für das Gesamtbild der Arbeitsleistung ebenfalls nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da auch Arbeitnehmer, wenngleich eingeschränkter Haftung unterworfen sind (vgl. etwa BSG, Urt. v. 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R -). Die Anmeldung eines Gewerbes ist für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ebenfalls nicht ausschlaggebend.

Das Fehlen eines (schriftlichen) Arbeitsvertrags besagt für den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin Nr. 2 wenig. Die Vergütung für ihre - nach mündlicher Vereinbarung auf Abruf zu leistende - Arbeit ist als Stundenlohn (30 EUR/Stunde) festgelegt worden. Dass die Vergütung durch Rechnungen geltend gemacht worden ist, betrifft formale Äußerlichkeiten der Entgeltzahlung und ist für die materielle Einstufung des Entgelts als Arbeitsentgelt oder Unternehmervergütung nicht ausschlaggebend. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin Nr. 2 ihre Tätigkeit frei von inhaltlichen Weisungen verrichtet hat. Das ist bei qualifizierteren Arbeitsleistungen der in Rede stehenden Art unvermeidbar und besagt für den sozialversicherungsrechtlichen Status daher nichts.

In der Summe bleibt es daher bei dem Gesamtbild einer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auf Abruf zu erbringenden Arbeitsleistung der Klägerin Nr. 2 für das Steuerberatungsbüro der Klägerin Nr. 1.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ist bei einem Streit mit subjektiver Klagehäufung und einem einheitlichen, unteilbaren Streitgegenstand in einer Instanz ein Kläger (hier die Klägerin Nr. 2) kostenrechtlich privilegiert und ein anderer Kläger (hier die Klägerin Nr. 1) kostenpflichtig, greift - immer bezogen auf den jeweiligen Rechtszug (dazu BSG Urt. v. 26.09.2006 - B 1 KR 1/06 R Juris Rn 32) - wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung die Regelung für Kostenprivilegierte ein (BSG Beschl. v. 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B sowie v. 26.07.2006 - B 3 KR 6/06 B, Bayr. LSG Beschl. v. 02.03.2010 - L 5 R 109/10 B, LSG Baden-Württemberg Urt. v. 30.3.2012 - L 4 R 2043/10; anders für den Fall der objektiven Klagehäufung BSG Urt. v. 26.09.2006 - B 1 KR 1/06 R). Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich hier nicht um einen Fall der objektiven Klagehäufung. Die Klägerinnen wenden sich zwar jeweils nur gegen den an sie selbst adressierten Bescheid, die Bescheide stehen jedoch materiell-rechtlich in einem unteilbaren inneren Zusammenhang, weswegen die Beklagte sie mit identischem Verfügungssatz und identischer Begründung gegenüber beiden Klägerinnen erlassen hat und über sie auch nur prozessual einheitlich entschieden werden kann. Die Kostenentscheidung des SG war deshalb zu ändern.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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